Jahrgangsstufe 12 Abiturjahrgang 2004 Gymnasium Melle Facharbeit Leistungskurs Politik von Annika Süwer Das Bundesverfassungsgericht und das NPD-Verbot – Machen Richter Politik? -0- Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung............................................................................................................. 2 2 Das Bundesverfassungsgericht ......................................................................... 3 2.1 Hintergrund .................................................................................................. 3 2.2 Kompetenzen ............................................................................................... 3 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 3 Organisation ................................................................................................ 6 Richter ...................................................................................................................... 6 Aufgabenverteilung .................................................................................................. 7 Das BVerfG im Zwiespalt von Recht und Politik ............................................... 8 3.1 „Hüter der Verfassung“............................................................................... 8 3.2 Politischer Einfluss ..................................................................................... 9 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 4 Normenkontrolle ....................................................................................................... 4 Verfassungsbeschwerde .......................................................................................... 5 Organstreit ............................................................................................................... 5 Schutz der Demokratie ............................................................................................ 6 Kassation ................................................................................................................. 9 „Offene“ Verfassung ............................................................................................... 10 judical self-restraint ................................................................................................ 10 Entscheidungszwang ............................................................................................. 11 Das NPD-Verbot ................................................................................................ 12 4.1 Rechtlicher Hintergrund ............................................................................ 12 4.2 NPD............................................................................................................. 13 4.3 Verbotsantrag ............................................................................................ 14 4.4 Urteilsfindung ............................................................................................ 14 4.5 Reaktionen ................................................................................................. 16 5 Schlussteil ......................................................................................................... 17 6 Quellen/Literaturverzeichnis ............................................................................ 18 6.1 Literatur ...................................................................................................... 18 6.2 Internetquellen ........................................................................................... 18 -1- 1 Einleitung „Das Bundesverfassungsgericht und das NPD-Verbot – Machen Richter Politik?“ Sechs Wochen Zeit, um sich mit diesem komplexen Thema auseinander zu setzen. Jedes Substantiv eine Herausforderung an sich. Der Informationsflut ausgesetzt, war schnell klar, dass Schwerpunkte gesetzt werden mussten. Daher entspricht die Gliederung dieser Facharbeit größtenteils meiner eigenen Vorgehensweise: Informationen beschaffen, bewerten, dokumentieren oder weglassen. So erläutert diese Arbeit im 2. Kapitel Hintergründe, Kompetenzen und Organisation des Bundesverfassungsgerichtes, um sich danach im 3. Kapitel besonders intensiv den politischen Möglichkeiten des Bundesverfassungsgerichtes widmen zu können. Hier liegt der Schwerpunkt meiner Arbeit, denn die aktuelle Kritik an Vorgehensweisen und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes weckten mein besonderes Interesse. Mit diesem allgemein gültigen Wissen um Aufgaben und Grenzen des Bundesverfassungsgerichtes wird dann im 4.Kapitel konkret auf das NPD-Verbot eingegangen. Hochaktuell hat auch die Entscheidung vom 18.03.2003 Einzug gehalten