Die parlamentarische Demokratie des Grundgesetzes als „Parteiendemokratie" 1. Politische Parteien — Begriff und grundsätzliche Bedeutung In der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes erfolgt die Staatswillensbildung primär im Parlament und der — ihrerseits vom Parlament abhängigen — Regierung. Das Parlament repräsentiert das Volk. Hierzu wird es durch die periodisch stattfindenden Wahlen legitimiert. Doch muss auch zwischen und unabhängig von den Wahlen die „Rückkoppelung" an den eigentlichen Träger der Staatsgewalt — das Volk — gewährleistet sein. Besondere Bedeutung kommt hier den politischen Parteien zu. Sie sind vornehmlich berufen, die Bürger freiwillig zu politischen Handlungseinheiten zusammenzuschließen mit dem Ziel der Beteiligung an der Willensbildung in den Staatsorganen und „ihnen einen wirksamen Einfluss auf das politische Geschehen zu ermöglichen". Willensbildung im Volk und auf staatlicher Ebene sind in steter Wechselwirkung zu sehen. Sie muss maßgeblich auch durch die Parteien mitgeformt werden. Dies wird in Art. 21 Abs. l GG ausdrücklich anerkannt: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit". Ein Monopol hierauf kommt ihnen jedoch nicht zu (wenngleich ihre Bestrebungen, immer weitere Gesellschaftsbereiche wie Verbände oder Medien zu durchdringen, auf eine Monopolisierung hinauszulaufen droht). Das BVerfG hat die Parteien in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben, ohne dass sie damit Teil der Staatsorganisation würden. Dies entspricht ihrer Stellung im Schnittpunkt von staatlichem und gesellschaftlichem Bereich. Sie verknüpfen diese Bereiche: durch Formung des politischen Willens im Staatsvolk und dessen Einbringung in den staatlichen Bereich. Mit dieser Funktion der Parteien ist auch der verfassungsrechliche Begriff der politischen Partei in seinen Grundsätzen bereits vorgegeben. Das Staatsvolk äußert seinen politischen Willen in Wahlen. Hierbei mitzuwirken, bedeutet für die Parteien die Mitwirkung an Wahlen; dies müssen sie anstreben; — zumindest auf Landesebene. Keine Parteien im dargelegten Sinn sind hiernach Vereinigungen, die sich lediglich an Kommunalwahlen beteiligen (sog. „Rathausparteien"). Werden politische Parteien in den Rang einer Institution des Verfassungslebens erhoben, so setzt dies ein gewisses Ausmaß an organisatorischer Verfestigung voraus. Schließlich bedingt die Teilnahme an politischer Willensbildung auch ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit und Eigenständigkeit der Willensbildung. Von einer inhaltlichen Bewertung der von einer politischen Gruppierung verfolgten Ziele darf jedoch die Anerkennung ihrer Eigenschaft als politische Partei nicht abhängig gemacht werden. Mithin kann folgende Definition der Partei im Sinn des Art. 21 GG festgehalten werden: Parteien sind Vereinigungen — körperschaftliche Personenverbindungen —, deren Zweck es ist, im Sinn bestimmter politischer Ziele an der Vertretung des Volkes in den Parlamenten (Bundestag oder Landtage) mitzuwirken. Eine genauere — verfassungskonforme — Legaldefinition enthält § 2 Abs. l PartG. Das BVerfG definiert Parteien als „ Vereinigungen von Staatsbürgern, die jedenfalls mit Hilfe einer eigenen Organisation in einem bestimmten Sinne Einfluß auf die politische Willensbildung erstreben" (BVerfGE 3, 383, 403; 47, 198, 222; SKei/GNJW 1987,769). 