Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 12 Demokratieprinzip I. Demokratie als „Herrschaft des Volkes“; Volkssouveränität und repräsentatives Prinzip II. Demokratieprinzip und europäische Integration; Demokratiegebot auch für die EU/EG III. Legitimation durch Wahlen IV. Parlamentarische Demokratie V. Plebiszitäre Elemente SS 2008 Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 13 SS 2008 Die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 I GG - Allgemeine Wahl Das Wahlrecht muss grundsätzlich allen Staatsbürgern zustehen; es darf nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die nicht Jedermann erfüllen kann. Nur aus zwingenden sachlichen Gründen sind Differenzierungen zulässig. - Unmittelbare Wahl Die Wähler müssen die Abgeordneten selbst auswählen dürfen. Es gibt keine zwischengeschalteten Wahlmänner wie in den USA. - Freie Wahl Eine Wahlpflicht oder sonstiger Druck, zur Wahl zu gehen, ist unzulässig. Es muss eine Auswahlmöglichkeit unter mehreren Kandidaten geben. - Gleiche Wahl Jeder Wahlberechtigte hat die gleiche Stimmenanzahl (gleicher Zählwert) und jede Stimme hat das gleiche Gewicht (gleicher Erfolgswert) für das Endergebnis. - Geheime Wahl Es muss die Möglichkeit bestehen, seine Wahlentscheidung für sich zu entscheiden. Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 14 SS 2008 Das Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland Art. 38 GG, BWahlG - personalisierte Verhältniswahl, § 1 I 2 BWahlG Bundestag, 598 Abgeordnete Erststimme Zweitstimme -für einen Wahlkreiskandidaten - Reine Verhältniswahl -Relative Mehrheitswahl - Listenwahl und Ermittlung -Wahl von 299 Kandidaten in 299 Wahlkreisen mit einfacher Mehrheit (§§ 1 II, 5 BWahlG) von 598 Kandidaten abzüglich der 299 299 299 Wahlkreiskandidaten (§§ 1 II, 6 BWahlG). Zweitstimmenanteil entscheidend für die einer Partei zustehende Gesamtzahl an Abgeordnetensitzen. Die Stimmberechtigten wählen in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl (Art. 38 Abs. 1 GG, § 1 I 2 BWahlG) Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 15-1 SS 2008 Die Wahlrechtsgleichheit (betreffend den Erfolgswert einer Stimme) wird durch drei Regelungen des BWahlG in zulässiger Weise beschränkt: 1) 5%-Hürde, § 6 Abs. 6 Satz 1 1. Hs. BWahlG 2) Grundmandatsklausel, § 6 Abs. 6 Satz 1 2. Hs. BWahlG 3) Überhangmandate, § 7 Abs. 3 Satz 2, § 6 Abs. 5 BWahlG Zu 1) Die 5 %-Hürde ist aus dem Gesichtspunkt der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments gerechtfertigt. Zu 2) Die von einer Partei errungenen Direktmandate verbleiben einer Partei immer, ganz unabhängig davon, wie viele Mandate sie erringt, § 6 V 1 BWahlG.1 Die Grundmandatsklausel bedeutet darüber hinausgehend, dass eine Partei, die drei Direktmandate erringt, mit ihrem Zweitstimmenanteil auch dann voll berücksichtigt wird, wenn sie die 5%-Hürde nicht überspringt. Hierdurch entsteht eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu jenen Parteien, die unter der 5 %Hürde bleiben, aber keine oder weniger als drei Direktmandate erringen. Der Erfolgswert einer Stimme, die für eine Partei abgegeben wird, die durch die Grundmandatsklausel begünstigt wird, ist nämlich höher als der Erfolgswert einer Stimme für eine Partei, die möglicherweise über den gleichen oder sogar einen höheren Zweitstimmenanteil verfügt, aber die 5 %-Hürde nicht überspringt. Rechtfertigung für Wahlrechtsgleichheit: diese Sicherung des Beeinträchtigung der Integrationscharakters der Wahlen: Bei Parteien, die drei Direktmandate erringen, ist davon 1 Wählbar sind auch parteiunabhängige Bewerber, §§ 18 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 3 BWahlG auszugehen, dass sie über eine besondere Akzeptanz in der Bevölkerung verfügen. Deswegen ist ihre Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 15-2 SS 2008 Repräsentanz im Parlament gerechtfertigt. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments wird hierdurch nicht in Frage gestellt, da das Erringen von Direktmandaten durch eine kleine Partei eine seltene Ausnahme ist. Vgl. dazu BVerfGE 95, 408, 420 f. – Entscheidung über eine Wahlprüfungsbeschwerde nach Art. 41 Abs. 2 GG Zu 3) Da die von einer Partei errungenen Direktmandate ihr ohnehin verbleiben, kann es geschehen, dass eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt, als ihr eigentlich nach ihrem auf die Landesliste entfallenden Zweitstimmenanteil zustehen. Dann entstehen die sogenannten Überhangmandate. Soweit keine Ausgleichsmandate für die anderen Parteien vorgesehen sind, bedeutet dies eine Durchbrechung der Wahlrechtsgleichheit, da die für die begünstigte Partei abgegebene Zweitstimme einen höheren Erfolgswert hat. Die begünstigte Partei benötigt nämlich für ein Bundestagsmandat dann weniger Stimmen als die anderen Parteien. Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung: Das Bundeswahlrecht ist ein echtes Mischsystem: Mit der Entscheidung des Bundeswahlgesetzes für die Direktwahl der Hälfte der Mitglieder des Bundestages wird das Prinzip der Stimmenverteilung nach dem Stimmenverhältnis ohnehin begrenzt (so die die Entscheidung tragenden vier Richter des Senats; aA die abweichende Meinung der die Entscheidung nicht tragenden Richter). Vgl. hierzu BVErfGE 95, 335, 367 f. – Entscheidung im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG Aber: Scheidet ein Abgeordneter aus, der über ein Überhangmandat in den Bundestag gekommen ist, so rückt kein Abgeordneter von der Landesliste nach (vgl. dazu BVerfGE 97, 317). Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 15-3 SS 2008 Parteienfinanzierung (§§ 18 ff. PartG) - unmittelbare Parteienfinanzierung durch staatliche Mittel - mittelbare Parteienfinanzierung durch die steuerliche Begünstigung von Spenden und Mitgliedsbeiträgen - Freiheit der Parteien → Teilfinanzierung → Parteien dürfen nicht in Abhängigkeit von staatlicher Finanzierung geraten - Gleichheit → Höhe der staatlichen Zuwendungen darf die Chancen der Parteien im Wettbewerb nicht verzerren. Die staatlichen Mittel knüpfen an die bei Wahlen erzielten Wählerstimmen und die Mittel an, die die Parteien durch Spenden oder Mitgliedsbeiträge selbst eingeworben haben. Eine erfolgsunabhängige Basisfinanzierung ist verfassungswidrig. - Staatsbürgerliche Gleichheit in Art. 38 I → Einzelnen dürfen keine besonderen Einflussmöglichkeiten eröffnet werden, etwa durch die steuerliche Begünstigung von Großspenden. Hieraus folgt, dass nur solche Spenden steuerlich begünstigt werden dürfen, die von durchschnittlichen Einkommensbeziehern aufgebracht werden können. - Rechenschaftspflicht der Partei über die Herkunft ihrer finanziellen Mittel (Art. 21 I 4 GG) - Regelung der Parteienfinanzierung durch Gesetz erforderlich Maßgebliche Urteile des Bundesverfassungsgerichts Parteienfinanzierung: BVerfGE 85, 264; E 111, 382) zur Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 16 SS 2008 Bundesstaatsprinzip 1. Homogenitätsprinzip (Art. 28 I GG) 2. Bundestreue 3. Vorrang des Bundesrechts (Art. 31 GG) 4. Bundeszwang (Art. 37 GG) 5. Bundesstaatliche Zusammenarbeit - Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91 a und b GG) - Selbstkoordination der Länder 6. Art. 50 GG: Mitwirkungsklausel Bundesrat 7. Bundesstaatliche Kompetenzordnung des Grundgesetzes: Gesetzgebung (Art. 70 ff. GG) 8. Verwaltungskompetenzen (Art. 83 ff. GG) 9. Die Rechtsprechung in der bundesstaatlichen Ordnung (Art. 92 ff.) 10. Bundesstaatliche Finanzverfassung (Art. 104 a ff. GG) Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 17 SS 2008 Verteilung der Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Überblick) Bund Länder Gemeinden Soziale Sicherungssysteme Verteidigung Auswärtige Angelegenheiten Verkehrswesen Geldwesen Wirtschaftsfinanzierung Forschungsfinanzierung Schulen Universitäten Polizei Kultur Rechtspflege Gesundheitswesen Wohnungsbaufinanzierung Aufgaben nach Ausländergesetz WasserIII. und Energiewesen Müllentsorgung Kanalisation Sozialhilfe Bauplanung Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 18 SS 2008 Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes - Ausschließliche Bundesgesetzgebung Art. 71, 73 GG - Konkurrierende Bundesgesetzgebung Art. 72, 74 GG - Ungeschriebene Gesetzgebungszuständigkeiten o kraft Sachzusammenhangs o Annexkompetenz o Aus der Natur der Sache Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 18a-1 SS 2008 Konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes, Art. 72 Abs. 2 GG Seit Föderalismusreform 2006 drei Kategorien innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen des Bundes: 1. Kern- (oder Vorrang)kompetenzen: Bund darf auf bestimmten Gebieten ohne weiteres Gesetze erlassen; 2. Bedarfskompetenzen: Bund darf nur unter bestimmten Voraussetzungen Gesetze erlassen (Art. 72 Abs. 2 GG); ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers ist hier nur gerechtfertigt (d.h. der Bund hat nur dann das Gesetzgebungsrecht), „wenn und soweit“ - die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder - die Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse oder - die Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich macht (vgl. dazu BVerfGE 106, 62). Es handelt sich bei den genannten unbestimmten Rechtsbegriffen um gerichtlich überprüfbare Begriffe. Die Beurteilung der „Erforderlichkeit“ muss aber unter Einbeziehung künftiger Entwicklungen erfolgen. Insofern genießt der Gesetzgeber einen Prognosespielraum. Überprüfungsmöglichkeit durch das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 18a-2 SS 2008 Art. 72 Abs. 2 GG ist 1994 verschärft worden mit dem Ziel, die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder zu stärken. Bundesgesetze, die nach altem Recht verfassungskonform erlassen wurden, aber nach der neuen und strengeren Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG nicht mehr erlassen werden könnten, gelten als Bundesrecht fort, Art. 125a Abs. 2 S. 1 GG. Vgl. aber auch Art. 125a Abs. 2 S. 2 GG: Möglichkeit der bundesgesetzlichen Ermächtigung des Landesgesetzgebers, das Bundesgesetz durch Landesrecht zu ersetzen; gleiches gilt bei Wegfall der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung, Art. 72 Abs. 4 GG; zudem seit Föderalismusreform: Möglichkeit der Ersetzung eines solchen „Ermächtigungsgesetzes“ nach Art. 72 Abs. 4 oder Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. Art. 93 Abs. 2 GG 3. Abweichungskompetenzen: Bund darf auf bestimmten Gebieten ohne weiteres Gesetze erlassen (arg. ex Art. 72 Abs. 2 GG), allerdings können die Länder hiervon abweichende Gesetze erlassen (Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG) Aufgrund dieser Kompetenzgrundlage erlassene Bundesgesetze treten grundsätzlich erst nach einer Karenzzeit von 6 Monaten in Kraft (Art. 72 Abs. 3 S. 2 GG); zudem gilt im Verhältnis von Bundesrecht und abweichendem Landesrecht immer das jeweils spätere Gesetz (Anwendungsvorrang), Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG. 4. Rahmenkompetenzen nach Art. 75 GG GG a.F.: Materien der früheren Rahmengesetzgebung sind nunmehr im wesentlichen Abweichungskompetenzen; zur Weitergeltung entsprechender Rahmengesetze des Bundes vgl. Art. 125b GG Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 18 b SS 2006 Gesetzgebungsbefugnis der Länder, Art. 72 Abs. 1 GG Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder zuständig, „solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat“. Sobald der Bund dies aber getan hat, tritt die „Sperrwirkung“ des Bundesgesetzes ein. Daraus ergibt sich: - Bei Untätigkeit des Bundesgesetzgebers → Gesetzgebungsrecht der Länder - Bei Tätigkeit des Bundesgesetzgebers → Genereller Ausschluss der Länder in dem betroffenen Bereich von der Gesetzgebung nur, wenn der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung treffen wollte. - Ausnahme hiervon: Abweichungskompetenzen gem. Art. 72 Abs. 3 (hier Möglichkeit der „Ping-Pong-Gesetzgebung“) Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 18c SS 2008 Ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen (nicht in einem Zuständigkeitskatalog enthalten) - kraft Natur der Sache: Ein Gegenstand kann begriffsnotwendig nur durch den Bund geregelt werden, z.B. Bundessymbole, Nationalhymne, früher die Bundeshauptstadt (nunmehr ausdrücklich geregelt in Art. 22 Abs. 1 GG) etc. - kraft Sachzusammenhangs: Eine Materie kann nicht sinnvoll geregelt werden, ohne dass der Gesetzgeber in einen anderen, ihm nicht ausdrücklich zugewiesenen Bereich übergreift, z.B. Regelungen zur Gefahrenabwehr in der Gewerbeordnung. Die Gewerbeordnung fällt unter Art. 74 Nr. 11 GG – Recht der Wirtschaft, das Recht der Gefahrenabwehr ist hingegen Ländersache. Es macht aber keinen Sinn, Fragen der von Gewerbebetrieben ausgehenden Gefahren nicht auch in der Gewerbeordnung zu regeln. - Annexkompetenz: Ein Kompetenztitel des GG erfasst eine Materie nicht ausdrücklich, es besteht aber ein enger sachlicher Zusammenhang mit der Hauptmaterie. Beispiel: Regelung über den Straßenverkehr behindernde Werbeanlagen (an sich Straßenrecht – Länderzuständigkeit) wurden im Wege der Annexzuständigkeit der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Straßenverkehr aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG zugeschlagen. Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 18d SS 2008 Verhältnis von Bundesrecht und Landesrecht, Art. 31 GG Kollisionsregel greift nur ein, wenn die kollidierenden Normen gültig sind, d.h. kompetenzgerecht erlassen wurden. Fehlt es daran, ist Landesrecht von vornherein nicht zustande gekommen. Es gilt also der Grundsatz: Die Kompetenzfrage ist der Kollisionsfrage vorgeordnet. Folge: Hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, entfaltet dies Sperrwirkung gegenüber dem Landesgesetzgeber. Gleichwohl erlassenes Landesrecht ist damit von vornherein nichtig und braucht dann auch nicht mehr gebrochen zu werden. Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht im Wege der abstrakten und konkreten Normenkontrolle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 und Art. 100 Abs. 1 GG. Seit Föderalismusreform: Ausnahme von der Regel bei Landesgesetzen auf den Gebieten der Abweichungskompetenzen (hier lex posterior-Regel, Art. 72 Abs. 3 S. 3) Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 19 SS 2008 Verwaltungsorganisation Bundesverwaltung Bundesbehörden (unmittelbare Bundesverwaltung) Körperschaften Anstalten u. Stiftungen des Bundes, Beliehene (mittelbare Bundesverwaltung) Landesverwaltung Landesbehörden (unmittelbare Landesverwaltung) Körperschaften, Anstalten u. Stiftungen des Landes, Beliehene (mittelbare Landesverwaltung) Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 19a-1 SS 2008 Aufteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern I. Regelfall: Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder – gesetzesakzessorische Verwaltung (Art. 83, 84 ff.) - Bislang: Regelung des Verwaltungsverfahrens der Länder durch den Bund mit Zustimmung des Bundesrates (Art. 84 Abs. 1 a.F: GG) - Jetzt: Regelung des Verfahrens durch den Bund ohne Zustimmung, dafür aber Abweichungsrecht der Länder (Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG), es sei denn bei besonderem Bedürfnis für bundeseinheitliche Regelung (Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG) Beachte: Die Regelzuständigkeit der Länder ist auch für die nicht gesetzesakzessorische Verwaltung begründet II. Abweichung vom Regelfall: Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) - obligatorische Auftragsverwaltung: Art. 90 Abs. 2, Art. 104a Abs. 3 S. 2; Art. 108 Abs. 3 GG - fakultative Auftragsverwaltung: Art. 87 b Abs. 2; Art. 87 c; Art. 87 d Abs. 2, Art. 89 Abs. 2 S. 3 u. 4 GG Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 19a-2 SS 2008 III. Bundeseigene Verwaltung: Art. 86 GG Unmittelbare Bundesverwaltung (z.B. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG): Oberste Bundesbehörden: alle Bundesbehörden, die keiner anderen Behörde unterstellt sind. Im wesentlichen Bundesministerien und z.B. der Bundesrechnungshof. Nicht dazu zählen die Bundesoberbehörden wie etwa das EisenbahnBundesamt, das Kfz-Bundesamt, da sie noch der jeweiligen Fachaufsicht des zuständigen Ministeriums unterliegen. Bei Rechtsstreitigkeiten ist Beklagter der Bund. Mittelbare Bundesverwaltung: Bundesrepublik handelt durch zwischengeschaltete selbständige juristische Personen, eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentliche Rechts (bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten). Bsp: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; vormalige Treuhandanstalt. Beklagter ist die Körperschaft/Anstalt selbst. IV. Ungeschriebene Verwaltungskompetenzen für den Bund? Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 20-1 SS 2008 Der (verfassungsrechtliche) Bund-Länder-Streit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG) A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG entscheidet das BVerfG bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder. II. Antragsteller Antragsteller kann die Bundesregierung für den Bund sowie für ein Land dessen Landesregierung sein, § 68 BVerfGG. III. Antragsgegner Die Bundesregierung oder eine Landesregierung. IV. Streitgegenstand Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG nennt als zulässigen Streitgegenstand „Meinungsverschiedenheiten“ über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder. In § 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG ist das Erfordernis enger gefasst, denn aus diesen ergibt sich das Erfordernis eines Streits um eine konkrete, rechtserhebliche Maßnahme des Antragsgegners, bzw. ein Unterlassen. Eine Maßnahme gilt als rechtserheblich, wenn sie geeignet ist, in den Rechtskreis eines der Beteiligten einzugreifen. Die mit dem BVerfGG vorgenommene Einengung der Prozessvoraussetzung gilt nach h.M. als zulässige Konkretisierung der Verfassungsnorm durch den Gesetzgeber. Über jene rechtserhebliche Maßnahme ist ein konkreter Streit zwischen den Beteiligten erforderlich. Dies ist der Fall, wenn der Antragsteller eine Verletzung seiner Rechte unmittelbar durch die fragliche Maßnahme als gegeben sieht. Inhaltlich muss sich der Streit auf bundesstaatsspezifische Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz beziehen, die den Parteien übertragen sind. Hierzu zählen auch ungeschriebene Verfassungsgrundsätze, z.B. der Grundsatz der Bundestreue. Die bloße Berufung auf sonstiges Verfassungsrecht genügt demnach nicht. Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 20-2 SS 2008 Beispiele: Überschreitung des Weisungsrechts im Rahmen des Art. 85 GG; Streitigkeiten im Rahmen der Bundesaufsicht (Art. 84 Abs. 4 S. 2GG); Verletzung des Gebots bundesfreundlichen Verhaltens; Kabinettsbeschlüsse in Bezug auf die Zustimmung zu EG-Richtlinien; Gewährung von Finanzhilfe; Untätigbleiben der Länder im Bereich der Kommunalaufsicht. V. Antragsbefugnis Der Antragsteller muss geltend machen, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in eigenen ihm durch das GG übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein, § 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG. Bei den verletzten oder unmittelbar gefährdeten Rechten und Pflichten muss es sich um solche aus dem Bundesstaatsverhältnis handeln. VI. Form und Frist Der Antrag ist unter Bezeichnung der verletzen Normen des GG schriftlich zu begründen, § 23 i.Vm. §§ 69, 64 Abs. 2 BVerfGG. Es gilt eine Frist von 6 Monaten nachdem die Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt wurde, § 69 i.V.m. § 64 Abs. 3 BVerfGG. B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn die Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners den Antragsteller in seinen ihm durch das Grundsgesetz verliehenen Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet, § 69 i.V.m. § 67 BVerfGG. Prüfungsmaßstab Das BVerfG prüft die angegriffene Maßnahme an den Normen des GG, soweit Rechte des Antragstellers in Frage stehen. In die Prüfung werden jedoch auch sonstige Verfassungsnormen einbezogen, soweit sie für das Bund-Länder-Verhältnis von Bedeutung sind. Das BVerfG stellt gegebenenfalls eine Rechtsverletzung fest. Der Bund-Länder-Streit dient in erster Linie der Austragung von Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern um Verwaltungskompetenzen und um Gegenstände ohne die Form einer Norm. Hinsichtlich einer Norm besteht zugleich die Möglichkeit der Einleitung einer abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 2a GG. Hierbei kommt keinem der beiden Verfahren der Vorrang zu. Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 21 SS 2008 Rechtsstaatsprinzip I. Gewaltenteilung in Legislative Exekutive Judikative II. Rechtsgebundenheit der Staatsorgane 1. Rechtsstaatliche Normenhierarchie („Normenpyramide“) 2. Vorrang und Vorbehalt der Gesetze 3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 4. Rechtssicherheit, Vertrauensschutz III. Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte 1. Rechtsweggarantie (Art. 19 IV GG) 2. Richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 GG) 3. Der gesetzliche Richter (Art. 101 II 2 GG) Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 22 SS 2008 Trennung und Zuordnung der Staatsfunktionen Staatsgewalt (Art. 20 II GG) Gesetzgebung Vollziehung Rechtsprechung Grundtypen staatlicher Aufgabenerfüllung Gesetzgebungsorgane: Parlamente Vollziehungsorgane: Rechtsprechungsorgane: Regierung/Verwaltung Gerichte Konstituierung besonderer Organe (= "Gewalten") Sachliche und personelle Trennung der Staatsorgane (="Gewaltentrennung") Parlament e Regierung/Verwaltung Gewaltenverschränkung Gerichte Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 22 a SS 2008 Legislative, Exekutive, Judikative – Typische Aufgaben? I. Sachliche Funktionentrennung →Legislative: Normsetzung →Exekutive: Erfüllung konkreter Staatsaufgaben, insbes. der Normvollzug →Judikative: Verbindliche Feststellung darüber, was in einem streitigen Fall rechtens sein soll durch unabhängige Gerichte II. Persönliche Funktionentrennung: Die Staatsfunktionen sind gemäß Art. 20 Abs. 2 GG unterschiedlichen Organen zugewiesen, zwischen denen im wesentlichen Inkompatibilität besteht. Strenge Durchführung der personellen Gewaltenteilung nur im Bereich der Judikative: § 4 Abs. 1 DRiG: „Ein Richter darf Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und Aufgaben der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt nicht zugleich wahrnehmen.