Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Einführung Volkswirtschaftslehre Anderes Wort: Nationalökonomie Was untersucht die Volkswirtschaftslehre? WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Zusammengefasst lässt sich die Volkswirtschaftslehre wie folgt darstellen: WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Knappheit, Opportunitätskosten, Preise, Anreize Einstiegsfrage: Alle SuS schreiben auf ein Papier, was sie jetzt im Moment eigentlich machen möchten (anstelle von Schule). Anschliessend werden die Zettel aufgehängt und die anderen SuS versuchen herauszufinden, wer was geschrieben hat (Ziel: Kennenlernen der SuS im neuen Klassenverband). Anschliessend kann über Bedürfnisse, Knappheit, Opportunitätskosten und Anreize gesprochen werden. Das Problem der Knappheit der Ressourcen und der Reaktion der Menschen darauf steht im Zentrum der volkswirtschaftlichen Analyse. Knappheit herrscht dort, wo der Wunsch nach Ressourcen oder Gütern grösser ist als ihre Verfügbarkeit. Knappheit führt dazu, dass jede Handlung mit Opportunitätskosten verbunden ist. Wir müssen uns entscheiden, für welche Wünsche unsere knappen Ressourcen eingesetzt werden (= bestmögliche Allokation der Ressourcen) Das Opfer, das mit dem Verzicht der nicht gewählten Alternative entsteht, nennt man Alternativkosten oder Opportunitätskosten. Opportunitätskosten sind also Kosten, die dadurch entstehen, dass man auf eine alternative Handlung verzichtet hat. Die Preise stellen diese Opportunitätskosten dar. Veränderung der Preise setzen Anreize, das Verhalten zu ändern. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Die zentrale Bedeutung von Anreizen: Kennen Sie den Kobra-Effekt? Es gab einmal ein Land das litt unter einer Kobraplage. Also beschloss die Politik eine Fangprämie für diese Schlangen. Jeder Bürger der eine Kobra einfing konnte diese bei den Behörden abgeben und bekam eine Prämie. Auf diese Weise wollte man die Plage eindämmen. Doch was passierte? Die Bürger fingen nicht die Kobras, sondern begannen mit deren Zucht um an die Prämien zu kommen. Die Plage wurde schlimmer. Der gut gemeinte politische Beschluss erreichte das Gegenteil des Erwünschten. Die kleine Geschichte veranschaulicht treffend ein wirtschaftspolitisches Grundproblem: Gut gemeint, heisst noch lange nicht gut gemacht! Oft erreichen nämlich lobenswerte Absichten genau das Gegenteil dessen, was sie eigentlich wollten. Einige weitere Bespiele aus der aktuellen Zeit: Um schwächere Arbeitnehmer zu schützen, führte beispielsweise ein strenger Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer dazu, dass ältere Menschen gar nicht erst mehr eingestellt werden. Eine strikte Mietkontrolle in Österreich schützt zwar die Mieter scheinbar vor Mietzinserhöhungen. Dadurch sankt aber gleichzeitig der Anreiz für die Vermieter, Wohnungen zu erstellen und zu vermieten. Es werden also weniger Wohnungen angeboten; und damit wird es schwerer, eine Wohnung zu finden. Daraus ergibt sich ein typisches Insider- Outsider-Problem: Diejenigen, die eine Wohnung haben, sind geschützt; und diejenigen, die eine Wohnung suchen, werden kaum eine finden. Dieselbe Insider-Outsider-Problematik ergibt sich mit sehr vielen anderen politisch motivierten Eingriffen in das freie Spiel von Angebot und Nachfrage, so auch auf dem Arbeitsmarkt: Wer Mindestlöhne verlangt, verbessert möglicherweise die Situation jener, die Arbeit haben; er schadet aber jenen, die Arbeit suchen. Zusammenfassend kann gesagt werden: Überhöhte Agrarpreise bringen Überproduktion (Westeuropa), zu niedrige Agrarpreise bringen Unterversorgung (ehemalige Planwirtschaften), kontrollierte Wohnungsmieten verringern das Angebot, falsche Anreize am Arbeitsmarkt produzieren Arbeitslosigkeit. