Bundespräsident Joachim Gauck würdigt die große Bedeutung der Selbsthilfebewegung in Deutschland Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung hatte Bundespräsident Joachim Gauck den Bundesvorstand und die Bundesgeschäftsführung der BAG SELBSTHILFE zum Gedankenaustausch ins Schloss Bellevue geladen. Seit langem ist der Bundespräsident dafür bekannt, dass er der Rolle der Zivilgesellschaft eine große Bedeutung in unserer Gesellschaft beimisst. Daher war es ein wichtiges Anliegen der Vertreterinnen und Vertreter der BAG SELBSTHILFE, im Rahmen des Gedankenaustauschs mit dem Staatsoberhaupt zu verdeutlichen, dass die Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und ihrer Angehörigen zu den wichtigen Säulen eben dieser Zivilgesellschaft gehört. Bundespräsident würdigt Engagement und Selbsthilfe-Kampagne Damit rannte man beim Bundespräsidenten bereits offene Türen ein. Denn zum einen hob dieser ausdrücklich hervor, wie sehr er das ehrenamtliche Engagement in der Selbsthilfe schätze und welche Hochachtung aus seiner Sicht der Selbsthilfe zuteil werden müsse. Zum anderen hatte der Bundespräsident die BAG SELBSTHILFE als eine weniger Organisationen und Initiativen bereits im Sommer 2013 eingeladen, die Kampagne „WIR FÜR MICH. SELBSTHILFE WIRKT.“ bei seinem Bürgerfest mit einem eigenen Stand vorzustellen. Dies griff der Bundespräsident noch einmal auf und lobte die Kampagnenfilme, die aus seiner Sicht ganz hervorragend gelungen seien. Selbsthilfe ist sozialpolitische Interessenvertretung Mit großem Interesse informierte sich Joachim Gauck auch über die Strukturen der Selbsthilfeverbände in Deutschland und die aktuellen Problemlagen und Herausforderungen, denen sich die Selbsthilfe aktuell zu stellen hat. Der Vorsitzende der BAG SELBSTHILFE, Herr Volker Langguth-Wasem, erläuterte hierauf aufbauend, dass Selbsthilfe nicht nur auf dem Austausch von Erfahrungen zum Umgang mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen zu reduzieren ist, sondern dass die sozialpolitische Interessenvertretung auf allen staatlichen Ebenen sowie Aufklärung und Information der Öffentlichkeit ebenfalls zu den Kernanliegen der Selbsthilfebewegung gehören. Wichtige Werte wie Selbstbestimmung, Selbstvertretung, Inklusion, Rehabilitation und die umfassende Teilhabe behinderter und chronisch kranker Menschen in der Gesellschaft – hierfür tritt die BAG SELBSTHILFE gemeinsam mit ihren Mitgliedsverbänden ein. Staatsoberhaupt soll Perspektivwechsel im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention unterstützen Sehr informiert zeigte sich der Bundespräsident zum Stellenwert der UNBehindertenrechtskonvention bei der Verwirklichung dieser Werte. Die Vertreterinnen und Vertreter der BAG SELBSTHILFE warben daher dafür, dass sich das Staatsoberhaupt für einen Perspektivwechsel einsetzt: Chronisch kranke und behinderte Menschen dürfen nicht länger Objekte der Unterstützungs- und Hilfesysteme sein. Sie sind in erster Linie Bürger dieses Staates mit den gleichen Rechten und Pflichten wie andere Bürger auch. Dies gilt unabhängig von der Schwere und Art einer chronischen Erkrankung oder Behinderung. Es muss Ziel und vordringliche Aufgabe der Gesundheits- und Behindertenpolitik sein, allen Menschen die Teilhabe an den staatlichen Angeboten und am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten. Um diese Teilhabe auch für chronisch kranke und behinderte Menschen zu ermöglichen, sind der Staat und die Politik auf allen föderalen Ebenen gefordert. Es müssen entsprechend des individuellen Bedarfs chronisch kranker und behinderter Menschen geeignete Unterstützungsmaßnahmen (ärztliche Versorgung, Reha, Eingliederungshilfe, Pflege, Hilfsmittel etc.) bereitgestellt und im öffentlichen Lebens-, Sozial- und Verkehrsraum ein möglichst barrierefreier Zugang sichergestellt werden. Es besteht Handlungsbedarf In diesen Bereichen besteht hinsichtlich der Bedürfnisse von chronisch kranken und behinderten Menschen nach möglichst selbst- und eigenständiger Lebensführung ein großer Handlungsbedarf. Die Diskussionen zur Reform der Eingliederungshilfe oder zur Schaffung eines neuen Leistungsteilhabegesetzes (Teilhabegeld) in Verbindung mit der Einführung eines neuen Pflegebegriffs sind Ansätze in die richtige Richtung. Teilhabe bedeutet aber auch, dass behinderte und chronisch kranke Menschen bei all den staatlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen, die für diesen Personenkreis initiiert werden, ein Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird. Dies führte die Diskussion zum wichtigen Thema der Beteiligung. Der Bundespräsident begrüßte das Anliegen einer starken Bürgerbeteiligung und informierte sich ausführlich zu den Errungenschaften, aber auch zu den Defiziten bei der Umsetzung der Patienten- und Betroffenenbeteiligung im Gesundheits- und Sozialwesen. Joachim Gauck gibt Hoffnung, wichtige Themen aufzugreifen Es fiel auf, dass der Bundespräsident die Einladung nicht nur als symbolischen Akt ansah, um am Welttag der Menschen mit Behinderungen seine Wertschätzung für die BAG SELBSTHILFE und die Selbsthilfebewegung insgesamt zum Ausdruck zu bringen. Joachim Gauck verband den Termin ganz bewusst auch als Arbeitstermin, um sich zu den Strukturen, Zielen und Problemlagen der Selbsthilfe sowie zur Situation von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen in unserem Lande „schlau“ zu machen. Des Öfteren hakte er ein, wenn allgemeine Zusammenhänge geschildert wurden und fragte gezielt nach Hintergründen und Einzelsachverhalten nach. Dies betraf auch so wichtige Themen wie die Umstellung des Bildungssystems hin zur inklusiven Bildung oder die erforderliche Strategie zur Schaffung von Barrierefreiheit in allen Lebenswelten. Gerne nahm er dabei Bezug auf Erfahrungen aus seinem Leben bzw. von Menschen aus seinem Bekanntenkreis. Derlei Erfahrungen wussten natürlich auch die Mitglieder des Bundesvorstands der BAG SELBSTHILFE zuhauf zu berichten. So wurde aus dem Fachgespräch ein echtes Kennenlernen. Es bleibt zu hoffen, dass wir alle hieran auch künftig anknüpfen können. Die Chancen stehen gut, dass das Staatsoberhaupt in naher Zukunft auch von sich aus Themen wie die Förderung der Selbsthilfe oder Inklusion als gesellschaftliches Ziel von sich aus aufgreifen wird. Dr. Martin Danner Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE