Alfred Nobel Der Krieg, die Liebe, die Preise Schauspiel in zwei Akten Stockholm (Schweden) 1890 Personen: Nobel ca. 55 Jahre, Guerend ca. 40 Jahre, Claire ca. 35 Jahre, Angelo ca. 40 Jahre. Buehnenbild: Ein luxurioeses Buero. Eine Sprechanlage auf dem Schreibtisch. Eine Tuer, ein Fenster, ein Sofa. Beim oeffnen des Vorhangs steht Nobel neben seinem Schreibtisch. NOBEL: - (Drueckt einen Knopf der Sprechanlage) – Sag Guerend, er soll sofort hereinkommen. (Er wartet.Er nimmt eine Pistole aus der Schublade. Er haelt sie hoch. Sieht sie mit Genugtuung an und legt sie auf den Tisch. Es klopft an der Tuer. - Herein! (Guerend tritt ein) - „Pourquoi“, Tritt ein! (Nobel lacht ironisch) Ich nenn dich „Pourquoi“ , nur wenn wir allein sind oder wenn mir jemand nahe steht. Vor anderen nenn ich dich immer Guerend. Ich bin vorsichtig. Setz dich dorthin, gegenueber der Tuer. Oder vielleicht nicht. Es koennte gefaehrlich sein. Geh dorthin, an die andere Seite meines Schreibtisches. (Guerend begibt sich dorthin und bleibt stehen. Nobel nimmt die Pistole, haelt sie hoch und sieht sie an.) - Kannst du es sehen? Was fuer einen aerodynamischen Lauf. Jetzt wirst du es auch hoeren. (Nobel dreht sich in Richtung Tuer und zielt auf eine metallene Platte neben der Tuer. Er schiesst ein- zwei- dreimal. Guerend haelt seine Ohren zu.) - Schnell, eh? Fast automatisch. Meine neue Erungenschaft. Sie heisst „Quick“. Sie durchschlug eine dicke Metallplatte, drei Millimeter dick. Es durchlochte ihren Wulst. Ha, ha! Ich bin ein guter Scharfschuetze. Es ist eine Vier-SchussPistole. Die vierte Kugel behalte ich zurueck fuer...Pourquoi. (Guerend dreht sich langsam zu ihm um.) - Komm, sei nicht erschrocken, du weisst, dass ich scherze. Ich sagte...fuer Pourquoi, nicht fuer Guerend, nicht fuer dich. Pourquoi, dein romantisches Ich, der Utopist, der Traeumer, muss sterben. Aber du bist es, der ihn toeten wird, nicht ich...so dass der echte Guerend ueberleben wird und erfolgreich sein wird. Du mein guter Interpreter und Begleiter auf meinen Reisen. Sieben Sprachen, wie hast du sie alle so gut gelernt, mein alter Freund? ...Welch gute Aussprache...Als wenn du ein Einheimischer waerst, in jedem Land wohin wir gehen. Ich wuerde dir sehr gerne auf franzoesisch sagen hoeren „Pourquoi la guerre, pourquoi mes freres?“, Warum der Krieg, meine Brueder, warum? Trag es bitte noch einmal vor, damit ich es geniesse. 2 __________________________________________________________________ Die zwei grossen Armeen, die einen von den Preussen, die anderen von Napoleon, in Kampfstellung. Ploetzlich laeuft ein junger franzoesischer Soldat zwischen den beiden Armeen und beginnt zu schreien: „Pourquoi la guerre, pourquoi mes freres, pourquoi? Traegst du es noch einmal vor? GUEREND: - (Sieht Nobel einen Moment unbeweglich an.) - Haben Sie etwas Herr Nobel? NOBEL: - Dein Buch? Ich habe es dem besten Herausgeber in der Stadt gegeben, welcher ein enger Freund von mir ist. Wenn er damit einverstanden ist, werde ich die Herausgabe bezahlen. Bis zu diesem Zeitpunkt keine Antwort. Ich werde ihn jetzt anrufen. (Er waehlt die Nummer. Er spricht am Telefon:) - Hallo, Geits, ich rufe dich an wegen Guerends Buch „Pourquoi la guerre?“ „Warum der Krieg?“ Hast du es gelesen? Hast du es geprueft? Nur die Haelfte davon? Bist du damit einverstanden? Genehmigst du es? Abgelehnt? (Kurze Pause) Prima. Auf Wiederhoeren. (Er legt auf. Er laechelt Guerend zufrieden an.) Verstehst du jetzt? Habe ich es dir nicht schon vorher gesagt? GUEREND: - Ich koennte es selbst drucken und herausgeben. Aber mein Gehalt reicht nicht. Kannst du wenigstens das Papier bezahlen? NOBEL: (Hart) – Ich? Bezahlen fuer ein Buch welches die Abschaffung des Krieges propagiert? Eine bloede Idee. Krieg ist der Vater aller Dinge. Feindschaft, Anziehung und Abstossung, FILOS und NIKOS, das ist Krieg. Das sind die zwei fundamentalen Elemente des Universums, sagt Heraklitus. Ich habe selbst Philosophie gelesen, nicht nur du. GUEREND: - Entschuldigung, du gibst es falsch wieder. Heraklitus meinte es nicht genauso. Anziehung und Abstossung sind die These und die Antithese, die aktiven und die passiven Kraefte, welche mit der Einwirkung einer dritten Kraft zur Synthese und Kompensation, zur Kreation, zu einem neuen Status fuehrt. Philosophie ist nicht einfach. Es ist nichts, was jemand auf sich anwenden kann. Entschuldigung. NOBEL: - Vergess die Philosophie. Siehe die Fakten an. Du willst, dass ich, der groesste Kriegsindustrielle in der Welt, fuer dein Anti-Kriegsbuch bezahle? Solange du fuer mich arbeitest, wirst du von mir bezahlt, lasst uns sagen, durch den Krieg. Siehst du wie widerspruchsvoll du bist? GUEREND: - Ich arbeite nicht fuer den Krieg. Ich arbeite fuer dich. 3 __________________________________________________________________ NOBEL: - Ich liefere fuer den Krieg. Ich besitze die groessten KriegsmaterialWerke in der Welt. So, du schreibst fuer den Krieg, aber du schreibst fuer seine Abschaffung. Bist du kein Hypokritiker wie die meisten Intellektuellen? GUEREND: - Mit zwei mehr Gehaeltern werde ich es schaffen mein Buch herauszugeben. Dann werde ich gehen. NOBEL: - Und von was willst du leben? GUEREND: - Ich werde von meinem Buch leben. NOBEL: - Ha, ha, ha! Idiot! Du wirst nicht einmal zehn Ausgaben verkaufen. Hoer nur auf ihn hin. Er wird von seinem Buch leben. GUEREND: - Entschuldigung. Du hast mich miss...missverstanden. NOBEL: (Hoehnend) – Du hast mich miss...missverstanden. GUEREND: - Ich meinte nicht, ich wuerde von diesem Buch finanziell leben. Ich meine, ich werde mit meinem Buch leben, dass heisst, mit den Ideen des Buches. Ich werde fuer diese Ideen leben... NOBEL: - Und dein Brot? Wie willst du es verdienen? GUEREND: - Der Mensch lebt nicht vom Brot allein... NOBEL: - Ah! Du bist also auch ein Christ? Das vertraegt sich nicht mit Philosophie. GUEREND: - Die Wahrheit, die wahren Ideen, sind identisch mit der Lehre von Jesus und in jeder wahren Philosophie. NOBEL: - Quatsch! Du wirst nicht ueberleben. Du bewegst dich auf den Abgrund zu. Du vergeudest dein Leben. Nur fuer eine Idee, einer Utopie, eine dickkoepfige Sache. Angenommen, deine Idee wird angenommen, etwas Unmoegliches, natuerlich. Ich sagte,vorausgesetzt. Was wuerde mit den zweitausend meiner Arbeiter und deren Familien geschehen? Da sind noch weitere zehntausend Leute die von den Gehaeltern leben, die ich bezahle. Was wuerde mit den tausenden Leuten passieren, die das Material produzieren, dass sie mir verkaufen? Und das Vermoegen, das ich in meine Fabriken investiert habe? Millionen und Abermillionen? Meine Vertreter und Haendler an so vielen Orten rund um die Welt? Du wuerdest ihren wirtschaftlichen Ruin verursachen... GUEREND: - Hast du mein Buch gelesen? 4 __________________________________________________________________ NOBEL: - Die ersten zehn Seiten. Ich habe es verstanden. Es ist eine AntikriegsProklamation. Ich habe keine Zeit Utopien zu lesen. Ich bin nicht interessiert. GUEREND: - Wenn du es durchgelesen haettest, wuerdest du den Plan erkannt haben, die volle Perspektive der Abschaffung des Krieges. Es ist eine grossartige Perspektive. Die Wirtschaft wuerde nicht zerstoert. Sie wird die Richtung aendern. Sie wird ihre Ziele, ihr Vorhaben aendern. Nicht der individuelle finanzielle Profit, sondern der Lebensstandard, die Qualitaet der menschlichen Beziehungen, koennte das Objekt der ekonomischen Aktivitaet werden. NOBEL: - Nicht mehr deine unsinnigen...(Drinn...!) (Nobel hebt den Hoerer ab.) Qui, un moment, mon interprete. (Zu Guerend :) – Dolmetscher, Telefon... GUEREND: (Er nimmt den Hoerer) – Qui, d`accord. (Er nimmt einen Stift und schreibt, waehrend er eine Zeitlang am Schreibtisch sitzt.) (Nobel reibt zufrieden seine Haende.) (Guerend haengt auf.) - Es war Payot, dein franzoesischer Vertreter. NOBEL: - Das weiss ich. Fahre fort. Seine Bestellung. GUEREND: - Zwoelfhundert Quick-Pistolen. Sechshundert fuer Paris und sechshundert fuer Bruessel, Belgien. NOBEL: - Ein Triumpf. Das ist, was ich erwartet habe. Diese Bestellung. Jetzt werden dutzende von Bestellungen folgen. Morgen frueh, vielleicht heute, wenn ich es zeitlich schaffe, werde ich den letzten Teil der Zentral Bank kaufen. Es wird alles mir gehoeren. Die groesste Bank im Land mit vielen Zweigstellen. Vermoegensmasse? Billionen Kronen...Ich sag dir nicht wieviel, damit es dich nicht schockiert. (Nobel sieht beaengstigt aus, ungeduldig.) - Wie spaet ist es? (Er sieht zur Uhr an der Wand.) Genau zwoelf. (Die Uhr schlaegt ein-, zwei-, dreimal, dann, ein schrecklicher Knall einer Explosion ist zu hoeren, der das Fenster zum Fibrieren bringt. Guerend springt von seinem Sitz auf und haelt sich am Schreibtisch fest, waehrend Nobel stehend seine Haende mit Genugtuung reibt.) NOBEL: - Das war es. Ein perfekter Erfolg. Ein hundertprozentiger Treffer. Zwei Treffer gleichzeitig. Zwei Voegel mit einem Stein. Was Voegel? Loewen! (Zu Guerend) – Was ist los mit dir? Wurdest du ohnmaechtig? Du bekamst einen grossen Schock. Du wirst es verstehen, sobald ich dir die Fakten erklaert habe. Komm zum Fenster. Kannst du das Feuer auf der Huegelspitze sehen? GUEREND: - Aber dort, dort war das Waisenhaus der Stadt. Ein zweistoeckiges Gebaeude. Ein traditionsreiches Meisterstueck der Architektur. Was ist mit dem Waisenhaus passiert? 