Anna.Haupenthal@t

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Eigenschaften von antisozialen Borderline-Patienten und
Psychopathen: Konsequenzen für das Gesundheitswesen
und das Strafrechtssystem
(Robert D. Hare)
Hausarbeit
Seminar Borderline-Persönlichkeitsstörung
(Wutke WS 2005/06)
Anna Haupenthal
[email protected]
Saarbrücken, den 03.02.2006
Inhaltsverzeichnis
1
1. Einleitung
2. Diagnosestellung
2.1. Vom DSM-III zum DSM-III-R
2.2. Das DSM-IV
3. Die „Psychopathy Checklist“
3.1. Die „Psychopathy Checklist“ und ihre Revision
3.2. Die Screening-Version der „Psychopathy Checklist“
3.3. Psychopathie und PCL-R bei Kindern
4. Psychopathie: quantitative oder qualitative Kategorie?
5. Psychopathie und das Strafrechtssystem
5.1. Psychopathie und Verbrechen
5.2. Der Psychopath als Raubtier
5.3. Verbrechen im Laufe des Lebens
5.4. Rückfall- und Gewaltrisiko
5.5. Weibliche Straftäter und jugendliche Straftäter
5.6. Sexualstraftäter
5.7. Rückfälle im Anschluss an die Therapie
6. Behandlung von Psychopathen
7. Kognitive Neurowissenschaften und das Strafrechtsystem
Anhang
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
2
Die Psychopathie als formales klinisches Konstrukt entstand im 19. Jahrhundert. Hinweise
auf ein solches Krankheitsbild sind jedoch schon in historischen Quellen zu finden.
Egozentrik,
Impulsivität,
Verantwortungslosigkeit,
oberflächliche
Emotionen,
pathologisches Lügen, manipulierendes Verhalten, Fehlen von Mitgefühl sowie von
Schuld- und Reuegefühlen und fortdauernde Verletzung sozialer Normen und
Erwartungen kennzeichnen das Wesen eines Psychopathen. Obwohl die Psychopathie als
eines der am besten validierten klinischen Konstrukte im Bereich der Psychopathologie
gelten kann und juristisch von hoher Relevanz ist, ist sie Gegenstand erheblicher
wissenschaftlicher
und
gesellschaftlicher
Diskussionen
–
nicht
zuletzt
wegen
medienwirksamen Berichten über psychopathische Straftäter.
2. Diagnosestellung der Psychopathie
2.1 Vom DSM-III zum DSM-III-R
Die zweite Ausgabe des Diagnostischen und Statistischen Manuals der Psychischen
Störungen der American Psychiatric Association (DSM-II, 1968) beschrieb Psychopathen
„als gesellschaftlich nicht integrierte, impulsive, nicht zu Schuldgefühlen fähige,
selbstsüchtige und gefühllose Individuen, die ihr Verhalten rationalisieren und unfähig
sind, aus Erfahrung zu lernen“ (Hare, 1996). Das Fehlen expliziter Kriterien für die
Diagnosestellung im DSM-II führte zu Bemühungen von Forschern, Psychopathie auf
andere Weise zu operationalisieren. Hare et al. erstellten allgemeine Bewertungsmaßstäbe
zur Psychopathie auf der Basis klinischer Schilderungen dieser Störung. Andere Forscher
verwendeten
aus
Selbsteinschätzungsfragebögen
zusammengestellte
Skalen,
wie
beispielsweise aus dem „Minnesota Multiphasic Personality Inventory“ (Dahlstrom &
Welsch, 1960) und dem „California Psychological Inventory“ (Gough, 1969).
Die psychometrischen Eigenschaften der meisten dieser Verfahren waren jedoch unsicher
bezüglich ihrer Aussagekraft als Indikator einer Psychopathie. Die daraus resultierenden
dürftigen Zusammenhänge, die sich zwischen den unterschiedlichen Verfahren herstellen
ließen, verhinderten eine solide Zusammenstellung replizierbarer Forschungsergebnisse.
Mit Veröffentlichung des DSM-III im Jahr 1980 wurde eine Liste expliziter Kriterien zur
Diagnosestellung
einer
Psychopathie,
nun
bezeichnet
als
Antisoziale
Persönlichkeitsstörung, eingeführt. Einerseits verbesserte sich dadurch die diagnostische
Situation: es entstand eine Kategorie mit guter Reliabilität, andererseits erlitt die Validität
Einbußen. Denn die im DSM-III beschriebenen Kriterien beschränkten sich auf die
persistierende Verletzung sozialer Normen, wie Lügen, Stehlen, unentschuldigtes
3
Fernbleiben, inkonstantes Arbeitsverhalten. Dieses Muster von Verhaltensindikatoren ist
einer Messung leicht zugänglich. Der Verzicht auf die Aufnahme klinischer Eigenschaften
– unter anderem wegen der schweren Messbarkeit von Persönlichkeitszügen – begrenzte
jedoch die Validität und führte letztlich zu einer Kategorie, die nicht mehr mit dem
traditionellen Konzept der Psychopathie in Einklang war und insofern auch nicht mehr
geeignet, das zu erfassende Konstrukt adäquat abzubilden.
Die Bedeutung dieses Konstruktwandels war nicht bloß akademischer Natur, sondern
hatte auch praktische Implikationen. In der forensischen Population war die
Diagnosestellung
einer
Antisozialen
Persönlichkeitsstörung,
bezogen
auf
Therapieprognose, Anpassung an eine Institution und Vorhersagbarkeit des Verhaltens im
Anschluss an die Entlassung, weitaus weniger nützlich
traditionellerweise
in
das
Konzept
der
als eine Erfassung der
Psychopathie
eingeschlossenen
Persönlichkeitseigenschaften.
2.2 Das DSM-IV
Als Reaktion auf die oben genannten Probleme mit der Diagnosestellung führte die APA
1994 in der Vorbereitungsphase des DSM-IV eine multizentrische Feldstudie durch (Hare,
Hart & Harpur, 1991; Widiger & Corbitt, 1993)
Diese Feldstudie verglich drei Kriterienaufstellungen:
-
die DSM-III-Kriterien für eine Antisoziale Persönlichkeitsstörung
-
die zehn Eigenschaften umfassende Kriteriensammlung zur Psychopathischen
Persönlichkeitsstörung, entnommen der revidierten „Hare Psychopathy Checklist“
(PCL-R, Hare,1991) und einem Entwurf für deren Testversion (PCL-SV, Hart, Cox &
Hare, 1995) (vgl. Anhang A)
-
die ICD-10-Kriterien für die Dissoziale Persönlichkeitsstörung (vgl. Anhang B)
Obwohl die meisten Persönlichkeitseigenschaften, die den traditionellen Symptomen der
Psychopathie
entsprachen
Persönlichkeitsstörung)
(vgl.
zumindest
ICD-10,
ebenso
Modell
zuverlässig
der
waren
Psychopathischen
wie
die
stärker
verhaltensspezifischen Eigenschaften des DSM-III, wurde auf die Aufnahme dieser in die
Liste der Kriterien verzichtet. „Eine Einbeziehung solcher verschiedener Kriterien der
Psychopathie hätte die Validität der Diagnose einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung
stark verbessert, ohne deren Reliabilität zu opfern “ (Hare, 1996). Einer der Gründe für die
Nichtaufnahme bestand darin, dass die Auswertung der Feldstudie ergab, dass deren
4
Einbeziehung
keine
signifikante
Steigerung
einer
Korrelation
mit
„externen
Überprüfungsfaktoren“ wie Selbsteinschätzungsfragebögen zu Einfühlungsvermögen,
Angst und Skrupellosigkeit (machiavellism) ergab. Jedoch sind üblicherweise nur recht
schwache Korrelationen zwischen Selbsteinschätzungsfragebögen und klinischen
Ratingskalen zur Psychopathie, wie etwa PCL-R (Hare, 1985) zu erwarten. Die Kriterien
zur
Psychopathischen
Persönlichkeitsstörung
zeigten
dennoch
eine
stärkere
Übereinstimmung mit den durch Kliniker vorgenommenen Einschätzungen als die
Kriterien des DSM-III.
Andere Aspekte der Validität, etwa Vorhersagbarkeit, wurden im Rahmen der Feldstudie
nicht untersucht. Eine weitere Kritik zum Vorgehen der Feldstudie betrifft die Tatsache,
dass nicht die Kriterien der DSM-IV für eine Antisoziale Persönlichkeitsstörung getestet
wurden, sondern diejenigen des DSM-III. Die sieben DSM-IV-Kriterien (vgl. Anhang C)
wurden zwar aus den zehn DSM-III-R-Kriterien abgeleitet. Da sie aber nicht Gegenstand
der Untersuchung waren, weiß man nicht, wie reliabel und valide diese sieben Kriterien
sind.
Man kann schlussfolgern, dass die DSM-IV-Kriterien weiterhin problematisch bleiben.
Das Fehlen des Begriffs der Psychopathie im DSM-III-R und DSM-IV stellt zudem den
im Strafvollzug tätigen Kliniker vor ein Problem: In einem Text zum DSM-IV heißt es,
dass die Antisoziale Persönlichkeitsstörung „auch als Psychopathie, Soziopathie oder
Dissoziale Persönlichkeitsstörung“ bezeichnet wird. Dem forensischen Kliniker wird es
damit erleichtert, den Begriff der Psychopathie in seinem Gutachten anzuführen. Die Liste
der diagnostischen Kriterien eignet sich wohl, dauerhaft antisoziale Individuen zu
identifizieren. Die meisten von ihnen sind aber keine Psychopathen.
Weiterhin heißt es zum DSM-IV: „Fehlendes Mitgefühl, übersteigerte Selbsteinschätzung
und oberflächlicher Charme sind Eigenschaften, die üblicherweise durch traditionelle
Konzepte der Psychopathie erfasst werden. Sie können in Gefängnissen bzw. forensischpsychiatrischen Einrichtungen, wo kriminelle, delinquente oder aggressive Handlungen
ganz
unspezifisch
auftreten,
besonders
kennzeichnend
für
eine
Antisoziale
Persönlichkeitsstörung sein“ (APA, 1994, 1995, S.731)
Aus dieser Behauptung ist ableitbar, dass ein straffälliger oder forensischer Patient, auf
den die Kriterien der Antisozialen Persönlichkeitsstörung zutreffen, unter Umständen
gleichzeitig einige Persönlichkeitszüge der Psychopathie aufweisen muss, um per
Definition an einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung zu leiden. Es gibt für die Kliniker
keinerlei Richtlinien oder Hinweise auf Hilfsmittel, ob und wie diese Persönlichkeitszüge
5
zu diagnostizieren sind. So hat das DSM-IV, womöglich nicht intendiert, „zwei
unterschiedliche
Sammlungen
diagnostischer
Kriterien
für
die
Antisoziale
Persönlichkeitsstörung etabliert: eine für das allgemeine Publikum und eine weitere für
das
forensische
Setting“
(Hare,
1996).
Die
Diagnose
einer
Antisozialen
Persönlichkeitsstörung außerhalb des Strafvollzugs gilt möglicherweise nicht mehr bzw.
wird aufgehoben innerhalb eines Gefängnisses oder einer forensischen Klinik, sofern
betroffene Individuen nicht auch einige der traditionell der Psychopathie zugeschriebenen
Eigenschaften besitzen. Die Einschätzung, welche Kriterien herangezogen werden, liegt
im Ermessen des einzelnen Klinikers. Dies hat eine gewisse Willkür zur Folge und es ist
denkbar, dass zwei Gutachter bei demselben Patienten zu zwei unterschiedlichen
Diagnosen gelangen, weil
der eine die Notwendigkeit des Vorhandenseins
psychopathischer Persönlichkeitszüge voraussetzt (die bei dem Anklagten vielleicht nicht
vorhanden sind), der andere aber nicht.
Keine der beiden Diagnosestellungen stünde im Widerspruch zu den Richtlinien des
DSM-IV.
Demnach kann man sagen, „dass das DSM-IV nicht nur mit seiner explizit formulierten
Intention, die Antisoziale Persönlichkeitsstörung mit der klinischen Tradition und der
ICD-10 in Einklang zu bringen, versagt hat, sondern gleichzeitig auch noch die Probleme
zuspitzt, die vorgeblich korrigiert werden sollten“ (Hare, 1996).
3. Die „Psychopathy Checklist“
3.1. Die „Psychopathy Checklist“ und ihre Revision
Hare hat 1980 erstmalig ein Forschungswerkzeug für eine Operationalisierung des
Psychopathie-Konstukts beschrieben, das 1985 revidiert und einige Jahre später als HarePCL-R formal veröffentlicht wurde (Hare, 1991).
Die PCL-R ist eine aus zwanzig klinischen Kriterien zusammengesetzte Ratingskala (vgl.
Anhang D), die anhand eines semistrukturierten Interviews und auf der Basis detaillierter
zusätzlicher Informationen aus den Akten ausgefüllt wird.
Jedes Item wird gemäß spezifischen Kriterien auf einer Dreipunkteskala gewertet. Der
Gesamtwert, der zwischen 0 und 40 rangieren kann, erlaubt eine Einschätzung, inwieweit
ein bestimmtes Individuum den Kriterien eines prototypischen Psychopathen entspricht.
Die psychometrischen Eigenschaften des PCL-R sind für männliche Straftäter und
forensische Patienten gut gesichert. Fulero (1995) bezeichnete die PCL-R als „den
aktuellen Stand der Forschung, sowohl klinisch als auch theoretisch“. Zunehmende
6
Hinweise auf die reliable und valide Anwendung des PCL-R auf weibliche Straftäter und
psychiatrische Patienten liegen vor (Cooke, 1995; Douglas, Ogloff & Nicholls, 1997).
Mit nur geringen Modifikationen erweist sich die PCL-R bei erwachsenen wie bei
jugendlichen Straftätern als nützlich.
Innere Konsistenz (Alpha-Koeffizient, mittlere Inter-Item-Korrelation) sowie Inter-RaterReliabilität sind hoch. Nachweise für alle Aspekte der Validität liegen vor. Die
Mittelwerte im PCL-R liegen in der Population nordamerikanischer männlicher und
weiblicher Straftäter zwischen 22 und 24 (Standardabweichung zwischen 6 und 8). Etwas
niedriger liegen die Mittelwerte in der forensisch-psychiatrischen Population in
Nordamerika
bei
etwa
20,
mit
der
gleichen
Standardabweichung.
Unter
Forschungsgesichtspunkten ist ein Wert von 30 im Allgemeinen indikativ für eine
Psychopathie, obwohl einige Forscher auch gute Ergebnisse mit einem auf 25 reduzierten
Cut-off-Wert erzielten.
Ein interkultureller Forschungsansatz belegt, dass das Konstrukt der Psychopathie und der
PCL-R als dessen operationalisiertes Messinstrument allgemeine Gültigkeit haben
(Cooke, 1996, 1998; Cooke & Michie, 1997). Jedoch können die Vergleichswerte zu der
nordamerikanischen Population in europäischen Populationen etwas niedriger sein. Eine
Analyse der Konstruktvalidität des PCL-R bestätigte eine „bemerkenswerte Kontinuität“
des Ergebnisses in unterschiedlichen Kulturen, so dass sich kein Hinweis darauf fand,
„dass der Test in irgendeiner Weise durch Rassenzugehörigkeit oder durch das Vorliegen
einer Geisteskrankheit verzerrt wird“ (Cooke et al., 1997).
Die hohe innere Konsistenz von PCL und PCL-R weist auf die Erfassung eines
eigenständigen Konstrukts hin. Faktorenanalysen bei jeder der beiden Versionen decken
allerdings eine stabile, aus zwei Faktoren zusammengesetzte Struktur auf (Hare, Harpur et
al., 1990; Harpur, Hare & Hakstion, 1989).
Faktor 1 markiert Eigenschaften, die im Zusammenhang mit den affektiv-interpersonellen
Eigenschaften der Psychopathie stehen – wie Egozentrizität, manipulierendes Verhalten,
Gefühllosigkeit und fehlende Fähigkeit zur Reue. Viele Kliniker erachten diese als die
zentralen Bestandteile der Psychopathie.
Faktor 2 besteht aus Eigenschaften, die mit einem impulsiven, antisozialen und instabilen
Lebenswandel oder sozialer Devianz verbunden sind.
Die Interkorrelation beider Faktoren beträgt etwa .5, beide weisen aber unterschiedliche
Korrelationen zu externen Variablen auf. Faktor 1 korreliert beispielsweise positiv mit
prototypischen Ratings der Narzisstischen und der Histrionischen Persönlichkeitsstörung,
7
mit Selbstbeurteilungsfragebögen zu Narzissmus und Skrupellosigkeit, einem Risiko
wiederholter Gewalt und der ungewöhnlichen Verarbeitung affektiven Materials. Die
oben genannten Ergebnisse bestätigen auch die Annahme von Otto Kernberg (1970, 1984,
1989), dass Individuen mit einer Antisozialen Persönlichkeit und einer Narzisstischen
Persönlichkeit elementare Eigenschaften teilen.
Negative Korrelationen finden sich mit Selbstbeurteilungsangaben zu Mitgefühl und
Angst.
Faktor
2
ist
am
Persönlichkeitsstörung,
stärksten
korreliert
kriminellen
mit
und
der
Diagnose
antisozialen
einer
Antisozialen
Verhaltensweisen,
Suchtmittelmissbrauch und einigen Selbstbeurteilungskriterien der Psychopathie. Negativ
korreliert Faktor 2 mit sozialem Status, Bildung und IQ. Die Faktoren können als zwei
Anteile eines übergeordneten Konstrukts, der Psychopathie, betrachtet werden.
Die Studie zur Konstruktvalidität liefert Hinweise, dass die Faktor-1-Items das Konstrukt
besser abgrenzen und erfassen als die Faktor-2-Items. Erstere sind vor allem bei
ausgeprägten Formen des Konstrukts zu finden, Letztere verstärkt bei den leichteren
Formen.
Trotz signifikanter Korrelation der PCL-R-Werte mir der Diagnose der Antisozialen
Persönlichkeitsstörung, ist jener Zusammenhang asymmetrisch. Begründet werden kann
dies dadurch, dass in Populationen die Basisrate der Psychopathie (gemessen mit PCL-R)
deutlich geringer (15-25%) ist als die Häufigkeit der Antisozialen Persönlichkeitsstörung
(50-75%). Wohingegen die meisten psychopathischen Rechtsbrecher und Patienten auch
die Kriterien einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung erfüllen, erfüllen die meisten
Rechtsbrecher mit einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung nicht die Kriterien einer
Psychopathie. Die antisozialen Verhaltensweisen der Antisozialen Persönlichkeitsstörung
sind mit Faktor 2 der Psychopathie (soziales Fehlverhalten) assoziiert, nicht aber
notwendigerweise mir den affektiv-interpersonellen Komponenten des Faktors 1
verbunden. Das heißt, die Antisoziale Persönlichkeitsstörung lässt gerade diejenigen
Persönlichkeitseigenschaften aus, die sich eignen, zwischen Psychopathie und anderen
Kriminellen zu differenzieren.
3.2. Die Screening-Version der „Psychopathy Checklist“
Die vollständige Ausarbeitung einer PCL-R nimmt mehrere Stunden in Anspruch. Daher
wurde eine aus zwölf Items bestehende Screenigversion der PCL-R entwickelt (PCL-SV,
Hart, Cox & Hare, 1995; Hart, Hare & Forth, 1996). Sie ist der PCL-R konzeptuell und
8
empirisch
nahe
und
kann
bei
forensischen
Populationen
ebenso
wie
als
Forschungsinstrument bei zivilen psychiatrischen Patienten eingesetzt werden. Die
Screening-Version besitzt dieselbe Faktorenstruktur wie die PCL-R, mit jeweils sechs
Items zu affektiv-interpersonellen und zu sozial abweichendem Verhalten bei einer
Psychopathie.
Der Gesamtwert kann zwischen 0 und 24 liegen, wobei ein Wert von 18 als Cut-off-Wert
zu betrachten ist.
3.3 Psychopathie und PCL-R bei Kindern
Eine Manifestation der der Psychopathie zugrundeliegenden Persönlichkeitseigenschaften
und Verhaltensweisen bereits in der Kindheit ist wahrscheinlich Der Ausdruck
„psychopathische Kinder“ wird in der Praxis jedoch vermieden.
Dennoch spräche die oben genannte Annahme für ein möglichst frühes Intervenieren.
Zusätzlich zu der Frage, ob man die Entwicklung der Störung überhaupt beeinflussen
kann, stellt sich das Problem, zwischen heranwachsenden Psychopathen und Kindern mit
schweren Störungen im emotionalen Erleben und Verhalten zu unterscheiden (z.B.
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung oder Störung des Sozialverhaltens mit
oppositionell aufsässigem Verhalten).
Frick, O´Brien et al. (1994) entwickelten eine auf Kinder anwendbare Form der PCL-R,
die von Lehrern wie Eltern ausgefüllt werden kann. In einer Population von stationär
eingewiesenen Kindern im Alter zwischen 6 und 13 Jahren konnte nahezu die gleiche
Zwei-Faktoren-Struktur wie bei Erwachsenen identifiziert werden (Harpur, Hare &
Hakstion, 1989).
4. Psychopathie: quantitative oder qualitative Kategorie?
Unterscheiden sich Psychopathen von „normalen“ Menschen im Ausmaß der Störung
(Quantität), das heißt liegen „Normale“ und Psychopathen auf einem Kontinuum, oder in
ihrer Art (Qualität)?