und die Zielsetzung dieser Facharbeit – nämlich eine Antwort auf die Frage „Machen Richter Politik“ zu finden - abgerundet. -2- 2 Das Bundesverfassungsgericht 2.1 Hintergrund Die Existenz des am 28. September 1951 in Karlsruhe gegründeten Bundesverfassungsgerichts folgt aus der Vergangenheit. Das Scheitern der Weimarer Republik und die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus ließen den Wunsch nach Schutz vor Willkürherrschaft und damit einer neuen Verfassung1 aufkommen. Ziel war eine alles umfassende Verfassungsgerichtsbarkeit mit · durchgängig rechtlicher Bindung und Überwachung der Politik · der Macht, Regierungsbeschlüsse oder Gesetzte zu annullieren · und somit eine rechtliche Kontrollinstanz im Sinnes des Grundgesetztes zu schaffen Der deutsche Verfassungsgeber entschied sich im Sinne der Paulskirchenverfassung2 für ein komplettes Verfassungsgericht, das nicht nur für die Entscheidung organisationsrechtlicher Streitigkeiten, sondern auch für den verfassungsgerichtlichen Rechtschutz des Bürgers zuständig sein sollte. Das BVerfG gilt damit als verfassungshistorische Vollendung der Paulskirchenverfassung.3 Heute ist das BVerfG das höchste Gericht in Deutschland und besitzt weitreichendere Kompetenzen als vergleichbare Verfassungsorgane anderer Länder. Es wurde als zentrales Rechtsschutzinstrument geschaffen und hat die Aufgabe, den demokratischen Rechtsstaat und die Grundrechte jedes Bürgers mit allen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln zu schützen. Mit der zusätzlichen Öffnung seiner Pforten für jedermann konnte das BVerfG zu dem werden, was es heute ist: ein Gericht der Bürger, die in Karlsruhe selbst zu Akteuren der Verfassungsentwicklung werden.4 2.2 Kompetenzen Errichtung, Organisation und Kompetenzen des BVerfG sind im Grundgesetz (GG) und im Gesetz des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGG) festgelegt5. „Die Grundordnung eines Staates, wie sie tatsächlich besteht. Kennzeichnend hierfür sind Form der Machtausübung, Verwaltungsmethoden, Rechtsstellung des Bürgers“ (www.wissen.de / Verfassung). 2 Erste nationale Verfassung, die einen umfassenden Katalog von Grundrechten vorzuweisen hatte, die aber nicht als vorstaatlich galten (http://www.politik.uni-mainz.de/kai.arzheimer/Lehre-BRD/Kursablauf/Folien_Geschichte-GG/sld003.htm) 3 Brockhaus multimedia / BVerfG und Geschichtliches 4 Informationen zur politischen Bildung, Ausgabe 200/ Seite 13 - 15 5 Vgl. Artikel 20 Absatz 3, 92, 93 und 94 GG 1 -3- Im Sinne der Gewaltenteilung6 findet das BVerfG als Jurisdiktion seine Grundlagen und Grenzen im Grundgesetz als Instrument der Legislative. Um legitime Urteile fällen zu können, bedarf das Gericht zusätzlich rechtliche Normen und ausgebildete erfahrene Richter. Es ist – wie jedes andere Gericht – an externe Anträge oder Klagen gebunden. Seine Urteile sind in jedem Fall Rechtssprechungen. Die dem BVerfG zugeteilte Verfassungsgerichtsbarkeit7 definiert seine wichtigsten Zuständigkeitsbereiche: die Normenkontrolle, die Verfassungsbeschwerde, den Organstreit und den Schutz der Demokratie. 2.2.1 Normenkontrolle „Die Normenkontrolle ist die Prüfung der förmlichen (verfahrensmäßigen) und/oder sachlichen (inhaltlichen) Vereinbarkeit von Rechtsvorschriften mit höherrangigem Recht, z. B. von Gesetzen mit der Verfassung, von Landesrecht mit Bundesrecht“8. Es ist zu unterscheiden zwischen der konkreten und der abstrakten Normenkontrolle. Sucht ein Gericht das BVerfG auf, so ist von einer konkreten Normenkontrolle die Rede9. Dazu muss das anrufende Gericht überzeugt sein, dass ein von ihm angewendetes Gesetz inkompatibel mit dem Grundgesetz ist. Stellt die Bundesregierung, die Landesregierung oder ein Drittel des Bundestages einen Antrag an das BVerfG, so ist von einer abstrakten Normenkontrolle die Rede10. Inhalt dieser Anträge ist häufig die Unklarheit darüber, ob eine im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren getroffene Mehrheitsentscheidung vor der Verfassung Bestand hat.11 Die abstrakte Normenkontrolle ist umstritten, denn häufig werden parlamentarische Niederlagen der Oppositionen auf dem Rücken des BVerfG ausgetragen. Mit der Berechtigung zur Normenkontrolle ist das Verfassungsgericht die Einrichtung, die den Vorrang der Verfassung auch gegenüber der Legislative garantieren soll12. „Die Aufteilung der Funktionen der Staatsgewalt in die gesetzgebende, vollziehende und Recht sprechende Gewalt (Legislative, Exekutive, Jurisdiktion) mit der Forderung, dass die Ausübung dieser Funktionen nicht in einer Hand vereinigt sein darf“(www.wissen.de / Gewaltenteilung) 7 Verfahren zur Entscheidung verfassungsrechtlicher Streitfragen, die nur höchsten Gerichten übertragen werden (vgl. Artikel 