5 __________________________________________________________________ NOBEL: - Welches Waisenhaus? Dort waren im ganzen zehn Kinder. Sie wurden in die Pension im Zentrum der Stadt transportiert. GUEREND: - Sie haben den Landsitz, die Felder, den Himmel verloren. NOBEL: - Das Gebaeude war alt, zerbroeckelt. Ich kaufte das Stueck Land. GUEREND: - Und warum hast du das Gebaeude in die Luft gesprengt? NOBEL: - Das ist, weshalb ich das Land erworben habe. Um das Gebaeude zu bombardieren. Mit Granaten. Ich habe es nicht von Innen in die Luft gejagt, sondern aus der Entfernung. Ich habe die groesste Entdeckung des neunzehnten Jahrhunderts gemacht, in ihrer letzten Dekade. Weisst du wieviele militaerische Abgeordnete von auslaendischen Staaten die Explosion gesehen haben? Dutzende. Sie waren meine Gaeste. GUEREND: - Und wie nennt sich deine Erfindung? NOBEL: - Ballistik. Rauchloses Schiesspulver. Denk an dieses Wort. Es wird den Krieg industrieller, fortschrittlicher machen. Keine Kaempfe Mann gegen Mann mit Schwert und Bajonett. Sondern mit Granaten aus grosser Entfernung. Derjenige, der die meisten Granaten besitzt, wird gewinnen. Es werden nicht so viele Soldaten in der Hoelle des Schlachtfeldes in Schlamm und Schnee getoetet. GUEREND: - Und mehr Zivilisten, Bewohner in den Staedten und Doerfern, werden getoetet. Noch viel mehr Tote und Verwundete. NOBEL: - Ich sprach ueber zwei Erfindungen. Fraegst du mich nicht, welche die zweite ist? GUEREND: - Welche? NOBEL: - Der Startmechanismus. Leicht, mit Dreifuss-Stativ, um ihn an den Grund zu befestigen. Ich mag gross in der Chemie von explosivem Material sein, aber ich bin auch ein sehr guter Ingenieur und Mechanik-Ingenieur. Ich habe in der USA bei unserem grossen Landsmann John Erikson studiert. Ich sehe vorher, dass Kanonen abgeschafft werden, da sie schwer sind und so schwer zu bewegen sind. Jetzt, diese Haubitze kann ueberall hin. Sie kann von zwei Mann transportiert werden, sogar von einem starken Mann. Sie kann sogar durch enge Pfade bewegt werden. Der Krieg wird sein Gesicht aendern, mit diesen, meinen Erfindungen. Er wird industrialisiert sein. Das Ende dieses Jahrhunderts, ihre letzte Dekade, wird den Beginn einer neuen Art Krieg zu fuehren markieren und nicht das Ende der Abschaffung des Krieges sein, wie du in deinem Buch schreibst. GUEREND: (Ueberrascht, gluecklich) – Du hast also mein ganzes Buch gelesen! 6 __________________________________________________________________ NOBEL: - Bis zu dem Punkt, wo du diese Dinge erwaehnst. GUEREND: - Dieses ist nahe dem Ende des Buches erwaehnt. (Bewegt:) Danke. Das genuegt fuer mich. Jetzt kennst du die volle Wahrheit. NOBEL: - Welche Wahrheit? GUEREND: - Diejenige, die ich in meinem Buch ueber die tieferen Ursachen des Krieges enthuellt habe. Ueber die Verruecktheit der Rache, der Pflicht-, Herrsch-, Autoritaetssucht von einigen kraftbesessenen, ehrgeizigen Menschen. In der Tiefe ihrer Herzen neurotisch, ungluecklich und tief verwundete Menschen, welche den Weg des Sadismus eingeschlagen haben, oder auf der Ansammlung von Reichtum durch Kriegshandlungen und Auspluenderung. Menschen, die eher in Anstaltskleidung angekleidet sein sollten, als in die von einem Koenig oder Marschall. Sie hetzen zum Krieg auf. Die Kriegsindustrie liefert genau fuer diese. Krieg kann enden, kann abgeschafft werden, so schnell bis zum Ende des Jahrhunderts, wenn die Menschheit diese Wahrheit erkennen wuerde, wenn viele Menschen mein Buch lesen. NOBEL: - Ha, ha, ha! Die meisten Menschen sind analphabetisch, ungebildet. Nur wenige koennen lesen. GUEREND: - Diejenigen, die es koennen, werden es anderen vorlesen, werden ihnen davon erzaehlen, mit ihren eigenen Worten. Es wird ein Aufstand geben, eine grosse Welle von Ablehnung des Krieges, durch die Kenntnis der Wahrheit. Die Menschen werden nicht akzeptieren an Kriegshandlungen teilzunehmen. Die Chefs, Koenige, Presidenten und andere, werden gezwungen ihre Feindschaft, jedes Problem, durch Gespraeche, Ablehnung, gegenseitige Einwilligung und Austausch zu ueberwinden. Eine neue Aera des Friedens wird beginnen, eine neue Aera der Menschlichkeit, Zivilisation und Gutherzigkeit. Die Industrie wird friedensorientiert sein. Armut wird ueberwunden. NOBEL: - Du fantasierst! Bist du vielleicht sehr hungrig und bist angefangen zu fantasieren ? Aehnlich, als ich dich in deinem Zimmer fand, dich schuettelnd vor Kaelte und Hunger? Komm zurueck zu dir selbst. Sonst wirst du verloren sein. Umsonst! GUEREND: - Nein, nicht umsonst. Ich muss nicht umsonst verloren gehen. Ich muss mein Buch herausgeben. Ich muss gegen die Zeit arbeiten. (Es klopft an der Tuer.) STIMME: (Von draussen) – Ich bin es, Claire. NOBEL: - Tritt ein! (Claire kommt herein.) CLAIRE: - Die Explosion… 7 __________________________________________________________________ NOBEL : (Zufrieden) – Erfolgreich, he ? Hast du es gesehen? Hast du das Feuer gesehen? Bist du gluecklich? CLAIRE: (Bleibt ruhig, um nicht seine Fragen beantworten zu muessen.) Die Explosion hat die Militaer-Attaches der auslaendischen Botschaften und die Handlungsbevollmaechtigten der auslaendischen Armeen, welche Sie eingeladen haben, dabei zu sein, stark beeindruckt. Einige wuenschen ein Treffen mit Ihnen, sobald wie moeglich. Wenn moeglich, noch heute. NOBEL: - Natuerlich. Um zwei Uhr sind sie zum Essen im grossen Rathaus, das fuer diese Gelegenheit als Esshalle dient. Nach dem Essen werde ich zu ihrer Verfuegung stehen. Weisst du vielleicht, ob sie einige Bestellungen unserer neuen Produktion erteilen werden? CLAIRE: - Ja, einige von ihnen. NOBEL: - Und wie werden sie bezahlen? Haben sie es dir gesagt? CLAIRE: - Sie sind von ihren Ministerien autorisiert, Garantie-Schreiben zu hinterlegen und einige Vorauszahlungen in bar an die Zentral Bank zu machen. NOBEL: (Reibt sich seine Haende zufrieden) – Hervorragend. Claire, du bist wunderbar. Ich mochte dich vom ersten Kontakt an. Ich fuehlte etwas dabei, als ich beschloss, dich in mein Buero aufzunehmen. Aber jetzt... (Claire fuehlt sich ueberrascht, sich schaemend, verlegen. Sie sieht Guerend an, er sieht sie an. Nobel sieht beide an, zoegert einen Augenblick und faehrt dann fort:) - Ich verdanke meinen Erfolg, meine Erfindungen auch euch, wenigsten fuer einen kleinen Teil. CLAIRE: - Mir? NOBEL: - Mit deinen Experimenten mit Nitro-Glyzerin in meinen Labors, hast du mir geholfen, Dynamit zu entdecken. Es ist die groesste Entdeckung in der Kriegsgeschichte, die es jemals gegeben hat. Herzlichen Glueckwunsch. CLAIRE: - Ich habe keine Experimente mit Nitro-Glyzerin fuer Kriegsmaterial gemacht, fuer den Kriegsgebrauch. Ich bin dagegen. Ich bin ablehnend gegenueber das, was Sie tun. Ich habe es Ihnen bereits gesagt. NOBEL: - Dagegen? Ich hoere es jetzt zum ersten Mal. CLAIRE: - Erinnern Sie sich nicht daran, dass ich Ihnen gesagt habe, dass wir mit der gewaltigen explosiven Kraft dieses Materials einen radikalen Wandel in der Herstellung von Strassen, Tunnel, Bergwerken, Kanalisation und Daemmen bewerkstelligen koennen? 8 __________________________________________________________________ Wir koennen die Entfernung zwischen den Staedten und Laendern reduzieren. Wir koennen die harte, inhumane Arbeit von tausend von Arbeitern im Strassenbau, mit den Hacken, den Brecheisen, abschaffen. Ich dachte nur an diesen Gebrauch des Materials. NOBEL: - Und nicht die Bombengranaten. Ich habe es verstanden.(Sieht sie pruefend an, dann sieht er Guerend an, bleibt fuer eine Weile still.) Traeumst du vielleicht auch vom Ende der Kriege, der Abschaffung des Krieges? CLAIRE: - Warum nicht? Jede logisch, rational denkende Person wuerde es wuenschen. NOBEL: - Hast auch du vielleicht Guerends Manuscript gelesen? Pourquoi la guerre – Warum die Kriege? CLAIRE: - Ja, ich habe. NOBEL: - Ha, ha, ha! Hast du gesehen, was fuer unsinnige Ideen er entwickelt? Er glaubt, dass der Krieg schon bald, in wenigen Jahren, vor dem Ende der Dekade dieses Jahrhunderts, abgeschafft werden kann. Ist er nicht ein bloeder Kerl, unrealistisch, ein Tagtraeumer? CLAIRE: - Ganz und gar nicht. Ich finde seine Ideen rational und durchfuehrbar, erreichbar. NOBEL: - Was sagtest du? Bist du durch diese Ideen beeinflusst worden? Hypnotisiert? Glaubst du ausserdem, dass Krieg in ein paar Jahren abgeschafft werden kann? CLAIRE: - Ich glaube nichts. Ich sagte, diese Idee sei realisierbar, dass heisst, sie koennte ausgefuehrt, angewendet werden, wenn... NOBEL: - Wenn Nobel seine Erfindungen von explosivem Material fuer die Kriegsmaschinerie einstellen wuerde. Wenn er seine Fabriken schliesst. Wenn er seine Erfindungen nicht an die Staatsmaenner verkaufen wuerde... CLAIRE: (Zustimmend) – Wenn Nobel dies tun koennte. Oh! Was fuer ein grosser Schritt des Fortschritts fuer die ganze Menschheit. (Das Telefon klingelt. Nobel hebt ab.) NOBEL: - Hallo! (Hoert) Ich komme sofort.