Formale diagnostische Systeme wie das DSM-IV gehen von einer kategorialen Sichtweise
aus, in dem Sinne, dass ein Individuum entweder eine Antisoziale Persönlichkeitsstörung
hat oder nicht. Hingegen geben viele Forscher einem dimensionalen Konzept der
Persönlichkeitsstörungen den Vorzug. Auch die PCL-R ist dimensional konstruiert. Um
einer Antwort näher zu kommen, erarbeiteten Harris, Rice und Quinsey (1994) aus
umfangreichen Krankenakten PCL-R-Werte von 653 männlichen forensischen Patienten.
9
Mit Hilfe von vier unterschiedlichen Klassifizierungsmethoden gelangten sie zu
Ergebnissen, welche die Hypothese einer kategorialen Sicht bestätigten. Jedoch erlaubte
ihre Vorgehensweise lediglich zwei Einteilungen der Patienten: entweder sie gehörten zu
der Einheit der Psychopath oder nicht. Den Cut-off-Wert wählten die Autoren bei etwa 25.
Eine andere Art der Analyse stammt von David Cooke (1994). Er untersuchte zwei
unterschiedliche Aufstellungen von PCL-R-Werten, zum einen die von männlichen
Rechtsbrechern und zum anderen die von einer Durchschnittspopulation schottischer
Strafgefangener. Im Unterschied zu Harris et al. basierten seine PCL-R-Werte auf
semistruktuierten Interviews und seine Klassifizierungen erlaubten mehr als zwei
Einteilungen von Rechtsbrechern. Seine Analyse ergab drei Untergruppen, von denen die
eine eindeutig eine psychopathische Kategorie repräsentierte. Der Cut-off-Wert lag
zwischen 28 und 30.
Zur Beantwortung der Ausgangsfragestellung ist eine eindeutigere Befundlage und damit
weitere Forschung von Nöten.
5. Psychopathie und das Strafrechtssystem
Cruze (1976) kritisierte die mangelnde Nützlichkeit der psychiatrischen Diagnose von
Strafgefangenen für die Vorhersage weiterer krimineller Handlungen. Zu der Zeit seiner
Einschätzung wurde allerdings nahezu 80% aller Verbrecher die Diagnose einer
Soziopathie zugeschrieben.
Heute bestätigt eine umfangreiche Literatur, dass die Diagnosestellung einer Psychopathie
in hohem Maße Vorhersagbarkeit über Therapierbarkeit, das Rezidivrisiko und das
Gewaltrisiko ermöglicht.
5.1. Psychopathie und Verbrechen
Nicht jeder Psychopath gerät zwangsläufig mit der Justiz in Konflikt. Dennoch kann man
eine Tendenz von Psychopathen, Regeln und Erwartungen der Gesellschaft zu verletzen,
nicht leugnen. Die von ihnen begangenen Verbrechen reichen von kleinen Diebstählen
und Betrügereien bis hin zu kaltblütiger Gewalt (Cornell et al., 1993,1996; Dempster et
al., 1996; Serin, 1991).
5.2 Der Psychopath als Raubtier
10
Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der
Psychopathie um ein Produkt aus komplexen Interaktionen zwischen biologischen
Prädispositionen und sozialen Einflüssen handelt (Hare, 1993; Livesley, 1998).
Gemäß Hare (1996) sind „Psychopathen…Raubtiere innerhalb der menschlichen Spezies,
die Charme, Manipulation, Einschüchterung und Gewalt dazu verwenden, um ihre
eigenen selbstsüchtigen Bedürfnisse zu befriedigen. Da ihnen ein ‘Gewissen’ ebenso wie
Gefühle für andere fehlen, nehmen sie sich kaltblütig, was sie wollen und benehmen sich
so, wie sie es wollen – ohne das leiseste Gefühl von Schuld oder Bedauern“.
Obwohl die Prävalenz in der Bevölkerung nur etwa 1% beträgt, sind Psychopathen
überproportional verantwortlich für eine Vielzahl von Verbrechen, Gewalt und sozialem
Elend. Psychopathen sind in allen Rassen, Kulturen, ethnischen Gruppen und
sozioökonomischen
Schichten
vertreten.
In
der
Regel
werden
ihre
Verhaltenseigenschaften und das Ausmaß, in dem sie diese ausleben, durch
gesellschaftliche
Normen
beeinflusst.
Man
muss
hier
unterscheiden
zwischen
Grenzgesellschaften und hochgradig strukturierten Gesellschaften.
In ersteren gelten Psychopathen oft nicht als ungewöhnlich. Gesellschaftlich legitimiert
können sie hier die in ihnen angelegten Verhaltensweisen offen demonstrieren. Nicht
selten gelingt es Psychopathen, in Gesellschaften, die durch politische, soziale oder
ökonomische Instabilität gezeichnet sind, als „Führer“ oder Patrioten in den Vordergrund
zu
gelangen.
In
strukturierten
Kulturen
ist
ein
derartiges
Ausleben
ihrer
Persönlichkeitszüge durch normative Beschränkungen der Gesellschaft nicht möglich und
wird sanktioniert. Dennoch ist auch in diesem Rahmen ihre Neigung zu antisozialen
Verhaltensweisen vorhanden und aktiv. Daher kann man erwarten, dass ein signifikanter
Anteil derer, die sich hier antisozial und kriminell verhalten, Psychopathen sind.
5.3. Verbrechen im Laufe des Lebens
Ein Kriterium gemäß dem DSM-IV ist, dass eine Störung des Sozialverhaltens bereits zur
Vollendung des 15. Lebensjahres erkennbar ist.
Obwohl Psychopathie teilweise durch antisoziales Verhalten definiert ist, sollte man sie
nicht mit kriminellem Verhalten gleichsetzen. Kriminelles Verhalten tritt in der
Gesellschaft weitaus häufiger auf als Psychopathie. Nur eine Minderheit aller kriminell
Handelnden ist den Psychopathen zuzurechnen.
In Abgrenzung zu anderen sich wiederholt kriminell verhaltenden Straftätern, weisen
Psychopathen charakteristische „kriminelle Karrieren“ auf. Dies betrifft das Ausmaß, die
11
Art des kriminellen Verhaltens, den Altersverlauf ebenso wie die Motivation und das
Muster der kriminellen Handlungen (d.h. die Wahl ihrer Opfer und die Art der
Durchführung).
Viele Karrierekriminelle, das heißt Individuen, die den Großteil ihrer Jugend und ihres
erwachsenen Lebens delinquentes Verhalten zeigen, werden ab dem mittleren Alter
weniger antisozial (Blumstein, Cohen et al., 1986; Robin, 1966). Bei der Hälfte der
kriminellen Psychopathen, die Hare untersucht hat, ist zwar eine Abnahme der
Kriminalität im Alter von 35 bis 40 Jahren zu verzeichnen, doch bei ihnen zeigt sich,
anders als bei Nichtpsychopathen, keine Abnahme der Neigung zu gewalttätigem,
antisozialem Verhalten (vgl. Harris, Rice & Cormier, 1991). Es stellt sich also die Frage,
ob der Rückgang straffälligen Verhaltens mit Wandlungen in ihren zentralen
Persönlichkeitszügen einhergeht oder ob sie lediglich neue Methoden erworben haben, um
dem
Gefängnis
fernzubleiben.
