Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Kapitel 3: Wachstum und Konjunktur Wie steht im August 2010 die Schweizer Wirtschaft da? Was versteht man unter Wachstum und wie wird Wachstum „gemessen“? Was sagt der Begriff Konjunktur aus? Einstieg Tagesschau http://www.videoportal.sf.tv/video?id=581fd438-5e72-478f-9fb7-c7e3fafce625 http://www.videoportal.sf.tv/video?id=47b2afe2-cac9-46b0-b5d3-565c6d271793 Haben wir die Finanzkrise überwunden? Besteht wegen der Euro-Krise eine drohende Rezession? Nimmt in der Schweiz die Arbeitslosigkeit zu? Müssen wir in Zukunft mit einem sinkenden Wohlstand rechnen? Konjunkturtendenzen Sommer 2010 Übersicht In der Schweiz hielt die wirtschaftliche Erholung bislang weiter an. Während sich die Wachstumsaussichten für 2010 angesichts der bis zuletzt positiven Indikatoren noch leicht verbessert haben, sind die Risiken für 2011 etwas gestiegen. Die Aussichten für den Arbeitsmarkt haben sich weiter aufgehellt, wenngleich der Rückgang der Arbeitslosigkeit langsam verlaufen dürfte. Weltwirtschaft Die weltweite Konjunkturerholung hielt auch im Frühjahr 2010 an, bei deutlichen Unterschieden zwischen den verschiedenen Regionen: einer robusten Aufwärtsdynamik in Asien und den USA steht eine bislang nur zögerliche Erholung in der EU gegenüber. Monetäres Umfeld Die Notenbanken der Schweiz, des Euroraums und der USA beliessen die Leitzinsen seit dem Frühjahr 2010 unverändert auf den Tiefstständen. Am Devisenmarkt blieb der Franken gegenüber dem Euro unter Aufwertungsdruck. Bruttoinlandprodukt Zwar hat sich das BIP-Wachstum im 1. Quartal 2010 (im Vorquartalsvergleich) nach dem sehr positiven Schlussquartal 2009 (+0,9%) etwas verlangsamt (+0,4%), was indes immer noch einer soliden Zunahme entspricht. Produktion Der steigenden Wertschöpfung in vielen Sektoren (u.a. Industrie, Baugewerbe) stand erstmals wieder ein leichter Rückgang im Finanzsektor gegenüber. Verwendung Weiterhin gingen Wachstumsimpulse vom Export und vom privaten Konsum aus, während die Investitionen und der Staatskonsum rückläufig waren. Arbeitsmarkt Die Anzeichen einer positiven Wende haben sich verstärkt. Die (saisonbereinigte) Arbeitslosenquote ist seit Anfang 2010 leicht gesunken. Preise Die seit Anfang 2010 gestiegene Konsumteuerung ist ausschliesslich ölpreisbedingt. Eine beschleunigte generelle Inflationstendenz zeichnet sich nicht ab. Konjunkturprognose Rahmenbedingungen Trotz gestiegener Risiken dürfte der Euroraum seine bescheidene Erholung fortsetzen können. In den stärker wachsenden Weltregionen könnten sich die Auftriebskräfte 2011 etwas abschwächen Prognose Schweiz Weiterhin wird eine moderate Wirtschaftserholung erwartet. Während die Wachstumsaussichten für 2010 sogar noch leicht besser als bisher eingeschätzt werden (1,8% anstatt 1,4%), wird die BIP-Prognose für 2011 angesichts gestiegener aussenwirtschaftlicher Risiken leicht gesenkt (1,6% anstatt 2,0%). Risiken Die Folgen der Weltfinanzkrise vom Herbst 2008 wirken immer noch nach. Neben diesen generellen weltwirtschaftlichen Risiken liegt für die Schweiz das grösste Konjunkturrisiko in einer übermässigen Aufwertung des Frankens Ursachen und AusHintergründe der gegenwärtigen Lage der Staatsfinanzen in Griechenland und andewirkungen der euroren hochverschuldeten Ländern, analysiert Lösungsansätze und beurteilt die Folgen päischen Schuldenallfälliger Sparanstrengungen auf die Konjunktur. krise WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.1 Messung des wirtschaftlichen Wohlstandes: das Bruttoinlandprodukt (BIP) Anknüpfen an Wirtschaftskreislauf Definition BIP (wird am Güterstrom gemessen) Waren und Dienstleistungen, die während einem Jahr in einem Land hergestellt und verkauft werden, bewertet zu Marktpreisen. Es gilt das Inlandsprinzip, d.h. was auf dem Territorium hergestellt wurde, ist entscheidend. Definition Volkseinkommen (wird am Geldstrom gemessen) Entgelt für die Von den Haushalten zur Verfügung gestellten Produktionsfaktoren (Boden, Arbeit, Kapital, Wissen) WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.2.1 BIP, BNP (BSP), VE: Definitionen BIP nominal BNE (BSP) nominal BruttoInlandProdukt BruttoNationalEinkommen (Inlandsprinzip) (Inländerprinzip) Grenzüberschreitend erbrachte Leistungen Das BNE ist generell höher als das BIP. Dies ist auf Erträge für CH Kapitalanlagen im Ausland zurückzuführen. BNE (BSP) real Teuerung (Inflation) Produktion, Entstehung (im Inland) Landwirtschaftsproduktion Industrie- und Gewerbeproduktion Produktion von DL und vom Staat NNE (NSP) Volkseinkommen NettoNationalEinkommen Summe aller Einkommen aus Arbeit, Boden, Unternehmertätigkeit und Vermögen Abschreibungen Saldo indirekte Steuern und Subventionen Verwendung (im Inland) Privater Konsum Staatsausgaben Investitionen in der Schweiz Nettoexporte (Aussenbeitrag) = Bruttoinlandprodukt (BIP): + Saldo der Kapitalerträge und Löhne gegenüber Ausland (Einkommen aus dem Ausland – Einkommen ans Ausland) = Bruttonationaleinkommen: (BNE) - Abschreibungen = Nettonationaleinkommen (NNE) - indirekte Steuern + Subventionen = Volkseinkommen (VE) BIP: Produktion im Inland durch inländische Produktionsfaktoren + Erträge ausländischer Kapitalanleger im Inland + Einkommen ausländischer Grenzgänger im Inland BIP: Aktivitäten auf CH-Boden (Inlandsprinzip) BNE: Produktion im Inland durch inländische Produktionsfaktoren + Erträge inländischer Kapitalanleger im Ausland + Einkommen inländischer Grenzgänger im Ausland BNE: Werte, die von CH-Bewohnern erwirtschaftet werden, auch im Ausland (Inländerprinzip) WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Inländische und ausländisch bezieht sich auf den Wohnsitz. WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Im BIP wird nur der Wert der Endprodukte erfasst. Um Doppelzählungen zu vermeiden, werden deshalb die jeweiligen Vorleistungen abgezogen, gezählt wird nur die Wertschöpfung („Bruttogewinn“). 3.1.2 Wie wird das BIP berechnet? WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.2.1 Verwendung der Grösse BIP 1. Mass für den Wohlstand bzw. Güterversorgung eines Landes: Wie gut sind die Menschen mit Gütern versorgt? 