Philipps-Universität Marburg Fachbereich 21 SoSe 2002 Seminar: Neue Medien - Neue Gesellschaft? Leitung: Christina Schachtner Datum: 23.05.02 Referat: „Globalisierung, Neue Medien, Demokratie“ Referatsgruppe: Daniela Dahmann, Steffen Häupl, Christine Maurer, Heidi Natelberg, Beyhan Özdemir, Julia Rißel Thesenpapier Saskia Sassen: Cyber- Segmentierungen. Elektronischer Raum und Macht (1997) In diesem Essay werden die Entwicklungen von Internet, damit verbundenen Dienstleistungsanbietern, globalen Unternehmen und deren elektronischen Infrastrukturen beschrieben. Besondere Merkmale des Internets: Dezentralisierung, Offenheit, Ausdehnung, Fehlen von Hierachie und Zentrum, keine autoritäre oder monopolistische Kontrolle Wichtigste Eigenschaften elektronischer Netzwerke: Geschwindigkeit, Gleichzeitigkeit, Konnektivität Trotz Ausbreitung und Globalisierung gibt es weder vollständig virtualisierte Unter-nehmen, noch vollständig digitalisierte Industrien, da Arbeitskräfte, Kompetenzen und Gebäude etc. notwendig sind Wachsende ungleiche Aufteilung der Infrastruktur des Internets Unternehmen müssen sich in ihren Strukturen den technischen und ökonomischen Forderungen des Internets anpassen Zentralität: Führende Business-Zentren der Welt (New York, Frankfurt, Tokio etc) sind durch Netzwerke miteinander verbunden. Globale Städte sind mit digitaler Infra-struktur bestens versorgt, weniger erschlossene Landstriche bleiben außen vor Daraus folgt: Neue Geographie des ungleich verteilten Zugangs zum Internet Niveau der technischen Entwicklung hängt von der Verfügbarkeit von öffentlichen und privaten Geldern ab. Das beginnt schon bei einfachen Technologien wie Telefon und Fax (Vergleich: In Japan gibt es 4,3 Mio. Faxgeräte, in der Türkei nur 30000) Wachsende Wirtschaftlichkeit und möglicher Profit der Telekommunikation erzeugen großen Druck hinsichtlich Deregulierung und Privatisierung Führende Unternehmen brauchen aktuellste Technik, enorme Kapitalmengen, Spitzenforschung erforderlich. Weniger entwickelte Länder erhoffen sich durch Privatisierung Zugang zu ausländischem Kapital und Fachwissen zum Verbessern ihrer Infrastruktur Konkurrenz und Privatisierung führt zu Großkonzernen und weltweiten Allianzen Spanne zw. Technologie- „Besitzern“ und „Habe- Nichtsen“ wird immer größer Es gibt 3 verschiedene Formen von Cyber-Segmentierungen: 1. Kommerzialisierung des Zugangs Große Firmen bieten kostenlosen Internet-Zugang, suggerieren „Internet für jeden“, globale Allianzen suchen dabei nach geeignetem Gebührenmodell. Nutzung des WWW breitet sich immer mehr aus, große Unternehmen werden es monopolisieren 2. Entstehung von Dienstleistungsunternehmen, die für zahlende Kunden Informationen auswählen, sortieren und bewerten 3. Bildung privater, strikt abgeschotteter Netzwerke von Unternehmen im Web Intranetze. Internet als Medium entdeckt, um weltweit mit Kunden, Partnern und Investoren zu 1 kommunizieren. Für jeden Mitarbeiter nutzbar, unabhängig von System und Software. Billig und erstaunlich effizient Wachsende Digitalisierung und Globalisierung haben dichte Konzentration von Ressourcen und Infrastrukturen zur Folge. Die wachsende wirtschaftliche Bedeutung des elektronischen Raums haben die globalen Allianzen und die starke Verdichtung von Kapital und Macht gefördert und letztlich zu neuen Formen der Segmentierung im elektronischen Raum geführt. Claus Leggewie: Internet und Politik (1998) mehr Menschen werden ihre Freizeit und Arbeitszeit im Netz verbringen Staatsbürger werden Infos aus Netz beziehen und dort ihre Rechte und Pflichten digital ausüben (z.B. Tageszeitung oder digitale Wahlurne) Kritik: bei „elektronischer Demokratie“ war zu sehr von Technik und zu wenig von Demokratie die Rede Demokratie war immer durch neue Technologien, vor allem die Massenmedien, beeinflusst und hat sich dabei verändert (z.B. Telefon oder Fernsehen) „Zivilisierung des Cyberspace“ Internet wird nach dem Zusammenbruch des Sozialismus nach vorrangig militärischer Nutzung zur zivilen Nutzung freigegeben Voraussetzung für neue Technologie: soziale und politisch-administrative Interventionen, die Netze bereitstellen, unterhalten