Kritiker
würden
übereinstimmen,
dass
die
Persönlichkeitsstruktur von Psychopathen zu stabil sei, um für die im mittleren Alter
gelegentlich auftretenden Verhaltensänderungen verantwortlich zu sein (Hare, 1996).
Eine an 889 männlichen Rechtsbrechern im Alter von 16 bis 70 Jahren durchgeführte
Querschnittsstudie (Psychopathie gemessen mittels PCL-R) ergab, dass die Faktor-2Werte (sozial abweichendes Verhalten) mit zunehmendem Alter deutlich abnahmen, die
Faktor-1-Werte (affektiv-interpersonelle Eigenschaften) hingegen stabil blieben (Harpur
& Hare, 1994). Damit ist zumindest vorläufig die Hypothese bestätigt, dass die Abnahme
der Kriminalität bei Psychopathen nicht notwendig von einer Änderung in den
egozentrischen, manipulativen und gefühllosen Eigenschaften begleitet ist. Zur Stützung
dieser Annahme bedarf es jedoch noch einer ausstehenden längsschnittlichen
Untersuchung.
5.4. Rückfall- und Gewaltrisiko
Die Stärke des Konstrukts der Psychopathie für das Strafrechtssystem liegt in dessen
prognostischer Validität. In einer Studie an 231 Straftätern, deren PCL-Werte vor ihrer
Entlassung auf Bewährung aus einem Staatsgefängnis erfasst wurden, verletzten
insgesamt 46,3%
die Bewährungsauflagen, wobei die PCL-Werte mit .33 mit dem
Entlassungsergebnis (Erfolg vs. Misserfolg) korrelierten (Hart, Knopp & Hare, 1988).
Somit lieferten die Werte einen signifikanten Beitrag zur Ergebnisvorhersagbarkeit, „die
über den durch die kriminelle Vorgeschichte und demographischen Variablen erhebbaren
Prognosen lag“ (Hare, 1996). Zudem führten Hare et al. eine „Überlebensanalyse“
12
(survival analysis) durch. „Überleben“ wurde operationalisiert als Funktion der Zeit im
Anschluss an die Entlassung, in der die Straftäter nicht erneut verhaftet wurden. 25% der
Nichtpsychopathen wurden innerhalb von drei Jahren rückfällig, bei den Psychopathen
waren es 75%. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Studie von Serin, Peters und
Barbaree (1990), die die PCL-R-Werte von 93 Strafgefangenen ermittelten, welche einen
befristeten unbegleiteten Haftausgang bekommen hatten. Die Rate an Fehlschlägen lag bei
Nichtpsychopathen bei 0%, bei Psychopathen hingegen bei 37,5%. Von den 77
anschließend auf Bewährung entlassenen Strafgefangenen lag die Rückfallquote bei
Nichtpsychopathen bei 7%, Psychopathen kamen auf 33%. „Die prognostische
Aussagekraft bezüglich der Psychopathie lag über derjenigen von einer Kombination aus
Variablen, die aus der Vorgeschichte der Probanden und demographisch erhoben wurden,
sowie über derjenigen von verschiedenen standardisierten Tests zur Risikoabschätzung“
(Hare, 1996). Ein weiterer Beleg für ein höheres Rezidivrisiko bei Psychopathen stammt
aus einer Studie von Serin und Amos (1995), die den Lebenslauf von 299 männlichen
Rechtsbrechern über einen Zeitraum von acht Jahren nach der Entlassung verfolgten.
Auch hier unterschied sich die Rückfälligkeit von Psychopathen (65%) und
Nichtpsychopathen (25%) bedeutsam. Bezogen auf Gewaltverbrechen zeichnete sich der
Unterschied noch deutlicher ab.
Harris, Rice und
Quinsey (1993) fanden, dass 31% von 618 aus einem
Hochsicherheitstrakt und einem Untersuchungsgefängnis entlassenen Rechtsbrechern
rückfällig wurden. Zwölf Variablen wurden einer Regressionsanalyse unterzogen und eine
aus neun Punkten bestehende Risikoskala zur Vorhersagbarkeit von Gewalt erstellt.
Insgesamt korrelierten die Werte auf der Risikoskala (Violence Risk Appraisal Guide,
VRAG) und die Rückfälligkeit mit .46. Der wichtigste Einzelfaktor war hierbei die PCL-R
mit einer Ergebniskorrelation von .34.
Auch bei forensischen Patienten stellt das Vorhandensein psychopathischer Eigenschaften
einen wichtigen Risikofaktor für Rückfälligkeit und Gewaltanwendung dar. Die
Korrelation zwischen PCL-R-Werten und Rückfälligkeit in einer Population von 96
männlichen Schizophrenen, die ein Verbrechen im Zustand der Zurechnungsfähigkeit
begangen hatten, lag bei .33 und bei 96 nichtschizophrenen Rechtsbrechern bei .30 (Rice
& Harris, 1992). Obwohl in einer Studie von Hart und Hare (1989) nur 10 von 80
nacheinander in eine forensisch-psychiatrische Klinik aufgenommenen
Patienten
Psychopathen waren, lag der PCL-R-Mittelwert in dieser Population bei 22,0 (SD=6,8)
und deutete damit auf ein signifikantes Ausmaß psychopathischer Symptome hin. Auch in
13
derartigen Populationen zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Höhe des PCL-RWertes und der Rezidivrate. 60% der Patienten, die einen Wert von über 30 hatten,
wurden innerhalb von fünf Jahren rückfällig, dies war nur bei 20% der übrigen Patienten
der Fall.
Die PCL-SV scheint geeignet, Aggression innerhalb der Institution und Gewalt in
forensisch-psychiatrischen Krankenhäusern vorherzusagen. (Halburt, Hart et al.,1998;
Hill, Rogers & Brickford,1996), ebenso wie in der Zeit nach der Entlassung aus einer
psychiatrischen Klinik. Douglas, Ogloff und Nicholls (1997) zeigten, dass die PCL-SV
bei einer Population von 279 zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesenen
Patienten in hohem Maße geeignet war, gewalttätiges Verhalten sowie erneute Festnahme
wegen gewalttätigen Verbrechen vorherzusagen, obwohl sich nur bei wenigen dieser
Patienten ein Wert fand, der die Diagnosestellung einer Psychopathie gerechtfertigt hätte.
Die oben dargestellten Ergebnisse scheinen Argumente für ein dimensionales Verständnis
der Psychopathie darzustellen. Denn auch bei Individuen, deren PCL-Wert unter dem für
Forschungszwecke angenommenen Cut-off-Wert von 30 liegt – per Definition also
Nichtpsychopathen, hat die Ausprägung auf der Skala prognostische Relevanz.
5.5 Weibliche Straftäter und jugendliche Straftäter
Die Rezidivraten von weiblichen psychopathischen Straftätern scheinen ähnlich hoch zu
liegen wie bei den männlichen Äquivalenten. Eine Überlebensanalyse ergab, dass von 75
weiblichen Rechtsbrechern, die mittels PCL-R klassifiziert wurden, innerhalb eines Jahres
60% der Psychopathinnen und nur 25% der Nichtpsychopathinnen rückfällig wurden
(Paris, 1995).
