Krankenhausbetriebsausschuss Sitzung am 19.01.2004 Strukturgutachten Rems-Murr-Kliniken TOP 1: Entscheidung zu den mittelfristigen Handlungsalternativen Drucksachen 18/2003, 72/2003 und 107/2003 verantwortlich: Drucksache 1/2004 Eigenbetrieb Rems-Murr-Kliniken 16. Januar 2004 1. Vorgeschichte Die drei Kreiskrankenhäuser des Rems-Murr-Kreises sind seit 01.01.1999 ein Eigenbetrieb, jedoch nach dem Landeskrankenhausgesetz weiterhin drei selbständige Krankenhäuser mit eigenständigen Krankenhausdirektorien und jeweils eigenen Kassenbudgets. Diese Struktur war für das Zusammenwachsen zu einem Betrieb nicht förderlich. Die zunehmend enger werdenden finanziellen Rahmenbedingungen stellen die Krankenhäuser inzwischen vor enorme Herausforderungen und nicht zuletzt auch existenzielle Probleme. Neben der seit Jahren rückläufigen Finanzierung der Betriebskosten durch die Krankenkassen können zukünftig die Beiträge des Krankenhausträgers zur Deckung von Defiziten und für Investitionen nicht mehr im benötigten Umfang geleistet werden, zumal auch deren finanzielle Situation vollkommen ausgezehrt ist. Aus dieser Erkenntnis war die Beauftragung eines Strukturgutachtens durch den Rems-MurrKreis Bestandteil der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Robert-Bosch-Krankenhaus und dem Rems-Murr-Kreis. Der Rems-Murr-Kreis und das Robert-Bosch-Krankenhaus haben u.a. im Vertrag vereinbart, dass das Strukturgutachten die Förderung der zukunftsorientierten Entwicklung des Eigenbetriebs zum Ziel haben soll, damit die RemsMurr-Kliniken auch in Zukunft eine hochwertige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen und sich im zunehmenden Wettbewerb behaupten können. Zugleich erfolgte die Übertragung der Managementverantwortung an das Robert-Bosch-Krankenhaus, auch mit der Absicht, um durch Kooperation sich bietende Einsparpotentiale zu nutzen. Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 09.07.2001 entschieden, ein Strukturgutachten in Auftrag zu geben. Der Krankenhausbetriebsausschuss hat in seiner Sitzung am 16.07.2001 beschlossen, mit der Erstellung des Strukturgutachtens die Firma HWP zu beauftragen, wobei hierbei der Hinweis erfolgte, dass die Erhaltung der 3 Standorte „angestrebt“ werden soll. 2. Beratungsauftrag Der Auftrag ging am 10./17.09.2001 an die Firma HWP Planungsgesellschaft mbH. Ziel des Gutachtens war es, eine strategische Konzeption zur Entwicklung der zukünftigen Struktur für die medizinischen Leistungsbereiche der Rems-Murr-Kliniken zu erstellen, welche unter Berücksichtigung der sie umgebenden komplementären Einrichtungen die Versorgung der Bevölkerung des Rems-Murr-Kreises auch zukünftig auf hohem Niveau garantiert. Das Gutachten wurde von Anfang an in engem Kontakt mit dem Rems-Murr-Kreis erarbeitet, zunächst durch die Sitzungen einer Lenkungsgruppe, die dann durch einen erweiterten Kreis, die sogenannte Übergeordnete Arbeitsgruppe abgelöst wurde. Mitglieder der 2 Übergeordneten Arbeitsgruppe waren im wesentlichen die Vorsitzenden der Fraktionen und die Sprecher des Krankenhausbetriebsausschusses. Seit Sommer 2003 waren noch weitere Kreisräte sowie die Ärztlichen Direktoren der Rems-Murr-Kliniken hinzugekommen. Das Projekt lief in folgenden Teilschritten ab: Klausurtagung des Kreistages am 07.06.2002: vorläufigen Ergebnisse November 2002: Endfassung des Strukturgutachtens an die Vorsitzenden der Fraktionen und die Mitglieder des Krankenhausbetriebsausschusses Sitzung Kreistages am 07.04.2003: Ergebnis der Untersuchung und Beurteilung der vorgeschlagenen mittelfristigen Handlungsalternativen (s. Drucksache 18/2003) Sitzung des Kreistages am 27.10.2003: Ergebnis der Untersuchung zu den