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20.12.2006
Krankenbericht
Patientendaten
Rasse: Dt. Holstein Schwarzbunt
Alter: geboren am 23.01.2003
Gewicht: 700kg
Ohrmarke: xxx
Kliniksnummer: xxx
Anamnese
Laut Vorbericht des Besitzers habe die Kuh am 10.12.2006 gekalbt, das Kalb sei sehr groß
gewesen und es wäre zu einer Nachgeburtsverhaltung gekommen.
Danach sei eine kurzzeitige Besserung des Gesundheitszustandes der Kuh eingetreten,
dann aber die Futteraufnahme und Milchleistung zurückgegangen. Der Kot sei normal, das
Euter ohne besonderen Befund und die Temperatur der Kuh läge bei 39,8 °C.
Der Haustierarzt hätte am 13.12.2006 eine linksseitige Labmagenverlagerung festgestellt,
weshalb das Tier noch am gleichen Tag in die Klinik eingewiesen wurde.
Die Kuh werde in einem Boxenlaufstall mit Spaltenboden gehalten und brächte eine
Milchleistung von durchschnittlich 10500 kg.
Untersuchung in der Klinik
Der Pansen weist bei Überprüfung der Motilität ein Knistern auf, die Füllung ist schlecht, der
wenige Inhalt knetbar. Die Schichtung ist erhalten. Bei der Pansenauskultation und
Schwingauskultation fällt auf der linken Seite, auf ¾ der Höhe der rippengestützten
Bauchwand ein charakteristisches „Steelband“- Geräusch auf.
Das Leberdämpfungsfeld bei der Leberperkussion ist erhalten.
Die rektale Untersuchung bleibt ohne besonderen Befund, der Unterdruck ist erhalten.
Der Kot ist dünnbreiig, fein, und von oliver Farbe.
Die Blutuntersuchung zeigt einen Kaliumwert von 3,56 mmol/l (Referenzbereich 4-5 mmol/l)
und einen Calciumwert des ionisierten Calciums von 0,88 mmol/l (Referenzbereich 1,1-1,3
mmol/l). Alle anderen Blutwerte (Ery, Hb, Hkt, Leuko, GB) liegen im Normbereich.
Diagnose
Dislocatio abomasi sinistra, Hypokaliämie, Hypokalzämie
Therapie
Ambulante laparoskopische Behandlung, Methode nach Janowitz
In Ermangelung eigener Untersuchungen an diesem Tier möchte ich im Folgenden auf
die Ätiologie und Pathogenese der linksseitigen Labmagenverlagerung und auf die
Operationsmethode nach Janowitz eingehen, da ich nur während der Operation
zugegen war. Des Weiteren werde ich auch andere Methoden zur Behandlung einer
linksseitigen Labmagenverlagerung kurz aufführen.
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Dislocatio abomasi sinistra (LDA)
Ätiologie und Pathogenese
Die LDA ist weltweit verbreitet und kommt vor allem bei intensiver Rinderhaltung und
Rinderzucht vor. Besonders betroffen ist die Holstein-Rasse und Hochleistungsmilchkühe mit
mehr als 6000kg Milch. Die Hälfte aller Tiere mit LDA erkranken während der ersten zwei
Wochen nach dem Partus, 80% immerhin während des ersten Monats post partum.
Zwischen 2-10% bekommen schon während der letzten 3 Wochen vor dem Kalben eine
linksseitige Labmagenverlagerung. Im Winter nimmt die Häufigkeit von LDA zu und sinkt im
Sommer während der Grünfutterperiode wieder ab.
Die LDA ist das Ergebnis eines multifaktoriellen Geschehens aus endogenen und exogenen
Risikofaktoren. Eine Rolle spielen zum Beispiel Fütterungsfehler (wenig Raufutter, viel
Kraftfutter; übermäßiger Zufluss von Propion- und Buttersäure hemmen die
Labmagenmotorik), mechanische Einwirkungen (Transport, Liegen auf der rechten Seite),
Begleiterkrankungen (Ketose, Retentio secundinarum), genetische Faktoren,
Stoffwechselstörungen, die individuelle Anatomie und der Gewebetonus des Tieres.
Füllt sich der Fundus und Corpus abomasi mit Gas (v.a. Kohlendioxid und Methan), kommt
es zu einer zunehmenden Verlagerung des Labmagens nach kaudodorsal zwischen Pansen
und linker Bauchwand.
Das Ausmaß der Verlagerung und der Gasfüllung können von Fall zu Fall verschieden sein
und auch während der Erkrankung wechseln.