Auch bei jugendlichen Straftätern kann Psychopathie als starker Prädiktor für Rückfälle
und Gewaltbereitschaft gelten. Grotton, McBrick et al. (1997)
untersuchten eine
Population von 359 jugendlichen Rechtsbrechern (Alter 12 bis 18 Jahre, M=15,3 Jahre),
von denen 209 aufgrund eines Sexualverbrechens verurteilt worden waren. Anhand der
PCL-R-Werte (M=21,8; SD=7,1) wurde die Population in drei Gruppen unterteilt:
niedriggradige (0-17; N=124), mittelgradige (18-27;N=172) und hochgradige (28-40;
N=63) Psychopathen. Innerhalb von durchschnittlich sechs Jahren nach der Erhebung der
PCL-R-Werte begingen 72% aller Straftäter zumindest ein Verbrechen. Betroffen waren
55% der niedrig-, 69% der mittel- und 82% der hochgradigen Psychopathen. Die
Differenz zu der jeweiligen anderen Gruppe war hoch signifikant. 41% aller Straftäter
14
begingen zumindest ein sexuelles Gewaltverbrechen (niedriggradige Psychopathen: 11%,
mittelgradige Psychopathen: 18%, hochgradige Psychopathen: 25%). 16% aller Straftäter
begingen in der Nachfolgeperiode zumindest ein Gewaltverbrechen (niedriggradige
Psychopathen: 26%, mittelgradige Psychopathen: 46%, hochgradige Psychopathen: 61%).
Auch hier erwies sich die PCL-R als nützliches Instrument zur Vorhersage von
Verbrechen im Allgemeinen ebenso wie von Sexual- und Gewaltverbrechen im
Speziellen.
5.6. Sexualstraftäter
Psychopathische Sexualstraftäter stellen ein besonderes Problem für Therapeuten und das
Strafrechtsystem
dar.
Als
Folge
deklarierten
einige
juristische
Institutionen
Sexualstraftäter vorzugsweise als „Psychopathen“ und verurteilten sie zu lebenslänglicher
Verwahrung. So geschieht es zu Beispiel im Bundesstaat Minnesota, wenn bei
Sexualstraftätern
eine
„psychopathische
Persönlichkeit“
festgestellt
wird.
Vom
Berufungsgericht von Minnesota wurde die Entscheidung des Gerichts der ersten Instanz
bestätigt, einen Sexualstraftäter mit einer Vorgeschichte von sexueller Gewalt und einem
hohen Wert in der PCL-R als psychopathische Persönlichkeit zu verurteilen. Seit dem
Beschluss des Verfassungsgerichts der Vereinigten Staaten im Juni 1997 ist es
verfassungsgemäß, verurteilte gewalttätige Sexualstraftäter nach Ablauf ihrer Haftstrafe in
psychiatrischen Krankenhäusern zu verwahren, obwohl sie nicht geisteskrank sind.
Unter Vergewaltigern scheint die Prävalenz der Psychopathie (PCL-R>30) recht hoch zu
sein. Forth und Kroner (1994) berichten, dass in einem Staatsgefängnis 26,1% von 211
Vergewaltigern, 18,3% von 163 wegen verschiedener sexueller Vergehen verurteilten
Straftätern
und
5,4%
von
83
Inzeststraftätern
Psychopathen
sind.
Von
60
Sexualstraftätern, die entweder serienmäßige Vergewaltiger waren oder ihr Opfer
umgebracht hatten, waren 35% Psychopathen.
Ein hohes Vorkommen der Psychopathie findet sich zudem bei Straftätern, die vom
Gericht als „sexuell gefährlich“ eingestuft werden. Bestätigt wird dies durch eine Studie,
die fand, dass 43% von 95 Vergewaltigern und 30,5% von 59 Kinderschändern am
Massachusetts Treatment Center for Sexually Dangerous Persons in Bridgewater gemäß
ihres PCL-R-Wertes Psychopathen waren (Prentky & Knight, 1991).
Problematisch ist die vorherrschende Therapieresistenz von Sexualstraftätern (Quinsey,
Harris et al., 1993) sowie die Tatsache, dass Psychopathen dazu neigen, frühzeitig und
häufig rückfällig zu werden. In einer Überlebensanalyse an 178 therapierten
15
Vergewaltigern und Kinderschändern wurden innerhalb von sechs Jahren nach der
Entlassung aus dem Gefängnis mehr als 80% der Psychopathen, aber nur 20% der
Nichtpsychopathen rückfällig, wobei viele dieser Rückfälle sexueller Art waren. Diese
Studie bestätigt die Eignung der Psychopathie als allgemeiner Prädiktor für einen
sexuellen oder gewalttätigen Rückfall. Eine Nachfolgestudie an 288 Sexualstraftätern von
Rice und Harris (1997) erbrachte ähnliche Ergebnisse und den Befund, dass sich ein
Rückfall mit sexuellen Straftaten besonders zuverlässig anhand einer Kombination aus
hohem
PCL-R-Wert und einem phallometrischen Nachweis
Erregbarkeit
(definiert
als
absolute
Präferenz
abartiger
sexuell
sexueller
abnormer
Stimuli
im
phallometrischen Test) vorhersagen ließ.
Gestützt wird die Prädiktionskraft der Psychopathie zusätzlich durch Untersuchungen an
jugendlichen Straftätern. Eine Längsschnittstudie an jugendlichen Sexualstraftätern (Alter
zwischen 13 und 18 Jahren; N=193; Mittelwert PCL-R=21,4; SD=7,0) nach ihrer
Entlassung aus einer Therapie in einer forensischen Einrichtung in Vancouver ergab, dass
die Rezidivrate für Straftaten sexueller Art in den ersten 36 Monaten nach der Entlassung
niedrig war (unter 10%), unabhängig vom Vorliegen einer Psychopathie. Doch innerhalb
dieses
Zeitraums
wurden
70%
der
Psychopathen,
dagegen
Nichtpsychopathen
aufgrund
nichtsexueller
Straftaten
Wiederverurteilung
aufgrund
nichtsexueller
Verbrechen
erneut
ist
nur
40%
verurteilt.
bei
der
Eine
jugendlichen
Sexualstraftätern und bei den meisten der Psychopathen also häufiger als aufgrund eines
sexuellen Delikts. Dies spräche dafür, dass diese Individuen weniger spezifische
Sexualstraftäter als Rechtsbrecher im Allgemeinen waren, die generell dazu neigen,
gesellschaftliche und rechtliche Normen zu verletzen. Das hätte zur Folge, dass ihre
antisozialen Verhaltensweisen in der Therapie ebenso wie ihre sexuelle Abartigkeit
berücksichtigt werden müssten.
5.7. Rückfälle im Anschluss an die Therapie
Die Tatsache, dass es bisher nur wenige Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Therapie oder
Intervention bei Psychopathen gibt (Hare, 1993; Lisel, 1996, 1998), impliziert nicht, dass
man die egozentrischen, kaltherzigen Eigenschaften und Verhaltensweisen von
Psychopathen nicht beeinflussen könne. Es bedeutet nur, dass bisher ein methodisch
schlüssiges Therapie- oder Resozialisierungsprogramm fehlt, für das eine Wirksamkeit bei
Psychopathen nachgewiesen werden konnte.
16
Nichtsdestotrotz nehmen viele Psychopathen an einer Vielzahl unterschiedlicher
Therapieprogramme teil, fügen sich ausgezeichnet ein, machen vermeintliche Fortschritte
und überzeugen ihre Therapeuten so, sie auf Bewährung zu entlassen – ohne, dass sich ihr
Persönlichkeit tatsächlich gewandelt hätte.