Anträgen der CDU- und SPD-Fraktion vom 17.07.2003 (s. Drucksache 107/2003). Im Ergebnis schlägt HWP - neben Empfehlungen für kurzfristige Maßnahmen, wie z.B. die Schaffung einer zentralen Leitungsstruktur und die Reorganisation der Verwaltung, die sich z.T. bereits in Umsetzung befinden - auch mittelfristige Handlungsalternativen vor, die sowohl die Unternehmensform als auch die Struktur der Standorte betreffen. Insbesondere haben die Gutachter auf den enorm hohen Investitionsstau und dessen Dringlichkeit hingewiesen, der im Rahmen des Strukturgutachtens durch die Krankenhäuser ermittelt wurde. Im Kreiskrankenhaus Backnang wären 37,3 Mio. € und im Kreiskrankenhaus Waiblingen 57,0 Mio. € für Substanzerhaltung und die räumliche Weiterentwicklung zu investieren, wobei die Räumlichkeiten dadurch nicht im erforderlichen Maße an die zukünftigen betrieblichen Bedürfnisse angepaßt werden könnten. HWP schlägt letztendlich die Variante E (Schließung der Kreiskrankenhäuser Backnang und Waiblingen und Zusammenführung in einem Neubau) vor, da dies aus Sicht der Gutachter medizinisch ein zukunftsfähiges und zugleich das einzige Modell ist, bei dem das Betriebsergebnis eine Finanzierung der notwendigen Investitionen (in diesem Fall Neubau) ermöglicht. 3. Untersuchte mittelfristige Handlungsalternativen Von HWP wurden insgesamt 8 mittelfristige Handlungsalternativen näher untersucht (s. Anlage 1). Vergleiche hierzu auch Anlage 2, in der HWP eine Zusammenfassung des gutachterlichen Beratungsverfahrens erarbeitet hat, die in der Sitzung der Übergeordneten Arbeitsgruppe am 15.01.2004 vorgetragen wurde. 4. Empfehlung des Gutachters Der Gutachter kommt zu dem Schluß, dass das Modell „E“ vor dem Hintergrund des medizinischen Versorgungsangebotes und der Möglichkeit einer Refinanzierung der notwendigen Investitionen die vorteilhafteste Lösung darstellt und zwar unter den Gesichtspunkten: Verbesserung des medizinischen Versorgungsangebotes im Landkreis der Patientenwanderungen aus dem Landkreis und des Eigenanteils des Kreises für Betriebs- und Investitionskosten. Unter den nachträglich untersuchten Varianten erweist sich die Konzeption 1a (Rems-MurrKlinikum West mit den 2 Betriebsstätten Backnang und Waiblingen) lediglich als zweitbeste Lösung, insbesondere weil sie im Gegensatz zu Konzeption 1b medizinische Synergiepotenziale in höherem Maße ausschöpfen kann. Das hierbei erreichbare fachliche Versorgungsangebot erreicht jedoch nicht die Breite des Zentralversorgungsumfangs in Modell „E“, weshalb diese Varianten auch aus medizinischer Sicht nicht befürwortet werden. 3 5. Wertung der Verwaltung Die Zusammenführung der beiden Krankenhausstandorte Backnang und Waiblingen in einem Neubau erscheint aus folgenden Gründen die zukunftsfähigste Lösung: Verbesserung der medizinischen Versorgungssituation durch Ausschöpfen der Synergiepotenziale: Durch die Zusammenlegung der Abteilungen zweier Häuser an einem Standort wird eine signifikante Qualitätsverbesserung erreicht. Die neu entstehenden Abteilungen verfügen nicht nur über mehr Kapazität, sondern auch eine qualifiziertere technische und fachliche Diversifikation gegenüber den vergleichbaren bestehenden heutigen Abteilungen in den Häusern. Die Mitarbeiter können ihre fachliche Spezialisierung vertiefen. Auch für neue Mitarbeiter wäre das Haus attraktiver, was die Gewinnung von qualifiziertem Personal fördert. Zusätzlich bietet ein Zentralversorgungshaus aufgrund der Großgeräte mehr Möglichkeiten der Diagnostik vor Ort. Also mehr Qualität und Sicherheit sowie ein breiteres und tieferes Leistungsspektrum. Nur mit der Variante „E“ läßt sich daher die erwartete Patientenabwanderung durch neue Patientenzuströme kompensieren. Nahezu alle Landkreise in Baden-Württemberg bieten ihren Einwohnern das back-up bzw. die Sicherheit eines Zentralversorgungshauses. Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Situation: Durch die Zusammenlegung zweier Krankenhäuser in einem Neubau entsteht eine nicht unwesentliche Betriebskostenreduktion, da Synergieeffekte voll zum Tragen kommen. Bereiche wie die Radiologie, Labor, Pforte, Küche, Steri, Lager usw. werden zusammengelegt. Vorhaltekosten, wie z.B. Bereitschaftsdienste, werden reduziert (neben den medizinischen Bereichen auch in der Technik und Gebäudeverwaltung). Betriebsabläufe werden verbessert (geringere Wege- und Wartezeiten). Stationsgrößen werden optimiert und Pflegekonzepte werden abgestuft (effizienterer Einsatz von Fachpersonal und z.B. Nachtwachen). Die Stationen werden von tagesklinischen Patienten entlastet, da diese in dafür vorgesehenen Bereichen behandelt werden. Nur in einem Neubau sowie der Zusammenführung von 2 Standorten läßt sich das betriebswirtschaftliche Ergebnis derart verbessern, dass es zur Finanzierung der Baumaßnahmen verwendet werden kann. Verbesserung der baulichen Situation: Die Kosten für den notwendigen Baubedarf beinhalten nicht nur die Substanzerhaltung, sondern z.T. auch mittelfristig zwingend anzugehende Verbesserungen der Betriebsabläufe, wie das Zusammenlegen der beiden Intensivstationen im Kreiskrankenhaus Backnang zu einer interdisziplinären Intensivstation, das Einrichten von interdisziplinären Notaufnahmestationen in jedem Haus, die Schaffung von tagesklinischen Plätzen in einer organisatorischen Einheit für operative Eingriffe und konservative Behandlungen, die Zusammenführung der Kinderklinik in Waiblingen (1. OG und 4. OG; im ersten OG mehrere Kleinststationen in einem Gebäudeflügel). Die Räumlichkeiten der Geburtshilfe in Waiblingen stoßen an Grenzen, die im vorhandenen Gebäude nicht erweitert werden können. Daneben sind Verbesserungen der Bausubstanz dringend notwendig, wie z.B. im Bau II in Backnang (Frauenklinik). Hierbei handelt es sich nicht nur um optische Mängel, sondern auch um fehlende Toiletten bzw. Naßzellen und eine Überalterung der Bausubstanz und Gebäudetechnik. Ähnliches gilt für die Urologie und HNO in Backnang. Das Gebäude für die Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst in Waiblingen weist untragbare Zustände auf, die ein sofortiges Handeln gebieten. Wenn die beiden Standorte Backnang und Waiblingen auch in Zukunft wirtschaftlich konkurrenzfähig zu anderen Krankenhäusern bleiben und den Einwohnern des Rems-MurrKreises ein Mindestmaß an zeitgemäßer Unterbringung geboten werden soll bzw. auch die Mitarbeiter unter akzeptablen Bedingungen arbeiten sollen, dann ist der ermittelte Baubedarf in den nächsten Jahren anzugehen, wobei dennoch die meisten der erforderlichen baulichen Strukturveränderungen nicht wie in einem Neubau realisierbar wären. Wesentlicher Nachteil wäre, dass immense Aufwendungen in renovierungsbedürftige Bausubstanz fließen, ohne die heute notwendigen betrieblichen Abläufe durchgreifend verbessern zu können. Nicht zu 4 vernachlässigen sind die erheblichen Beeinträchtigungen der Patienten während einer längeren Umbauzeit. Hinzu kommt, dass vom Land nur strukturverbessernde Maßnahmen gefördert werden und Instandhaltung nicht. Daher ist für die Behebung des dringenden Baubedarfs im Schnitt von einer Förderquote von 30% auszugehen, während bei einem Neubau tatsächliche Förderquoten von 50-70% zu erzielen sind. Rahmenbedingungen: Ein Standort für einen Neubau am ZfP in Winnenden würde die Chance bieten, nicht nur die betriebswirtschaftlichen Synergien durch