93 ff GG) 8 www.wissen.de / Normenkontrolle 9 Artikel 100 Absatz 1 GG 10 Artikel 93 Absatz 1 Nr. 2 GG 11 vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 50/51 12 vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 51 6 -4- 2.2.2 Verfassungsbeschwerde Jeder Bürger, der sich durch die öffentliche Gewalt (Behörde, Gerichte oder Polizei) in seinen Grundrechten verletzt fühlt, kann eine Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG beim Bundesverfassungsgericht einlegen. Die Beschwerden richten sich meistens gegen Maßnahmen der Verwaltung und gegen Gerichtsentscheidungen, manchmal direkt gegen ein Gesetz. Verfassungsbeschwerden sind nur dann zulässig, wenn der Rechtsweg erschöpft ist, also zuvor angerufene Gerichte erfolglos befragt wurden. Das BVerfG hat jetzt sicherzustellen, ob sich die zuvor angerufenen Fachgerichte an ihre Normen und Auflagen gehalten haben. Es definiert den Wertungsrahmen, indem sich die Fachgerichte bewegen und ein Urteil fällen dürfen. Angesichts der hohen Zahlen von Verfassungsbeschwerden die jährlich beim BVerfG eingehen, sind Kammern (Justizverwaltungen) bestehend aus je drei Richtern errichtet worden. Diese lehnen vor einer Plenarentscheidung entweder einstimmig die Annahme einer Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussicht ab oder stimmen ihr zu. Von den eingelegten Verfassungsbeschwerden haben ca. 1% Erfolg. Wegen seines umfassenden Kompetenzkataloges wird das Gericht zu fast allen kontrovers gebliebenen Entscheidungen in fundamentalen Fragen des Gemeinwesens in Deutschland angerufen und somit in die Prozesse der Problemlösung mit einbezogen. Das BVerfG nimmt damit Einfluss auf politische Entwicklungen, denn die hier gefällten Entscheidungen haben allgemeine Verbindlichkeit – manchmal sogar Gesetzeskraft13. Die Entscheidung über Verfassungsbeschwerden macht das BVerfG zu einer Institution des Grundrechtsschutzes über die übrige Justiz hinaus14. 2.2.3 Organstreit Streitigkeiten zwischen Organen15 werden - wie der Name schon sagt - als Organstreit oder verfassungsrechtliche Streitigkeiten bezeichnet. Von größter Bedeutung ist die Organklage auf Bundesebene zwischen den obersten Bundesorganen (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundespräsident). Hierbei handelt es sich um Auseinandersetzungen, die von Pflichten und Rechten, von Zuständigkeiten und Kompetenzen handeln und über die das BVerfG zu entscheiden hat. 13 vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 36 ff vgl. Informationen zur Politischen Bildung, Nr. 200 Seite 14 15 Die Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland sind Bundespräsident, Bundesrat, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht und Bundestag. 14 -5- 2.2.4 Schutz der Demokratie Der Schutz der Demokratie obliegt dem Bundesverfassungsgericht. In diesen Zuständigkeitsrahmen fallen: · die Entscheidung über Verfassungswidrigkeiten von Parteien · die Verwirkung bestimmter Grundrechte gegen Bürger, wenn nachzuweisen ist, dass diese die Grundrechte im Kampf gegen die demokratische freiheitliche Ordnung ausgenutzt haben · die Geltung von Völkerrecht als deutsches Recht · die Zuständigkeit in Wahlprüfungsverfahren · die Verantwortlichkeit bei Anklagen und Kritik gegen den Bundespräsidenten sowie gegen Richter bei Verletzung des Grundgesetzes. · Anklagen gegen das Staatsoberhaupt oder ein Regierungsmitglied wegen Verfassungsverletzung (Ministerklage)16 2.3 Organisation Nach Artikel 92 GG ist die Recht sprechende Gewalt einem staatlich berufenen Organ der Rechtspflege zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten anvertraut worden: dem Richter. 2.3.1 Richter Das BVerfG besteht aus 16 Richterinnen und Richtern. Die Befugnisse der Richter werden durch das Deutsche Richtergesetz (DRiG) und durch Landesgesetze geregelt. Richter sind persönlich und sachlich unabhängig17. Sie sind generell unabsetzbar und nur an das Gesetz und das Recht gebunden. Richter sind in ihrer richterlichen Ausübung keinerlei Weisungsbefugnis unterlegen, unabhängig davon welchem Gerichtszweig sie angehören. Alle haben sich an Vorgaben zu halten und bewegen sich in festgelegten Grenzen. Auch für die Richter des BVerfG, die in zwei voneinander unabhängigen Senaten über Recht und Ordnung entscheiden, gibt es keine Ausnahme. Die beiden Senate bilden das Gremium des BVerfGs und bestehen aus je acht Richtern, die – jeweils mit Zweidrittelmehrheit – zur einen Hälfte vom Bundesrat und zur anderen Hälfte vom Bundestag gewählt werden. 