“ (vgl. auch Art. 94 Abs. 1 S. 3 GG, § 3 Abs. 3 BVerfGG). Inkompatibilität zwischen Exekutive und Legislative (zwischen Amt und Mandat): vgl. dazu die Ermächtigung in Art. 137 GG zur Beschränkung der Wählbarkeit (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) zu den Parlamenten (vgl. § 57 BBG; §§ 33, 34 BRRG, § 25 Soldatengesetz; §§ 5, 8 AbgG). Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 22 b SS 2008 III. System der Gewaltenverschränkung und –balancierung im GG 1. Gegenseitige Kontrolle der Gewalten 2. Die Zuständigkeitsbereiche der Verfassungsorgane decken sich nicht vollständig mit der jeweiligen materiellen Staatsfunktion: Beispiele: a) Exekutive kann nach Maßgabe des Art. 80 Abs. 1 GG auch Recht setzen (vgl. auch die parallele Regelung in Art. 43 NV). b) Gesetzgeber kann auch einzelfallbezogene Entscheidungen treffen, z.B. Planungsentscheidungen. c) vorbeugende Unterlassungsklage ist ausnahmsweise möglich – Determinierung der Verwaltung für die Zukunft d) Problem der Rechtsfortbildung durch die Gerichte e) Verhältnis Verfassungsgerichtsbarkeit – Gesetzgeber Solche Überschneidungen werden vom Bundesverfassungsgericht insoweit für verfassungsgemäß gehalten, als eine Gewalt nicht in den Kernbereich der anderen übergreift. Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 22 c SS 2008 Überschneidungen und Verzahnungen der Gewalten im Grundgesetz Mitwirkungsrechte und Einflussmöglichkeiten des Bundestages bei der Wahl des Bundeskanzlers (Art. 63 GG); Kontrolle der Regierung und Verwaltung, Zustimmung zum Militäreinsatz; Zustimmung zu politischen Verträgen (Art. 59 II GG) Mitwirkungsrechte und Einflussmöglichkeiten der Bundesregierung im Bereich der Legislative: Gesetzesinitiative (Art. 76 GG); Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzes durch Anrufung des BVerfG, Erlass von Rechtsverordnungen (Art. 80 GG) Überprüfung der Gesetze Verwaltungsmaßnahmen und durch untergesetzlichen die Gerichte; Normen und Möglichkeit der Rechtsfortbildung des geschriebenen Gesetzes; Nichtigerklärung von Gesetzen durch das Bundesverfassungsgericht Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 23 SS 2006 Die Gewaltenteilung Legislative B u n d e s e b e n e L ä n d e r e b e n e Exekutive (Vollziehende Gewalt) Art. 38-49 GG Art. 50-53 GG Bundestag Bundesrat Art. 62-69 GG Bundesregierung Ausschließliche Gesetzgebung (Art. 71, 73 GG) Konkurrierende Gesetzgebung (Art. 72, 74 GG) Bundeseigene Verwaltung Konkurrierende Gesetzgebung (Art. 72, 74 GG) Parlamente der Länder Gesetzgebung der Länder (Art. 70 GG) Judikative (Rechtsprechende Gewalt) Art. 92-104 GG Bundesverfassungsgericht Oberste Gerichtshöfe des Bundes (Art. 86, 87 GG) Auftragsverwaltung (Art. 85 GG) Ländereigenverwaltung (Art. 83 GG) Länderregierungen Länderverwaltungen Kreisverwaltungen Gemeindeverwaltungen Gerichte der Länder Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 24 SS 2008 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Vorrang der Gesetze Die Verwaltung darf keine Maßnahmen treffen, die einem Gesetz widersprechen. Vorbehalt des Gesetzes Soweit der Vorbehalt des Gesetzes reicht, darf die Verwaltung nur tätig werden, wenn sie dazu durch Gesetz ermächtigt worden ist. Folie 25 Die abstrakte Normenkontrolle A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit Gemäß Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG entscheidet das BVerfG bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem GG oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht. Einen Unterfall stellt das Verfahren gemäß Art. 93 I Nr. 2a GG dar, in dem geprüft wird, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Art. 72 II GG entspricht. II. Antragsberechtigung/ Beteiligtenfähigkeit Gemäß Art. 93 I Nr. 2, 76 I BVerfGG sind die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages antragsberechtigt. Der Antrag eines Drittels der MdBs ist von den Abgeordneten zu stellen, nicht von einer Fraktion. Im Verfahren gemäß Art. 93 I Nr. 2a GG sind der Bundesrat, eine Landesregierung oder das Parlament eines Landes antragsberechtigt. Die abstrakte Normenkontrolle kennt keinen Antragsgegner. III. Antragsgegenstand Gegenstand des Verfahrens kann jede Rechtsnorm, d.h. Bundesrecht und Landesrecht, untergesetzliches Recht (Bsp. Rechtsverordnung, Satzung), vorkonstitutionelles Recht sowie Verfassungsrecht sein, aber KEIN sekundäres Gemeinschaftsrecht, denn dieses wird von Organen