2. Mass für das Wirtschaftswachstum: Nimmt die Güterversorgung zu oder ab? 3. Strukturparameter (Basisgrösse bei Vergleichen): Z. B. zur Berechnung der Schulen-, Konsum,-, Investitions-, Export-, Sparquoten usw. 4. Internationale Vergleiche. Dazu muss das BIP pro Kopf, inflationsbereinigt und in gleicher Währung berechnet werden. Aussagekräftiger ist das BIP basierend auf Kaufkraftparität (z. B. Big-Mac-Index) 3.2.2 Aussagekraft des BIP ist begrenzt. Das BIP ist keine „perfekte“ Grösse - Lebensqualität (a) kann nicht beurteilt werden. - Wertschöpfung des Staates wird mit dem Aufwand der Staatstätigkeit berechnet. - Wertschöpfung des Handels (Handelsmarge) fliesst ins BIP ein (nur was über Markt erzielt wird, d.h. nur bezahlte Transaktionen). Nicht ins BIP kommt, wenn „Privat“ alte Häuser, Gebrauchtwagen, alte Gemälde, Wertpapiere usw. verkauft werden. - Staatliche Umverteilungen von Geld (sog. Transferzahlungen) von Sozialversicherungen fliessen nicht ins BIP, wohl aber der Verwaltungsaufwand der Sozialversicherungen. - Die Leistungen der Schattenwirtschaft (b) werden nicht im BIP erfasst. - Auch „nicht erwünschte Wertschöpfungen (c)“ wie Behebung von Katastrophen, Krankheiten, Unfällen, Umweltschäden usw. werden erfasst. Solche Fehlerfassungen sind auch Reparaturleistungen und externe Kosten. - Eine Veränderung des BIP lässt sich auf zwei Einflüsse zurückführen: 1. reale Vermehrung der hergestellten und verkauften Waren und DL, sog. Wirtschaftswachstum (Einfluss 1) 2. Preissteigerung/Inflation (d) (Einfluss 2) - Keine Angabe über Verteilung (siehe Lorenzkurve (e) - Keine Angaben über Kosten des Wirtschaftswachstums (f) (z.B. geplante Verschwendung) WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern a) Lebensqualität Wohlfahrt kann nicht gemessen werden. Es können keine Angaben über Zufriedenheit, Gesundheit, Wohnbedingungen, Freiheit, Lebenserwartung, Mobilität, politische Rechte, Ausbildung/Bildung, Kriminalität, Sicherheit, Stabilität, Umweltverschmutzungsgrad, Biodiversität, usw. gemacht werden. Alternative: NEW: Net Economic Welfare (Nettowohlfahrtsindikator) ÖSP: Ökosozialprodukt (BIP – Reparaturkosten + Lebensqualitätsinvestitionen) b) Schattenwirtschaft Volkswirtschaft Offizieller Wirtschaftskreislauf Schattenwirtschaft Illegale Aktivitäten Legale Aktivitäten Individuelle Kriminalität Organisierte Kriminalität Private Selbsthilfe Organisierte Selbsthilfe Spione Entführungen Mafia Drogenhandel Menschenhandel Hausfrauen Hobbygärtner Erziehung- + Pflegearbeit Kirchliche und gemeinnützige Organisationen Die Grösse der Schattenwirtschaft ist schwierig abzuschätzen. Ursachen, die die Schattenwirtschaft verstärken sind Steuerdruck, Sozialabgabedruck, staatliche Reglementierungen/Bürokratisierung, Ausländerquote, politische Unruhen, abnehmendes Rechtsbewusstsein, abnehmende Steuermoral, usw. c) Nicht erwünschte Wertschöpfungen Folgende wirtschaftliche Vorgänge erhöhen das BIP, vermindern aber gleichzeitig den Wohlstande eines Landes: Rüstungsausgaben, Krankheiten, Unfälle, Umweltkatastrophen WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern d) Preissteigerung/Inflation Beim realen BIP wird die Teuerung korrigiert bzw. heraus gerechnet Ausgangslage: Ökonomie mit nur einem Gut Um wie viel Prozent ist das nominale BIP im Zeitraum von 2004 bis 2006 jährlich gewachsen? Jahr Produzierte Autos Preis je Auto BIP Wachstumsraten Nominales BIP 2008 10 10’000 100’000 2009 12 15’000 180’000 80% 2010 15 16’500 247’500 37,5% Wie wären die Wachstumsraten, wenn der Preis/Auto in den Jahren 2004 bis 2006 konstant geblieben wäre? Jahr Produzierte Autos Preis je Auto BIP Wachstumsraten Reales BIP 2004 10 10’000 100’000 2005 12 10’000 120’000 20% 2006 15 100’00 150’000 25% Das reale BIP-Wachstum entspricht also der realen Veränderung der Gütereinheiten (produzierten Autos) Jahr Produzierte Autos Zuwachs produzierte Autos 2004 10 2005 12 20% 2006 15 25% WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern e) Lorenzkurve Leistungsgerechtigkeit: Jeder soll entsprechend seinen erbrachten Leistungen entschädigt werden. Bedarfsgerechtigkeit: Jeder soll unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit soviel Einkommen erhalten, dass er damit seine wichtigsten Bedürfnisse befriedigen kann. Ausgleich der Startchancen: Jeder soll unabhängig von Herkunft, Namen und Vermögen die Möglichkeit erhalten, in Wirtschaft und Gesellschaft „aufsteigen“ zu können. Da jede Person Gerechtigkeit anders interpretiert lässt sich nicht sagen, ob die Einkommen in einer Volkswirtschaft gerecht verteilt sind oder nicht. Lorenzkurve: Mit Hilfe dieser Kann man aufzeigen, wie die Einkommen auf die Einkommensbezüger in einem Land verteilt sind. Sekundärverteilung: Die Staatspolitik ist bestrebt, die Kurve in Richtung der Diagonale zu „drücken“. WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern f) Kosten des Wirtschaftswachstums Es gibt immer ein Spannungsfeld von Wohlstand und Wohlfahrt, von materieller Produktion und Lebensqualität. Schäden, die durch unsere Wirtschaften entstehen: Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten, Abschreibungen an Kapitalgütern, Verschleiss an Boden und Bodenschätzen, geplante Verschwendung Verkehrschaos usw. Links: SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft), Aktuelle Quartalsschätzungen für das BIP: http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00456/index.html?lang=de Aktuelle Wirtschaftsprognosen: http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00375/00376/index.html?lang=de Wachstumspolitik des Bundes: http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00459/00460/index.html Penn World Table, Vergleichende internationale BIP-Daten. http://pwt.econ.upenn.edu/php_site/pwt62/pwt62_form.php KOF (Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich), Unter Publikationen Prognosen finden Sie die neuesten Konjunkturprognosen. http://www.kof.ethz.ch/ WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.5 Konjunktur: Die kurzfristigen Schwankungen Als Konjunktur bezeichnet man den kurzfristig schwankenden Verlauf der Wirtschaft bzw. des Wirtschaftswachstums. Als kurzfristig werden Zeiträume von ein paar Jahren verstanden, in denen die Wirtschaft entsprechend stärker oder schwächer wächst (oder sogar schrumpft). Das Produktionspotenzial ist die Menge an Gütern und Dienstleistungen, welche eine Wirtschaft bei normaler Wirtschaftslage bereitstellen kann. Das Produktionspotential ist gegeben durch • die Anzahl Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt, • den technologischen Stand und • das verfügbare Kapital (in Form von Maschinen, Computern etc.). 3.5.1 Der Konjunkturzyklus Zusammen mit dem Wirtschaftswachstum schwanken während eines Konjunkturzyklus auch die Zinsen, die Arbeitslosigkeit, die Auslastung der Produktionsanlagen etc. Einem Zustand der annähernden Vollbeschäftigung kann eine Phase der Unterbeschäftigung (zunehmende Arbeitslosigkeit) folgen und umgekehrt. Merkmal t1 t2 t3 Auslastungsgrad Produktionspotenzial Normale Vollauslastung Unterauslastung, Ressourcen sind nicht voll ausgelastet Überauslastung Ressourcen überlastet Auslastung Ressourcen Arbeit und Kapitel Ressourcen sind gut ausgelastet und beschäftigt Zu viele Arbeitskräfte, ungenutzte Kapitalgüter Überstunden, Maschinen laufen Tag und Nacht Arbeitslosigkeit (AL) Keine konjunkturelle AL Hohe Arbeitslosigkeit Keine AL, Überstunden Preise Relativ stabile Preise Sinkende Preise (N < A) Steigende Preise (N > A) Konjunkturelle Wirtschaftslage Ausgeglichene Lage Rezession Hochkonjunktur WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Der Konjunkturzyklus Obwohl die Konjunktur in der Realität nur bedingt gewissen Gesetzmässigkeiten folgt, lässt sie sich mittels einer wellenförmig verlaufenden Kurve veranschaulichen (rote Linie). Diese Kurve wird als Konjunkturzyklus bezeichnet. Würde die Wirtschaft immer konstant wachsen, würden wir uns auf der blauen Linie (langfristiger Wachstumspfad) bewegen. Die einzelnen Phasen des Konjunkturzyklus (Aufschwung, Boom, Rezession, Depression) müssen nicht zwingend dieser idealtypischen Reihenfolge auftreten und können ganz unterschiedlich lange dauern. Die einzelnen Phasen zeichnen sich durch folgende Merkmale aus: Aufschwung Der Aufschwung ist charakterisiert durch zunehmende Auslastung vorhandener Kapazitäten (vgl. Produktionspotenzial: siehe Kasten unten). Die Firmen erhöhen ihre Investitionen, wodurch die Zinsen steigen. Die steigende Konsumentenstimmung kurbelt die Nachfrage weiter an, wodurch Umsätze und Gewinne steigen. Um die steigende Nachfrage zu befriedigen, werden zunehmend neue Arbeitskräfte eingestellt und es werden mehr Güter produziert. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Boom (Hochkonjunktur) Die Produktion erreicht das Kapazitätslimit (d.h. es kann nicht noch mehr produziert werden, als jetzt), wodurch es zunehmend schwierig wird, die aktuelle Nachfrage zu bedienen. Die Lagerbestände sinken. In der Folge steigen die Preise und Teuerung macht sich verstärkt bemerkbar. Trotz Voll- oder Überbeschäftigung macht die überschwängliche allgemeine Stimmung einer langsam auftretenden Skepsis Platz. Rezession (Konjunkturabschwung) Die Konsumenten sind verunsichert und die noch immer hohen Preise hemmen nun die Nachfrage. Unternehmen beginnen zu sparen und stoppen weitere Investitionen. Die Zinsen sowie die Umsätze beginnen zu sinken. Aufgrund der schwachen Nachfrage können die Maschinen und Arbeiter nicht mit genügend Aufträgen versorgt werden. Dies zieht erste Entlassungen nach sich. Depression Die Phase der wirtschaftlichen Depression ist gekennzeichnet durch eine tiefe Nachfrage. Überkapazitäten müssen abgebaut werden und es kommt vermehrt zu Entlassungen. Die Arbeitslosigkeit steigt. Durch kontinuierliche Zinssenkungen könnte die Nationalbank versuchen Investitionen wieder attraktiv zu machen und die Rezession abzubremsen. WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.5.2 Ursachen von konjunkturellen Schwankungen Der freie Markt bzw. die Käufer und Verkäufer (also wir alle) versuchen ununterbrochen die angebotene Menge mit der nachgefragten Menge aller Produkte in ein Gleichgewicht zu bringen. Dies geschieht unter anderem, indem die Preise aller Produkte immer so angepasst werden, dass Angebot und Nachfrage übereinstimmen. Kommt es nun zu irgendeiner Änderung, welche einen Einfluss auf die angebotenen Mengen oder die Nachfrage der Konsumenten hat, muss sich die Wirtschaft anpassen und ein neues Gleichgewicht herstellen. Dies geschieht durch Anpassungen der Produktionsmengen oder durch Änderungen der Preise. Da ununterbrochen irgendwelche Änderungen auftreten (neue Produkte, neue Gesetze, etc.) kommt es dauernd zu Schwankungen der Wirtschaftsentwicklung und damit zu dem was man als Konjunktur bezeichnet. Eine Wirtschaftskrise kann beispielsweise durch so genannte unvorhergesehenen Schocks entstehen, also durch plötzliche Veränderungen, welche zu einer Verschiebung der Angebots- oder Nachfragekurve führen. Beispiele hierfür sind: Zahlungsunfähigkeit eines Landes, sprunghafter Erdölpreis-Anstieg, Kriegsausbruch etc. Die Konjunktur wird aber auch stark von psychologischen Faktoren beeinflusst. Konsumenten kaufen und Unternehmen investieren beispielsweise weniger, wenn grosse Unsicherheit oder Angst gegenüber der Zukunft besteht (z.B. wenn ein Krieg bevorsteht). WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.5.3. Konjunkturbeobachtung und Konjunkturprognose Konjunkturindikatoren: Als Konjunkturindikatoren werden Merkmale bezeichnet, welche einzelne Phasen der Konjunktur charakterisieren. Beispiele einiger bekannter Konjunkturindikatoren sind: • Entwicklung der Aktienkurse • Entwicklung von Exporten und Importen • Entwicklung der offenen Stellen • Wechselkursentwicklung • Entwicklung der Zinsen • Konsumfreude der Konsumenten • Investitionen von Unternehmen Es gibt Konjunkturindikatoren, welche die konjunkturelle Entwicklung im Voraus anzeigen (Wechselkurse, Investitionsverhalten von Unternehmungen, …), solche, die mit einer zeitlichen Verzögerung auftreten (Arbeitslosenquote, Zinsentwicklung, …) und gleichlaufende Indikatoren (Auslastung von Produktionsanlagen). Vorlaufende Indikatoren Auftragseingänge Geldmenge Offene Baukredite Entwicklung der Börse Bestellungsindex WW-VWL Kap. 3/I. Staub Gleichlaufende Indikatoren Investitionen Konsum Exporte Verkaufsumsätze Konsumentenstimmung Nachlaufende Indikatoren Preise Arbeitslosenrate Löhne Spar- und Hypotheken-Zinsen Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.6 Konjunkturpolitik Wirtschaftpolitische Ziele Magisches Sechseck: 1. Gerechte Einkommensverteilung 2. Vollbeschäftigung 3. Stabile Preise 4. Umweltschutz 5. Ausgeglichenen Zahlungsbilanz 6. Nachhaltiges Wachstum Wenn die konjunkturellen Schwankungen zu stark sind, bringt das eine grosse soziale Unsicherheit mit sich. Sozialpolitisch ist es daher sinnvoll, wenn die Schwankungen möglichst gering sind. Neuere Untersuchungen zeigen weiter auch, dass eine zu lange Rezession das langfristige Wachstum der Wirtschaft schwächen kann. Der Staat versucht daher die Schwankungen während eines Konjunkturzyklus möglichst flach zu halten, das heisst, die Hochkonjunktur und die Rezession etwas zu bremsen bzw. auszugleichen. Dazu hat der Staat folgende Möglichkeiten: 3.6.1 Antizyklische Konjunkturpolitik - verschiedene Konzeptionen 1. Klassische Konzeption (Adam Smith, Alfred Marshall) 2. Keynesianische Konzeption (Finanzpolitik/Fiskalpolitik) 3. Monetaristische Konzeption (Friedman) 1. Klassische Konzeption (Adam Smith, Alfred Marshall) - Angebot schafft Nachfrage Störungen werden durch Marktmechanismen von selbst überwunden (führt zum Gleichgewicht) glauben an Preis- und Zinsmechanismus es gibt keine Überproduktion (Geld = Zins, Güter = Preis, Arbeit = Lohn) Deshalb: Keine Staatseingriffe (Nachtwächterstaat) WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 2. Keynesianische Konzeption (Fiskalpolitik) - Nachfrage bestimmt das Angebot ist Nachfrage kleiner als Vollbeschäftigung = Nachfragelücke (Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung) Arbeitsmarkt kann nicht ins Gleichgewicht kommen, weil Gewerkschaften, staatliche Eingriffe Löhne starr machen Vollbeschäftigung wird also erreicht, wenn Nachfrage steigt. Gesamtnachfrage = o privater Konsum (indirekter Einfluss via Steuern) o Export (via Geldpolitik, siehe monetaristische Konzeption/Währung) o Investitionen (via Geldpolitik, siehe monetaristische Konzeption/Zins) o Staat (direkter Einfluss via zusätzlicher Aufträge, Kauf von G + DL) d.h. Ausgabenerhöhung des Staates führt zu einer Senkung der Arbeitslosigkeit, sog. antizyklische Finanzpolitik oder Nachfragestimulierung des Staates Zusammenfassung Finanzpolitik (Fiskalpolitik) Bei Rezession: Budgetdefizit Durch zusätzliche Ausgaben oder tiefere Steuern, welche der Bund finanziert indem er sich verschuldet, kann er einer geringen Nachfrage während einer Rezession entgegenwirken. Bei Hochkonjunktur: Umgekehrt kann er während einer Hochkonjunktur seine