16 17 vgl. Brockhaus Multimedia/Bundesverfassungsgericht Artikel 97, 98 GG -6- Die hohe Bedeutung des BVerfG erforderte weitere Kriterien der Zusammensetzung: · 8 Richter müssen Berufsrichter sein (um zu starke politisch beeinflusste Rechtssprechungen zu vermeiden) · 3 Richter müssen aus dem Obersten Gerichtshof des Bundes kommen (um weitreichende Erfahrungen zu garantieren) · Alle Richter müssen mindestens 40 Jahre und maximal 67 Jahre alt sein · Alle Richter müssen die durch juristische Staatsexamina erworbene Eignung zum Richteramt nachweisen · Alle Richter dürfen keinem Verfassungsorgan angehören oder einen weiteren Beruf ausüben (Ausnahme: Rechtsprofessor) (um die erforderliche politische Unabhängigkeit zu gewährleisten) Die Amtzeit beträgt 12 Jahre, eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Jeder Senat vertritt im Rahmen seiner zuständigkeitsgerechten Möglichkeiten das BVerfG und entscheidet, von einigen Einzelfällen abgesehen, jeweils mit der Mehrheit der beteiligten Richter.18 2.3.2 Aufgabenverteilung „Die Zuständigkeit für Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollen ist auf beide Senate verteilt. In allen übrigen Verfahren entscheidet ausschließlich der Zweite Senat“19. Die Senate agieren komplett unabhängig voneinander. Keinem Senat steht es zu, die Rechtssprechungen des anderen zu kontrollieren. Weicht jedoch die Rechtsauffassung der Senate zu sehr voneinander ab, wird dies – ohne Öffentlichkeit im Plenum der 16 Richter und Richterinnen entschieden20. Für offene Konflikte gibt es seit 1971 das Sondervotum21. Entscheidungen fallen nicht immer einstimmig. Das zeigt, dass Rechtsprechung komplex und kompliziert sein kann. Um so wichtiger ist es, dass die Recht sprechenden Richter gut ausgebildet sind, sich am Grundgesetz orientieren und nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden22. 18 vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 20 ff und www.bverfg.de http://www.bverfg.de/cgi-bin/link.pl?richter 20 vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 20 ff 21 vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 33 ff 22 vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 35 19 -7- 3 Das BVerfG im Zwiespalt von Recht und Politik 3.1 „Hüter der Verfassung“ „Das Bundesverfassungsgericht ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbstständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes.“ 23 Das BVerfG ist zum wirklichen Hüter der Verfassung 24 geworden. Es gehört zu den herausragenden Garanten der rechts- und sozialstaatlichen Demokratie, unseres Bundesstaates und unserer Verfassungsordnung. Es nimmt aktiven Anteil an der obersten Staatsleitung und ist damit nicht nur Gericht sondern auch Verfassungsorgan. Es wird als „oberstes Organ der Rechtsprechung und Willensbildung“, als „Schlussstein“ oder auch als „Krone des Rechtsstaates“ betitelt. Dies verdeutlicht, dass die heutige Verfassungsmäßigkeit allen staatlichen und amtlichen Handelns gerichtlich zu kontrollieren ist. Das BVerfG ist unabhängiger und autonomer als jedes andere Verfassungsorgan in Deutschland, da es weder dem Dezernat des Bundesjustizministeriums verpflichtet ist noch in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Ressorts fällt25. Die Entscheidungen des BVerfG sind für Gerichte und Behörden sowie für die Verfassungsorgane der Länder und des Bundes bindend. Unabhängigkeit und Kontrollbefugnis gegenüber anderen Staatsorganen bedeutet jedoch nicht, dass letztere ihm untergeordnet sind. Das BVerfG steht gleichgestellt neben Bundesrat, Bundestag, Bundesregierung und Bundespräsident. Auch stehen ihm zur Durchsetzung seiner Entscheidungen keinerlei Machtmittel zur Verfügung. Es ist darauf angewiesen, dass Verfassungsorgane, Gerichte und Bürger seine Urteile akzeptieren. Da das BVerfG durch Wahlen zusammengesetzt wird, ist es, wie alle Staatsgewalten, in die Vorgänge der demokratischen Legitimation eingeschlossen, allerdings mit einer Besonderheit. Können Parlament und Regierung in Wahlen bestätigt oder aberkannt werden, kann das BVerfG in der demokratisch politischen Willensbildung weder zurückgewiesen noch korrigiert werden bzw. seine Richter nicht abgewählt werden. 23 Absatz 1, BVerfGG vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 19ff. 25 Information zur Politischen Bildung, Ausgabe 200/ Seite 13ff. 24 -8- In diesem Sinne ist das BVerfG die letzte Instanz zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des Zusammenlebens in der Politik. 