Universität Augsburg Institut für Sportwissenschaften Examenskolloquium Trainingswissenschaften Dozent: Prof. Dr. Martin Lames WS 2006/2007 Verfasserin: Katrin Engelhardt Beweglichkeitstraining nach Weineck Beweglichkeit ist die Fähigkeit und Eigenschaft des Sportlers, Bewegungen mit großer Schwingungsweite selbst oder unter dem unterstützenden Einfluss äußerer Kräfte in einem oder mehreren Gelenken ausführen zu können. Mittelstellung zwischen konditioneller und koordinativer Fähigkeit Flexibilität, Biegsamkeit Synonyme Gelenkigkeit, Dehnungsfähigkeit Komponenten Arten: allgemein, speziell, aktiv, passiv (passiv – aktiv = Bewegungsreserve) Eine optimal entwickelte Beweglichkeit beeinflußt: o die qualitative und quantitative Bewegungsausführung (optimale räumlich-zeitliche dynamisch Ausführung) o die koordinative und technische Leistungsfähigkeit (Voraussetzung für versch. Bewegungen) o den motorischen Lernprozess o die konditionellen motorischen Hauptbeanspruchungsformen Kraft: Verlängerung des Beschleunigungsweges, Verringerung des Widerstandes der Gegenspieler, vermehrte Vordehnung Schnelligkeit/ Sprint: Vordehnung, Bewegungsradius Ausdauer: Laufökonomie, Verringerung des Widerstandes der Antagonisten o die Verletzungsprophylaxe (Elastizität, Dehnbarkeit, Entspannungsfähigkeit) o die Haltungsprophylaxe/ muskuläre Dysbalancen o die Wiederherstellung (Cool-Down) o die Psychoregulation (Senkung des Muskeltonus => psychische Entspannung) o die Trainingseinstellung und die Ausschöpfung des Leistungspotentials 1 Training: Optimales Alter: 11-14 Jahre - opt. Häufigkeit: zweimal täglich - Wiederholungsmethode Anatomisch-physiologische Einflussfaktoren: Gelenkstruktur (erblich bedingt) Muskelmasse (mechanische Einschränkung; wichtig für aktive Beweglichkeit Muskeltonus (Ruhetonus, muskulärer Widerstand, Dehnungsschutzreflex) Schema des Dehnungsschutzreflex/ Eigenschutzreflexbogen: Muskeldehnung Dehnung d. Muskelspindeln entsprechende Erregungsauslösung Erregung an motorische Vorderhornzellen, Innervierung der Muskelfasern; je mehr Vorderhornzellen erregt werden und je höher die Frequenz ist, umso mehr Muskelfasern werden kontrahiert; Überschreitung dieser Gegenkraft: Muskelfaser-, Muskelriß Muskeldehnungsfähigkeit (bindegewebige muskuläre Bestandteile wie Faszien oder Muskelhüllen als entscheidender Dehnungswiderstand Erwärmen => niedrigere Viskosität) Dehnungsfähigkeit der Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln sowie der Haut Alter, Geschlecht (Maximalwerte beim Übergang vom Kindes- zum Jugendalter) Erwärmungszustand (abh. von Innen- und Außentemperatur) Muskuläre Ermüdung (Einschränkung durch Übersäuerung und verringerten ATP Spiegel) Arbeitsamplitude (mögliche Folge: chronisch verkürzter bzw. gedehnter Muskel => Verringerung bzw. Vermehrung der Sarkomere) Methoden: o Aktiv-dynamisch (neg.: durch schwunghafte Bewegung: Dehnungsreflex => Verletzungsgefahr) o Aktiv- statisch (pos.: Kräftigung der Antagonisten, auch beim dynamischen) o Passiv (neg.: keine Kräftigung der Antagonisten, Verletzungsgefahr) o Stretching (Reduktion des Muskeldehnungsreflexes, Ausnutzung des inversen Dehnungsreflexes) Exkurs: Der inverse Dehungsreflex der Sehnenspindeln schützt den Muskel einerseits vor zu großer Spannungsentwicklung und setzt andererseits bei sehr starker Muskeldehnung die schützende Muskelspannung außer Kraft ( autogene Inhibition zum Schutz des Muskelansatzes). Stretchformen: 1. passives Ausziehen 2. Contract-Relax 