Ogloff, Wong und Greenwood (1990) fanden, dass Psychopathen (PCL-R>30) wenig von
einem
ambulanten
Therapieprogramm
zur
Behandlung
persönlichkeitsgestörter
Rechtsbrecher profitierten. Sie brachen das Programm früher ab, waren weniger motiviert
und zeigten weniger Fortschritte als die anderen Rechtsbrecher. Eine Überlebensanalyse
veranschaulicht diese Problematik: im ersten Jahr nach der Entlassung lagen die zu
erwartenden Rückfälle bei Psychopathen mit 83% doppelt so hoch wie bei anderen
Rechtsbrechern. Die Wirkungslosigkeit der üblichen Therapieprogramme belegt
außerdem eine bekannte Studie von Rice, Harris und Cormier (1992), die retrospektiv die
Patienten eines forensisch-psychiatrischen Hochsicherheitstraktes mit Hilfe der PCL-R
auf der Grundlage von Krankenakten bewerteten. Als Psychopathen wurden Patienten mit
Werten über 25 definiert. Sie zogen anschließend einen Vergleich der Rezidivraten,
bezogen auf Gewaltverbrechen, von 166 Patienten, die an einer intensiven und
langandauernden Therapie teilgenommen hatten und von 199 Patienten, die keinerlei
Intervention erhalten hatten. Die therapierten Nichtpsychopathen (22%) wurden seltener
rückfällig als die nichttherapierten (39%). Ein umgekehrter Effekt zeigte sich bei
Psychopathen. Hier war die Rezidivquote für die Therapierten (77%) höher als für die
Nichttherapierten (55%). Eine Erklärung sieht Hare darin, „dass Gruppen- und
introspektionsfördernde Therapieprogramme den Psychopathen dabei helfen, ihre
Fähigkeiten auszubauen, andere zu manipulieren, zu täuschen und zu benutzen, aber
wenig dazu beitragen, dass sie sich selbst verstehen.“
Aufgrund der spezifischen Population und dem ungewöhnlichen, komplexen und
umstrittenen Therapieprogramm, die als Basis den Ergebnissen von Rice et al. (1992)
zugrunde liegen, bedarf es zur Stützung dieser Annahme weiterer Forschung.
6. Behandlung von Psychopathen
Im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsbrechern, ist der Leidensdruck von
Psychopathen gering. Aufgrund ihres mangelnden Reue- und Schuldempfindens
hinterfragen sie ihre Verhaltensweisen nicht. Traditionell verfolgen Therapieprogramme
in Gefängnissen aber den Zweck, Mitgefühl, Gewissen und interpersonelle Kompetenzen
17
zu entwickeln. Trotz des Wissens, dass solche Therapien bei Psychopathen wenig
Aussicht auf Erfolg haben, sind sie zur Teilnahme verpflichtet.
Der Correctional Service of Canda (CSC) , der für staatliche Rechtsbrecher in den USA
zuständig ist, hat 1992 Hare und ein internationales Komitee von Experten mit der
Entwicklung eines Therapieprogramms beauftragt, das eine reale Aussicht bieten sollte,
die Einstellungen und Verhaltensweisen von Rechtsbrechern, und damit auch von
Psychopathen, zu modifizieren. Ziel des Programms sollte es nicht sein, Mitgefühl oder
Änderungen
der
Persönlichkeitsstruktur
zu
bewirken,
sondern
das
Verantwortungsbewusstsein für eigenes Verhalten zu bekräftigen und gleichzeitig die
Möglichkeit aufzeigen, Stärken und Fähigkeiten sozial adäquater auszudrücken.
„Dies würde eine engmaschige Kontrolle und Supervision innerhalb der Institution als
auch im Anschluss an die Entlassung ebenso wie einen Vergleich mit einer sorgfältig
selektierten Gruppe von Rechtsbrechern verlangen, die an einem der standardmäßig
üblichen Therapieprogramme teilnehmen“ (Hare, 1996). So könne man evaluieren,
welche Module beziehungsweise Komponenten der Therapie möglicherweise bei
Psychopathen wirksam sind und bei anderen Rechtsbrechern nicht und umgekehrt.
Der CSC lehnte die Empfehlung ab, so dass psychopathische Rechtsbrechern stets an
Programmen teilnehmen, die kaum dazu in der Lage sind, ihnen Hilfe zu bieten (Hare,
1996).
7. Kognitive Neurowissenschaften und das Strafrechtsystem
Es scheint ein konzeptueller und empirischer Zusammenhang vorhanden zu sein zwischen
dem
raubtierhaften
Verhalten
von
Psychopathen
und
den
neurobiologischen
Mechanismen, die diesem Verhalten zugrunde liegen (Hare, 1998). Kliniker sind schon
seit langem der Auffassung, dass es den Kognitionen, der Sprache und der
Lebenserfahrung von Psychopathen an Tiefe und Affekt fehlt. Überzeugende Daten
stammen aus Untersuchungen zur Sprache von Psychopathen und zu ihrer Verarbeitung
von emotionalen Wörtern. Emotion scheint wie eine zweite Sprache für sie zu sein
(Gillstrom
&
Hare,
1988).
Während
normale
Probanden
bei
einer
Wortentscheidungsaufgabe emotional geladene Wörter im Vergleich zu neutralen Wörtern
schneller als „Wort“ identifizieren konnten, also schnellere Reaktionszeiten hatten, war
dies bei Psychopathen nicht der Fall (Williamson, Harpur & Hare, 1991). Psychopathen
verarbeiteten Emotionsworte offenbar so, als seien es neutrale Worte.
18
Psychopathen erscheinen unfähig oder unwillig, die tiefe semantische Bedeutung von
Sprache zu verarbeiten oder zu nutzen. Die Sprachprozesse laufen dementsprechend sehr
oberflächlich ab. Ein Gespür für die feinsinnigen abstrakteren sprachlichen Bedeutungen
und Nuancen fehlt (Intrator, Hare et al., 1997; Williamson et al., 1991).
Forschungen im Bereich des Verhaltens, elektrokortikaler Messungen und bildgebender
Verfahren des Gehirns bestätigen zudem, dass Psychopathen unfähig sind, die emotionale
Bedeutung eines Ereignisses oder einer Erfahrung anzuerkennen (Intrator et al., 1997;
Luebig, Veit et al. 1992; Patrick, 1991).
Diese Oberflächlichkeit führt Hare darauf zurück, dass bei ihnen die tiefen semantischen
und affektiven Verknüpfungen, welche die Kognitionen miteinander verbinden, nicht gut
entwickelt sind.
Im Allgemeinen werden die kognitiven und linguistischen Probleme von Psychopathen
nicht erkannt. Das ist auch ein Resultat der Fähigkeit des Psychopathen, eine „gute Show
zu inszenieren“. „Ein intensiver Augenkontakt, eine ablenkende Körpersprache, Charme
und eine gute Kenntnis der Verletzlichkeit des Zuhörers sind alles Teile des
Waffenarsenals, das der Psychopath zur Verfügung hat, um andere zu dominieren, zu
kontrollieren und zu manipulieren. Wir achten mehr darauf, wie sie etwas sagen, als was
sie eigentlich sagen“ (Hare, 1996). Um der Täuschung entgegenzuwirken, ist eine
Aufzeichnung der Interviews auf Video empfehlenswert, um eine spätere objektive
Analyse zu gewährleisten.