(Zu den zwei Personen:) Der Koenig hat mir eine eilige Mitteilung durch seinen Abgeordneten Lord Chamberlain mitteilen lassen. Ich muss gehen und ihn sofort treffen. Ihr bleibt hier. Ich sollte mich nicht verspaeten. Worum kann es sich handeln? Wahrscheinlich, (Er laechelt)...mir eine bestimmte Bestellung von Quick-Pistolen aufzugeben. In seiner Person habe ich einen sehr guten Vertreter, einen grossen Handelsmann. 9 __________________________________________________________________ Alles bleibt zwischen uns. Ich halte euch beide, meine eigenen Leute, fuer vertrauensvoll. Ich will, dass ihr es wisst. (Nobel geht hinaus. Claire und Guerend bleiben eine Weile ruhig, ohne sich einander anzusehen. Dann sehen sie sich laechelnd einander an.) GUEREND: - Seine eigenen, vertrauensvollen Leute...Aber versteht er nicht den Abstand, der uns trennt? Wie verschieden wir denken und fuehlen? Wie kannst du es erklaeren, Claire? CLAIRE: - Er sieht nur sich selbst. Er sieht sich selbst oder die andere Person als sein Spiegelbild. Er ist so verblendet bei seiner Selbstvergoetterung, dass er alle anderen Leute als ein Spiegelbild von sich selbst ansieht. Denkst du nicht auch so? GUEREND: - Ja, sicher, aber warum? Mag sein wegen seines Erfolges? CLAIRE: - Ja, wahrscheinlich. So wie er seinen Erfolg, seinen finanziellen Aufschwung sieht, macht ihm glauben, dass er selbst der Erfolg ist. Er hat es mit dem Bild von sich selbst gleichgesetzt und ist unfaehig unabhaengig davon zu denken, abseits vom Zustand seines Verstandes. Nur Gott weiss, wo dieser Zustand aufhoeren koennte. GUEREND: - Er scheint zu fuehlen, dass alle anderen zusammen unwichtig sind. Sie existieren nur fuer ihn, um ihn zu bewundern, um ihm zu gehorchen. CLAIRE: - Das koennte die Art sein, wie die damaligen Imperatoren gefuehlt haben, wenn sie von ihren Untergebenen verlangten, sie als Goetter anzubeten. Absolute Vormachtstellung, absolute Egozentrik, absolute Eitelkeit. GUEREND: - Absolut gefaehrlich. CLAIRE: - Warum sagst du das, Guerend? GUEREND: - Weisst du wieviele Menschen getoetet, verwundet und zu Krueppeln wurden, verursacht durch das Material, dass Nobel an die Armeen von ganz Europa verkauft und nicht nur dort? CLAIRE: - Ist es das, was du meinst? Du hast Recht. Das ist, warum ich dein Buch so gern mag. Weil es auf Tatsachen beruht, auf den Fakten die wir beim Arbeiten, durch Zusammenleben mit dem grossen Erfinder und Industriellen Alfred Nobel, bestaetigt finden. Ich danke dir, dass du mir das Manuskript vor der Veroeffentlichung anvertraut hast. GUEREND: - Glaubst du, dass es jemals herausgegeben wird? 10 __________________________________________________________________ CLAIRE: - Warum nicht? Solch gute Ideen, so kraftvoll, so aufschlussreich, so wahr. Wer wuerde die Wahrheit nicht akzeptieren, wenn du sie ihnen zeigst? GUEREND: - Ich werde die Bemuehung nicht aufgeben, aber ich habe nicht viel Hoffnung. CLAIRE: - Was mich betrifft, ich habe mein Poem, mein Lied, veroeffentlicht, fuer welches ich die Inspiration von deinem Buch habe. GUEREND: - Was fuer ein Lied? CLAIRE: - Sie hier! (Sie nimmt eine Zeitschrift aus ihrer Handtasche und weist auf eine Seite) GUEREND: (Liest) Krieg und Liebe. CLAIRE: (Steckt die Zeitschrift zurueck) Ich moechte es dir gerne vorlesen, um es der richtigen Intonation zu geben. Oder, eher, ich singe es dir vor. (Bevor sie zu singen anfaengt, hoert man eine laute melodische Musik, Rythmik, vielleicht eine Polka, Mazurka.) Hoer, sie haben das koenigliche Orchester fuer den Empfang der militaerischen Represedanten hergebracht. Sie werden essen, sie werden trinken, sie werden tanzen, auf Kosten von Nobel. GUEREND: - Und sie werden Dynamit und Granaten kaufen, um Nobels Einnahmen zu vergroessern. (Sie lachen) CLAIRE: - Hoer dir die Melodie aufmerksam an. Es ist ein traditioneller Volkstanz, eins der besten in unserem Land. Pam, pam, pam, param, param. Pam, pam, pam, param, param. Mein Lied ist exakt auf dem Rythmus abgestimmt. Derselbe Takt. Sieh her! (Sie zeigt auf eine Seite.) Die Musik ist geschrieben. Soll ich es dir vorsingen? GUEREND: - Mit Vergnuegen. Ich wuerde mich freuen, es zu hoeren. CLAIRE: (Singt, waehrend sie zu dem Takt tanzt. Sie streckt ihren Arm Guerend zu. Er ergreift ihn, und sie tanzen ‚alla bracetta’. Am Ende lachen sie gluecklich und zufrieden.) DAS LIED: 11 __________________________________________________________________ - Wie verbringst du jeden Morgen, Jeden Morgen, bis zum Abend? - Mein Morgen, mein Abend Ist nur Hektik, ist nur Qual. In der Fabrik, an Maschinen, Ich bereite jeden Tag, Nitro-Glyzerin-Granaten, Die Haeuser, Doerfer verbrennen, Weisse, schwarze Kinder toeten. - Nun sag mir bitte, lieber Freund, Wie du deinen Tag verbringst? - Morgens gehe ich spazieren, In die Waelder, in die Berge. Ich atme frische und reine Luft Und ich singe voller Freude. Und Nachmittags geniesse ich Gesunde Arbeit in unserem Garten. Und am Abend mit den Kindern, Spiel ich und erzaehle Maerchen. (Claire wiederholt die ersten vier Zeilen und Guerend singt die letzten vier Zeilen) CLAIRE: - Morgens und Nachmittags…weiss und grau... GUEREND: - Am Morgen gehe ich spazieren, ich atme die frische Luft und singe. Keine Arbeit an der Maschine fuer das Nitroglyzerin. Dies ist die Revolution, kein Lied. Es ist ein Katalysator, wie man in der Chemie sagt. CLAIRE: - Seit ich Chemie-Ingenieur bin, erfand ich, schuf ich, einen Katalysator. Er koennte sich als explosiver erweisen, als Nobels Dynamit. GUEREND: - Aber wie wird es verbreitet werden? CLAIRE: - Dieses Magazin geht an die Schulen, an die Schueler und Studenten. Einige Kinder, Experten in Musik, koennten es schaffen, die Melodie zu den geschriebenen Noten zu finden, und dann, wer koennte unser Lied arrestieren? Es wird seine Fluegel ausbreiten und ueberall hinfliegen. (Sie singen und tanzen zusammen zwei weitere Zeilen bei der Musik, die von draussen zu hoeren ist. Ploetzlich oeffnet sich die Tuer und Nobel tritt herein.Er bleibt stehen. Siet sie an.) NOBEL: - Guerend, hinaus! (Weist ihm die Tuer. Guerend macht sich auf den Weg hinauszugehen.) – Geh nicht weg, ich werde dich wiederrufen. Ich brauche dich zum Dolmetschen mit den auslaendischen Abgeordneten, nach dem Essen. Hoer! (Guerend hoert auf zuzuhoeren) Dein Buch, dein Manuskript, gut, ich werde es vom Verleger holen, dem ich es gegeben habe und verbrenne es. GUEREND: (Aengstlich) – Sie haben kein...kein Recht das zu tun. Wenn Sie das tun, verlasse ich Ihr Beschaeftigungsverhaeltnis. NOBEL: (Verhoehnt ihn durch Nachahmung) – Sie haben kein...kein Recht das zu tun. (Er veraendert den Ton) Ich habe Spass gemacht...weisst du noch nicht wenn ich Spass mache? Geh jetzt. (Guerend geht hinaus. Nobel geht ein paar Schritte langsam in Richtung Claire) 12 __________________________________________________________________ NOBEL: (Zaertlich) – Claire, mein Liebling, ich habe von dir nicht erwartet... CLAIRE: - Ich bitte Sie, ich erlaube nicht, dass Sie so mit mir sprechen. NOBEL: - Aber warum? Ich habe dir bereits gesagt, dass ich dich liebe, dass ich dich vom ersten Augenblick wo ich dich sah, mochte und nahm dich in meine Dienste. CLAIRE: - Was...was hat das zu bedeuten? So viele Frauen arbeiten hier. NOBEL: - Das ist nicht dasselbe. Du hast vergessen, dass ich dich in die Universitaet brachte und du vier Jahre Chemie studiert hast, auf meine Kosten? Du hast mir erzaehlt, dass du dich sehr fuer Chemie interessierst und ihre grossen Moeglichkeiten, und ich tat dir sofort einen Gefallen. CLAIRE: - Ich haette sowieso Chemie studiert. NOBEL: - Wie? Mit welchem Geld? Ohne dem Gehalt, dass ich dir gab? Und mit einigen Abwesenheits-Genehmigungen die ich dir fuer Pruefungen und Seminare gab? CLAIRE: - Ich habe nicht aufgehoert zu arbeiten. NOBEL: - Ich sage nicht, ueberhaupt nicht. Du warst produktiv, aber ich half dir auch. Erkennst du das nicht? CLAIRE: - Bis zu einem gewissen Punkt. Und dies zu Ihrem eigenen Interesse. Sie wuenschten einen guten Chemie-Ingenieur fuer Ihre Arbeit, Ihren Experimenten, Ihren Erfindungen. NOBEL: - Einen guten Chemiker und eine vertrauensvolle Person. Eine Person von mir. So ist es, wie ich dich haben wollte, Claire. Kannst du eine vertrauensvolle Freundin und die meine sein? CLAIRE: - Ich kann nicht verstehen, was Sie meinen. NOBEL: - Du musst es verstehen. Ich habe es dir auf verschiedene Weise und oftmals gesagt. Bis jetzt standest du dich sehr gut mit mir. Wir haben so reibungslos zusammen gewirkt. Was ist passiert, dass du deine Haltung gegen mich gerichtet hast? CLAIRE: - Nach der Zerstoerung des Waisenhauses, dem schoenen Gebaeude auf der Spitze des Huegels. NOBEL: - Das ist es, was dich erschrocken hat? Ich werde es wieder aufbauen, zweimal groesser. Dort werde ich mein Zentralbuero errichten und ein kleines 13 __________________________________________________________________ Hotel fuer die Repraesendanten und den Haendlern der Produkte meiner Fabriken. Dorthin werden viele wichtige Leute aus vielen Laendern kommen. Wie gefaellt dir diese Idee? CLAIRE: - Entschuldigung, aber Sie