Ausgaben zurückfahren und die Steuern wieder anheben um eine Überhitzung zu verhindern. WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3. Monetaristische Konzeption (Friedman) - Übernachfrage resultiert in einem Missverhältnis zwischen Güter und Geld (zu viel Geld) Geldmenge x Umlaufsgeschwindigkeit = Gütermenge x Preisniveau - sollte sich gleichmässig entwickeln, d.h. bei inflationsfreier Entwicklung entwickelt sich die Geldmenge gleich wie Produktionspotential Gesamtnachfrage = o privater Konsum (indirekter Einfluss via Steuern) o Export (via Geldpolitik, monetaristische Konzeption/Währung) o Investitionen (via Geldpolitik, monetaristische Konzeption/Zins) o Staat (direkter Einfluss via zusätzlicher Aufträge, Kauf von G + DL) Zusammenfassung Geldpolitik (Veränderungen der Zinsen oder der Geldmenge) Die Notenbanken können durch - Regulierung der Zinsen oder - Regulierung der Geldmenge (expansive Geldpolitik führt zu Abwertung CHF) Einfluss auf die Nachfrage nehmen. In der Regel wird versucht durch Zinssenkungen in rezessiven Zeiten die Ausgaben durch eine höhere Geldmenge anzukurbeln und in der Hochkonjunktur durch langsame Anhebung des Zinsniveaus (und damit kleinere Geldmenge) eine Überhitzung der Konjunktur zu verhindern. WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.6.2 Würdigung Schweizerische Konjunkturpolitik: A) Geldpolitik B) Fiskalpolitik Diese „Time lags“ können dazu führen, dass einzelne Massnahmen anstatt Konjunkturschwankungen abzuschwächen diese sogar verstärken, weil sie zum falschen Zeitpunkt umgesetzt wurden. A) Geldpolitik Diese Anpassung der Zinsen ist das wichtigste und wirksamste Mittel der Konjunkturpolitik. Die schweizerische Geldpolitik versucht aber in erster Linie die Sicherung der Preisstabilität zu beeinflussen und erst in zweiter Linie auf die konjunkturelle Lage einzugehen. B) Fiskalpolitik: Exkurs: Crowding-out bei der Fiskalpolitik Im Normalfall führt eine übermässige Ausgabenpolitik des Staates während einer Rezession zu sinkenden Wechselkursen, was sich negativ auf den Export auswirkt. Das heisst, die Massnahmen des Bundes werden im perfekten Markt durch die negativen Effekte auf den Wechselkurs ausgeglichen und bleiben so wirkungslos (vgl. „Crowding-out“). Crowding-out: Mit Crowding-out bezeichnet man den Effekt, dass höhere Schulden des Staates private Investitionen verdrängen. Dies geschieht folgendermassen: Der Staat versucht durch höhere Ausgaben eine Rezession zu überwinden und erhöht so seine Schulden. Durch die höhere Nachfrage des Staates nach Geld auf dem Kapitalmarkt steigt der Zinssatz. Durch den höheren Zinssatz werden Investitionen privater Personen und Unternehmen teurer und gehen daher zurück. Der vom Staat gewünschte positive Effekt der höheren Staatsausgaben wird so ausgeglichen und bleibt wirkungslos. WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Bei einem kleinen Land wie der Schweiz mit freiem Kapitalmarkt wird der Zinssatz allerdings nicht ansteigen. Das Crowding-out findet hier über den Wechselkurs statt: Sobald der Zinssatz in der Schweiz zu steigen beginnt, werden ausländische Investoren vermehrt ihr Geld auf dem Schweizer Kapitalmarkt anbieten, da hier die Rendite höher ist. Damit diese das können, müssen sie Franken kaufen (z.B. gegen Euro). Durch die höhere Nachfrage nach Franken steigt dessen Wert (der Wechselkurs sinkt). Durch den teureren Franken werden die Schweizer Exporte teurer und gehen zurück. Der positive Effekt der höheren Staatsausgaben wird so aufgehoben und bleibt wirkungslos. Zwar sagen die Modelle ein solches Crowding-out vorher, ob und wie sehr es aber stattfindet, ist in der Wissenschaft stark umstritten, da sowohl der positive Effekt der höheren Staatsausgaben als auch der Effekt des Crowding-out nur schwer gemessen werden können. Die Wirksamkeit der Fiskalpolitik wird in letzter Zeit stark angezweifelt. Die heutige schweizerische Wirtschaftspolitik kennt kaum noch Elemente einer aktiven Konjunktursteuerung im keynesianischen Sinne. 3.6.3 Automatische Stabilisatoren • Sozialpolitik als konjunktureller Stabilisator Unabhängig davon, ob die antizyklische Konjunkturpolitik wirkt, verfügt der Bund über ein automatisches Anpassungssystem der Ausgaben: Durch das Sozialsystem gibt der Bund in wirtschaftlich schlechten Zeiten (Rezession) automatisch deutlich mehr aus und während der Hochkonjunktur gehen die Ausgaben des Sozialsystems dann automatisch wieder zurück. Das heisst die Ausgaben des Sozialsystems wirken automatisch konjunkturglättend. • Arbeitslosenversicherung als konjunktureller Stabilisator • Steuern (v.a. Einkommenssteuern) als konjunkturelle Stabilisatoren Multiplikator-Effekt So wie es stabilisierende Faktoren gibt, bewirken andere Effekte eine Verstärkung von Konjunkturschwankungen. Eine ansteigende Nachfrage bewirkt, dass die Produzenten ihre Personalressourcen ab einem bestimmten Schwellenwert ausbauen müssen, d.h. sie stellen zusätzliches Personal an. Dadurch steigt die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme, was wiederum einen positiven Effekt auf die Nachfrage hat. Folglich steigt die gesamte Nachfrage im Endeffekt viel stärker, als der Betrag der ursprünglichen Nachfragesteigerung. Dies nennt der Ökonom MultiplikatorEffekt. Akzelerator-Effekt Ähnlich verhält es sich auch mit den Investitionen. Aufgrund grösserer Nachfrage muss der Hersteller zusätzliche Maschinen anschaffen. Dieser Vorgang vom erhöhten Volkseinkommen zu den steigenden Investitionen wird als Akzelerator-Effekt bezeichnet. Diese Verstärker können natürlich auch im umgekehrten Sinn wirken, also einen Abschwung verstärken WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3.7 Schweizer Wachstums - und Konjunkturpolitik 3.7.1 Wachstumspolitik (siehe auch Kapitel 3.3/ 3.4) Die Erwerbstätigkeit in der Schweiz ist bereits rekordverdächtig hoch und damit ist eine der beiden Quellen des Wachstums – die geleisteten Arbeitsstunden – bereits stark ausgeschöpft. Die Schweizer Wachstumspolitik konzentriert sich deshalb heute auf Massnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, der zweiten Quelle des Wachstums. WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Arbeitsauftrag Sie haben als Hausaufgabe während der vergangenen Woche Zeitungsartikel gesammelt, die einen Bezug zur aktuellen und zukünftigen Konjunktur haben. Auftrag: Lesen Sie die Zeitungsartikel durch, die Sie mitgebracht haben. Bestimmen Sie den Bezug zur Konjunktur, indem Sie bei jedem Artikel festlegen, um welche(n) Konjunkturindikator (siehe Tabelle unten) es sich handelt. Füllen Sie anschliessend die Auswertungs- (V=vorauseilend, G=gleichlaufend, N=nachlaufend) aus. Die wichtigsten Konjunkturindikatoren: Vorlaufende Indikatoren Auftragseingänge Geldmenge Offene Baukredite Entwicklung der Börse Bestellungsindex WW-VWL Kap. 3/I. Staub Gleichlaufende Indikatoren Investitionen Konsum Exporte Verkaufsumsätze Konsumentenstimmung Nachlaufende Indikatoren Preise Arbeitslosenrate Löhne Spar- und Hypotheken-Zinsen Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Einfach