Antithrombozytentherapie bei ACS in den Niederlanden Dr. de Winter: Wenn man sich den derzeitigen Stand in den Niederlanden anschaut, denke ich, dass bei einem ST-Hebungsinfarkt die meisten Patienten medikamentös mit Aspirin, Clopidogrel und Heparin-IV behandelt werden. Aufgrund des niederländischen Gesundheitssystems werden die meisten dieser Patienten vor Ort durch die Sanitäter triagiert. Die verabreichen auf dem Weg ins Katheterlabor intravenös die Medikamente Aspirin und Heparin und geben dann Clopidogrel. Gewöhnlich werden Patienten mit ACS ohne ST-Hebung nicht im Rettungswagen triagiert, sondern auf die Intensivstation, in die Ambulanz oder in sogenannten Chest Pain Units aufgenommen. Diese Patienten werden üblicherweise medikamentös stabilisiert und für eine bestimmte Zeit, meist ein paar Stunden, in Bezug auf klinischen Zustand, serielle EKGs und die medikamentöse Therapie überwacht. Die meisten Kliniken in Holland verabreichen ebenfalls Aspirin IV, Heparin in irgendeiner Form entweder ein unfraktioniertes oder niedermolekulares Heparin - sowie Clopidogrel in einer Sättigungsdosis von 600 mg gefolgt von 75 mg pro Tag. Hier in den Niederlanden wurde die ICTUS-Studie, eine multizentrische Studie mit 1.200 Patienten, durchgeführt mit der Fragestellung frühe invasive Behandlungsstrategie - d. h. so schnell wie möglich Angiografie und Revaskularisierung, je nach Koronaranatomie - oder selektive invasive Strategie, wo der Patient zunächst medikamentös stabilisiert wird und dann, je nachdem, ob eine refraktäre Angina oder ein positiver Belastungstest vorliegt, wird ein Angiogramm mit Revaskularisierung durchgeführt. Die Frage war, ob eine frühe invasive Strategie der selektiven invasiven Strategie überlegen ist. Das Ergebnis der ICTUS war im Grunde genommen, dass wir, weder kurz- noch langzeitig, ein Unterschied feststellen konnten. Es gab in der Mortalität keinen Unterschied und tatsächlich gab es schon früh einen leichten Anstieg an periprozedural bezogenen akuten Myokardinfarkten in der Gruppe mit der frühen invasiven Strategie. Diese Studie fand vor dem Hintergrund einer optimierten medikamentösen Therapie statt, die zurzeit der koronaren Intervention bei allen Patienten aus Aspirin, Heparin und Glycoprotein IIb/IIIa-Hemmung bestand. Während der Studie wurde hier Clopidogrel auf den Markt gebracht, daher verwendeten wir ab diesem Zeitpunkt vor den perkutanen Interventionen dieses Medikament. Wir haben kürzlich eine gepoolte Analyse der Ergebnisse der ICTUS-Studie sowie der FRISC-2 und der RITA-3-Studie, der schwedischen und englischen Studie, beide mit einem Langzeit-Followup, durchgeführt. Dabei konzentrierten wir uns auf die 5-JahresErgebnisse Mortalität oder nicht tödlicher akuter Myokardinfarkt. Wir erstellten eine gepoolte Per-Patient-Datenbank mit über 5.000 Patienten und tatsächlich ergaben die Ergebnisse dieser Metaanalyse, dass, unabhängig davon, ob das Risiko beim Patienten hoch, intermediär oder geringfügig war, die frühe invasive Therapie einen Nutzen brachte. Kurz gesagt, was wir hier in den Niederlanden herausfanden, war, dass bei der gepoolten Analyse der drei großen europäischen Studien mit Langzeit-Followup im Grunde kein Unterschied zwischen früher invasiver und selektiver invasiver Behandlung festzustellen war. Wir fanden heraus, dass eine frühe invasive Strategie hinsichtlich Tod durch Myokardinfarkt innerhalb von 5 Jahren überlegen war. Ich denke, was hier in den Niederlanden und auch anderswo passiert, ist, dass, da es keinen Unterschied gibt, es so viel praktischer ist, diese Patienten ins Katheterlabor zu schicken, ein Angiogramm zu machen und, falls möglich und indiziert, eine Revaskularisierung vorzunehmen. Wenn man sich die derzeitigen Studien zum P2Y12-Rezeptorantagonisten anschaut, denke ich, dass die Ergebnisse der TRITON-Studie von großer Bedeutung sind. Seit September letzten Jahres steht uns hier in den Niederlanden Prasugrel zur Verfügung, das nun so langsam Fuß fasst. Eine der wichtigsten Lektionen, die wir aus der TRITON-Studie gelernt haben, ist, dass eine intensivere und effektivere Thrombozytenaggregationshemmung bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom wirksam ist. Wenn man sich das Ergebnis Prasugrel im Vergleich zu Clopidogrel anschaut, ist zu beobachten, dass die Thrombozytenhemmung effektiver und das klinische Ergebnis nach 1 Jahr Followup besser ist, doch ist auch das Aufkommen von Stentthrombosen bei einer wirksameren Thrombozytenhemmung niedriger. Meiner Meinung nach ist eine antithrombotische Therapie bei ACS wichtig, doch ich denke auch, dass der Schwerpunkt auf der antithrombozytären Therapie liegen sollte. Natürlich gibt es Probleme mit Clopidogrel hinsichtlich Bioverfügbarkeit, dem Metabolismus und dem Problem des genetischen Einflusses bei der Metabolisierung von Clopidogrel. Wenn ich an all die möglichen Quellen ineffektiver oder wenig effektiver Thrombozytenhemmung mit Clopidogrel denke, wird der Einsatz von Prasugrel echt attraktiv. Nehmen Sie die Ergebnisse der PLATO-Studie, in meinen Augen sind die wirklich beeindruckend. Auch das Ergebnis des klinischen Nutzens von Ticagrelor ist eindrucksvoll. Die Reduzierung der Stentthrombose ist vorhanden. Natürlich ist das Medikament in Europa zurzeit noch nicht auf dem Markt und wir wissen nicht, wie lange das noch dauern kann. Es gab einige Diskussionen, ob, falls wir zu einer anderen Form der antithrombozytären Therapie wechseln, wir auf die Zulassung von Ticagrelor in Europa warten und nicht auf Prasugrel umstellen sollten. Ich denke, dass der Hauptgrund dafür ist, dass Patienten mit akutem Koronarsyndrom derzeit nicht nur durch den Kardiologen, sondern von einer Vielzahl von Betreuern behandelt werden. Zunächst ist da der Allgemeinmediziner, dann der Rettungsdienst, dann kommen sie in die Notaufnahme, vom Non-PCI-Center zum PCI-Center, sie werden vom CCUKardiologen behandelt und vom Interventionskardiologen. Dafür müssen ganz klare Protokolle erstellt werden, wo jeder genau weiß, welche Art von Medikament in welcher Dosis zu verabreichen ist. Wenn Sie sich anschauen, wie Patienten mit akutem Koronarsyndrom behandelt werden, können wir nicht zu viel zu schnell ändern. Das ist einer der Gründe, warum wir, wenn wir in Erwägung ziehen, von einer Kombination aus Aspirin und Clopidogrel zu Aspirin und einem potenteren antithrombozytären Wirkstoff zu wechseln, darauf achten müssen, das nicht zu häufig zu tun.