verstehen mich nicht. Es gibt eine grosse Distanz die uns trennt...Ich bin vollkommen entgegengesetzt zu Ihrem Charakter. NOBEL: - Zu meinem Charakter? Was ist es, dass du nicht an meinem Charakter magst? CLAIRE: - All diese Kriegsindustrie, alle diese Erfindungen im Dienste der Vernichtung, fuer den Horror des Todes, fuer die massive Kriminalitaet, genannt Krieg, fuer die Verstuemmelungen, der Verstuemmelung von tausenden von Menschen. NOBEL: - Wie kannst du so reden, Claire? So sentimental? Hast du noch nicht die Realitaet des Lebens verstanden? Du hast jetzt eine gewisse Reife, und du solltest die Realitaet annehmen. CLAIRE: - Realitaet ist fuer jeden so, wie er ueber das Leben denkt, seine eigenen Gefuehle und Ideen, wie er die Bedeutung von Leben und seiner Qualitaet wahrnimmt. NOBEL: - Und siehst du nicht, dass das Leben Krieg, Feindschaft, der Instinkt von Vormachtstellung, die Ausnutzung des einen durch den anderen ist? Weisst du noch nicht, dass der grosse Fisch den kleinen frisst? Das der Wolf die Schafe frisst, die Katze die Maus frisst, weisst du das nicht bereits? Muss ich dich daran erinnern? CLAIRE: - Ich weiss es. Aber all dieses steht zu keiner Relation zum Menschen. NOBEL: - Aber die Menschheit ist genau so. Die Menschen funktionieren mit demselben Instinkt. Hast du es noch nicht bemerkt? CLAIRE: - Der Mensch als Tier, ja. Funktionen wie diese. Aber Sie vergessen, wie ein Mensch als Mensch funktioniert. Sie haben die gesunde menschliche Qualitaet vergessen. Die Sensitivitaet, die feine Art, die Ueberlegenheit seiner Gefuehle, das Mitleid, Barmherzigkeit, Freundlichkeit, die Unschuld der Meinung, die Liebe, die Freude der Existenz. Sie haben vergessen, dass das menschliche Dasein die Faehigkeit hat sich selbst zu sehen, sich selbst anzusehen, sein eigenes Verhalten zu verstehen, zu bereuen, sich zu transformieren. Wenn Sie den Kindern Beachtung geschenkt haetten, haetten eine Menge ueber die grossartige Moeglichkeit des Menschen gelernt, sich vollkommen zu befreien von der unsinnigen, groben, gewaltsamen Verhaltens-Charakteristik von Tieren, den Kampf um Ueberlegenheit, Jagen, Toeten. Die Menschheit kann ohne Gewalt leben. 14 __________________________________________________________________ NOBEL: - Ho, ho, ho! Wie redegewandt, was fuer eine wunderbare Art darueber zu sprechen, Liebling, eine Utopie. Jetzt sehe ich deutlich, welchen Schaden Guerends Buch dir zugefuegt hat. Was fuer ein boeser Einfluss. Jetzt werde ich es wirklich verbrennen. CLAIRE: - Wenn Sie das tun... NOBEL: - Wenn ich es tue, was? CLAIRE: - Ich wuerde Sie hassen. NOBEL: - Siehst du jetzt, dass du denselben Instinkt hast wie jedermann, dass du hasst wie jedermann? Hass fuehrt zum Krieg. CLAIRE: - Ich sagte, ich koennte Sie hassen. Ich sagte nicht, ich werde Sie hassen. Die Menschheit kann fuer bestimmte ueble Dinge Hass empfinden, die andere ihm oder ihr zufuegen, aber man kann Hass hinter sich lassen, es gestatten ihn zu mildern, nicht ihn zu kultivieren. Hass ist ein momentaner Reflex. Waehrend Liebe der permanente Zustand unserer Existenz ist. Sie ist unsere Existenz selbst, durch sich selbst. Wir wurden geboren um zu lieben, aber einige Erwachsene lehren uns zu hassen, seit dem kleinsten Alter, zu einer Zeit, wo wir noch nicht selbst nachdenken koennen. In den Haenden der Wolfs-Lehrer, die zum Hass vorbereiten, zum Krieg. Sie vergiften uns mit Nationalismus, mit religioeser und tribaler Feindschaft und Hass. NOBEL: - Das ist genug der Rede. Theorien. Du kennst das wahre Leben noch nicht. Claire, komm nah zu mir, um das Leben dynamisch zu leben. Zu gewinnen, zu besiegen. Das was du brauchst, das was dir Zufriedenheit gibt: Freude. Liebe ist fuer die Schwachen. Sie geben vor dich zu lieben, bis sie bekommen haben, was sie wollten. Dann treten sie auf dich. Hast du es nicht bemerkt? CLAIRE: - Ich rede nicht ueber diese Art von Liebe, mit ihren Motiven von Selbstinteresse, die Not, die Zufriedenstellung, Profit, Ausbeutung von anderen. Ich spreche ueber ECHTE Liebe, aus der tiefe des Herzens, ohne irgendein Geheimnis, unbewusster Hoffnung, nur zur Befriedigung, nur auf Profit aus. NOBEL: - Und wo hast du selbst diese Liebe gesehen? Hast du sie in irgend jemand gefunden? CLAIRE: - Ja, diesen hier. (Sie nimmt eine Kette von ihrem Hals und zeigt Nobel das Medallion. Er haelt es, nimmt es in die Naehe seiner Augen und sagt:) NOBEL: - Ich sehe hier ein Foto von einem Mann auf einem Rollstuhl, ein Krueppel, eine verkrueppelte Person. Hast du diesen geliebt? Ha, ha, ha. 15 __________________________________________________________________ CLAIRE: - Das ist mein Vater, Herr Nobel. NOBEL: - Dein Vater? Verstuemmelt? Von was? CLAIRE: - Vom Krieg. Sie zogen ihn ein, zwangen ihn zweimal zum Krieg, jene, die vom Krieg leben und profitieren. Das zweite Mal als er ernsthaft verwundet wurde und verkrueppelt blieb. Er zog uns auf, drei Kinder, unter harter Arbeit. NOBEL: - Was fuer Arbeit, betteln? CLAIRE: - Die Person die liebt, bettelt nicht. Diese Person ist kreativ. Mein Vater lernte Alt-Griechisch im Selbststudium, mit Buechern und uebersetzte die altgriechischen Schriftsteller, Euripides, Sophokles, in unsere Sprache. Er lernte Deutsch und uebersetzte Faust und andere Werke von Goethe. Er machte dasselbe wie Shakespeare...Er uebersetzte die besten seiner Werke in unsere Sprache. Hattest du niemals die Gelegenheit ein von diesen Buechern zu lesen? „Ich wurde geboren zu lieben, nicht zu hassen“, sagte Antigoni in Sophokles Schauspiel zu dem schrecklichen Tyrannen Kreon. Und Portia in Shakespeares “Merchant of Venice”, sagte zu dem Sadisten Shylock: „Mitleid, Vergebung kommt nicht durch Zwang, es ist wie der sanfte Regen, der vom Himmel kommt. Sie sind doppelt gesegnet. Es segnet denjenigen der gibt und segnet wiederum denjenigen, der nimmt.“ NOBEL: - Gute Arbeit, aber nur Worte. Und wie geschah es, dass du nicht dem literarischen und philosophischen Hauch von deinem Vater gefolgt bist und bist in Liebe zur Chemie verfallen, so wie ich es tat? In diesem Punkt gleichst du mir und nicht deinem Vater. CLAIRE: - Weil ich die enormen Moeglichkeiten der Chemie sah, die Armut und den Hunger der Menschheit auszutilgen. Chemie ist Landwirtschaft, in der Herstellung und in der Konservierung von Nahrungsmitteln und multipliziert die Produktion und Lagerung von Nahrung und den Hunger und all die Krankheiten von Millionen von missgebildeten Personen in den armen Laendern die er verursacht, ausrottet. NOBEL: - So, ausser dem Mitleid fuer die Armut, da du selbst arm warst als ein junges Maedchen, fandest du Interesse an die Chemie? Ich verstehe es. Ich gab dir die Moeglichkeit sie zu studieren und so trafen wir aufeinander. Jetzt sollten wir uns nicht trennen. Ich weiss, ich bin viele Jahre aelter als du, aber ist dies wichtig in der Liebe? CLAIRE: - Welche Liebe, Herr Nobel? NOBEL: - Die Liebe, die ich fuer dich fuehle. Ich sagte es dir. Glaubst du mir nicht, vielleicht? Ich brauche dich. 16 __________________________________________________________________ CLAIRE: - Aber Sie haben gerade gesagt, es gibt keine Liebe, nur Selbstinteresse und die Notwendigkeit. Jetzt sagen Sie gerade, dass Sie mich lieben? NOBEL: - Du magst es so sehen. Lasst uns annehmen, dass es mein Selbstinteresse ist, dich zu lieben. Aber, nein, es ist etwas anderes, ich kann es nicht ausdruecken. Es ist etwas sehr tiefes, sehr starkes. Etwas, was ich ignoriere. Ich stellte es mein Leben lang beiseite. Ich muss jetzt lernen. Moechtest du mir helfen lieben zu lernen? CLAIRE: - Haben Sie keine Angst, dass diese Lektion Ihnen sehr kostspielig kommen koennte? Es koennte Sie zerstoeren... NOBEL: - Mich zerstoeren? Finanziell? Unmoeglich. Ich bin sehr wohlhabend, vielleicht der reichste Mann in der Welt. CLAIRE: - Sie sehen immer noch alles vom finanziellen Standpunkt. Ich meinte die Zerstoerung Ihrer Persoenlichkeit, der grossen Idee die Sie von sich selbst haben, Ihrer Selbstachtung, der Kraftposition und Vormachtstellung von der Sie glauben, dass Sie sie haben...Liebe kann dies alles zerstoeren...Wuerden Sie das riskieren? NOBEL: - Nein, das wuerde ich nicht moegen. Aber, noch einmal, ein sehr starkes Gefuehl in mir, sagt mir, dass zu lieben mehr wert ist, als all dieses. Es ist irgendwie angenehmer als alles andere. CLAIRE: - Eben jetzt sagten Sie was sich lohnt zu gewinnen. Dort wo Zufriedenheit und Freude liegen. Sie brauchen nicht zu lieben. Liebe ist fuer die Schwachen. NOBEL: - Ja, dies ist so wie ich denke, dass heisst, wie ich bis jetzt gedacht habe. Vielleicht muss ich mich nicht aendern. Vielleicht muss ich nicht dort stehen. Und dies ist, warum ich dich nicht nochmals bitten werde. Ich befehle dir meine Liebe zu akzeptieren und mich zu lieben. Meine eigene Person zu werden. Ziehst du es so vor? CLAIRE: - Liebe besteht nicht aus Befehlen, Herr Nobel. Liebe wird aus Liebe geboren. Wenn Liebe nicht innerhalb von Ihnen waechst, von der tiefsten Tiefe Ihres Herzens, werden Sie sie nicht in irgendeiner anderen Person finden. NOBEL: (Er nimmt sie an die Hand, zieht Claire nahe zu sich) Ich will dich, Claire, ich will, dass du die meine wirst. Du wirst mir gehorchen. Du wirst mich akzeptieren. Ich habe gelernt das zu bekommen was ich will, es zu besitzen, wenn noetig mit Gewalt. Du kannst alles von mir haben was du von mir verlangst. Ich bin steinreich, ich bin kraftvoll. 