2. Verfassungsfeindliche Parteien und Parteienprivileg Der Begriff der politischen Partei ist also, wie dargelegt, unabhängig von einer Bewertung der von der Partei verfolgten Ziele. Gleichwohl gestattet es das Grundgesetz politischen Parteien nicht unbegrenzt, verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen, mit den Mitteln der demokratischen Ordnung an deren Beseitigung zu arbeiten. Erfahrungen aus der Weimarer Republik liegen der Bestimmung des Art. 21 Abs. 2 GG zugrunde, wonach Parteien mit entsprechender Zielsetzung unter bestimmten Voraussetzungen verboten werden können. Die materiellen Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind Art. 21 Abs. 2 GG zu entnehmen. Die Partei muss bestimmte inhaltliche Ziele verfolgen: die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder eine Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik; sie muss auch die Verwirklichung dieser Ziele anstreben, sei es durch einzelne Aktionen, sei es durch „allmähliches Untergraben der bestehenden Ordnung" . Für den Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind konstituierend (vgl. BVerfGE 2,12 f.; 5, 85,140) — mit der „Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, insbesondere dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung" bestimmte materielle Rechtspositionen; — mit „Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte" grundlegende Prinzipien der Staatsorganisation; — mit „Mehrparteiensystem, Chancengleichheit politischer Parteien und Recht auf Opposition" Prinzipien der politischen Willensbildung. Wenn Art. 21 Abs. 2 GG unter den genannten sachlichen Voraussetzungen ein Parteiverbot für zulässig erklärt, so werden damit andererseits die Möglichkeiten, gegen eine Partei aufgrund der von ihr verfolgten inhaltlichen Ziele einzuschreiten, abschließend geregelt: nur unter den genannten Voraussetzungen kann eine Partei als verfassungswidrig behandelt werden. Eine weitere Privilegierung nimmt Art. 21 Abs. 2 GG vor: allein das Bundesverfassungsgericht ist befugt, die Verfassungswidrigkeit einer Partei festzustellen. Dies hat sehr erhebliche praktische Konsequenzen: solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich verboten ist, darf keine andere staatliche Stelle geltend machen, es handle sich um eine verfassungswidrige Partei. 3. Parteienfreiheit — Chancengleichheit — Parteienfinanzierung Die Bedeutung der politischen Parteien im Prozess der politischen Willensbildung in der parlamentarischen Demokratie bedingt eine gesicherte Rechtsstellung im Verhältnis zum Staat, bedingt insbesondere Gründungsfreiheit und Chancengleichheit. Insbesondere das Erfordernis der Chancengleichheit, das als spezielles Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. l GG i.V.m. Art. 21 GG abgeleitet und im Sinn streng formaler Gleichheit verstanden wird, wurde bereits bedeutsam im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Wahlrechts. Weiter folgt hieraus ein grundsätzlicher Anspruch auf Gleichbehandlung durch Träger öffentlicher Gewalt, wobei eine gewisse Differenzierung nach der Bedeutung der Partei durch § 5 PartG zugelassen wird. Bedeutsam wird dieser Grundsatz der Gleichbehandlung im Ausgangsfall: wenn die Stadt ihre bisher stets politischen Parteien zur Verfügung gestellt hat, ist sie insoweit auch der RBP gegenüber zur Gleichbehandlung verpflichtet. Nicht durchgreifen kann demgegenüber der Einwand, es handle sich um „eine ganz unbedeutende Partei". Eine zulässige Differenzierung nach der Bedeutung einer Partei liegt nicht mehr vor, wenn diese gänzlich von der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung ausgeschlossen wird. Erhöhte Aktualität erlangt der Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien bei der Frage der Zuteilung von Sendezeiten im Rundfunk, wie auch in der — heftig umstrittenen — Frage der Parteienfinanzierung. „Freiheit" und (Chancen-)„Gleichheit" sind auch für die Parteienfinanzierung zu beachten. Die Parteien dürfen nicht in Abhängigkeit vom Staat gebracht werden (aber auch nicht von privaten Großspendern). Gleichheit der Chancen der Parteien im Wettbewerb muss gewahrt bleiben, gleichzeitig aber auch die staatsbürgerliche Gleichheit der Bürger. Ihre verfassungsrechtliche