3. Anspannen-Entspannen (Ausnutzen der reziproken Hemmung) 4. Dehnung Agonist bei Kontraktion des Antagonisten 5. Kombination von 2 und 4 Wirkung des Stretching: detonisierend (bei ruhiger Atmung); Erholung nach Belastung (v.a. durch intermittierende Dehnung) Behauptungen: Stretching sowohl vor (als Belastungsvorbereitung und akuter Verletzungsprophylaxe) als auch zwischen und nach Trainingsbelastungen (beschleunigte Wiederherstellung) als wichtiges trainingsbegleitendes Instrumentarium 2 Methodische Grundsätze für das Beweglichkeitstraining: o Täglich, ohne längere Unterbrechungen o Nach Aufwärmarbeit, aber nicht im Zustand muskulärer Ermüdung o Maximale Grenze mehrfach erreichen und allmählich erhöhen o Erreichte Bewglichkeitszunahme hält bei Zimmertemperatur nur ca. 10 min. an (wettkampfrelevant) o Zusätzlich Kräftigung des Agonisten o Keine Periodisierung, dh. je öfter, desto besser die Wirkung (bereits kurzfristige Pausen führen wieder zur Abnahme) Effektivität der verschiedenen Methoden: Bislang (1994) noch keine Untersuchungen die eindeutig Überlegenheit einer Methode beweisen Techniken die Bewegungsausmaß statt –geschwindigkeit favorisieren sind effektiver Optimal: individueller Methodenpluralismus Inhalte des Beweglichkeitstrainings: Minimalprogramm für Laufsportler Allgemeines Basisprogramm 3 Beweglichkeitstests Als Mittel zur Leistungsdiagnose und Trainingssteuerung Funktionstests zur Feststellung verkürzter Muskelgruppen Beweglichkeitstraining im Kindes- und Jugendalter: Bedeutung: langfristige Vermeidung von muskulären Dysbalancen Muskelverkürzungen und –abschwächungen charakteristischer Muskelgruppen können bereits im Kindesalter, im Grundlagentraining auftreten => rechtzeitiges Gegensteuern durch kompensatorisches Ausgleichstraining + Beweglichkeitsschulung Kindgemäß, evtl. mit Zusatzgeräten (Partnerübungen durch Übertreibungen kritisch) Differenzierung: Vorschulalter: sehr gute Beweglichkeit, daher nur im Rahmen eines vielseitigen und allgemein schulenden Trainings; forciertes Beweglichkeitstraining während erstem Gestaltenwandel (zw. 5. und 6. Lebensjahr) gefährdet instabilen Halte- und Stützapparat Frühes Schulkindalter: gute Beweglichkeit von Hüftbeuger und Wirbelsäule, Verringerung der Spreizfähigkeit der Beine im Hüftgelenk und dorsal gerichteter Beweglichkeit im Schultergelenk => speziell darauf ausgerichtete Übungen; hauptsächlich aktive, dynamische Übungen wg. Bewegungsdrang Spätes Schulkindalter: Beweglichkeit der Wirbelsäule, des Hüft- und Schultergelenks nimmt nur noch in den Richtungen zu, in denen sie geübt wird => Hauptarbeit der Beweglichkeitsschulung in diesem Zeitraum; auch spezielles Training Pubeszenz: (Wachstumsschub der ersten puberalen Phase => vermehrtes Längenwachstum, Verminderung der mechanischen Widerstandsfähigkeit des passiven Bewegungsapparates) Verschlechterung der Beweglichkeit; konsequentes Training mit speziell ausgewählten Inhalten Adoleszenz: vermehrtes Breitenwachstum, Reharmonisierung, erhöhte psychophysische Belastbarkeit => zunehmend Inhalte und Methoden der Erwachsenen, Erläuterung Hintergründe FAQ: 1) Elastisches Verhalten des Muskels; Ruhespannungs-, Dehnverhalten; fibrilläre Muskelfaserstruktur 2) Methoden und Inhalte altersabhängig/ im Schulsport 3) Angestrebte Effekte und Konsequenzen für die Sportpraxis 4) muskuläre Dysbalancen 5) Zusammenhang zwischen Kraft und Beweglichkeit Literatur: Weineck, J. (1994). Optimales Training.PERIMED-spitta, Baslingen. 4