17 __________________________________________________________________ CLAIRE: (Gleitet friedvoll aus seinen Armen) – Liebe ist die einzige Sache die nicht durch Gewalt erreicht werden kann, Herr Nobel. Die einzigste Sache die nicht kaeuflich ist oder sich bestechen laesst. Auf Wiedersehen. Vielleicht koennen wir wieder miteinander reden. (Geht hinaus. Nobel bleibt eine Weile ruhig.) NOBEL: - Guerend! (Keine Antwort) Rufe und schicke mir Guerend! (Keine Antwort.) Claire, komm sofort! (Claire kommt nach ein paar Sekunden herein.) Sieh dich um nach Guerend, finde ihn. Warum ist er nicht im Buero nebenan? Ich habe ihn darum gebeten zu warten. CLAIRE: - Guerend ist gegangen, Herr Nobel. NOBEL: - Gegangen? Wohin ist er gegangen? Wann wird er zurueck sein? In einer Stunde habe ich ein Treffen. CLAIRE: - Er wird nicht zurueck kommen, er ist fuer immer gegangen. NOBEL: - Fuer immer? Aber warum? Ich mochte ihn. Und was soll ich jetzt ohne Dolmetscher tun? Wer wird die Bestellungen von den Abgeordneten annehmen? (Er bleibt eine Weile nachdenklich, in Verlegenheit. Dann auf Claire zeigend:) Du kannst genug Deutsch und Franzoesisch fuer... CLAIRE: - Nein, Herr Nobel. NOBEL: - Warum? CLAIRE: - Auch ich verlasse Ihre Dienste. NOBEL: (Ueberrascht) Verlaesst du meine Dienste? Wie ist dir der Gedanke gekommen? Ich werde es dir nicht erlauben. Du wirst bleiben. Von heute an wird dein Gehalt verdoppelt. CLAIRE: - Ich bin nicht kaeuflich. Ich bin nicht Ihr Sklave. NOBEL: - Sag mir warum. Ich will die Ursache wissen. CLAIRE: - Nach der Explosion der Granate. NOBEL: - Die Ballistik, das nichtrauchende Dynamit? Aber es ist meine groesste Erfindung. Es wird der groesste Triumpf des 20sten Jahrhunderts sein. Es wird mir enormen Profit einbringen, solange ich lebe und sogar nach meinem Tod. CLAIRE: - Es wird die Tragoedie des 20st Jahrhunderts sein. Seine riesengrosse zerstoererische Kraft wird die Wahnsinnigen des Krieges aufwiegeln noch mehr zu benutzen, auf viele verschiedene Wege. 18 __________________________________________________________________ Die verrueckten der Rache, des Fanatismus, Nationalismus, religioeser und rassistischer Dogmatismus, werden es im Terrorismus benutzen. Sie werden Bauwerke, Zuege und Wagen in die Luft jagen. Es werden Millionen von Menschen getoetet, zu Invaliden und Krueppeln. NOBEL: - Eine schwarze Prophezeihung. Aber wenn sie sich als wahr erweist, wenn sie es so wollen, wenn die Menschen so sind, was ist dabei mein Fehler? Ich machte eine grosse, eine grossartige Erfindung. Lass sie sie anwenden wie sie wollen. (Pause) Wenn du auch keine Befehle annimmst, Claire, so bitte ich dich, zum Treffen dabei zu sein, um mein Dolmetscher zu sein und die Bestellungen aufzuschreiben. CLAIRE: - Entschuldigung, ich kann nicht. Es ist eine Sache des Gewissens. NOBEL: (Verlegen) – Eine Sache des Gewissens..Was bedeutet Gewissen? Unsinn! CLAIRE: - Gewissen ist etwas, was tief verborgen in jedem menschlichen Wesen ist. Wenn Sie danach suchen, wird es Ihnen erscheinen. Aber es koennte sehr unangenehm, sehr stoerend, sehr gefaehrlich fuer die Selbstinteressen sein. NOBEL: - Ich kenne diese... Dame nicht. Sie erschien so nicht vor mir. CLAIRE: - Ah, sie ist sehr sensitiv. Wenn Sie sie einmal verleugnen, wenn Sie sie ignorieren, zieht sie sich tief in sich hinein und wird es nicht wagen wieder zu erscheinen. Sie ist sehr aengstlich, schamhaft. Aber wenn in einem seltenen Moment das Selbst-Ego schwach wird, wenn es ein Zusammenbruch in der Persoenlichkeit gibt, welche das Gewissen gefangen haelt, dann erscheint sie sehr lebendig und schimpft sehr laut, macht Sie taub: „Warum haben Sie mich all diese Jahre gefangen gehalten? Geben Sie mir jetzt meine Rechte?“ Dies ist Gewissen, Herr Nobel. Auf Wiedersehen. (Geht hinaus. Nobel bleibt verlegen, schockiert und traurig zurueck. Er beugt sich nach vorne) NOBEL: - Mein Herz schlug mich wieder...was fuer ein Schmerz! Oh, oh! Claire, Claire, hilf! (Claire kommt herein) – Claire, mein Herz, du weisst...ein Arzt, ich sterbe. CLAIRE: - Bleiben Sie ruhig, Herr Nobel, bekommen Sie keine Panik. Sie machen die Sache nur noch schlimmer. Legen Sie sich hier hin. (Hilft Nobel sich auf das Sofa zu setzen.) So...Geht es Ihnen jetzt besser? Wollen Sie, dass ich den Arzt rufe? (Pause) NOBEL: - Nein, die Krise ist vorueber. Danke. Bitte, nenn mich bei meinen Namen, Alfred, nicht Herr Nobel. 19 __________________________________________________________________ CLAIRE: - Ich...ich kann nicht...Herr Nobel, ich kann nicht. NOBEL: - Sag mir Claire, wo wirst du arbeiten, wenn du mich verlaesst? CLAIRE: - Ich weiss nicht. Aber...Ich werde fuer den Frieden arbeiten, nicht fuer den Krieg. In dem Augenblick wo wir sprechen, lodern viele Kriegsbraende ueber ganz Europa auf. Frankreich, Deutschland, Oesterreich, Italien, Jugoslawien, Russland, Tuerkei, Griechenland. Nicht zu erwaehnen die Kriege und die Voelkermorde die durch die Kolonianisten, den Belgiern, Hollaendern, Englaendern und Tuerken gefuehrt werden. Ich werde fuer den Frieden arbeiten, Herr Nobel. Ich weiss nicht wo, wie und was ich tun werde. Ich werde aufdecken, ich werde kaempfen. NOBEL: - Kann ich dir helfen? CLAIRE:- Sie koennen es nicht, Herr Nobel. Nicht jetzt. Jetzt arbeiten Sie fuer den Krieg. Ihre Erfindungen werden von allen Regierungen, von allen Millitaers in Europa, meist teuer verkauft. Ihre letzte und wichtigste Erfindung, das rauchlose Pulver, oder Ballistik, wie Sie es nennen, werden weit verbreitet fuer die Massenproduktion von Granaten fuer Waffen jeder Groesse und Form verwendet. Jetzt wird es fuer alle moeglich sein, von einer grossen Entfernung aus zu toeten, wo immer sie wollen und so oft sie wollen. NOBEL: - Ich will fuer den Frieden arbeiten. CLAIRE: - Sie koennen nicht. Sie sind ein Sklave Ihrer Erfindungen Ihrer Fabriken, Ihrer Bank-Deponierungen...Vielleicht spaeter...wenn etwas passiert, was Ihr Leben veraendern wuerde...etwas sehr unwahrscheinliches. Zum letzten Mal, Auf Wiedersehen. NOBEL: - Wirst du mir schreiben, Claire? CLAIRE: - Ich werde Ihnen schreiben. NOBEL: - Versprichst du es? CLAIRE: - Ich verspreche es Ihnen. Von wo auch es sein mag, was ich auch tun mag, ich werde Ihnen schreiben. Auf Wiedersehen. (Geht hinaus.) ENDE des ersten AKTES 20 __________________________________________________________________ ZWEITER AKT (Einige Jahre spaeter, frueher Morgen, derselbe Buehnenaufbau. Nobel sitzt mit gesengtem Kopf an seinem Schreibtisch. Er ist traurig.) NOBEL: - Warum dieser Tod? Lieber Bruder, warum sollte ich sterben bevor ich dich das letzte Mal gesehen habe? Ich habe dich so viele Jahre nicht gesehen. Gestern bist du aus Bakou, von Russland zurueckgekommen und hast dich auf dieses Sofa gesetzt. Bevor ich dich richtig sah, bevor wir anfingen uns zu unterhalten, veriet dich dein Herz. Und du bist 68. Wir hatten so viel zu erzaehlen, mein Bruder. Wie Schade, dass wir nicht genug Zeit hatten, Bruder Robert. (Eine maennliche Stimme von draussen:) STIMME: - Herr Nobel, sind Sie hier? (Nobel antwortet nicht. Die Tuer ist offen. Angelo, sein Sekretaer, tritt ein. Er haelt eine Zeitung in der Hand.) ANGELO: - Herr Nobel, etwas tragisches ist passiert. Ein tragisches Missverstaendnis. (Er zeigt ihm die Zeitung. Nobel bleibt gesonnen, ruhig.) Wollen Sie, dass ich es Ihnen vorlese? Es ist etwas ueber Sie, persoehnliches. NOBEL: - Lies es mir vor. ANGELO: (Liest die Zeitung) – Die letzten Nachrichten. Nobel starb letzte Nacht, um 8 Uhr, in seinem Buero. NOBEL: - Richtig, wo ist das Missverstaendnis? Warst du nicht hier, auch du, als mein Bruder letzte Nacht starb? ANGELO: - Das Missverstaendnis steht unten. (liest) - Gestern Abend, auf dem Sofa seines Bueros, tat Nobel, der weltberuehmte Erfinder und Industrieller, Alfred Nobel, seinen letzten Atemzug infolge eines Herzanfalls. Sein Sarg wird wahrscheinlich heue beigesetzt. (Nobel sieht schockiert aus. Er erhebt sich.) NOBEL: - Ein schlechtes Omen. Sag ihnen, dass sie es sofort korrigieren sollen. Ruf sie an! ANGELO: - Es ist zu spaet. Die Zeitung wurde schon herausgegeben. Sie wird morgen frueh noch einmal in Umlauf sein. Die Korrektion wird natuerlich gemacht. Ich werde sie anrufen. Aber...(zoegert). Die Tragik ist etwas anderes. NOBEL: - Gibt es da noch etwas? 21 __________________________________________________________________ ANGELO: (Zeigt eine andere Zeitung, die er unter seinem Arm haelt.) - Diese Zeitung hier. NOBEL: - Dasselbe Missverstaendnis natuerlich. ANGELO: - Nicht genau. (zoegert) NOBEL: - Also, leg los, Angelo. Du bist ein schwarzer Bote fuer mich heute morgen. ANGELO: - Ich wollte das nicht, Sir, es tut mir sehr Leid. NOBEL: - Gut, erzaehle mir von dem anderen Missverstaendnis der Zeitung, die du haelst. ANGELO:- Wuerden Sie es vielleicht selbst lesen? NOBEL: - Ich bin zu muede. ANGELO: - Es ist etwas schwierig fuer mich.