Funktion — Mitwirkung bei der politischen Willensbildung, Artikulation des Bürgerwillens, den sie in die Staatswillensbildung einbringen — nehmen sie nicht nur in Wahlkämpfen, sondern, so jetzt das BVerfG, in ihrer gesamten Tätigkeit war. Deshalb ist ihre Finanzierung unabhängig von Wahlkämpfen zulässig. Es darf sich jedoch nur um eine Teilfinanzierung handeln. Sonst müssten sie sich nicht mehr um Unterstützung durch die Bürger bemühen und liefen Gefahr, sich von ihrer Basis in der Bürgerschaft zu entfernen. Keinesfalls dürfe der Staat ihnen mehr zuwenden, als das, was sie bei sparsamer Mittelverwendung zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen. Aus dem vorstehenden folgt: Zulässigkeit staatlicher Finanzierung, unter Begrenzung auf Teilfinanzierung, bei Vorrang der Eigenfinanzierung. Das bisherige Maß staatlicher Mittelzuwendung liegt — dies lässt das BVerfG deutlich werden — bereits an der Grenze des Zulässigen. Wie der Umfang der den Parteien insgesamt zur Verfügung zu stellenden Mittel, wird auch deren Verteilung unter den Parteien von der Verfassung vorgegeben. Auch hierfür gilt zunächst: Die Unabhängigkeit der Parteien vom Staat und ihre „gesellschaftliche Verwurzelung" muss gewährleistet bleiben. Dies bedeutet konkret: Die staatliche Unterstützung für eine Partei muss sich an deren Erfolg beim Wähler, bei der Erzielung von Spenden und Mitgliedsbeiträgen orientieren. Ferner muss die Chancengleichheit der Parteien und das Recht der Bürger auf gleiche Teilhabe gewahrt bleiben. 4. Demokratische Binnenstruktur Mit dem Gebot demokratischer Binnenstruktur politischer Parteien, Art. 21 Abs. l S. 3 GG, wird die Folgerung gezogen aus der Anerkennung der Parteien als Institution des Verfassungslebens. Innerparteiliche Demokratie bedeutet dabei i. e.: Willensbildung „von unten nach oben", Wegen des Gebots der Parteienfreiheit musste er hierbei einerseits den Parteien die Freiheit zur Gestaltung ihrer inneren Ordnung belassen. Andererseits waren die Parteien als Institution des Verfassungslebens in die Strukturen demokratischer Willensbildung einzubinden. Kennzeichnend für dieses Spannungsverhältnis sind die Regelungen über die Aufnahme und den Anschluss von Mitgliedern. Während der Parteiausschluss, der ggf. auch als „Disziplinierungsmittel" gegen innerparteiliche Opposition eingesetzt werden kann, eingehender geregelt ist, steht die Aufnahme von Mitgliedern grundsätzlich in dem Ermessen der Partei. Grundrechte gelten im Innenverhältnis zwischen den Parteien und ihren Mitgliedern nicht unmittelbar. Die Parteien sind nicht Träger staatlicher Gewalt. Nur mittelbar erlangen im Rahmen des Gebots einer demokratischen Binnenstruktur jene Grundrechte Geltung, die ihrerseits Ausdruck demokratischer Freiheit und Gleichheit sind. 5. Politische Parteien im Verfassungsprozess Ergänzend ist zu verweisen auf die prozessualen Konsequenzen aus der spezifischen Doppelstellung der Parteien als Verfassungsorgane und private Vereinigungen. Streitigkeiten innerhalb einer Partei sind als Streitigkeiten innerhalb einer privaten Vereinigung im Zivilrechtsweg zu entscheiden; dies betrifft etwa die Rechtmäßigkeit eines Parteiausschlusses oder die Gültigkeit einer innerparteilichen Wahl. Im Verhältnis der Parteien zum Staat gilt zunächst, dass ihnen gegenüber einer Verletzung ihrer Rechte durch die Verwaltung der Verwaltungsrechtsweg offensteht. Nach Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs kann Verfassungsbeschwerde eingelegt werden. Soweit jedoch die Parteien in ihrem durch Art. 21 GG gewährleisteten Rechtsstatus als Institution des Verfassungslebens betroffen sind, sind sie antragsberechtigt im Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. l Nr. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerde ist dann ausgeschlossen.