Die Verlagerung des Labmagens kann deshalb zustande kommen, weil selbiger nur kranial
am Ostium omasoabomasicum starr fixiert ist. Der mittlere und hintere Teil, genau wie die
Pars ascendens des Duodenums sind jedoch mit dem dehnbaren großen und kleinen Netz
beweglich aufgehängt. Außerdem befindet sich das Ostium omasoabomasicum nicht am
höchsten Punkt des Labmagens, sondern seitlich. Das führt dazu dass Gas aus dem
Blättermagen nur teilweise über den Psalterkanal entweichen kann und sich im Fundus des
Labmagens ansammelt. Durch die Gasansammlung gelangt nun der Fundus unter den
Schleudermagen und ventralen Pansenblindsack auf die linke Seite zwischen Pansen und
Bauchwand. Diesem Geschehen förderlich ist der Umstand, dass die Magenwand im
Bereich des Fundus und Corpus weniger Muskulatur als vielmehr Bindegewebe mit
elastischen Fasern hat und sich so viel weiter ausdehnen kann.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass eine Hypotonie und Dilatation des
Labmagens mit einem Ansammeln von Gas wahrscheinlich ursächlich für eine linksseitige
Labmagenverlagerung sind.
Symptome
Vorberichtlich wird oft genannt, dass die Kuh vor kurzem gekalbt hat, schlecht oder
wechselhaft frisst und ihre Milchleistung zurückgegangen ist. Oft wird auch eine
Gewichtsabnahme bemerkt. Häufig kam es schon während oder nach der Geburt zu
Problemen wie eine Gebärlähmung oder eine Nachgeburtsverhaltung.
Das Allgemeinbefinden der Kuh ist je nach Schweregrad der Labmagenverlagerung
geringgradig bis hochgradig gestört. Die Bauchdecke kann gespannt und aufgeschürzt sein.
Das Herz-Kreislauf-System, Lymph- und Respirationsorgane sind gewöhnlich ohne
besonderen Befund, es sei denn es liegen zusätzliche Begleiterkrankungen vor. Bei einigen
Tieren zeigt sich eine vagotone Bradykardie (40-60 Schläge/min).
Adspektorisch kann man bei einer hochgradigen Labmagenverlagerung beobachten dass die
abdominalen Rippen nach dorsal aufgebogen sind und die Bauchwand im Vergleich zur
rechten Seite vorgewölbt scheint. Der Pansen kann vom aufsteigenden Labmagen verdrängt
werden, deshalb kann die Hungergrube deutlich eingesunken sein. Es sei denn der
Labmagen ist bereits so weit hochgestiegen und dilatiert dass er sich über die letzte Rippe
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hinaus ausdehnt und die Hungergrube zum Teil oder ganz ausfüllt, was den Anschein einer
Pansentympanie erweckt.
Liegt eine geringgradige Labmagenverlagerung vor, so können in der Hungergrube eventuell
noch Pansengeräusche auskultiert werden, die an der rippengestützten Bauchwand dann
leiser oder gar nicht mehr zu hören sind.
Bei der Perkussionsauskultation kann man die typischen „Steelband“-Geräusche hören
(CAVE: auch andere Erkrankungen können diese Geräusche verursachen) und auch helle
Plätschergeräusche bei der Schwingauskultation.
Rektal kann man unter Umständen den nach medial vom Labmagen abgedrängten Pansen
palpieren oder das straff gespannte große Netz. Bei einer hochgradigen LDA kann
manchmal auch der aufgegaste Labmagen selbst links vom Pansen gefühlt werden.
Zieht sich die Erkrankung über einen längeren Zeitraum hin, kann ein typisch schmierigpastöser dunkler und fein zerkleinerter Kot beobachtet werden.
Diagnose
Neben der beidseitigen Schwing- und Perkussionsauskultation und der rektalen
Untersuchung, kann man mit einer Schlundsonde Luft in den Pansen blasen und dabei
gleichzeitig den Pansen auskultieren. Hört man die gluckernden Geräusche im vorderen
Bereich des Pansen leiser als im hinteren, kann das auf einen vom Labmagen abgedrängten
Pansen hinweisen. Man kann auch den Pansensaft untersuchen, steigt der Chloridgehalt
über 30 mmol/l, lässt das auf einen Rückfluss von Labmageninhalt in den Pansen infolge
einer Passagebehinderung schließen, eine Pansenazidose kann die Folge sein.
Im Urin können Ketonkörper aufgrund des Energiemangels festgestellt werden, es handelt
sich hierbei um eine sekundäre Ketose.