und verwalten Die meisten „verheerenden“ Folgen des Internets gab es auch vorher schon (Populismus, Informationsschwemme, Erosion staatl. Souveränität, Schwächung des Repräsentationsprinzips) Beteiligungsschwäche und Gemeinsinn sind in der realen Gesellschaft nicht höher als im Netz Zuschauerdemokratie statt Beteiligungsdemokratie „Das Netz ist unpolitisch“ es ist nicht vorrangig zu politischen Zwecken erfunden worden / politische Wirkung ist eher Nebeneffekt ABER: es beinhaltet politische Elemente: Organisation von Studentenstreiks über Internet in Belgrad und Dtld. / autoritäre Regime mögen das Internet nicht Oppositionsbewegungen können die Resistenz der Netze gegen zentrale Aufsicht und Kontrolle nutzen Differenz zu herkömmlichen Medien liegt in den Rückkanälen: man kann mit den Organisationen im Netz kommunizieren Bisher werden in 1. Linie negative Effekte einer zunehmenden Vernetzung genannt: Negative Effekte Neutraler formuliert Entgrenzung der politischen Gemeinschaft, neue Regulierungsformen auf transnationaler des Nationalstaates Ebene werden entstehen Zerfaserung des öffentlichen Raumes in Strukturwandel der Öffentlichkeit Teilöffentlichkeiten Repräsentationsverlust politischer Eliten größere Autonomie der Bürger gegenüber der politischen Klasse Internet bietet neue Kommunikationsmöglichkeiten auf vertikaler (top-down- & bottom-upKommunikation) und horizontaler Ebene Schwierigkeit steuernd ins Netz einzugreifen zeigt generellen Verlust der Effizienz staatlicher Eingriffe (in Wirtschaft, Technik, Kultur) Demokratische Politik muss dafür sorgen, dass Kommunikationsungleichheit abgebaut wird Idealbild des Internet: allgemeines, freies, leicht zugängliches und leicht bedienbares Medium davon ist es weit entfernt Problem der Meinungsfreiheit bei Gewaltverherrlichung, Pornographie, polit. Extremismus Nicht die Straftatbestände sind neu, sondern die Tatsache, dass Wächterrolle des Staates durch Beweglichkeit der Akteure und transnationalen Charakter des Internets infrage gestellt wird Mögliche Regulierungsform: Pluralität miteinander konkurrierender Regulierungen von unten 2 Asymmetrie zwischen Macht von Wirtschaftskonzernen und staatlichen Organisationen sowie der Masse der schwer organisierbaren Nutzer des Internets Ironie: Politisch-administrative Einrichtungen, die versuchen das Internet zu regulieren, nutzen es selbst als Intranet Neue Kommunikationsstrukturen als Hebel zur Verschlankung von Bürokratien Dienstleistungscharakter der Verwaltung wird betont Internet erleichtert z.B. Veröffentlichung von Regierungsdokumenten Demokratie wird transparenter Parteien der meisten westlichen Demokratien inzwischen ins Netz gegangen, um auf diesem Weg ihre potentiellen Wähler über Programme und Vorhaben zu unterrichten Modell für offeneres Dikussions-und Rekrutierungsverhalten: „virtueller Ortsverein der SPD“: zugänglich über Cyberspace, nicht an räumliche Organisations- und Entscheidungsstrukturen der SPD gebunden, offene Angebote von überparteilichen Themen es werden politisch nicht gebundene Wähler miteinbezogen Vorteil vom Netz: mit Hilfe von digitalen Medien schneller auf Veränderungen reagierbar als mit gedrucktem Material oder TV-spots, auch schneller auf Anfragen von Interessenten reagierbar Interesse von Wählern über Internet mit Regierungsvertretern zu kommunizieren grundsätzlich vorhanden jedoch: noch keine angemessene netzspezifische Form gefunden, bisher Imitation herkömmlicher Formate Enttäuschung von Usern Parteien., Printmedien, Radio, TV haben durchs Internet Konkurrenz bekommen: die Möglichkeit sich um herkömmliche Medien herum zu informieren wird genutzt Vorteil Internet: digitale Bürgerinitiativen kaum noch auf Face-to-Face-Kontakte angewiesen, Struktur des Internet zwar fluide und fragil, aber räumliche Grenzen leichter überschreitbar, weiterer Vorteil: Proteste können schneller und einfacher organisiert werden und auch von peripheren Regionen ausgehen Internet als Instrument des Übergangs von der Zuschauerdemokratie (TV) zur Beteiligungsdemokratie erprobt worden jedoch werden Rückkanäle bisher nur geringfügig genutzt neue Medien schaffen somit nur