erlassen, die nicht der Geltung des GG unterliegen. Verfahrensgegenstand kann allerdings innerstaatliches Recht sein, das Gemeinschaftsrecht umsetzt (EG-Richtlinien, Entscheidungen). Die Norm muss bereits existieren, d.h. die Verkündung muss erfolgt sein. AUSNAHME: Vertragsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen sind mit Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zulässiger Antragsgegenstand, da völkerrechtliche Verträge die Bundesrepublik auch dann binden, wenn die Verträge innerstaatlich grundgesetzwidrig sind. Beispiele: Bundesregierung erstrebt Feststellung, dass Landesgesetz gegen GG oder sonstiges Bundesrecht verstöß; eine Landesregierung hält ein Bundesgesetz aus formellen oder materiellen Gründen für verfassungswidrig; eine Landesregierung hält das Gesetz einer anderen Landesregierung für verfassungswidrig. IV. Antragsbefugnis Art. 93 I Nr. 2 GG sieht für die Antragsbefugnis vor, dass über die betroffene Rechtsnorm „Meinungsverschiedenheiten“ oder „Zweifel“ bestehen. § 76 BVerfGG engt dies dahingehend ein, dass der Antragsteller die Rechtsnorm für nichtig hält (bzw. für gültig hält, nachdem ein Gericht, eine Behörde oder ein anderes Staatsorgan die Rechtsnorm als unvereinbar mit dem GG oder mit Bundesrecht nicht angewendet hat). (P) Ist die erhebliche Einschränkung des Wortlauts von Art. 93 I Nr. 2 GG durch § 76 BVerfGG verfassungsmäßig? Teil der Literatur: § 76 BVerfGG ist verfassungswidrig wegen der erheblichen Einschränkung des Wortlauts. BVerfG und anderer Teil der Literatur: § 76 BVerfGG konkretisiert Art. 93 I Nr. 2 GG in verfassungsmäßiger Weise. Im Verfahren gemäß Art. 93 I Nr. 2a GG muss der Antragsteller ein Bundesgesetz wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des Art. 72 II GG für nichtig halten. Bei der Prüfung von gemeinschaftsrechtlich begründetem innerstaatlichen Recht (z.B. Gesetze zur Umsetzung einer Richtlinie) muss der Antragsteller substantiiert vortragen, dass die zu überprüfende deutsche Norm auf einer Gemeinschaftsrechtsnorm beruht, die den als vom GG als unabdingbar zu erachtenden Grundrechtsstandard verletzt. In diesen Fällen überprüft das Bundesverfassungsgericht auch gemeinschaftsrechtlich determinierte Rechtsakte am Maßstab des GG. Das Bundesverfassungsgericht übt aber solange keine Gerichtsbarkeit aus, als die Gemeinschaften die Grundrechte generell schützen. Etwaige Ausreißer sind unerheblich. Zur Klarstellung: Dort, wo dem deutschen Gesetzgeber noch Entscheidungsspielraum verbleibt, sind die von ihm erlassenen Rechtsakte selbstverständlich in vollem Umfang am Maßstab des GG zu überprüfen. V. Form Gemäß Art. 23 I BVerfGG bedarf der Antrag der Schriftform. Der Antrag ist nicht fristgebunden. B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn die Norm verfassungswidrig ist. Prüfungsmaßstab Das BVerfG prüft die angegriffenen Norm am Grundgesetz, bzw. falls es sich um Landesrecht oder untergesetzliches Bundesrecht handelt, am sonstigen Bundesrecht. Bei der Prüfung von gemeinschaftsrechtlich begründeten innerstaatlichen Rechts (z.B. Gesetze zur Umsetzung einer Richtlinie) ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG darauf beschränkt ist zu prüfen, ob die „Integrationsermächtigung“ (Art. 23 GG) überschritten ist, d.h. ob innerstaatliches Verfassungsrecht in seinem „integrationsfesten Kern“ verletzt ist. Die Vereinbarkeit der Richtlinie mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht ist ggf. im Vorlageverfahren gemäß Art. 234 EGV vom EuGH zu prüfen. Im besonderen Verfahren gemäß Art. 93 I Nr. 2a GG ist Prüfungsmaßstab nur Art. 72 Abs. 2 GG (vgl. § 76 Abs. 2 2. Hs. BVerfGG). Bejaht das BVerfG einen Grundgesetzverstoß, so erklärt es die Norm gewöhnlich gemäß § 78 BVerfGG für nichtig. Die Nichtigerklärung wirkt ex tunc, d.h. das Gesetz ist von Anfang an nichtig. Das BVerfG kann auch lediglich die Unvereinbarkeit der Norm mit dem GG feststellen, mit der Folge, dass diese nicht mehr angewendet werden darf und eine Neuregelung durch den Gesetzgeber abzuwarten ist (Dies gilt insb. wenn der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten hat den Verfassungsverstoß zu beseitigen, insb. bei Verstößen gegen Art. 3 GG). Die Entscheidung des BVerfG hat gemäß § 31 II BVerfGG Gesetzeskraft. Verneint das BVerfG die Verfassungswidrigkeit, stellt es dies im Tenor ausdrücklich fest. Folie 26 Die konkrete Normenkontrolle A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit Gemäß Art. 100 