(zoegert). NOBEL: - Das Missverstaendnis betrifft mich, nicht dich. Ich habe bemerkt, dass du sehr sensitiv und sehr ruecksichtsvoll, sehr diskret bist. Aber wie auch immer...lese! ANGELO: (Schlaegt die Zeitung auf, liest) – Letzte Nacht, in seinem sechsundachtzigsten Lebensjahr, starb Alfred Nobel, der groesste Industrielle, eines Todes, den die Menschheit jemals erfahren hat. Kein barbarischer Kriegsheld, kein verrueckter Emperiator, hat jemals so viele Menschenleben ausgeloescht, wie Alfred Nobel mit seiner Erfindung in der Anwendung von Nitroglyzerin fuer Kriegszwecke. (Nobel fuehlt sich durcheinander, aber Angelo nimmt keine Notiz davon als er ihn betrachtet. Und er setzt fort zu lesen) - Nobels explosives Oel, wie es allgemein genannt wird, verursachte eie Explosion seiner Fabrik in Heleneborg, nahe Stockholm, in welcher sein juengerer Bruder, Oskar, getoetet wurde. Ohne zu zoegern, ohne Gewissensbisse, ohne ein schlechtes Gewissen, transportierte er seine Fabrik auf ein Schiff, verlud der Handlungsbevollmaechtigte des Todes seine Fabrik auf ein Schiff, dass im Manlar-See nahe Stockholm vor Anker lag. Spaeter gruendete er eine neue Fabrik auf einer Insel bei Hamburg in Deutschland, die ebenfalls in die Luft flog, wegen des fluessigen Nitroglyzerins, das dort hergestellt wurde. Nobel zoegerte nicht lange, eine neue zu bauen. Das totbringende Produkt hatte grosse Nachfrage und Nobel besass den Wahnsinn der Ansammlung von Reichtum. Als er seine Experimente mit Nitroglyzerin und anderem explosivem Material fortsetzte, erfand er Dynamit, das Gour Dynamit, das harte Material, das nicht so leicht explodierte wie das fluessige 22 __________________________________________________________________ Nitroglyzerin, Nobels explosives Oel. Diese Entdeckung wurde Gour Dynamit genannt, d.h. Dynamit mit pyritic, schwefeliger Erde. Dies war die groesste Kriesentwicklung in der Welt nach dem Schwarzpulver. Dann reiste Nobel fuenf Jahre lang durch ganz Europa und Amerika um seine totbringende Erfindung anzubieten, sie sehr teuer an die Militaristen und Kriegsbesessenen Chefs jeder Art zu verkaufen. Er gruendete eine Gesellschaft um die Besitzrechte von allen Fabriken zu sammeln, welche dieses Material herstellen, welches hauptsaechlich fuer Kriegswaffen jeder Art verwendet wird und ueberall Tod, Verkrueppelung und Invaliditaet von Millionen von Menschen verursachte. Braende, in die Luft jagen von Haeusern, Fabriken, Krankenhaeusern, Schulen, in Doerfern und Staedten, in Gebieten mit Kriegsaktivitaeten. (An dieser Stelle senkt Nobel seinen Kopf tiefer, legt seine Hand auf sein Herz. Angelo, vertieft beim Lesen, nimmt keine Notiz von ihm.) - Anstandslos, ohne Skrupel, mit pathologischem Durst zum Reichtum, setzte er seine inhumanen Beschaeftigung mit Kriegsmaterial fort. Spaeter entdeckte er die explosive Gelatine, kraftvoller als Dynamit und im selben Jahr erfand er Gelato-Dynamit. Sein Wahnsinn in der Herstellung von all den verbesserten Materialien zur massiven Zerstoerung, fuehrte ihn zur Entdeckung von ballistischem, rauchlosem Schiesspulver, das er Ballistik nannte und welches sein monstroeser Hoehepunkt seiner teuflischen Erfindungen ist. Die Perfektion der Granaten, der Projektiele und den Kanonen, war seine Beschaeftigung waehrend der letzten Jahre. Zu diesem Zweck kaufte er die groesste Giesserei fuer Kanonen, genannt Bofors, in Schweden und ebenfalls das groesste Stahlwerk in Bieneborg in Finnland auf. Der Wahnsinn des Krieges, der Herrschsucht, des Militarismus, den Menschenmoerdern, haben jetzt die Maschinen in der Hand, die von Nobel erfunden wurden, und aus grosser Entfernung toeten koennen, wo immer und wann immer sie wollen. Der Schmerz, Leid, Trauer, ueber tote Soldaten und der Zevilbevoelkerung, Waisen und Witwen, von Muettern, wird seine schwarze Seele fuer immer begleiten. (Angelo faltet die Zeitung langsam zusammen, zoegert, diskret, ohne Nobel anzusehen.) NOBEL: (Ein tiefer Schmerzensschrei) – Oooh! ANGELO: (Ist schockiert, tritt an Nobel) – Herr Nobel, was ist los? Soll ich nach einem Arzt schicken? (Nobel antwortet nicht. Angelo spricht nicht...darauf spricht Nobel:) NOBEL: - Es ist eine Krise, sie wird voruebergehen. (Erhebt seinen Kopf. In diesem Augenblick tritt Claire eilends herein. Sie spricht aus einigem Abstand.) 23 _______________________________________________________________ CLAIRE: - Alfred, wusstest du es nicht? Statt deinem Bruder, brachten sie deinen Namen in die Todesanzeige. ANGELO: - Er hat es erfahren. Ich bitte dich, bewahre Ruhe. CLAIRE: - Was? (Sie geht nahe zu ihm) – Alfred... NOBEL: (Langsam) – Danke, dass du mich Alfred nennst. CLAIRE: - Nach so viel Briefwechsel wurden wir enge Freunde. Hast du Schmerzen? NOBEL: (Nicht bejahend.) CLAIRE: - Leg dich hin. Hilf mir Angelo. (Sie helfen ihm aufs Sofa zu liegen.) – Oeffne das Fenster, bitte, er braucht mehr Luft. ANGELO: - Es ist kalt draussen. CLAIRE: - Das macht nichts. (Sie zieht ihren Mantel aus und bedeckt seinen Haupt, fuer eine Weile.) Bis er wieder zu sich kommt, werden wir es wieder schliessen. Lasst und warten. (Claire sitzt tiefer am Sofa, nahe an seiner Brust. Sie sieht ihn an, sie achtet auf seine Atmung. Mit Aufmerksamkeit, liebevoll. Sie verweilt so einige Zeit, bis Nobel ein bisschen von seinem Schmerz befreit ist. Er oeffnet seine Augen, siet Claire in die Augen.) CLAIRE: - Geht es dir wieder besser? Ist der Schmerz vorbei? NOBEL: - Ein bisschen...besser. Der akute Schmerz ist vorueber...aber nicht vollstaendig. Es koennte eine boruebergehende Herzatacke sein. CLAIRE: - Willst du, dass wir dich ins Krankenhaus bringen? NOBEL: - Nein. CLAIRE: - Warum nicht? NOBEL: - Weil ich unterwegs sterben koennte. CLAIRE: - Kann ich sonst etwas fuer dich tun, Alfred? NOBEL: - Sprich! Ich will, dass wir miteinander sprechen, bevor ich sterbe. CLAIRE: - Sag so etwas nicht. Du erschrechst mich. Wann wuenscht du, dass ich kommen soll um miteinander zu sprechen? 24 _______________________________________________________________ NOBEL: - Jetzt. CLAIRE: - Jetzt? O.K. NOBEL : - Sag Angelo, dass er gehen soll. Lass ihn im anderen Buero warten. (Claire dreht sich Angelo zu. Aber er hat es bereits gehoert und begiebt sich hinaus. Nobel sitzt aufrecht auf dem Sofa.) NOBEL: - Angelo, lass die Zeitung hier. (Angelo laesst hastig eine Zeitung da.) – Nicht diese! ANGELO: - Mit dem Artikel? NOBEL: - Ja! (Angelo nimmt die erste Zeitung und legt die andere auf den Schreibtisch und geht diskret hinaus.) (Nobel zu Claire:) – Er ist ein Engel. CLAIRE: - Genau wie sein Name bedeutet. NOBEL: - Dein eigener Name, Claire, welche Bedeutung hat er? CLAIRE: - Klarheit, Sauberkeit, Helligkeit. NOBEL: - Sicherlich hat mich diese Klarheit in dich so stark beeindruckt. Es hat mich verzaubert, von dem Moment an, wo wir uns zuerst begegneten. Wie schade, dass ich dich nicht mein ganzes Leben bei mir habe...(Pause) – Hast du den Artikel gelesen? CLAIRE: (Zoegert zu antworten) – Nein... NOBEL: - Du hast gezoegert zu antworten. Du hast ihn gelesen. CLAIRE: (Mit Mitleid) – Ja. NOBEL: - Und du stimmst zu...Es ist alles wahr, was dort steht? CLAIRE: (Nachdruecklich) – Nein, ich stimme dem nicht zu. Es ist nicht wahr. Der Mann, der dies geschrieben hat, wusste nicht, was er schrieb. NOBEL: - Wer schrieb es? CLAIRE: - Ein Journalist. Ein Populist, ein Demagoge. NOBEL: - Aber er beschreibt mein Leben, meine Erfindungen, meine Fabriken, das Kriegsmaterial das ich produzierte und verkaufte, mein Reichtum. Es ist alles wahr. 25 ______________________________________________________________ CLAIRE: - Die Fakten, ja. Aber nicht die Erklaerungen, nicht die Charakterbeschreibung, die schmierigen Worte. Unskrupelhaft, sich der Sache nicht bewusst sein, anstandslos, der Wahnsinn des Geldes, der tote Industrielle. Das sind unzuverlaessige Worte, verleumderisch. Und sie zeigen nur die Improvisation, die Gefuehllosigkeit, die Schamlosigkeit, die Abgestumpftheit, der Gewissenlosigkeit, eines Mannes der das schrieb, aber der sich der Sache nicht bewusst ist. NOBEL: - Einmal hast du mir gesagt, dass ich kein Gewissen habe. CLAIRE – Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, dass Gewissen sich zurueckzieht, es tief in uns vergraben ist, wenn es verwundet wird. NOBEL: - Sagst du das allgemein oder fuer mich? CLAIRE: - Beides, im Allgemeinen und fuer dich. NOBEL: - Gut, was weisst du ueber mich? Warum hab ich mein Gewissen vergraben? CLAIRE: - Es koennte sein, weil du sehr verwundet wurdest. NOBEL: - Wann? Wie? Wo? CLAIRE: - Dies musst du selbst herausfinden. In Russland, in Kronstadt, wo euer Vater euch alle hinbrachte, als kleine Kinder, damit er die UnterwasserMinen herstellen konnte, die er erfunden hatte, gegen Angreifer welche das Gebiet waehrend des russisch-tuerkischen Krieges belagerten. Er riss euch alle heraus in eurerem zarten Alter, aus euerer Heimat und warf euch inmitten des Terrors, dem Horror des Krieges. Vielleicht war es das, weshalb du dein reales ICH vergraben hast. Dein Bedarf nach Liebe, nach Zuneigung, nach Frieden, nach Sicherheit. Und spaeter dann, konntest du es nie wieder finden. NOBEL: - Ja, genau so ist es. Ich kann es klar sehen, nach so vielen Jahren, nach all meines Lebens Spanne. Und wenn mein juengster Bruder, Oskar, durch die Explosion getoetet wurde dieselbe die meine Fabrik zerstoerte? Du weisst, letzte Nacht, als mein Bruder Robert hierher kam, wollte ich mit ihm genau ueber diesen Vorfall sprechen. Ich fuehlte eine Last von Schuld in meiner Brust. Ich befuerchtete, dass er mich fuer den Tot unseres juengsten Bruders verantwortlich, schuldig halten wuerde. Aber ich hatte Oskar gesagt, dass er von der Fabrik weggehen sollte. Er gehorchte mir nicht. Er liebte mich sehr, er wuenschte bei mir zu arbeiten. Aber Nitro-Glyzerin ist ein sehr gefaehrliches Material. Durch einen Stoss, durch Umkippen eines Containers, ruft es eine gewaltige Explosion hervor und zerfetzt ein ganzes Gebaeude in Stuecke. Ich hatte es ihm gesagt. Geh weg vom Nitro-Glyzerin. Er hoerte nicht auf mich. Ist es mein Fehler? Bin ich schuldig? 