Auch eine Blutuntersuchung kann den Verdacht auf eine LDA bestätigen:
Hypochlorämie, Hypokaliämie und Basenüberschuss (positiver BE, Normwert liegt
bei 0, +/-3) sprechen für eine metabolische Alkalose und das so genannte abomasoruminale
Refluxsyndrom. Bei der Salzsäuresekretion im Labmagen wird für jedes dem Kreislauf
entnommene Chlorid-Ion ein Bikarbonat-Ion dem Blut zurückgegeben. Damit die basischen
Bestandteile im Blut nicht über einen Grenzwert hinaus zunehmen werden im vorderen Darm
Chlorid-Ionen aus den Faeces rückresorbiert und im hinteren Darmabschnitt HCO3- – Ionen
in das Darmlumen abgegeben. Verhindert aber eine Labmagenverlagerung den Übertritt des
Labmageninhaltes in den Darm, findet weder die Chlorid-Ionen-Rückresorption statt noch die
HCO3-– Ionen-Sekretion. Es kommt so zur Hypochlorämie und Hypokaliämie.
Zur weiteren Diagnostik kann in einem der hinteren Interkostalräume eine Punktion
vorgenommen werden, eine Laparoskopie oder Sonographie durchgeführt werden oder man
greift auf eine Röntgen-Untersuchung zurück. In einzelnen schwierigen Fällen kann auch
eine diagnostische Laparotomie nötig sein.
Bezug zu meinem hier vorgestellten Patienten
Schon der Vorbericht weist einige typische Anhaltspunkte für eine linksseitige
Labmagenverlagerung auf: die Kuh hat erst vor 3 Tagen gekalbt, zudem trat noch eine
Retentio secundinarum auf. Die Kuh gehört der Rasse Dt. Holstein an und ist deshalb unter
Umständen schon genetisch disponiert, auch aufgrund der hohen Milchleistung.
Die Futteraufnahme und Milchleistung gingen seit der Erkrankung zurück.
Das charakteristische „Steelband“-Geräusch ist bei der Auskultation zu hören und
schlussendlich verhärtet auch die Hypokaliämie den Verdacht der LDA.
Therapie
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Therapieverfahren:
 Reposition durch Ablegen und Bauchmassage,
 Reposition durch Wälzen und perkutane Fixation des Labmagens mittels gebogener
Nadel (nach HULL, 1972),
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Reposition durch Wälzen und perkutane Fixation mittels „toggle pin“ (nach GRYMER &
STERNER, 1982),
Laparotomie von links mit ventraler Omentopexie (“Utrechter Methode“ nach
LAGERWIJ & NUMANS, 1962, 1968)
Laparotomie von ventral mit Abomaso-/Omentopexie (nach STRAITON & McINTEE,
1959)
Laparotomie von rechts mit rechtsseitiger Omentopexie („Hannoversche Methode“
nach DIRKSEN, 1962, 1967)
Reposition und perkutane Fixation des Labmagens unter endoskopischer Kontrolle
(nach JANOWITZ, 1998)
Ich möchte hier die letzte der genannten Therapieverfahren nach JANOWITZ näher
beschreiben, da mit dieser Methode auch mein Berichtspatient behandelt wurde.
Reposition und perkutane Fixation des Labmagens unter endoskopischer Kontrolle
(nach JANOWITZ, 1998)
Vorbereitung am stehenden Tier: an der linken Bauchwand werden 2 Punktionsstellen, 10 x
10 cm groß mit Wasser und Seife gewaschen, rasiert und desinfiziert, und zwar an Position 1
eine Handbreite unterhalb der Lendenwirbelquerfortsätze, unmittelbar hinter der letzten
Rippe. An Position 2 auf gleicher Höhe im vorletzten Interkostalraum. Auf beiden Stellen wird
ein gefenstertes Abdecktuch an der Haut befestigt.
Es folgt die Lokalanästhesie der beiden Positionen mit jeweils 20ml Procasel® 2% ohne
Sperrkörperzusatz und die erneute Desinfektion.
In der Mitte der beiden Operationsfelder wird mit dem Skalpell die Haut ca. 1,5cm lang
eingeschnitten. Das Abdomen wird in Position 1 mit einer Nadel nach Verres (120mm lang,
Durchmesser 2,5 mm) in kranio-medio-dorsaler Richtung punktiert, hörbar strömt Luft in die
Bauchhöhle. (ob die Luft ein- oder ausströmt kann mit einer flüssigkeitsgefüllten Spritze
überprüft werden) Mittels Luftinsufflator wird ein Pneumoperitoneum angelegt (zwischen 515mm Hg)
Die Nadel nach Verres wird wieder entfernt und dafür ein Magnetventiltrokar mit Dorn und
Hahn eingestochen. (Nutzlänge 120mm, Innendurchmesser 8mm) Der Dorn wird entfernt
und ein starres Spezialendoskop mit Kaltlichtquelle über die Trokarhülse eingeführt.