erklärt: Konjunktur und Arbeitslosigkeit - Im Durchschnitt der 80er Jahre stieg das potentielle BIP um etwa 2 %/Jahr, ca. 1 % nahm die Zahl der Erwerbsbevölkerung zu und um ca. 1 % stieg die Produktion pro Erwerbstätigen. - Mit einem ca. 1 % Produktivitätsanstieg können wir jede Jahr um ca. 1 % pro Kopf mehr konsumieren und investieren. - Die Gesamtnachfrage nach Gütern wächst aber sehr unregelmässig. - Auch in einer Rezession geht der Produktivitätsanstieg unaufhaltsam weiter – es öffnet sich eine negative BIP-Lücke, d.h. unausgelastete Kapazitäten, die Arbeitslosigkeit – konjunkturelle Arbeitslosigkeit – zur Folge haben. - steigt in der Schweiz die Gesamtnachfrage um mehr als 1,5 bis 2 %, sinkt die konjunkturelle Arbeitslosigkeit - Entspricht die Gesamtnachfrage genau dem möglichen Gesamtangebot, gibt es keine konjunkturelle Arbeitslosigkeit mehr, sondern nur noch die Friktionelle, strukturelle und institutionelle. - In der Hochkonjunktur kann sich friktioneller, strukturelle und institutionelle Arbeitslosigkeit etwas verringern. Konjunktur und Inflation Nachfrageinflation: Gesamtnachfrage steigt plötzlich (z. B. durch verstärkten Optimismus) Starke Ausdehnung der Geldmenge Angebotsinflation: Hohe Rohstoff-/Energiepreise Marktmacht von wenigen Anbietern Lohn-Preis-Spirale (Vertiefung Kap. 6.4) Schocks können sowohl die Angebots- und die Nachfrageseite treffen. Angebotsschocks: Erdölpreisschock (1973, 1979) - Reaktion bei dauerhaften Konsumgütern (Auto, Stereoanlage, Möbel usw.). Wünsche werden heraus geschoben oder durch billigere Produkte ersetzt. - Reaktion bei den Investitionen: Absatz und Gewinnaussichten der Konsumgüterproduzenten (nehmen ab) Nachfrageschocks: - Kriegsangst, Angst vor einem Konjunkturabschwung - platzende Spekulationsblasen (z.B. Liegenschaftsmarkt, Preissturz dort ist ein Signal für eine beginnende Rezession - Börsenkrach. Hier muss aber auch untersucht werden, ob die platzende Spekulationsblase nicht Auslöser sondern Folge von Krisenängsten ist. - Internationaler Handel: Export. Konjunkturabschwung in wichtigen Handelsländern der Schweiz WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Zusätzlich zu wissen - die Arbeitslosenquote, bei der die Inflationsrate sich nicht ändert, bezeichnet man als inflationsstabile Arbeitslosigkeit. - steigende Inflation bei positiver BIP-Lücke - das Preisniveau sinkt sehr zögerlich, da die Preise von vielen Gütern gegen unten starr sind. - Angebotsseitige Inflations- und Deflationsimpulse: - 1979: höhere Erdölpreise drückten die Inflation in die Höhe - 1986: drastischer Rückgang des Erdölpreises führte zu einer geringeren Inflation - 1995: ein Teil der neu eingeführten MWST wurden auf die Preise überwälzt. WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Weltwirtschaft für Dummies (von Markus Diem Meier, 28.7.2010) Krisenangst, steigende Börsenkurse, Streit unter Ökonomen – worum geht es? Zehn Antworten auf die drängendsten Fragen zur Weltkonjunktur. Bedroht von falscher Wirtschaftspolitik und Verschuldung: Ausbaden muss die Fehler der Mann von der Strasse. Zehn Fragen zur Weltkonjunktur 1. Was soll das Gerede von einer neuen Krise? 2. Was bedeutet die aktuelle Börseneuphorie? 3. Wieso wird gleichzeitig vor einer Inflation und einer Deflation gewarnt? 4. Wieso streiten sich Ökonomen über die richtige Medizin? 5. Wieso kritisieren die Amerikaner die Europäer und die Chinesen? 6. Warum sorgen sich alle um China? 7. Was genau ist die Eurokrise? 8. Wie entwickelt sich die Schweizer Konjunktur weiter? 9. Welche Gefahren drohen wegen dem starken Franken? 10. Was taugen Prognosen? 1. Was soll das Gerede von einer neuen Krise? Frühindikatoren in den am höchsten entwickelten Volkswirtschaften – vor allem in den USA, aber auch in China – verweisen auf eine erneute Abschwächung der Konjunktur. Was genau droht, darüber sind sich die Ökonomen allerdings nicht einig. Einige halten eine über Jahre anhaltende hohe Arbeitslosigkeit für wahrscheinlich oder erwarten sogar einen Absturz in eine neue Rezession. Das nennen sie einen «Double Dip». Jene Ökonomen, die nicht an ein erneutes Abgleiten in eine Rezession glauben, verweisen darauf, dass ein etwas schwächerer Aufschwung durchaus zu erwarten war, da der sogenannte Lagereffekt auslaufe: Das bisherige Wachstum wurde dadurch unterstützt, dass viele Unternehmen über die letzten Monate ihre Lager aufgefüllt haben. Deshalb hat die Produktion stärker zugelegt als die Endnachfrage. Dieser Effekt läuft nun aus, ebenso wie bisherige staatliche Stützungsmassnahmen. Das drückt auf die kurzfristigen Wachstumsaussichten. Jene, die an eine anhaltende oder sogar verschärfte Krise glauben, argumentieren vor allem mit den Besonderheiten der Finanzkrise, die sich nicht mit einer gewöhnlichen Rezession vergleichen lasse. In vielen wirtschaftlich zentralen Ländern sind nicht nur die Regierungen, sondern auch die Privaten extrem hoch verschuldet. Wenn sie jetzt alle auf die Bremse treten und Geld auf die Seite legen wollen, fehlt die Gesamtnachfrage, die für einen Aufschwung erforderlich wäre. Der Ausweg über die Exporte in andere Länder ist ebenfalls eine Sackgasse, da alle ihn wählen wollen und niemand der Käufer der letzten Instanz sein will. Fragen zum Text: 1. Welche Frühindikatoren kennen Sie? 2. Was ist ein Double-Dip? 3. Was versteht man unter „Lagereffekt? 4. Nennen Sie Beispiele von staatlichen Stützungsmassnahmen? 5. Es fehlt die Gesamtnachfrage – was ist damit gemeint? WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 2. Was bedeutet die aktuelle Börseneuphorie? In diesen Tagen ist an der Börse von den Konjunkturängsten wenig zu spüren, die unter Ökonomen debattiert werden. Doch noch immer sind die Kurse insgesamt weit von den letzten Höchstständen von Mitte April entfernt. Kurzzeitige Kursanstiege wie im Moment machen noch keinen Trend aus. In den letzten Wochen haben die Börsen solche Schwankungen wiederholt gesehen. Die Kurse werden von den vorherrschenden Annahmen zur weiteren Entwicklung der Wirtschaft getrieben. Die Schwankungen zeugen von der grossen Unsicherheit darüber, wie die Reise weitergeht. Momentan reagieren die Kurse daher sehr stark auf Daten zum weiteren Konjunkturverlauf. Viele Analysten erwarten eine schwächere Börse gegen Ende Jahr, weil sich die weitere Abschwächung der Wirtschaftsdynamik in den Kursen niederschlagen werde. Eine Zwischenrally im Sommer, wie sie sich aktuell abzeichnet, haben einige dennoch schon vor ein paar Wochen angekündigt. Studien zu den längerfristigen Nachwirkungen von grossen Finanzkrisen verweisen darauf, dass sich die Börsen selbst über Jahre hinaus richtungslos entwickeln können, was vor allem für längerfristige Anlagen schlecht wäre. Wie bei den Konjunkturerwartungen gehen allerdings die Prognosen auch hier weit auseinander. Fragen zum Text: Die Börse ist ein Konjunkturindikator. Erklären Sie: Was können stark schwankende Börsenkurse bedeuten? Wie sind die gemachten Konjunkturprognosen zu beurteilen? 