3.2 Politischer Einfluss 3.2.1 Kassation Die abstrakte Normenkontrolle (siehe 2.2.1, Normenkontrolle) zeigt deutlich den Einfluss der Rechtssprechung auf politische Prozesse. Politische Minderheiten können über den Weg nach Karlsruhe bis dato nicht durchsetzbaren politischen Meinungen zum Erfolg verhelfen. Diese demokratische und richtige Vorgehensweise ruft aber auch Kritiker auf den Plan. Diese befürchten eine Aufhebung der Gewaltenteilung, da daraus folgende Kassationen26 nicht ohne Folgen für die Legislative bleiben können. Denn: Die Gültigkeit eines beschlossenen Gesetzes wird hier einer Art richterlich rechtlichen Prüfung unterzogen und damit verschiebt sich – im Falle einer Kassation - das Gleichgewicht zwischen Jurisdiktion und Legislative. Dies widerspricht einer Demokratie im Sinne der Volksherrschaft, denn das Parlament (als Instrument der Legislative) wird vom Volk gewählt, während die Richter des BVerfG weder vom Volk gewählt sind, noch sich vor diesem zu verantworten haben. 27 Da muss sich das Volk doch fragen: · Kann das BVerfG hier Willkür walten lassen? · Hat das BVerfG uneingeschränkte Macht? · Kann das BVerfG mit seinem Einfluss die Gewaltenteilung aufheben? Die Antwort ist „Nein“. Aufgrund der historischen Erfahrungen (siehe 2.1, Hintergrund) ist gesetzlich sichergestellt, dass hier nur im Rahmen der Verfassung Recht gestaltet werden kann. Und genau diese Verfassung ist es, die dem BVerfG die Möglichkeit gibt, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit noch einmal genau zu überprüfen - wenn andere hier berechtigte Zweifel haben (siehe 2.2, Kompetenzen) Das Verfassungsgericht ist angerufene Kontrolle und nicht - wie das Parlament eigenmotivierter und regsamer Gestalter des Gesetzes. Der demokratische und damit auch notwendig gewaltenteilige Rechtsstaat ist auf die Funktionstüchtigkeit beider Staatsgewalten angewiesen. Beide Verfassungsorgane haben die jeweils anderen Befugnisse zu respektieren und in gegenseitiger und wechselseitiger Verantwortung 26 27 „öffentliches Recht: Kraftloserklärung einer Urkunde“ (www.wissen.de / Kassation) Informationen zur politischen Bildung, 3 Auflage 2000, Bonn/ Seite 14 -9- wahrzunehmen.28 So mag die Kassation zwar im Sinne der Gewaltenteilung bedenklich erscheinen, sie entspricht aber einer bewusst getroffenen Entscheidung des Verfassungsgebers. 3.2.2 „Offene“ Verfassung Doch Kritiker weisen noch auf weitere „Unschärfen“ zwischen Jurisdiktion und Legislative hin. Während sich das Gesetzesrecht29 aus detaillierten Normen zusammensetzt, Wahlmöglichkeiten. eröffnet Eine das Grundgesetz genaue politische gesellschaftspolitische Spielräume und Auslegung des Grundgesetzes wurde vielerorts explizit unterlassen, um dem sozial-politischen Rahmen genug Freiraum geben zu können. Das Grundgesetz kann also als eine weitgehend „offene Verfassung“ bezeichnet werden. Das BVerfG orientiert sich an den Maßstäben des GG, es richtet sich nach den allgemein geltenden Regeln zur Interpretation von Gesetzen, hat aber die Aufgabe, nicht klar definierte Gesetze und Vorschriften in einen sichtbaren Zusammenhang mit der Verfassung zu bringen und sie so mit dieser belegen bzw. widerlegen zu können. Und genau da sehen Kritiker die Gefahr, denn das BVerfG kann mit dem vorhandenen Interpretationsspielraum dem Gesetzgeber zuvorkommen. Dass das BVerfG sich gerade bei sehr ausholenden, teilweise massiv in das einfache Gesetzesrecht übergreifenden Gestaltungsdirektiven mitunter auch übernommen und damit berechtigter Kritik ausgesetzt hat, liegt auf der Hand. Aber wie bei der Kassation agiert hier das BVerfG ebenfalls ausschließlich Recht erkennend und nicht Recht schöpfend. 3.2.3 judical self-restraint Die Richter des BVerfG bekennen sich zur richterlichen Selbstbeschränkung (judical self-restraint), um dem Versuch widerstehen zu können, aktiv Politik zu betreiben. Auch dies dient dem Schutz des politischen Spielraums der anderen Staatsorgane. Doch das BVerfG bewegt sich nicht in einem „leeren“ Raum, seine Urteile haben oft direkte Auswirkung auf Gesetzgebung und Politik und können zu hochbrisanten politischen und gesellschaftlichen Diskussionen30 führen. 28 vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 55 - 57 „vom Gesetzgeber aufgestellte Gesetze, geschriebenes und in Gesetzbüchern kodifiziertes Recht“ (www.wissen.de / Gesetzesrecht) 30 z.B. die gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruches, 1975 29 - 10 - 3.2.4 Entscheidungszwang Der permanente Vorwurf - das BVerfG urteile zu sehr über Fragen, die in die Kompetenzen des Gesetzgebers fallen, es politisiere die Justiz und wolle der Politik Rechte vorsetzen - verkennt die verfassungsrechtlichen und politischen Bedingungen, unter denen es tätig wird. Es liegt zumeist nicht im Ermessen des BVerfG die Behandlung einer politischen Streitfrage abzulehnen, wenn es angerufen wird. Folglich steht es unter Entscheidungszwang. Gebunden an das rechtsstaatliche Gebot des Rechtschutzes ist das BVerfG zur Urteilsfindung verpflichtet. Das BVerfG soll keine Institution der Politik darstellen, seine Richter können nicht das „ewige Recht in unserer Gesellschaft“ schaffen. Die