Möglicherweise stehen die kognitiven, linguistischen und Verhaltenseigenschaften von
Psychopathen mir einer zerebralen Dysfunktion vor allem im Bereich des orbito/ventromedialen frontalen Kortex in Verbindung (Gorenstein & Newman, 1980; Hare,
1998). „Dies muss nicht notwenigerweise durch einen organischen Schaden verursacht
sein, sondern könnte Resultat einer strukturellen oder funktionalen Anomalie in der für die
Koordination kognitiver und affektiver Prozesse zuständigen Mechanismen des Gehirns
und der neuronalen Schaltkreise sein, die den orbito-/ventromedialen frontalen Kortex und
die Amygdala sowie dort vorhandene Transmittersysteme einschließen“ (Intrator et al.,
1997). Damasio, Grabowski et al. (1994) fanden mittels Verhaltensstudien und
bildgebenden Verfahren, dass eine Schädigung in diesen Regionen zu einer Dissoziation
von logisch-kognitiven und affektiven Denkkomponenten führen kann. Meist sind unsere
Kognitionen und Handlungen weitgehend von emotionalen Anteilen beeinflusst und
Emotionen stellen „einen integralen Bestandteil unserer Denkprozesse“ (Damasio, 1994)
dar. Nach Hare (1996) bilden sie auch einen essentiellen Anteil unseres Gewissens. Das
19
Gewissen von Psychopathen wäre demnach nur zur Hälfte ausgebildet. Ihnen wäre
lediglich der intellektuelle Anteil der Spielregeln bewusst.
Emotionen, die unser Denken und Handeln regulieren, spielen im Leben von
Psychopathen nur eine geringe Rolle und zwar nicht so sehr, weil sie dies wollen, sondern
einfach, weil sie so sind. Nichtsdestotrotz wird die Psychopathie in den meisten
Rechtssprechungen eher als ein die Verantwortlichkeit für die Straftat erschwerender denn
als ein diese einschränkender Faktor angesehen. Angesichts der beschriebenen
Untersuchungsergebnisse ist die Sinnhaftigkeit einer solchen Betrachtungsweise in Frage
zu stellen. Wenn man aber das Vorliegen Psychopathie als schuldmindernd erachtet, hätte
dies das Risiko weiterer Straftaten von Betroffenen zur Konsequenz, da die Störung zur
Zeit nicht therapierbar ist.
Zu beachten ist hierbei, dass zumindest im deutschen
Strafrechtssystem eine Krankheit erst dann die Schuldfähigkeit herabsetzt, wenn
Willensfreiheit, Steuerungsfähigkeit und/oder die Unrechtseinsicht außer Funktion oder
vermindert waren. Insofern ist es fragwürdig, das bloße Vorliegen einer Krankheit als
entlastenden Faktor zu betrachten.
20
Anhang
A. Kriteriensammlung zur Psychopathischen Persönlichkeitsstörung
1. Unfähigkeit zu Reue
2. fehlendes Mitgefühl
3. betrügerisches und manipulierendes Verhalten
4. glatte und oberflächliche Persönlichkeit
5. übersteigerte und arrogante Selbsteinschätzung
6. frühere Verhaltensprobleme
7. als Erwachsener antisoziale Probleme
8. schlechte Verhaltenskontrolle
9. Impulsivität
10. Verantwortungslosigkeit
B. Kriterien für eine Dissoziale Persönlichkeitsstörung nach ICD-10
1. Herzloses Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer
2. Deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer
Normen, Regeln und Verpflichtungen
3. Unvermögen
zur
Beibehaltung
längerfristiger
Beziehungen,
aber
keine
Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen
4. Sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, auch
gewalttätiges Verhalten
5. Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein oder zum Lernen aus Erfahrung,
besonders aus Bestrafung
6. Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das
eigene Verhalten anzubieten, durch welche die Person in einen Konflikt mit der
Gesellschaft geraten ist
C. Kriterien für eine Antisoziale Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV
A. Es besteht ein tiefgreifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte
anderer, das seit dem Alter von 15 auftritt. Mindestens drei der folgenden Kriterien
müssen erfüllt sein.
21
1. Versagen, sich in Bezug auf gesetzmäßiges Verhalten gesellschaftlichen Normen
anzupassen, was sich in wiederholtem Begehen von Handlungen äußert, die einen
Grund für eine Festnahme darstellen,
2. Falschheit, die sich in wiederholtem Lügen, dem Gebrauch von Decknamen oder dem
Betrügen anderer zum persönlichen Vorteil oder Vergnügen äußert,
3. Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen,
4. Reizbarkeit und Aggressivität, die sich in wiederholten Schlägereien oder Überfällen
äußert,
5. rücksichtslose Missachtung der eigenen Sicherheit bzw. der Sicherheit anderer
6. durchgängige Verantwortungslosigkeit, die sich im wiederholten Versagen zeigt, eine
dauerhafte Tätigkeit auszuüben oder finanziellen Verpflichtungen nachzukommen,
7. fehlende Reue, die sich in Gleichgültigkeit oder Rationalisierung äußert, wenn die
Person andere Menschen gekränkt, misshandelt oder bestohlen hat.
 Persönlichkeitseigenschaften meist an spezifische Verhaltensweisen gebunden
D. Die zwanzig Skalen der PCL-R (Hare, 1991)
1. glatter, oberflächlicher Charme (Faktor I)
2. übersteigertes Selbstwertgefühl (Faktor I)
3. Stimulationsbedürfnis/Reizhunger/Neigung zur Langeweile (Faktor II)
4. lenkend/beeinflussend/betrügerisch/manipulativ (Faktor I)
5. pathologisches Lügen (Pseudologie) (Faktor I)
6. Mangel an Gewissen/Schuldgefühlen (Faktor I)
7. oberflächliche Gefühle (Faktor I)
8. Gefühlskälte, Mangel an Empathie (Faktor I)
9. parasitärer Lebensstil (Faktor II)
10. geringe Verhaltenskontrolle (Faktor II)
11. promiskuitives Sexualverhalten (sonstige Items)
12. frühere Verhaltensauffälligkeiten (Faktor II)
13. Fehlen von langfristigen Zielen (Faktor II)
14. Impulsivität (Faktor II)
15. Verantwortungslosigkeit (Faktor II)
16. Verweigerung der Verantwortung für eigenes Verhalten (Faktor I)
17. viele kurze, eheliche Beziehungen (sonstige Items)
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18. Jugendkriminalität (Faktor II)
19. Verletzung von Bewährungsauflagen (Faktor II)
20. kriminelle Flexibilität (Faktor II)
23
Literaturverzeichnis
Kernberg, Dulz & Sachsse (2000). Handbuch der Borderline-Störungen. Stuttgart:
Schattauer.
Millon, T., Simonsen, E., Birket-Smith, M. & Davis, R.G. (1998). Psychopathy:
Antisocial, criminal and violent behavior. New York: The Guilford Press.
Weltgesundheitsorganisation (2005).Internationale Klassifikation psychischer Störungen
(5.Aufl.). Bern: Hans Huber.
American Psychiatric Association (2000). Diagnostische Kriterien: DSM-IV-TR.
Göttingen: Hogrefe.
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