3. Wieso wird gleichzeitig vor einer Inflation und einer Deflation gewarnt? Inflation bedeutet Geldentwertung, was sich an steigenden Preisen zeigt. Deflation ist genau das Gegenteil davon. Der Streit darum, welches der beiden Übel eher drohe, hat bereits kurz nach dem Ausbruch der Finanzkrise eingesetzt. Jene, die vor einer Inflation warnen, verweisen auf die Geldmengen, die Zentralbanken weltweit in noch nie da gewesenem Ausmass neu geschaffen haben. Steigt die umlaufende Geldmenge stärker als die Gütermenge, muss das gewöhnlich in eine Inflation münden. Jene, die eher die Gefahr einer Deflation sehen, verweisen auf die tatsächliche Entwicklung der Preise: In den grossen westlichen Wirtschaftsräumen ist die Inflation stetig gesunken und befindet sich aktuell auf einem aussergewöhnlich tiefen Niveau. Tatsächlich ist das frisch geschaffene Geld kaum in Umlauf geraten. Vielmehr legen es Privathaushalte, Unternehmen und auch Banken aus Vorsicht auf die Seite oder zahlen damit Schulden zurück. Das drückt auch auf die Gesamtnachfrage nach produzierten Gütern, was einen Preisdruck erzeugt. Eine sich daraus ergebende Deflation ist das weitaus schlimmere Übel als eine Inflation: Die realen (in Gütern gemessenen) Schulden steigen, weil das Geld, in denen sie gemessen werden, immer mehr Kaufkraft hat. Dann lohnt sich das Horten von Geld für jeden Einzelnen erst recht. Doch dadurch bricht die Gesamtnachfrage weiter ein und die Arbeitslosigkeit steigt. Um ein solches Szenario zu verhindern, haben die Zentralbanken ihre Leitzinsen vielerorts praktisch auf null gesenkt, tiefer geht es nicht. Jene die vor einer Inflation warnen, verweisen darauf, dass das Horten in der Wirtschaft sogleich ein Ende nimmt und das Geld wie ein Tsunami in die Wirtschaft geschwemmt wird, wenn sich der Aufschwung verfestigt. Eine hohe Inflation sei dann kaum mehr zu verhindern. Im Kern sind die Warner vor einer Deflation dieselben, die an einem nachhaltigen Aufschwung zweifeln und weitere Stützungsmassnahmen fordern. Die Warner vor einer Inflation erwarten dagegen eine weitere Verbesserung der Wirtschaftslage. Fragen zum Text: Wie unterscheidet sich eine Inflation von einer Deflation? Wie wird eine „Inflationsgefahr“ begründet? Wie wird eine „Deflationsgefahr“ begründet? Welche Zukunftsaussichten prognostizieren die „Warner einer Deflation“, welche die „Warner einer Inflation“? WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 4. Wieso streiten sich Ökonomen über die richtige Medizin? Das liegt an drei miteinander verwobenen Gründen: Der vorgenommenen Analyse, dem angewandten Modell und an der Weltanschauung der Ökonomen. Jene Ökonomen, die die grösste aktuelle Gefahr in einer steigenden Staatsverschuldung sehen, verweisen auf die Lage, in die Griechenland geraten ist und befürchten, dass wie dort auch in den USA, in Grossbritannien oder in Deutschland die Zinsen massiv ansteigen könnten, weil die Investoren für das höhere Bankrottrisiko dieser Länder entschädigt werden wollen. Das würde den Schuldendienst noch teurer machen und die Investitionen schwächen – und damit auch die Wachstumsaussichten. Das wiederum würde die Steuereinkommen der Länder mindern. Es könnte eine Abwärtsspirale einsetzen, die am Ende in einen Staatsbankrott mündet. Die Medizin dieser Ökonomen lautet: Sofort mit Sparen beginnen. Ganz anders sehen das ihre Kritiker: Sie verweisen auf die im historischen Vergleich in Wahrheit nach wie vor äusserst tiefen Zinsen für die Staatsschulden der grossen Wirtschaftsmächte. Den Grund dafür sehen sie in der massiven Überschussliquidität, die gehortet und noch so gerne in als sicher erachtete Staatsanleihen investiert wird. Das wahre Problem orten diese Ökonomen in der fehlenden Gesamtnachfrage (Konsum und Investitionen). Ihre Medizin: Der Staat soll mit weiteren stützenden eigenen Ausgaben diesen Nachfrageausfall kompensieren. Sparen ist für sie erst bei einem wieder ausgelasteten Wirtschaftspotenzial angesagt. Tut es der Staat zu früh, breche die Wirtschaftsleistung weiter ein und damit auch die Lage der Staatsfinanzen. Die Ökonomen, die dagegen zuallererst ein vermehrtes Sparen fordern, stehen in der Regel allen staatlichen Massnahmen äusserst skeptisch gegenüber und können mit solchen Denkmodellen auch aus weltanschaulichen Gründen nichts anfangen. Gemäss ihren Vorstellungen tendieren Märkte ohnehin stets zu einem Gleichgewicht zurück, ausserdem würden staatliche Massnahmen von den Leuten durchschaut und neutralisiert: Etwa indem sie das Geld bereits für Steuern sparen und damit auf Konsum verzichten, das der Staat zusätzlich ausgeben will. Fragen zum Text: Welche Weltanschauung haben die Ökonomen, die einen massiven Anstieg der Zinsen befürchten? 5. Wieso kritisieren die Amerikaner die Europäer und die Chinesen? Wenn der inländische Konsum wie befürchtet weiter schwach bleibt, die Investitionen kaum zulegen und dem Staat kein Geld für Anschubmassnahmen bleibt, können nur noch Exporte in andere Länder das Wachstum der Wirtschaft ankurbeln. Diesen Ausweg suchen jedoch alle Länder in einer ähnlichen Lage. Das funktioniert allerdings nicht, da jemand die Güter und Dienste auch kaufen muss. Die Amerikaner finden, sie hätten nun lange genug mit ihrem durch Verschuldung finanzierten Konsum die Konjunktur in Europa und Asien – vor allem über China – in Schwung gehalten. Jetzt sei es an den anderen Ländern, den Inlandkonsum zu fördern und damit auch über Importe die Weltwirtschaft insgesamt anzuschieben. Dass die Europäer jetzt mit ihren Sparmassnahmen genau das Gegenteil tun, stösst den Amerikanern daher genauso sauer auf, wie dass die Chinesen ihre Währung gegenüber dem Dollar noch immer künstlich billig halten – trotz einer kleinen symbolischen Aufwertung vor kurzem. Die Amerikaner sehen in dieser Politik einen Versuch dieser Länder, das eigene Wachstum auf ihre Kosten zu fördern. Fragen zum Text: Was sind Beispiele von sog. Anschubmassnahmen? Weshalb halten die Chinesen ihre Währung gegenüber dem Dollar künstlich billig? WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 6. Warum sorgen sich alle um China? Die USA können angesichts der eigenen konjunkturellen Schwäche nicht mehr länger die Rolle als Konjunkturlokomotive der Welt übernehmen. Die Hoffnungen ruhen daher auf China. Allerdings ist die Wirtschaftskraft des Milliardenvolks trotz hoher Wachstumsraten noch immer viel zu klein, um jene der USA auch nur ansatzweise ersetzen zu können. Angesichts der nach wie vor schwachen weltweiten Konjunkturlage wäre ein Rückschlag in den Wachstumserwartungen des Milliardenvolks eine herbe Enttäuschung, da jeder weitere Nachfrageeinbruch den Aufschwung gefährdet. Die Sorgen sind umso grösser, als von der Entwicklung in China der gesamte asiatische Raum abhängt. Deshalb haben kritische Meldungen zur Konjunktur Chinas in den letzten Wochen die Ängste vor einer neuen Rezession («Double Dip») deutlich erhöht. Fragen zum Text: Was verstehen Sie unter „Konjunkturlokomotive“? 