26 ______________________________________________________________ (Einige Traenen kamen hervor. Er versuchte sie zu unterdruecken indem er sie mit seinem Taschentuch abwischte. Claire nahm es diskret beiseite.) CLAIRE: - Hoer nicht auf sie abzuwischen. Sei nicht beschaemt sie abzuwischen. Ich werde es dir gut tun. Du wirst sehen. NOBEL: - Das ist, was ich Robert sagen wollte. Aber ich hatte nicht die Zeit. Sobald er kam und sich auf dieses Sofa setzte, starb er. Vielleicht die Strapazen von der langen Reise. Er litt an Herzschwaeche, so wie ich. Jemand fand ihn tot bevor ich kam. Und weil er mir sehr aehnlich ist, dachte er, dass ich gestorben sei und rief eine Zeitung an, es bekannt zu geben. So kam es zu diesem Missverstaendnis. Aber warum sollte er in meinem Buero sterben? Bin ich vielleicht schuldig fuer seinen Tod? Wie kann ich all dies ertragen, was ich aus dem Zeitungsartikel erfahren habe? Ich befuerchte, dass ich selbst noch heute sterben koennte. CLAIRE: - Nein, du wirst nicht sterben. Ich werde heute auf diesen Artikel antworten. Morgen wird es herausgegeben. Ich werde den Artikel als verleumderisch, unakzeptierbar und anstoessig, blosstellen. Die Schuld die sie dir zuschieben fuer die Morde, fuer den Tod auf den Schlachtfeldern, ist nicht bestaetigt, unrealistisch, unbegruendet. NOBEL: - Du willst damit sagen, ich sei nicht schuldig? CLAIRE: - Nein, schuldig sind die Kriegsanfuehrer jeder Art. Sie sind krank, ehrgeizig, Militaristen und Staatsmaenner. NOBEL: - Was ist mit meiner Erfindung des Dynamits, die jetzt grossraeumig fuer Granaten verwendet wird und durch welche tausende von Menschen aus grosser Entfernung getoetet werden? Bin ich dafuer schuldig? CLAIRE: - Nein. Du versuchst das fluessige Nitroglyzerin, das durch den geringsten Stoss explodierte, so umzuwandeln, in etwas festes, das nicht so leicht explodieren wuerde, das gefahrloser transportiert werden konnte. Nobels explosives Oel explodierte eben daher waehrend des Transports. NOBEL: - Ja, das ist so. Wie weisst du das alles? Arbeitest du vielleicht mit Explosivem? CLAIRE: - Ich arbeite fuer den Frieden, Alfred. NOBEL: - Wie du mir schon sagtest. CLAIRE: - Ja. Wir gruendeten in Wien die World Peace Society, die WeltFriedens-Bewegung. 27 ______________________________________________________________ Wir kaempfen fuer die Abschaffung des Krieges und der Armeen. Natuerlich verfolge ich alle Nachrichten ueber Krieg und ueber Ihr Material. Ich habe nie unsere Korrespondenz abgebrochen. Und ich weiss, dass tief in dir, du hungrig nach Frieden und Liebe bist. Ich weiss, wie oft und was fuer grosse Summen du ausgegeben hast, fuer Wohltaetigkeitszwecke, fuer Wohlfahrts-Stiftungen, zur Hilfe der Verminderung der Armut ungluecklicher Menschen. Ich las auch die Literaturstuecke die du geschrieben hast. Du hasst den Krieg. Dies ist, was ich in meinem Artikel schreiben werde. NOBEL: - Und du glaubst es? CLAIRE: - Selbstverstaendlich. NOBEL: - Somit bin ich also nicht fuer dich der verfluchte Industrielle von Krieg und Tod? CLAIRE: - Natuerlich nicht. Ich sehe dich nicht so, ganz und gar nicht. NOBEL: - Ich danke dir, Claire, du hast mich befreit, du hast einen grossen Stein von meinem Herzen genommen. (Mit Traenen) – Ich danke dir. (Sie bleiben ruhig) – Du weisst, ich dachte, dass du mich gehasst hast, seit der Zeit, wo du Guerends Buch gelesen hast, von Pourquoi, so wie ich ihn nannte. Und weil ich mich weigerte fuer seine Herausgabe zu zahlen. Sag mir, wie verlaufen die Dinge mit deinem Freund? CLAIRE: - Unserem Freund. Ich denke, dass du ihn mochtest, tief in deinem Gewissen. NOBEL: - Ja, das ist so. Hat er es herausgegeben? CLAIRE: - Ja. NOBEL: - Und dann, was geschah mit ihm? Siehst du ihn? Geht es ihm gut? CLAIRE: (Zoegernd) – Ja, es geht ihm...gut. NOBEL: - Du verbirgst etwas vor mir...Sag mir die Wahrheit. CLAIRE: - Nichts entgeht deiner Aufmerksamkeit, Alfred. Du besitzt eine aussergewoehnliche Klarheit des Verstandes. Deine Intuition funktioniert wunderbar. NOBEL: - Sag mir, was geschah mit meinem guten Pourquoi? CLAIRE: - Ich werde es dir jetzt nicht sagen. Ein anderes Mal. 28 _______________________________________________________________ NOBEL: - Warum nicht jetzt? CLAIRE: - Weil...weil du durch eine Krise gehst. NOBEL: - Die Krise ist vorbei. Es geht mir wieder gut. Ich hoere. (Claire zoegert) – Mit welchem Geld gab er das Buch „Pourquoi la Guerre – Warum der Krieg“ heraus? Vielleicht half ihm sein neuer Arbeitgeber? CLAIRE: - Niemand. Er machte Schulden. NOBEL: - Und dann? Liess sich das Buch verkaufen? CLAIRE: - Ganz und gar nicht. Nicht einmal fuenfzig Kopien. NOBEL: - Genau, wie ich voraussah. Und dann? CLAIRE: (Wird aufgeregt, nahe dabei zu weinen) – Und dann...Nichts. NOBEL: - Claire, warum weinst du? Warum? Sags mir. Fahre fort. CLAIRE: (Weint stark) – Dann sperrten sie ihn ein wegen den Schulden. NOBEL: - Ein tierischer Akt! Unredlich! Beschaemend! Und wann kam er aus dem Gefaengnis heraus? CLAIRE: - Er konnte das Gefaengnis nicht vertragen und...(Sie weint schluchzent und deutet mit ihren Haenden das Aufhaengen an.) NOBEL: - Hat er sich selbst erhaengt? (Er bedeckt seine Augen mit seiner Hand. Ruhe.) – Mein Gott, Pourquoi, dich hab ich auch getoetet, ich bin erschuettert. Ich saehe Tod um mich herum. Der Artikel hat recht. CLAIRE: - Nein, Alfred, du bist nicht der, den der Artikel beschreibt. Ich haette dir nichts ueber den armen Pourquoi erzaehlen sollen. Ich habe dich verletzt. Ich bin schuldig. NOBEL: (Senkt seinen Kopf und sagt mit gedaempfter Stimme:) – Oh! CLAIRE: - Hast du Schmerzen? Dein Herz? NOBEL: - Es ist nichts, es wird vorueber gehen. CLAIRE: - Nimm keine weitere Schuld auf dich. Es ist gefaehrlich in dieser Situation in der du dich jetzt befindest. 29 _______________________________________________________________ NOBEL: - Ich habe ihm gesagt, dass Pourquoi sterben wuerde, er, seine Romantik selbst, der Pazifist, der Beschuetzer der Armen und der Zivilbevoelkerung, so dass Guerend ueberleben und Erfolg haben wird, sein wirkliches Selbst, mein guter Angestellter, mein Dollmetscher, mein Uebersetzer, der Schoenschreiber. Jetzt verstehe ich meinen Fehler. Der Pazifist, der Schriftsteller, der Autor des Buches „Pourquoi la Guerre – Warum der Krieg?“ war sein wirkliches Ich. Ich lehnte jede Hilfe ab, jede Unterstuetzung zu seinem wirklichen Ich. Ich verhoehnte ihn, beleidigte ihn, entwuerdigte ihn und schliesslich toetete ich ihn. Jetzt kann ich meine Schuld klar erkennen. CLAIRE: - Du hast keine Schuld fuer irgend etwas. Es ist nicht dein Fehler. Du wusstest nicht, was du getan hast. NOBEL: (Er hat eine Intuition der Wahrheit in Claires letzten Worten.) – Du sagst es ganz richtig. Jetzt bin ich nicht fuer alles schuldig. Jetzt sehe ich klar, was ich getan habe. Nicht ich, ich kann sehen, was dem tief verwundeten Kind getan wurde, das ohne jegliche Liebe aufwuchs, in der Hoelle des russischtuerkischen Krieges. Der aufwuchs mit einem Vater, der Dinge fuer den Krieg erfand, der unablaessig fuer den Krieg arbeitete und seine explosiven, zerstoererischen Minen an den russischen Militaers verkaufte. Jetzt kann ich klar sehen. Ich fuehle, als ob ich aus Teilnahmslosigkeit eines ganzen Lebens aufwache. Ich schlief. Ich gab all mein Leben fuer explosives Material hin, nach dem Muster, der Nachahmung meines Vaters. Er hat mir nichts anderes beigebracht. Er hat mir keine Liebe beigebracht, wie es dein Vater tat, Claire. Liebe geht zusammen mit Klarheit, es klar zu sehen, Claire zu sein, klar. Weisst du was Nobel meint? Es bedeutet Muenze, Geldmuenze, Geld in Metallform. CLAIRE: - Ich weiss, ich habe es nachgeschlagen. Der erste Gold-Nobel oder Nobl, wurde gestanzt bei Edward III im Jahre 1344. Ich kenne Geschichte. NOBEL: - Das war mein Vater, Nobel. Das ist Geld, Goldmuenzen. Das war das einzige, was er kannte. Sein einziger Wert und Ziel, nach Geld zu jagen. Aber er ging bankrott in Russland, wo er am Anfang mit der Herstellung seiner Unterwasser-Minen Erfolg hatte. Vielleicht