Erhaltung des Rechtsstaates und der Schutz der Demokratie sind seine relevantesten Aufgaben und haben oberste Priorität. Die dazu notwendigen Mittel sind gesetzlich festgelegt und befinden sich in der Obhut dieses höchsten deutschen Gerichtes. Aufgabe der Politik ist es, eine zufrieden stellende Balance zwischen Jurisdiktion, Exekutive und Legislative sicher zu stellen. Die aus den Kompetenzen resultierenden Überschneidungen zwischen politischen und juristischen Kompetenzen sind dabei gewollt und unvermeidlich. - 11 - 4 Das NPD-Verbot 4.1 Rechtlicher Hintergrund Nach Art. 21, Abs. 2 GG sind Parteien, „die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“ für verfassungswidrig zu erklären. Eine Partei darf verboten werden, wenn sie gegen die höchsten Prinzipien einer demokratischen Ordnung - die Grundrechte - verstößt bzw. diese ablehnt. Verbotsrelevanz erreicht eine Partei dann, wenn sie ihre Ziele und Aktivitäten mit kämpferisch aggressiven Mitteln gegen die freiheitliche Demokratie durchzusetzen versucht, den Freiheitsgedanken des Art.2.1. GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) missachtet und die Interessen der Volksgemeinschaft gegenüber der individuellen Freiheit überbetont.31 Die Entscheidung über ein Parteienverbot fällt ausschließlich in den Kompetenzbereich des BVerfG. Antragssteller können Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung sein32. Das Parteienverbot ist eine Schutzmaßnahme, die ergriffen wird, wenn sich eine Partei in ihren Zielen tendenziell gegen die demokratischen Grundsätze richtet, elementare Verfassungsgrundsätze zurückweist und aggressiv gegen feststehende Gesellschaftsnormen vorgeht. Wird einem Antrag auf ein Parteiverbot zugestimmt, löst das Verfassungsgericht die betreffende Partei auf. 33 34 So zum Beispiel: · SRP (Sozialistische Reichspartei) als Nachfolgeorganisation der NSDAP am 2.10.1949 gegründet, am 23.10.1952 verboten35 · KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) gegründet 1945, verboten am 17.08.195636 · FAP (Freiheitlich Deutsche Arbeiterpartei) gegründet 1979, verboten am 24.02.199537 31 www.bundesergierung.de/ NPD-Verbotsantrag vgl. § 43 BVerfGG 33 vgl. Artikel 46 BVerfGG 34 d.h. Konfession des materiellen Besitzes zugunsten des Bundes oder des betroffenen Landes für soziale Zwecke 35 Ein Grund war das übernommene Ziel der NSDAP: Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung (vgl. Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 23.10.1952, http://www.idgr.de/texte-2/dokumente/srp/srp-bvg.html) 36 Grund war das Ziel der Partei: Diktatur des Proletariats (vgl. Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München, 2001 Seite 64 ff) 37 Ein Grund waren die Publikationen für primitiven Rassismus und Antisemitismus und die Propaganda für militante Aktionen (vgl. http://www.idgr.de/lexikon/stich/f/fap/fap.html) 32 - 12 - 4.2 NPD „Funktionäre der "Deutschen Reichspartei" schließen sich am 28. November 1964 in Hannover mit Restgruppen anderer Rechtsparteien zur "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ zusammen. Von der insgesamt achtzehnköpfigen Führungsriege hatten sechzehn eine rechtsextreme Vergangenheit, acht kamen aus der im Oktober 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP). Chefideologe der Partei ist der frühere Reichsschulungsleiter des NS-Studentenbundes und Professor an der "Reichsuniversität" Straßburg, Ernst Anrich.“38 Trotz rechtsextremer Hintergründe versucht die Partei – durch die Misserfolge anderer Parteien gewarnt - ein demokratisches Erscheinungsbild vorzuweisen. Sie bezeichnen sich als Nationaldemokraten und propagieren eine soziale Neuordnung Deutschlands nach „unserem Menschenbild.“39 Sie bestätigen das Volk als Grundlage des Staates und folgern daraus den Nationalstaat als politische Organisationsform. 40 Doch einfach lassen sich die wahren Intentionen im Parteiprogramm erkennen. Parolen wie „Die Familie als Träger des biologischen Erbes“41, Forderungen wie die „ersatzlose Streichung des Asylparagraphen Art 16 a GG“42 und Versprechen wie „Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen“43 offenbaren die politische Herkunft und erklären, warum die Wählerschaft, mit den im Programm der NPD angesprochenen Schichten – Bauern, Mittelstand (Handwerker, Beamten, Freiberufler) und selbstständige Unternehmer - übereinstimmt44. So wurde die NPD im Laufe der Jahre zu einem „Sammelbecken rechtsextremer, neofaschistischer Kräfte“. Es gelang und gelingt ihr erfolgreich, rechtsradikale Anhängerreservate zu mobilisieren und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten weitere Protestwähler zu gewinnen.