begrenzt Lust auf Beteiligung Vorurteil: „just talk im Netz“, jedoch ist dies in realen Bürger-und Parteiversammlungen, oder bei polit. Debatten in Radio und TV nicht anders Problem von Informationsüberflutung und gleichzeitigwird Informationsmangel beklagt Bürger muß selbst Selektion von Infos betreiben und muß sich aneigen sich autonom ein kritisches Urteil bilden zu können Kritiker des Internet als politisches Medium sind über 3 Entwicklungen besorgt: 1. Fragmentierung von Öffentlichkeit 2. Das Scheitern politischer Vergemeinschaftung 3. Spaltung in Informationseliten und Habenichtse Leute mit Zugang zum Netz = Gewinner der Infogesellschaft, die Kompetenzen werden zu Schlüsselqualifikationen, Problem der Kommunikationsungleichheit Lösung: Einrichten von Knotenpunkten und Terminals für einkommensschwache und bildungsschwache Gruppen/Minderheiten und Vermittlung von Medienkompetenz Gewinn des Internet könnte sein: partielle Öffentlichkeit und zeitweise Gemeinschaft zwischen Leuten herzustellen, die sich weit weg voneinander aufhalten Wählen per mouseklick als Möglichkeit Vorteil: einfache Handhabung könnte zu höherer Wahlbeteiligung führen, technische Voraussetzungen noch nicht realisierbar, bisher zu unsicher und unflexibel auch Bürgerentscheide als demokratische Mittel einsetzbar übers Internet 3 Fazit: die entstehende virtuelle Gesellschaft wird auch den politischen Prozeß verändern und zwar auf allen Ebenen, jedoch fährt der Bürger bisher nur auf der Datenautobahn auf der Kriechspur mit, er wurde von Business und Entertainment überholt politische Materialien bisher nur wenig im Netz vorhanden Internet bisher mehr als Intranet von Expertenkommunikation, wie Parteien und Journalisten benutzt, kein Bürgerforum wenn sich das Internet zum Massenmedium entwickelt, können gut informierte, beteiligungswillige Bürger mehr Raum im Netz bekommen politisches Engagement in der Öffentlichkeit war und ist stets die Angelegenheit von Minderheiten Internet von allen Medien am besten dazu geeignet lokale Öffentlichkeiten zu verdichten und grenzüberschreitende Arenen der Meinungsbildung herzustellen Internet kann dazu beitragen den politischen Prozeß wieder mehr zu legitimieren Plake/Jansen/Schumacher: Gegenöffentlichkeit im Cyberspace? Die Bedeutung des Raumes (2001) Das Internet ist für die Konstitution von Gegenöffentlichkeit von Bedeutung, mit ihm wird eine kostengünstige und breitgefächerte Kommunikationsbasis zur Verfügung gestellt Ein das gesamte Netzwerk übergreifender Diskurs kommt erst seit Nutzung des Internet als neues Medium zustande. Ausnahmen bilden Gruppen, die sich auf Grundlage der neuen sozialen Bewegungen entwickelten und sowohl regionale als auch universale Anliegen verfolgen Internet schafft mit Newsgroups, Mailinglists, Chatrooms, etc. zahlreiche Möglichkeiten die Verinselung der Gegenöffentlichkeit zu durchbrechen. Mit dem Internet kommt es zu einer Konzentration der Kommunikation und zwar nicht mehr an geographisch definierbaren Zentren, sondern an virtuellen Orten Eine überregionale Orientierung mit Hilfe des Internets liegt für soziale Bewegungen, wie Friedens-, Umwelt-, Frauen- und Minderheiteninitiativen nahe, da ihre Ziele niemanden ausschliessen Wenn die Gegenöffentlichkeit politisch relevant sein möchte, muss sie erkennbar und physisch präsent sein, während im Netz der Wille der Gegenöffentlichkeit untergeht Die Beanspruchung/ Einnahme des öffentlichen Raumes ist hinsichtlich der symbolischen Bedeutung für die Gegenöffentlichkeit von besonderer Relevanz. Die körperliche Präsenz von Demonstrationsteilnehmern bringt das Einstehen für eine Sache zum Ausdruck Nicht nur Raum, sondern auch Zeit spielt bei Protestaktionen eine symbolische Rolle. Hier können durch Schnelligkeit Entschlusskraft und durchdachte Planung zum Ausdruck gebracht werden und durch Langsamkeit symbolisch Zeit gewonnen werden Durch Online-Kommunnikation werden öffentliche Proteste überflüssig und Solidarisierung verhindert. Filterung der Beschwerden, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangen Protest verschwindet im Internet, Gegenöffentlichkeit verliert sich im Cyberspace 4