7. Was genau ist die Eurokrise? Auslöser der Eurokrise ist die Verschuldungskrise in Griechenland. Das Land hat mehr als jedes andere Euromitglied seit der Beteiligung an der Währungsunion über die eigenen Verhältnisse gelebt und die Daten zum eigenen Zustand systematisch falsch dargestellt. Obwohl das wirtschaftliche Gewicht Griechenlands im Euroraum weniger als 3 Prozent ausmacht, hat die Verschuldung dieses Landes die Schwächen der gesamten Euroregion schonungslos offenbart. Dank der Einheitswährung ist es schwächeren Mitgliedsländern in einer Krise unmöglich, sich mit einer Abwertung wenigstens über die Exporte Luft zu verschaffen. Was bleibt, ist einzig eine «Deflationierung»: Preise und Löhne müssen sinken. In einer Krise ist das beinahe ein wirtschaftliches Selbstmordprogramm. Weil andere Länder des Südens, vor allem Spanien und Portugal, ähnlichen Problemen gegenüberstehen, ist auch die Angst um sie gestiegen. Sie hat dazu geführt, dass die Zinskosten für ihre Staatsschulden massiv angestiegen sind, was ihre Lage weiter verschärft. Selbst die zugesagten Hilfspakete der EU und des Internationalen Währungsfonds im Umfang von mehr als 800 Milliarden Euro konnten die Lage bisher nur wenig entspannen. Die Verschuldung dieser Länder hat auch die Schuldenlast in Ländern wie den USA oder Grossbritannien in den Fokus der Diskussion gerückt». Die Zinsen sind dort allerdings viel tiefer. Das Vertrauen der Märkte in die Zahlungsfähigkeit dieser Länder ist daher weit grösser. Da sie über eine unabhängige Währung verfügen – die USA mit dem Dollar sogar über die faktische Leitwährung der Welt – sind sie auch nicht in derselben Falle gefangen. Fragen zum Text: Was verstehen Sie unter „Deflationierung“? Welche Währung wird als „faktische Leitwährung“ der Welt angeschaut? Weshalb können sich verschuldete Länder wie z. B. Griechenland, Spanien oder Portugal nicht mit einer Abwertung wenigstens über die Exporte Luft verschaffen? 8. Wie entwickelt sich die Schweizer Konjunktur weiter? Die Konjunktur in der Schweiz hat nach Meinung der meisten Ökonomen keine weitere Rezession zu befürchten. Einzig von einem abgeschwächten Wachstum im nächsten Jahr gehen einige aus. Im laufenden Jahr erwarten die Wirtschaftsprognostiker hierzulande ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts von gegen 2 Prozent. Als wichtigste Konjunkturstütze erweist sich der private Konsum. Das grösste Risiko besteht in einem Einbruch der Exporte. Hier könnte vor allem der teure Franken die Absatzchancen von Schweizer Produkten im Ausland belasten. Noch wichtiger ist die Konjunktur in den Absatzländern. Die Weltkonjunktur und der Währungskurs sind die grössten Konjunkturrisiken für die Schweizer Wirtschaft. Schlägt die Unsicherheit auf den Kapitalmärkten in Europa und im Rest der Welt auf die Realwirtschaft um, dann käme auch die inländische Wirtschaft nicht ohne Blessuren davon. Fragen zum Text: Wo sind die grössten Konjunktur-Risiken des CH-Wirtschaftswachstums zu suchen? WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 9. Welche Gefahren drohen wegen des starken Frankens? Der Franken hat sich von seinem Höchstwert gegenüber dem Euro bereits wieder etwas erholt, bleibt aber im historischen Vergleich noch immer sehr teuer. Das könnte die Absatzchancen von Schweizer Unternehmen bedrohen. Doch ein starker Franken ist nicht in erster Linie ein Übel: Er macht die Schweizer reicher, denn sie können sich mit ihrem Geld im und vom Ausland mehr leisten. Einige Unternehmen beziehen Vorprodukte aus dem Euroraum oder produzieren dort. Deren Produktion wird deshalb durch die Euroschwäche verbilligt. Der langfristige Aufwertungstrend des Frankens hat die Schweizer Industrie ausserdem gestärkt, da sie sich damit abfinden musste, nur über eine grössere Leistungsfähigkeit (Produktivität) und über die Qualität ihrer Produkte konkurrenzieren zu können. Sehr schnelle und starke Aufwertungen bleiben allerdings ein grosses Problem, umso mehr, wenn sie gegenüber mehreren wichtigen Absatzmärkten gleichzeitig stattfindet, wie etwa gleichzeitig gegenüber dem Dollar und dem Euro. Wichtiger als der Frankenkurs für die Absatzchancen von Schweizer Produkten ist die Wirtschaftslage in den Absatzländern. Wenn diese sich künftig deutlich abschwächt und der Euro weiterhin deutlich weniger als 1.40 Franken kostet, dürfte die Exportwirtschaft ernsthaft unter Druck geraten. Währungsanalytiker gehen davon aus, dass der Euro seinen leichten Aufwärtstrend seit Ende Juni nicht fortsetzen kann und gegen Jahresende erneut deutlich zur Schwäche neigen wird. Fragen zum Text: Weshalb kann ein starker CH-Franken auch eine Chance für die Schweiz sein? Wie sehen Währungsanalytiker die Kursentwicklung des EURO zum CHF? 10. Was taugen Prognosen? Generell nicht viel, besonders nicht in Zeiten grösserer Unsicherheit, wie sie noch immer vorherrschen. In der Regel basieren Prognosen auf Modellen, die sich an Erfahrungswerten der Vergangenheit orientieren. In stabilen Zeiten oder bei wiederholt auftretenden ähnlichen Problemen wie nach gewöhnlichen Rezessionen sind Prognosen daher eher verlässlich. Man kann sich dann darauf verlassen, dass zum Beispiel auf eine Veränderung der Leitzinsen der Zentralbanken alle immer etwa gleich reagieren. Seit der weltweiten Finanzkrise sind die Zeiten nicht mehr stabil. Die Modelle der Ökonomen sind für solche Extremereignisse und ihre Folgen nicht entwickelt worden. Daher haben sie bisher anfänglich die Krise unterschätzt und danach den Aufschwung unterschätzt. Entsprechend grosse Skepsis ist auch gegenüber den neuen Einschätzungen angebracht. (Bernerzeitung.ch/Newsnetz) Fragen zum Text: Was taugen Prognosen bei Extremereignissen? WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Die Rückkehr der Angst Eben noch war alles so prächtig. Die Konjunkturdaten waren so toll wie die Unternehmenszahlen, der Euro und die Aktienkurse stiegen wieder und die Sommersonne wärmte die Haut. Das alles scheint vorbei zu sein. Der Optimismus der vergangenen Wochen ist verflogen: Die Weltbörsen haben wieder nach unten gedreht. Ist der Sommer vorbei? Diese Frage hat für Konjunkturbeobachter und Investoren an den Kapitalmärkten diesmal eine besondere Bedeutung. Die vergangenen warmen Wochen schienen die Sorgen des kühlen Frühlings beinahe vergessen zu machen. Positive Konjunkturdaten aus Europa – vor allem aus Deutschland – liessen vermuten, die Krise auf dem Kontinent sei so schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Wie zur Bestätigung dieser Ansicht hat auch der Euro wieder kräftig zugelegt. Selbst der Goldpreis als besonderer Angstindikator hat im Juli deutlich an Wert verloren. Doch seit einigen Tagen spielt das Wetter wieder verrückt und auch die Angst ist zurückgekehrt. In den USA dominiert die Furcht vor einer verschärften Krise mittlerweile die Schlagzeilen der Wirtschaftsspalten. Die Börsen haben weltweit deutliche Einbussen erlitten, der Euro ist wieder gefallen und der Goldpreis gestiegen. Durch Investitionen in Staatsanleihen versuchen Anleger ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Die entsprechenden Zinsniveaus sind ebenfalls weiter gefallen, obwohl sie schon zuvor auf extrem tiefen Niveaus lagen. Von zu viel Pessimismus zum