“45 38 http://www.idgr.de/lexikon/stich/n/npd/npd.html vgl. Programm der NPD / Einleitung 40 vgl. Programm der NPD / Grundlage des Staates ist das Volk 41 vgl. Programm der NPD / Grundlage unseres Volkes ist die deutsche Familie 42 vgl. Programm der NPD / Deutschland muss wieder deutsch werden 43 vgl. Programm der NPD / Die raumorientierte Volkswirtschaft 44 vgl. Spiegel online 2002/NPD- Verbot 45 vgl. Brockhaus multimedia/ Extremismus: NPD 39 - 13 - 4.3 Verbotsantrag Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung haben am 30. Januar 2001 beim BVerfG in Karlsruhe einen Verbotsantrag gegen die NPD eingereicht. Grundlage dieses Antrages war Art. 21 Abs. 2 GG.46 In einem Schriftsatz von 103 Seiten wurde dem BVerfG die Verfassungsfeindlichkeit der NPD erläutert47. Die Antragssteller sehen in der Existenz der NPD eine Gefahr für die demokratische freie Ordnung, da die Partei dem Rechtsstaat feindlich gegenüberstehe. Sie missachte die Menschenwürde und die dazugehörigen Grundrechte jedes einzelnen, weise Wesensmerkmale mit der NSDAP auf, sei antisemitistisch und ideologisch intolerant gegenüber Fremden oder Andersdenkenden eingestellt. Sie glauben, der NPD eine nationalsozialistische Machtergreifungsstrategie nachweisen zu können, die u.a. auf der Kooperation mit Neonazis und Skinheads basiere. Ziel des NPD-Verbots ist die Demontage ihres organisatorischen Rahmens. Die ansteigenden Mitgliederzahlen und die wachsende Aggressivität (besonders seit der Übernahme des Bundesvorsitzes durch Udo Voigt 1996) lassen eine Eskalation und einen Machtzuwachs (z.B. durch Überschreiten der 5% Klausel) befürchten, so dass ein Parteienverbot unumgänglich sei – so die Antragssteller. Auch die aktuelle Erfolglosigkeit im Kampf gegen den Rechtsextremismus mache ein Verbot notwendig. Ein NPD-Verbot solle der Sicherheit der freien Demokratie dienen und sei deshalb in jedem Fall angebracht und erforderlich, so die Bundesergierung.48 4.4 Urteilsfindung Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) gab den Anstoß. Auslöser war die Sprengung einer S-Bahn-Station am 27.7.2000 in Düsseldorf, bei der neun Menschen ums Leben kamen. Bei den Opfern handelte es sich ausschließlich um jüdische Aussiedler aus Russland. Trotz schwieriger Beweislage forderte Beckstein das BVerfG auf, sich auf ein Verbot der NPD vorzubereiten. Einen Tag später wurde seine 46 demzufolge das BVerfG über die Verfassungswidrigkeit von Parteien zu entscheiden hat von den Verfahrensbevollmächtigten der Bundesergierung Prof. Dr. Hans Peter Bull und Dr. h.c. Karlheinz Quack formuliert 48 Spiegel online/ NPD -Verbot 47 - 14 - Forderung vom Regierungssprecher Heye mit Bezug eben auf diese Beweislage entschärft. Am 4.10.2000 verschärfte sich erneut die Situation. Ein Brandanschlag auf die Synagoge in Düsseldorf und Gerhard Schröders darauf folgende Aufforderung zum „Aufstand der Anständigen“ bewegten SPD, CDU, Bündnis90/Die Grünen und die PDS einen Verbotsantrag mitzutragen. Die FDP sprach sich gegen ein Parteienverbot aus. Am 30.01.2002 stellten die Bundesregierung, am 30.03.2001 der Bundestag und der Bundesrat den Verbotsantrag beim BVerfG in Karlsruhe. Am 4.11.2001 bestätigte das BVerfG die Anträge und setzte fünf Gerichtstermine im Februar 2002 fest, zu denen 14 Funktionsträger der NPD geladen wurden. Als am 16.01.2002 der für das NPD Verfahren zuständige Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch von Dieter Schnapauff49 darüber informiert wurde, dass es sich bei einem der 14 geladenen Funktionären um einen V-Mann50 handele, begann das Scheitern des Verfahrens. Am 23.03.2002 beschloss das BVerfG alle gerichtlichen Termine aufzuheben. Nachdem durch weitere Recherchen die Zahl der beteiligten V-Männer auf 9 angestiegen war, verlangte das BVerfG eine schriftliche Erläuterung zur Funktion der V-Männer von Bund und Ländern. Die Richter wollten nicht nur geklärt wissen, welche der Personen, deren Aussagen und Verhalten der NPD angelastet wurden, im Dienste des Staates standen, sondern auch dem Verdacht nachgehen, dass die Partei insgesamt „ein Zombie der Geheimdienste“ sein könnte.51 Die Antragssteller der SPD und Bündnis90/Die Grünen versicherten, dass die VMänner die NPD nicht beeinflusst hätten und nur ihrer Arbeit als „Informationsquelle“ nachgegangen seien. Doch CDU, FDP und PDS gaben sich damit nicht zufrieden. Am 18.03.2003, so der Beschluss des BVerfG, werde das letzte Wort in einem so genannten „Erörterungstermin“52 über die Verfassungswidrigkeit der NPD fallen. So verkündete am 18.03.2003 der Vorsitzende des Zweiten Senats und Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer die Einstellung des Verbot-Antrags gegen die NPD. Vier von sieben Richtern waren für die Fortführung des Verfahrens, sechs wären notwendig gewesen. Diese Vier begründeten Aufklärungspflicht“ des ihre BVerfG. Entscheidung Zudem hätte u.a. „das mit der Gericht „gerichtlichen vielmehr per Beweisaufnahme prüfen müssen, welche verfassungsfeindlichen Äußerungen der NPD 49 Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium Ex – NPD Mitglied Wolfgang Frenz 51 www.spiegel-online.de / NPD - Verbot 52 www.tagesschau.de / NPD - Verbotsantrag 50 - 15 - zuzurechnen sind.