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG entscheidet das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, wenn ein Gericht diese Frage dem BVerfG vorlegt. Anders als bei der konkreten Normenkontrolle ist Ausgangspunkt im Verfahren nach Art. 100 GG stets ein konkretes gerichtliches Verfahren, in dem es um die Wirksamkeit einer Rechtsnorm geht. Beispiele: Ein Fachgericht hält eine bundes- oder landesrechtliche Norm für verfassungswidrig oder hat Zweifel, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts gemäß Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts ist. II. Vorlageberechtigung Vorlageberechtigt sind alle Gerichte, unabhängig von der Instanz. Beispiele: Vom Amtsgericht bis zum Landesverfassungsgericht. III. Vorlagegegenstand Alle formellen und nachkonstitutionellen Gesetze. FORMELLE Gesetze: von den Gesetzgebungsorganen im von der Verfassung hierfür vorgesehenen Verfahren und hierfür vorgesehener Form erlassene Gesetze. Die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers schließt eine Verwerfungskompetenz der Fachgerichte aus und begründet eine ausschließliche Verwerfungskompetenz des BVerfG. Keine formellen Gesetze sind Rechtsverordnungen und Satzungen. NACHKONSTITUTIONELL sind jene Gesetze, die nach Inkrafttreten des GG erlassen wurden sowie vorkonstitutionelle Gesetze, die vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen wurden, d.h. er hat bekundet, dass das vorkonstitutionelle Gesetz weiter zur Anwendung kommt. Beispiel: Ein vorkonstitutionelles Gesetz (z.B. BGB) wurde durch den Bundestag geändert und die geänderten Bestimmungen stehen mit den unveränderten Bestimmungen in sachlich engem Zusammenhang. Die Tatsache der Änderung einzelner Bestimmungen reicht noch nicht aus für die Annahme, dass der Gesetzgeber jede einzelne unverändert gebliebene Bestimmung in seinen Willen aufgenommen hat.. Bei Rechtsverordnungen und Satzungen sowie vorkonstitutionellem Recht (d.h. Reichsund DDR-Recht) hat das Fachgericht eine eigene Verwerfungskompetenz. IV. Überzeugung von der Nichtigkeit des Gesetzes Das vorlegende Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein. Bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit reichen nicht aus. V. Entscheidungserheblichkeit der Norm Das Gesetz muss im konkreten Fall entscheidungserheblich sein, d.h. bei Anwendung des Gesetzes muss sich ein anderes Ergebnis ergeben als bei Nichtanwendung. Darf nationales Recht wegen Verstoßes gegen vorrangiges EG-Recht nicht angewendet werden, ist es für das Verfahren ohnehin nicht entscheidungserheblich und kann daher nicht gemäß Art. 100 GG vorgelegt werden. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren wird in der Regel keine Entscheidungserheblichkeit vorliegen, da das Gericht eine vorläufige Regelung treffen darf, wenn sonst die Durchsetzung des Anspruchs im Hauptsacheverfahren vereitelt würde. VI. Form Gemäß § 80 II BVerfGG muss die Begründung des vorlegenden Gerichts die Entscheidungserheblichkeit und die Überzeugung der Verfassungswidrigkeit im Einzelnen darlegen. Die Begründung muss aus sich heraus ohne Bezugnahme auf die Akten des Ausgangsverfahrens verständlich sein. B. Begründetheit Das BVerfG prüft, ob das Gesetz verfassungswidrig ist. Prüfungsmaßstab Das BVerfG prüft das Gesetz umfassend am GG sowie Landesgesetze zusätzlich an sonstigem Bundesrecht. Dabei ist das BVerfG nicht an die vom vorlegenden Gericht angegebenen Nichtigkeitsgründe gebunden. Bejaht das BVerfG einen Verfassungsverstoß, so erklärt es das Gesetz gewöhnlich gemäß §§ 82 I, 78 BVerfGG für nichtig. Die Nichtigerklärung wirkt ex tunc, d.h. das Gesetz ist von Anfang an nichtig. Das BVerfG kann auch lediglich die Unvereinbarkeit der Norm mit dem GG feststellen, mit der Folge, dass diese nicht mehr angewendet werden darf und eine Neuregelung durch den Gesetzgeber abzuwarten ist (Dies gilt insb. wenn der Gesetzgeber mehrer Möglichkeiten hat den Verfassungsverstoß zu beseitigen, insb. bei Verstößen gegen Art 3 GG). Die Entscheidung des BVerfG hat gemäß § 31 II BVerfGG Gesetzeskraft. Verneint das BVerfG die Verfassungswidrigkeit, stellt es dies im Tenor ausdrücklich fest. Prof. Dr. Christine Langenfeld Folie 27 SS 2006 Die obersten Bundesorgane Bundespräsident wählt ernennt auf Vorschlag des Bundeskanzlers Bundesversammlung Bundesregierung Bundesminister Bundesverfassungsgericht Bundeskanzler Bundestag Bundesrat entsenden Vertreter Landesparlamente wählen Bürgerinnen wählen und Bürger Landesregierungen