fuehlte ich dann, dass ich Erfolg haben sollte, wo er versagte. Mit Geld. Und so wurde ich ein besessener Jaeger nach Geld. Ich arbeitete unaufhoerlich in meinem chemischen Labor. Ich entdeckte die neuen explosiven Materialien. Ich verkaufte sie und haeufte Geld an. Ich sammelte Reichtum. Auf diese Weise vergrub ich meinen Kummer in meinem Unbewussten tiefer und tiefer. Ich wurde der steinreiche Nobel. Der groesste Erfinder in der Welt. Allein in England hatte ich 129 Diplome von Erfindungen mit den Rechten eines Erfinders, welche mich zum reichsten Mann der Welt machte. Und all dies mit meinem Herz fuer die Liebe verschlossen. Erst als ich dich kannte, fuehlte ich die Kraft, den Wert der Liebe. Aber du lehntest mich ab. 30 _______________________________________________________________ Ich klage dich nicht an, du konntest nicht anders, als den skrupelosen Industriellen des Todes, abzulehnen. CLAIRE: - Sag dies nicht...du bist nicht... NOBEL: - Ich war so, und du sahst klar wie ich war und wantest dich von mir ab. Du hast gut gehandelt. CLAIRE: - Ich konnte tiefer sehen, dein wirkliches Ich, dein Verlangen nach Liebe, das Leid, das unterdrueckte Kind. NOBEL: - Dann, warum? Warum hattest du mich verlassen und bist weggegangen? Ich litt sehr viel, du weisst es nicht. Von da an brach mein Herz. CLAIRE: - Ich ging, weil die Persoenlichkeit des Industriellen zu stark war. Er bedeckte, vergrub den Bedarf nach Liebe. Ich hatte einen Weg gefunden Abstand zu nehmen von dem Schmerz des Verlustes der Liebe, der Sicherheit und Freude. Erinnere dich an deine Worte: „Du brauchst keine Liebe. Um zu gewinnen, zu verdienen, das ist was du brauchst...Liebe ist fuer die Schwachen.“ NOBEL: - Ich habe Schopenhauer und Nietze gelesen. Ich wurde beeinflusst. CLAIRE: - Alle beide tragische Personen. Sie hatten irgendeine grossartige Idee gefunden, sehr bedeutende Ideen, aber sie missinterpredierten sie, weil sie keine Selbsterkenntnis besassen. Sie haben nicht an sich selbst gearbeitet. Liebe ist fuer die wirklich Starken, fuer jene, die psychisch gesund sind, nicht fuer jene, welche durch Ruhm stark geworden sind, durch Heldentum, durch Reichtum oder durch eine Vollmachtstellung und Autoritaet. Mit solchen Dingen verdecken sie nur ihr Leid, ihre psychische Missere, ihre tiefe Unfaehigkeit zu lieben. Sie sind fast geistesgestoert, sie sind gefaehrlich. NOBEL: - Genau wie ich es war. Jetzt verstehe ich es, jetzt wache ich auf. Erinnerst du dich, was du mir einmal sagtest? Nur in dem Falle eines Zusammenbruchs der Persoenlichkeit, deines Gewissens, koennten dich aufwecken. Etwas sehr unwahrscheinliches.Diese unwahrscheinliche Sache passierte.Der Artikel. Und unsere Diskussion. Ploetzlich kollabierte die Persoenlichkeit, stuerzte ab, die ganze Schlacht eines Lebens ging bankrott. Es war eine Maske, eine Phantasie. Sie zerbrach in Stuecke...Sie ist nutzlos fuer mich...(Ein Zucken von Schmerz in seinem Gesicht) – Ooh! Kurz bevor ich sterbe. Wie schade! CLAIRE: - Du wirst nicht sterben, Alfred, du wirst weiterleben und Freude haben. 31 _______________________________________________________________ NOBEL: - Ich lebe bereits jetzt. Diese Momente jetzt sind es Wert, eindeutig mehr als all die Jahre meines Lebens. Es bedeutet mir nichts, wie lange diese Momente dauern, sondern ihre Qualitaet. Ich fuehle mich selbst, mein wirkliches Ich. Ich fuehle Liebe. Ich fuehle Klarheit, ich fuehle die Freude, die ich all mein Leben unterdrueckt habe. Jetzt existiere ich wirklich. Claire, ich bin dir grenzenlos dankbar fuer all das, was ich in diesem Augenblick fuehle. Ohne dich wuerde ich sterben...tot. Jetzt habe ich meine Leblosigkeit ueberwunden, ich habe den Tod in mir ueberwunden. Jetzt weiss ich, dass ich auch nach meinem Tod weiterleben werde. Liebe stirbt nie. (Ein Zucken von Schmerz in seinem Gesicht.) CLAIRE: - Leidest du? NOBEL : - Ich ? Nein. Mein Herz leidet. Eine normale Sache, eine Krise. Ich werde es ueberstehen. (Er steht auf oder aendert seine Position. Entschlossen:) Claire, setz dich an meinen Schreibtisch. Nimm ein Stueck Papier und ein Schreibstift. (Claire durchfuehrt es.) O.K. und jetzt, vollkommene Ruhe einen Moment (Stille) Schreib nieder...Mein letzter Wille und Testament. Mein ganzer beweglicher und unbeweglicher Besitz soll auf ein Konto zusammengetragen werden und dessen Verwaltung soll der Nationalbank von Schweden anvertraut werden. Die jaehrlichen Zinsen von meinem Vermoegen sollen als Preis vergeben werden, dem Mann oder dem Team von Leuten, die effizienter arbeiten in Theorie oder in der Praxis, fuer die Bruederlichkeit aller Menschen in der Welt, fuer die Abschaffung oder der groesstmoeglichen Limitation der permanenten Armeen in allen Laendern der Welt, zur Kreation, der Organisation und der Propagation des Friedens-Kongresses auf der ganzen Welt, fuer die Abschaffung des Krieges, als ein Mittel zur Ueberwindung von Differenzen jeder Art. CLAIRE: (Zoegernd) – Herr Nobel... NOBEL: - Alfred. Herr Nobel ist tot. Was ist los mit dir Claire? Hast du dich selbst vergessen? CLAIRE: - Ja,...Entschuldigung. Ich habe von deinem riesigen Vermoegen gehoert und Herr Nobel kam mir in meinen Sinn und in meinen Mund. NOBEL: - Du wolltest mir etwas sagen? CLAIRE: - Du solltest vielleicht die Aufzeichnung deines Testaments auf eine spaetere Zeit aufschieben. NOBEL: - Warum nicht jetzt? CLAIRE: - Weil du diesen Schmerz im Herzen hast und du vielleicht nicht den klaren Verstand hast, die Einzelheiten des Testaments zu entscheiden. 32 _______________________________________________________________ NOBEL: - Du liegst falsch, Claire, ich habe absolut...(Er schlaegt auf den Schreibtisch, um seinen Worten Ausdruck zu geben.) absolut klaren Verstand, vollkommen selbstbewusst und mein Gewissen ganz klar und lebendig. Schreib jetzt nieder, was ich gerade zu Beginn gesagt habe. Bei absoluter Klarheit des Verstandes, kompletter Selbstbewusstheit, mit meinem Gewissen ganz klar und lebendig...(Angelo tritt ein.) - Ich habe dich nicht gerufen. ANGELO: - Ich hoerte den Schlag auf den Tisch und ich dachte, Sie koennten mich fuer etwas brauchen. CLAIRE: - Ich glaube du brauchst ihn, Alfred. Dein Sekretaer weiss viel mehr als ich, vielleicht mehr als du, das Testament aufzuzeichnen. NOBEL: - Mein Sekretaer, ein Philosoph und mein Jurist. Du hast Recht. Angelo, setz dich dort hin. (Claire steht auf und reicht ihm den Stuhl. Sie selbst setzt sich auf das Sofa.) ANGELO: - Herr Nobel. NOBEL: - Alfred. ANGELO: - Alfred, ich habe gehoert, dass heisst, ich habe es zufaellig mitgehoert, ohne es zu wollen, es geschah als ich der Halle war und die Tuer war offen. Ich habe ueber deine Entscheidung gehoert, ueber den jaehrlichen Preis fuer die Kaempfer des Friedens. Ich denke, es ist uebertrieben. Die Totalsumme von den Zinsen deines Vermoegens jedes Jahr, wird eine riesige Summe Geld sein. Warum es nicht in mehrere Sektionen unterteilen, in Aktionen im Dienst der Zivilisation und menschlichen Fortschritts? NOBEL: - Was empfiehlst du? ANGELO: - Ich empfehle einige Preise mehr. Einer, ein Wissenschafts-Preis fuer die wichtigste Entdeckung oder Erfindung in der Physik. Ein Zweiter, ein Chemie-Preis fuer die wichtigste Entdeckung, Verbesserung oder Perfektion in der Chemie-Sektion. Ein Dritter, ein Medizin-Preis. Ein Vierter fuer Physiologie, Biologie, fuer die wichtigste Entdeckung in diesen Sektionen. NOBEL: - Ich bin einverstanden. Lass es so sein. Vergiss nicht zu schreiben:...Alle Erfindungen und Entdeckungen sollten nuetzlich fuer den Fortschritt der Zivilisation, fuer die Verbesserung des Lebens auf der Erde sein. Wir werden jede Erfindung ausschliessen, die einen destruktiven Gebrauch haben koennte. ANGELO: - Ungluecklicherweise, Herr Nob...Alfred, haengt der Gebrauch jeder Erfindung vom moralischen Standpunkt, von dem Grad des Bewusstseins der Menschheit ab. Lass mich hoffen. 33 _______________________________________________________________ NOBEL: - Mich auch. CLAIRE: - Darf ich einen weiteren Preis vorschlagen? NOBEL: - Wir hoeren dich. CLAIRE: - Ein Preis fuer Literatur, fuer die beste Arbeit in der Literatur mit hoeherer, positiverer, humanistischer Ideen und Richtungen. NOBEL: - Ja, diesen auch. Und somit haben wir fuenf Preise. Angelo, du hast jetzt alle Daten um meinen Letzten Willen und Testament aufzusetzen. Sobald du es fertig hast, bring es zu mir, um es zu unterzeichnen. Ich danke euch beide ganz herzlichst. (Ein Zucken und ein Anfall von Schmerz.) – Du darfst gehen. CLAIRE: - Leidest du immer noch? An Schmerzen? Willst du, dass ich einen Arzt rufe? Willst du, dass ich hier bleibe? NOBEL: - Ich moechte, dass du gehst, weil ich mit mir allein sein will, um mich zu entspannen, mich zu erholen. Wenn ich sterbe, will ich, dass mein Tod mir gehoert. Ich werde hier liegen, auf dem Sofa. Mach die Heizung an bevor du gehst. Ich brauche Waerme. (Er begibt sich zum Sofa.) – Auf Wiedersehen. (Claire geht zu Nobel, nimmt seine Hand, kuesst sie, kniet vor ihm. Nobel legt seine Hand auf ihren Kopf und hilft ihr aufzustehen. Sie trennen sich.) ENDE des SPIELS