“ Auch genüge der Einsatz von V-Leuten nicht, um das Verfahren einzustellen. Diese hätten lediglich ihre Arbeit gemacht und sich interne Informationen der NPD angeeignet, um vor diesem Hintergrund den Rechtsstaat vor einer rechtsradikalen Partei zu schützen. 53 Die anderen drei Richter konnten dieser Auffassung nicht folgen und verlangten die Einstellung des Verfahrens. Sie bewerteten die zahlreichen V-Männer in den NPDFührungsgremien als Verfahrenshindernis. „Der Einsatz von Spitzeln an der Parteispitze während des laufenden Verfahrens habe einen fairen Prozess verhindert. Es sei nicht auszuschließen, dass V–Leute die Prozessstrategie der NPD ausspioniert hätten“. „Wir haben Probleme mit den Tatsachen. Die Entscheidung sagt nichts über eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Partei aus“, so Hassemer. 54 4.5 Reaktionen Aktuell und brisant wird deutlich, wie sehr das BVerfG bestrebt ist, im Rahmen der Verfassung ohne Willkür zu agieren und wie es trotzdem mit jeder Entscheidung die politischen und gesellschaftlichen Gemüter zum Kochen bringt, wie folgende Reaktionen55 beweisen. Bundesinnenminister Otto Schily sagte am Dienstag in Berlin, in dem Minderheitenvotum werde eine "irrige Rechtsauffassung" vertreten. Es könne nicht sein, das Parteien, die sich in einem Verbotsverfahren befänden, nicht durch den Verfassungsschutz beobachtet werden dürften. Bayerns Innenminister Verfassungsgerichtes. "Es Beckstein sagte, beeinträchtigt die er bedauere Möglichkeiten das einer Votum des wehrhaften Demokratie." Er halte die NPD nach wie vor für eine verfassungsfeindliche, aggressiv kämpfende Partei. Für die NPD bedauerte deren Bundesvorsitzender Udo Voigt, dass das Gericht nicht über die Verfassungsmäßigkeit der Partei entschieden habe. Machen Richter Politik? Wer wollte das jetzt noch bezweifeln? 53 www.wdr.de / NPD- Antrag eingestellt vgl. http://www.ftd.de/pw/de/1047819379041.html?nv=7dm 55 vgl. http://www.ftd.de/pw/de/1047819379041.html?nv=7dm 54 - 16 - 5 Schlussteil Das Bundesverfassungsgericht ist eine tragende Institution in Demokratien und Rechtsstaaten. Seine Autorität reicht weit über das rein Rechtliche hinaus in das Politische hinein. Die hier verschwimmenden Grenzen zwischen Jurisdiktion und Legislative sind sowohl Ursache von Kritik als auch gewollte Entscheidung. Die jeweilige Brisanz der Anfragen an das Bundesverfassungsgericht macht politische Untätigkeit unmöglich. Wird es gefragt, muss es antworten und jede Antwort wird einer Kritik ausgesetzt sein und damit zu politischen und gesellschaftlichen Diskussionen führen. Als zentrales Rechtsschutzinstrument hat es die Aufgabe den demokratischen Rechtsstaat und die Grundrechte jedes Bürgers mit allen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln zu schützen und dazu ggf. auch Parteien zu verbieten, die Demokratie und Grundrechte gefährden. Dass eine Partei, die sich aus Funktionären der Deutschen Reichspartei und Mitgliedern der verbotenen SRP zusammensetzt, hier Anstoß findet ist unumgänglich. Doch gleichzeitig werden Fragen aufgeworfen, für die ich im Rahmen meiner Facharbeit keine Antwort gefunden habe: · Wieso kann eine solche Partei seit 40 Jahren bestehen und dabei auf wachsende Mitgliederzahlen blicken? · Warum wird verboten und nicht vorgebeugt? · Woher kommt die Sicherheit, dass ein Verbot der NPD das Problem lösen wird? So kann ich abschließend bemerken: die Auseinandersetzung mit dem Bundesverfassungsgericht, der NPD und dem NPD-Verbot war eine spannende Aufgabe. Ich habe mein Ziel – nämlich eine Antwort auf die Frage „Machen Richter Politik“ zu finden - erreicht. Ich habe erkannt, dass alles seine Grenzen hat und dass das Bundesverfassungsgericht sich stets weiterentwickeln muss. Es hat Schwächen, aber es ist das beste Bundesverfassungsgericht, das wir haben. - 17 - 6 Quellen/Literaturverzeichnis 6.1 Literatur Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht C.H.Beck oHG, München 2001 Informationen zur politischen Bildung Nr. 200, 3. Auflage 2000 Herausgeber: Bundeszentrale für politische Bildung Brockhaus – Multimedia Bibliografisches Institut + F.A. Brockhaus AG, 2001 6.2 Internetquellen http://www.wissen.de http://www.bverfg.de http://www.npd.de http://www.idgr.de http://www.bundesregierung.de http://www.spiegel-online.de - 18 -