Mathematischer Vorkurs NAT-ING II (02.09.2013 – 20.09.2013) Dr. Jörg Horst WS 2013-2014 Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 1 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Kapitel 13 — Beweisführung Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 144 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Definiton 14.1 (Folgerung) Sind A und B Aussageformen über der Grundmenge G, so ist die Folgerung wie folgt definiert: A ⇒ B genau dann, wenn ∀x ∈ G : A(x) → B(x) Das heißt: A ⇒ B, wenn die Subjunktion A → B allgemeingültig ist. Definiton 14.2 (Äquivalenzumformung) Zwei Aussageformen A und B über der Grundmenge G heißen äquivalent, A ⇔ B, wenn A ⇒ B und B ⇒ A. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 145 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Wir wiederholen und erweitern an dieser Stelle den Satz 20.6. Satz 14.3 A ⇒ B genau dann, wenn L (A) ⊂ L (B). A ⇔ B genau dann, wenn L (A) = L (B). Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 146 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Regel 14.4 (Aussagen mit einem Existenzquantor) Eine Existenzaussage ∃x ∈ G : A(x) kann man beweisen, indem man ein konkretes x ∈ G angibt, so dass A(x) wahr ist. Der Beweis beginnt dann üblicherweise so: “Wähle x =...” Beispiel zu 14.4 Es sei f (x) = sin(x). Dann gibt es ein x ∈ [−2π, 2π], so dass f (x) = 0. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 147 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Regel 14.5 (Aussagen mit einem Allquantor) Eine Allaussage ∀x ∈ G : A(x) kann man beweisen, indem für einen Wert x, von dem man nichts weiter annimmt, als dass er aus G stammt, nachweist, dass A(x) wahr ist. Der Beweis beginnt dann üblicherweise so: “Sei x ∈ G beliebig ...” Beispiel zu 14.5 Für alle x ∈ R ist x4 + 2x2 + 1 ≥ x. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 148 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Regel 14.6 (Folgerungen und Äquivalenzen) 1. Ist eine Aussage A ⇒ B zu zeigen, so kann der Beweis wegen Satz 14.3 wie folgt verlaufen: Sei x ∈ L (A) beliebig. Weise nun die Gültigkeit von B(x) nach. 2. Die Aussage A ⇔ B kann man beweisen, indem man das obige in beide Richtung durchführt. Beispiel zu 14.6 zu 1. Aus x > 1 folgt x4 + 2x > 1 zu 2. |x| > 1 ist äquivalent zu x4 + 2x2 > 3. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 149 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Regel 14.7 (Allaussagen mit zwei Quantoren) Den Beweis von ∀x ∈ G1 ∃y ∈ G2 : A(x, y) kann man wie folgt aufbauen: Es sei x ∈ G1 beliebig. Dann finde ein y ∈ G2 (das von x abhängen darf), so dass A(x, y) wahr ist. Beispiel zu 14.7 Für alle Zahlen gibt es noch eine größere, dh. ∀x ∈ R ∃y ∈ R : y > x Zu allen zwei positiven Zahlen, gibt es eine weiter positive Zahl, die kleiner ist als beide. Dh. ∀(x, y) ∈ ( + )2 ∃z ∈ + : z < x ∧ z < y R R Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 150 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Regel 14.8 (Existenzaussagen mit zwei Quantoren) Den Beweis von ∃x ∈ G1 ∀y ∈ G2 : A(x, y) kann man wie folgt aufbauen: Gib ein konkretes x ∈ G1 an, so dass A(x, y) für alle y ∈ G2 wahr ist. Beispiel zu 14.8 ∃x ∈ R ∀y ∈ R>1 : y sin x < −1. Beispiel zu 14.7 und 14.8 Die Folge ( n12 ) ist eine Nullfolge. Das heißt: ∀ > 0 ∃n0 ∈ ∀n ≥ n0 : n12 < . N Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 151 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Regel 14.9 (Indirekter Beweis) Will man A ⇒ B beweisen, so kann man stattdessen ¬B ⇒ ¬A zeigen. Diese beiden Aussagen sind äquivalent. Beispiel zu 14.9 Gilt für eine Funktion f 0 (x0 ) 6= 0, so hat f in x0 kein Extremum. Wir zeigen stattdessen: Hat f in x0 ein Extremum, so ist f 0 (x0 ) = 0. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 152 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Regel 14.10 (Widerlegen von Aussagen) Soll eine Aussage A widerlegt werden, so kann man diese zunächst negieren, und dann zeigen, dass ¬A allgemeingültig ist. Das ist insbesondere oft bei Aussagen, die Quantoren beinhalten anwendbar. Beispiel zu 14.10 Behauptet wird: ∀x < −2 : x2 < 5 ist falsch. Gezeigt wird stattdessen ∃x < −2 : x2 ≥ 5 mit Hilfe von 14.4. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 153 / 252 Kapitel 13 — Beweisführung Regel 14.11 (Widerspruchsbeweise) 1. Will man zeigen, dass eine Aussage A wahr ist, so kann man stattdessen zeigen, dass ¬A → wahr ist. Diese Aussagen sind äquivalent. F Angewendet wird 1. oft in folgender Form: 2. Statt der Aussage A ⇒ B beweist man die Aussage A ∧ ¬B ⇒ F. Beispiel zu 14.11 √ zu 1. 2 ist eine irrationale Zahl. zu 2. Es sei f (x) = x2 − 1. Statt f (x) > 0 ⇒ |x| > 1 zeige, dass f (x) > 0 ∧ |x| ≤ 1 zu einem Widerspruch führt. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 154 / 252 Kapitel 14 — Vollständige Induktion Kapitel 14 — Vollständige Induktion Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 155 / 252 Kapitel 14 — Vollständige Induktion Die Vollständige Induktion ist ein Beweisverfahren, mit dem man Allaussagen für Aussageformen beweisen kann, deren Grundbereich die natürlichen Zahlen sind. N Ist nun A eine Aussageform über , d.h. für alle n ∈ Aussage, so ist die zugehörige All-Aussage ∀n ∈ N ist A(n) eine N : A(n) Bemerkung: Manchmal ist es sinnvoll oder notwendig statt ganz N nur N≥k zu betrachten. Zum Beispiel gilt die Allaussage für die Aussageform A(n) :⇐⇒ n − 2 > 0 nur für N≥3 . Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 156 / 252 Kapitel 14 — Vollständige Induktion Bevor wir zu einigen Beispielen und Anwendungen kommen formulieren wir zuerst einmal das Induktionsprinzip Satz 13.1 (Vollständige Induktion) Es sei A eine Aussageform über N≥k und es gelte (IA) A(k) ist wahr. sowie (IS) Ist A(n) wahr, so ist auch A(n + 1) wahr (oder kurz: A(n) −→ A(n + 1)). Dann ist A(n) für alle n ∈ N≥k wahr. (IA) nennt man auch den Induktionsanfang und (IS) den Induktionsschluss. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 157 / 252 Kapitel 14 — Vollständige Induktion Die folgenden Aussagen sind typisch für einen Induktionsbeweis. Beispiele 13.2 (Summen, Gleichungen) 1. Für alle n ∈ N gilt 2. Für alle n ∈ N gilt 3. Für alle n ∈ 4. Für alle n ∈ n X k=0 n X k= n(n + 1) . 2 qk = q n+1 − 1 . q−1 k2 = n(n + 1)(2n + 1) . 6 k3 = n2 (n + 1)2 . 4 k=0 N gilt n X k=0 N gilt n X k=0 n X n k n−k n 5. Es gilt (x + y) = x y für alle n ∈ k N. k=0 Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 158 / 252 Kapitel 14 — Vollständige Induktion Beispiele 13.3 (Ungleichungen) 6. Es sei x > −1 eine feste reelle Zahl. Dann gilt: Für alle n ∈ (1 + x)n ≥ 1 + nx 7. Ist x 6= 0 so gilt 6. mit “>” für alle n ∈ N ist N≥2. N+ ist pn ≥ n. 9. Es sei p ≥ 3. Dann gilt: Für alle n ∈ N+ ist pn ≥ n2 . 10. Für alle n ∈ N≥5 gilt 2n > n2 . √ 1 11. Für alle n ∈ N+ ist 21 34 56 · · · 2n−1 2n ≤ 3n+1 . 8. Es sei p ≥ 2. Dann gilt: Für alle n ∈ Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 159 / 252 Kapitel 14 — Vollständige Induktion Beispiele 13.4 (Teilbarkeit) N+. 13. 3 teilt 22n+1 + 1 für alle n ∈ N. 14. 6 teilt n3 − n für alle n ∈ N. 12. 3 teilt 13n + 2 für alle n ∈ Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 160 / 252 Kapitel 14 — Vollständige Induktion Beispiele 13.5 (Ableitungen) 15. Es ist f (x) = 16. Für alle n ∈ x 1−x . N gilt: Ist f (x) = 2 n! für alle n ∈ (1−x)n+1 n 0 x , dann ist f (x) = nxn−1 . Dann ist f (n) (x) = N+. N 17. Es sei f (x) = e−x . Dann gilt: Für alle n ∈ gibt es ein Polynom pn 2 vom Grad n, so dass f (n) (x) = pn (x)e−x . 1 (−1)n n!an 18. Es sei f (x) := . Dann ist f (n) (x) = für alle ax + b (ax + b)n+1 n∈ . N N 19. Es sei f (x) = sin(ax) + cos(bx). Dann ist für alle n ∈ π n (n) n f (x) = a sin ax + n 2 + b cos bx + n π2 . Z x 20. Es sei fn (x) = xn . Dann ist fn (x)dx = fn (x) + c für alle n+1 n∈ . N Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 161 / 252