übertriebenen Optimismus Genau genommen sind viele der aktuellen Entwicklungen weniger überraschend, als sie scheinen mögen, wenn man sich nur an der jeweils aktuellen Stimmung orientiert. Die prächtigen Konjunkturzahlen Europas und die guten Abschlüsse vieler Unternehmen in der laufenden Berichtsaison zeigen eher ein Bild der Vergangenheit als eines der Zukunft. Weil viele Firmen ihre Lager wieder aufgefüllt haben, ist die Wirtschaft stärker gewachsen als die Endnachfrage. Dieser Effekt läuft aus. Ausserdem beruht der wieder erwachte Optimismus von Deutschland und damit der Eurozone generell vor allem auf den Exporten, die sich in den letzten Monaten prächtig entwickelt haben. Das heisst aber auch, dass sich die Deutschen einer Wirtschaftsschwäche in den USA oder in China nicht entziehen können. Viele Ökonomen haben schon vor längerem darauf hingewiesen, dass sich die Konjunktur dieser beiden Länder zuerst abschwächen wird und in der Folge auch jene Europas. Einer davon war Jan Poser, Chefökonom der Bank Sarasin. In einem Videointerview, das am 6. Juli aufgezeichnet wurde, erklärte Poser gegenüber Bernerzeitung.ch/Newsnetz (siehe links «Die grosse Frage dreht sich um die USA»), er rechne dennoch mit einer Sommerrally an den Börsen. Das Timing war ausgezeichnet, denn das Rally hat genau an jenem Tag eingesetzt. Poser hat aber auch gesagt, dass er danach wieder mit einer Abschwächung der Börsenkurse rechne. Auf eine erneute Anfrage erklärte Poser, seine Bank verkaufe bereits seit mehreren Tagen wieder Aktien. Die Konjunkturdaten aus den USA, aber auch aus China, seien wie erwartet schlechter ausgefallen: «Es entspricht dem bekannten zyklischen Muster, dass die Abkühlung in China beginnt, sich dann in den USA und am Ende auch noch in Europa fortsetzt .» Das zeige sich auch jetzt wieder. Dennoch: «Vom Ausmass der Probleme in den USA waren wir überrascht», sagt der Sarasin-Chefökonom. Das Wachstum in der führenden Weltwirtschaft der Welt ist zu tief, um die rekordhohe Arbeitslosigkeit zu senken. Ausserdem hat das statistische Amt des Landes die bereits gemessenen Werte über die letzten sechs Quartale allesamt nach unten revidiert. Sollte sich die US-Konjunktur weiterhin deutlich schlechter entwickeln als bisher erwartet, kann sich dem die übrige Welt nicht entziehen. Die anderen grossen Wirtschaftsmächte der Welt, wie Japan, China oder Deutschland, bauen noch immer auf den Export entweder direkt oder indirekt (zum Beispiel über China) in die USA, das haben auch die jüngsten Aussenhandelszahlen dieser Länder wieder eindrücklich bestätigt. Das Risiko eines «Double Dip» ist gewachsen Poser geht trotz der gestiegenen Risiken für die Weltwirtschaft noch immer von einer weichen Landung aus. Eine erneute Rezession erwartet er nicht. Allerdings hält er eine solche Entwicklung dennoch für möglich. Sie wäre eine wahre Katastrophe. Da die Inflationsrate in den USA bereits nahe bei Null liegt, würde ein solcher «Double Dip» unweigerlich in die Deflationsfalle führen, wie sie Japan seit mehr als einem Jahrzehnt durchlebt. Die Arbeitslosenquote in den USA würde dann über viele Jahre hoch bleiben – mit Schockwirkungen für die ganze Weltwirtschaft. Allein die Angst vor einem solchen Szenario ist es, die die Börsen seit langem umtreibt. In den letzten Tagen – nach jüngsten Konjunkturdaten und der Einschätzung der US-Notenbank – hat sie wieder mächtig Auftrieb erhalten. Das Szenario einer erneuten Rezession in den USA kann laut Poser dann ausgeschlossen werden, wenn die Politik keine groben Fehler begeht. Ein solcher Fehler wäre laut dem Sarasin-Chefökonomen, wenn die führende Wirtschaftsmacht der Welt jetzt drastisch auf die Sparbremse träte. Leider ist ein solches Szenario angesichts der politischen Verhältnisse in den USA nicht ausgeschlossen. Die Republikaner sträuben sich heftig gegen Stützungsmassnahmen der Regierung für die Konjunktur. Bei den Wahlen im Herbst könnten sie angesichts der sinkenden Beliebtheit von Präsident Barak Obama die Sieger sein. Bernerzeitung.ch/Newsnetz, Erstellt: 12.08.2010 WW-VWL Kap. 3/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 03. September 2010 Keine Angst vor Rezession. Kleiner Hoffnungsschimmer für die amerikanische Wirtschaft: Im August verloren nur halb so viele Menschen ihren Arbeitsplatz wie befürchtet. Die Jobsituation in den USA ist besser als erwartet. (Bild: AP Photo) Die Zahl der Beschäftigten sank amtlichen Angaben vom Freitag zufolge lediglich um 54 000. Dies dämpfte an den Finanzmärkten die Furcht vor einem Rückfall der weltgrössten Volkswirtschaft in die Rezession, die Aktien zogen in Europa und den USA deutlich an. In der Privatwirtschaft entstanden sogar 67 000 neue Jobs, während die Regierung 121 000 Stellen strich. Sie hatte für die Volkszählung vorübergehend Hunderttausende Mitarbeiter angeheuert, die nun nicht mehr gebraucht werden. Zudem fiel der Arbeitsplatzabbau in den beiden Vormonaten um 123 000 geringer aus als zunächst angenommen. Die Arbeitslosenquote stieg dennoch von 9,5 auf 9,6 Prozent. Experten sehen in den Zahlen einen Anhaltspunkt dafür, dass die weltgrösste Volkswirtschaft nicht erneut schrumpfen wird. «Dies deutet nicht darauf hin, dass wir kopfüber in eine Rezession stürzen», sagte US-Chefökonom Nigel Gault von IHS Global Insight. Der Aufschwung nach der schwersten Wirtschaftskrise der vergangenen 70 Jahren war im Frühling fast zum Erliegen gekommen: Das Bruttoinlandprodukt wuchs nur noch um 0,4 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal, während die Schweiz ein Plus von 0,9 Prozent schaffte. «Wir stecken in der Flaute» Die hohe Arbeitslosigkeit steht einer Konjunkturerholung im Weg. Die US-Wirtschaft hängt zu 70 Prozent vom privaten Konsum ab. Die Wirtschaftskrise hatte mehr als acht Millionen Amerikanern den Job gekostet. Auch die Einkommen steigen nur langsam: Die Stundenlöhne erhöhten sich im August um 0,3 Prozent. «Die Wirtschaft steckt in einer Flaute», resümierte Ryan Sweet von Moddy's Economy.com. Trotz der wackeligen Erholung erwägt die Demokratische Partei von Präsident Barack Obama keine neuen Konjunkturpakete. «Wir ziehen kein zweites Konjunkturprogramm in Betracht», sagte eine Sprecherin des Weissen Hauses. Obama hatte im vergangenen Jahr 814 Mrd. Dollar in die Wirtschaft gepumpt, um Stellen zu schaffen. Der Präsident steht gut zwei Monate vor den Kongresswahlen unter Druck, angesichts der Furcht vor einer neuen Rezession Handlungsbereitschaft zu demonstrieren. Dienstleister schaffen Jobs In der schleppenden Konjunkturerholung gilt vor allem der Arbeitsmarkt als Sorgenkind. Obama erwägt weitere Steuerkürzungen für Unternehmen. Damit sollten Firmen dazu angehalten werden, Jobs in den USA zu schaffen. Auch eine Verlängerung von Steuererleichterungen für die Mittelschicht werde in Erwägung gezogen. Die meisten Jobs schufen im August die Dienstleister. Im grössten Wirtschaftszweig entstanden 67 000 neue Stellen. Auch im Baugewerbe stieg die Zahl der Beschäftigten wieder. In der Industrie wurden dagegen 27 000 Jobs gestrichen. WW-VWL Kap. 3/I. Staub