Nun kann der Labmagen und seine Umgebung beurteilt werden, ist die Labmagenkuppel
wegen zu starker Aufgasung nicht komplett überschaubar, kann durch Position 2 eine
Gasablasskanüle in den Labmagen gestochen werden um ihn so zu entgasen.(300mm lang,
Durchmesser 2,4mm) Gasablasskanüle danach wieder entfernen.
In Position 2 wird ein Toggle-Setztrokar mit scharfem Dorn (350mm lang, Durchmesser
5mm) unter laparoskopischer Kontrolle in die Bauchhöhle gestochen und dann weiter in die
Labmagenkuppel eingestochen. Der Dorn wird anschließend entfernt.
Ein Labmagen-Sicherheitstoggle (Metallknebel, 40mm lang mit einem doppelten 800mm
langen Supramidfaden der Stärke 7 metric) wird mit einem Schubdorn über die Trokarhülse
in das Lumen des Labmagens vorgeschoben. Dabei wird der Labmagen über die
Trokarhülse auch vollständig entgast und sinkt nach ventral ab, die Trokarhülse wird dabei
aus dem Labmagen gezogen, der Supramidfaden liegt nun in der Bauchhöhle.
Jetzt entfernt man das Spezialendoskop mit Magnetventiltrokar aus Position 1 und den
Toggle-Setztrokar aus Position 2. Das Tier wird mithilfe eines Operationswagens in
Seitenlage und danach in Rückenlage abgelegt. Eine Sedation des Tieres ist nicht unbedingt
erforderlich.
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Wie schon die Operationsfelder von Position 1 und 2 werden nun zwei weitere, gleich große
Operationsfelder gesäubert, rasiert und abgedeckt, und zwar die Position 3 eine Handbreite
rechts der Medianen, 20 cm kranial des Nabels und die Position 4 eine Handbreite links der
Medianen, auch 20 cm kranial des Nabels. Beide Felder werden mit jeweils 10ml Procasel®
2% ohne Sperrkörper betäubt und in der Mitte mit dem Skalpell eingeschnitten.
Nach demselben Prinzip wie vorher wird an Position 3 ein Spezialendoskop und an Position
4 eine Fasszange eingebracht. Der Faden wird in der Bauchhöhle gesucht, möglichst weit
hinten erfasst (um Beschädigungen zu vermeiden) und vorsichtig mitsamt der Trokarhülse
aus der Bauchhöhle gezogen (gleichzeitig, damit die Trokarhülse den Faden nicht
beschädigt). Das freie Fadenende wird mit einer Arterienklemme außen am Tier fixiert. Das
Spezialendoskop wird daraufhin herausgezogen und die Luft über die verbleibende
Trokarhülse durch Druck auf die ventrale Bauchwand möglichst vollständig entfernt. Dann
auch die Trokarhülse herausziehen.
Das Tier wird aus der Rückenlage zurück in die rechte Seitenlage gedreht, der Labmagen
wird mit dem Faden vorsichtig an die Bauchwand herangezogen, bis auf dem Faden die
schwarze Markierung erscheint. Diese deutet an dass der Labmagen nun 5cm Abstand zur
Bauchwand hat. Eine Mullbinde wird mit zwei Kanülen präpariert, wodurch dann der Faden
gezogen wird um ihn anschließend hinter der Mullbinde zu verknoten.
Alle Stichinzisionen werden grundsätzlich nicht vernäht, es sei denn sie bluten stark.
Abschließend wird auf diese Stellen Aluspray aufgetragen. Das Tier wird zurück in die
stehende Position gedreht und kann dann bei einer ambulanten Operation sofort zurück
nach Hause.
Die Mullbinde wird vom Landwirt nach 4 Wochen abgeschnitten, der Labmagen ist bis dahin
mit der Bauchwand verwachsen.
Schlussbetrachtung
Diese minimalinvasive Operationsmethode nach Janowitz bietet einige Vorteile z.B.
gegenüber der Operationsmethode nach Dirksen. Für die Operation nach Janowitz benötigt
man nur etwa 30 min, mehr als 10 Minuten weniger als bei der Methode nach Dirksen.
Die postoperative Rekonvaleszenz geht schneller vonstatten, so ist die
Grundfutteraufnahme, Kraftfutteraufnahme und Milchleistung signifikant höher bis 6 Wochen
nach dem Eingriff als bei der Methode nach Dirksen. Das bestätigte unlängst eine
kontrollierte klinische Studie von Herrn Seeger.
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