eine Zusammenlegung von drei Standorten zu realisieren, sondern vor allem auch die medizinische Perspektive eröffnen, das Leistungsangebot der Rems-Murr-Kliniken um die Neurologie (insbesondere für die Versorgung von Schlaganfallpatienten) und eine psychosomatische Abteilung zu erweitern. Daher befürwortet die Verwaltung diesen Standort mit erster Priorität. Hinzu kommt, dass der Standort Winnenden ziemlich mittig zwischen den beiden Standorten Backnang und Waiblingen liegt und das Sozialministerium in Aussicht gestellt hat, die mögliche Fördersumme nicht wegen der Realisierung weiterer Synergien aufgrund der Standortwahl zu kürzen. Alternativlösungen: Aufgrund eines Antrages der CDU-Fraktion vom 14.07.2003 wurde vom Gutachter eine Konzeption 1a („Rems-Murr-Klinikum West“ mit Betriebsstätte in Backnang) untersucht. Allerdings bei der Vorstellung und Beratung im Krankenhausbetriebsausschuss am 13.10.2003 und Kreistag am 27.10.2003 als nicht zielführend bewertet. Das gleiche gilt für eine Konzeption 1b (Beibehaltung zweier „autonomer“ Krankenhäuser mit Grundversorgungsauftrag am Standort Backnang und Zentralversorgungsauftrag in einem Neubau in Waiblingen). Die Verwaltung weist darauf hin, dass bei dieser Alternative die Chance vertan würde, die betriebswirtschaftlichen Synergien durch eine Zusammenlegung von drei Standorten (Backnang, Waiblingen und ZfP) zu realisieren sowie vor allem auch das medizinische Leistungsangebot der Rems-Murr-Kliniken um die Neurologie und eine psychosomatische Abteilung zu erweitern. Dringender Handlungsbedarf Unter dem Eindruck der allgemeinen Entwicklungen, wie DRG’s, EuGH-Urteil, Mindestmengenregelungen besteht dringender Handlungsbedarf. Erstmalig erhalten die Krankenhäuser bundesweit keine Budgetsteigerung für das Jahr 2004, sondern in Summe (durch die pauschale Kürzung des Budgets zu Gunsten der integrierten Versorgung um 1%) einen Budgetabzug von 0,98%. Dies entspricht einer Budgetkürzung von ca. 900.000 € für die Rems-Murr-Kliniken. Dem stehen Personalkostensteigerungen von 2,0 bis 2,6 Mio. € gegenüber. Daraus resultiert für die Rems-Murr-Kliniken im Jahr 2004 eine Finanzierungslücke von 2,9 bis 3,5 Mio. €, zusätzlich der Sachkostensteigerungen. Dieser Entwicklung kann langfristig nur mit Strukturänderungen wirkungsvoll begegnet werden. Vergleiche hierzu Anlage 3 „Auswirkungen der Gesetzgebung auf die Rems-Murr-Kliniken“ und Anlage 4 „Handlungsstau in den Rems-Murr-Kliniken“, in denen nochmals die wesentlichen Aspekte einer zeitnahen Entscheidungsnotwendigkeit verdeutlicht werden. Die Anlage 5 „Statusbericht zu den Einflußgrößen aus dem Umfeld“ verdeutlicht, dass die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Gesundheitsversorgung auch in Stuttgart und anderen Landkreisen geführt wird. 5 6. Weiteres Verfahren: Die Verwaltung ist sich der Tragweite der anstehenden Entscheidung zur Zukunft des stationären Gesundheitswesens im Rems-Murr-Kreis bewußt. Wie dargestellt, erscheint nach über zweijähriger intensiver Beratung nunmehr eine Grundsatzentscheidung fällig zu sein. Auch angesichts der 2.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin den Krankenhäusern, die ebenfalls auf eine Perspektive vertrauen. Die Verwaltung empfiehlt auf der Basis der gutachterlichen Empfehlung im Kreistag eine Entscheidung zu treffen. Beschlussvorschlag: Kenntnisnahme Anlagen: Anlage 1: „Untersuchte mittelfristige Handlungsalternativen“ Anlage 2: „Statusbericht über die von HWP angefertigten Gutachten“ Anlage 3: „Auswirkungen der Gesetzgebung auf die Rems-Murr-Kliniken“ Anlage 4: „Handlungsstau in den Rems-Murr-Kliniken“ Anlage 5: „Statusbericht zu den Einflußgrößen aus dem Umfeld“