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Bedürfnisse Menschen haben sehr verschieden Bedürfnisse, die sie erfüllt sehen möchten. Die hierfür zur Verfügung stehenden Güter sind jedoch im Allgemeinen knapp. Der Mansch muss nun versuchen, seine Bedürfnisse mit Hilfe der knappen Güter so gut es geht zu decken, d.h. er muss wirtschaften. Bedürfnisse Bedürfnisse beinhalten das Empfinden eines Mangels und das Bestreben, diesen Mangel zu beheben. Arten der Bedürfnisse nach der Dringlichkeit: - Existenzbedürfnisse: Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung - Kultur- und Luxusbedürfnisse: Weitergehende Bedürfnisse Arten der Bedürfnisse nach dem Träger: - Individualbedürfnisse: Träger ist die einzelne Person. Beispiel: Bedürfnis nach Mobilität - Kollektivbedürfnisse: Träger ist eine Gemeinschaft, z.B. der Staat. Beispiel: Bedürfnis nach einem ausgebauten Strassennetz WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Wie das Bedürfnis zum Bedarf und zur Nachfrage wird: WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Volkswirtschaftliche denken heisst, durch Beobachten der komplexen Wirtschaft ZU versuchen, Gesetzesmässigkeiten zu entdecken (Entwicklung einer Theorie) und sie in Modellen nachzubilden. Modelle stellen dabei theoretische Vereinfachungen der komplexen Wirklichkeit dar. Die Nachfrage: Verlauf der Nachfragekurve Der Verlauf der Nachfrage von links oben nach rechts unten (d.h. mit negativer Steigung) kann mit Hilfe des 1. Gossensches Gesetz „Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen“ erklärt werden. Beispiel: Sie sind seit Stunden an der prallen Sonne am Wandern und haben grossen Hunger. Endlich kommen Sie bei einem Gasthaus vorbei und können etwas zum Essen kaufen. Für den ersten „Hamburger“ sind Sie bereit, einen sehr hohen Preis zu bezahlen, wenn Sie jedoch Ihren Hunger gestillt haben, würden Sie für einen weiteren Hamburger kaum noch etwas bezahlen. So ist beispielsweise der Grenznutzen des 1. Hamburgers hoch, derjenige des 5. Hamburgers tief. Mit steigendem Verbrauch nimmt der Grenznutzen (= Nutzenzuwachs je zusätzlicher Mengeneinheit) ab. Dies bedeutet, dass mit steigendem Verbrauch Sättigungserscheinungen zu beobachten sind. Dies bedeutet, dass bei zunehmender Menge der Preis sinkt, was auch eine Nachfragekurve zum Ausdruck bringt. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Die Nachfrage wird beeinflusst Preis des Gutes (Es gilt: Alle anderen Einflussgrössen bleiben unverändert sog. ceteris paribus). Bei Preisänderungen bewegen wir uns auf der Nachfragekurve!! Preis anderen Güter Substitutionsgüter Komplementärgüter indifferente Güter Einkommen der Nachfrager Wertschätzung des Gutes Geschmack der Konsumenten (Präferenzen) Zukünftige wirtschaftliche Entwicklung WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Regel: Je höher der Preis, desto niedriger ist die nachgefragte Menge und umgekehrt. Ausnahme: Snob-Effekt: Es wird mehr nachgefragt, weil der Preis gestiegen ist. Substitutionsgüter: Wenn Preis der Subsitutionsgüter steigen, er höht sich die Nachfrage nach dem betrachteten Gut. (Bsp. Butter und Margarine; öffentlicher Verkehr und privater Verkehr,; Kinobesuche und DVD‘s) Komplementärgüter: Wenn der Preis eines Komplementärgutes steigt, vermindert sich die nachgefragte Menge des betrachteten Gutes und umgekehrt. (Bsp. Kopiergerät und Kopierpapier, Autos und Benzin, Skis und Skischuhe usw.) Indifferente Güter: Wenn Preisveränderungen diese Gutes die nachgefragte Menge des betrachteten Gutes nicht verändern. Superiores Gut (Luxusgut): Wenn Einkommenserhöhung zu einem überproportionalen Anstieg der nachgefragten Menge des betrachteten Gutes führt. (Bsp. Nachfrage nach Autos, Reisen, Wein usw.) Inferiores Gut: Wenn Einkommenserhöhung zu einem unterproportionalen mengenmässigen Anstieg oder einem mengenmässigen Rückgang des betrachteten Gutes führt. (Bsp. Kartoffel, Bohnen, Speck usw.). Wenn das bewertete Gut besser als ein Substitutionsgut betrachtet wird. Einfluss durch Werbung, Trends, Mode usw. Wird die wirtschaftliche Entwicklung von den Nachfragern negativ eingeschätzt, so wird weniger Nachgefragt (v. a. langlebigen Konsumgüter) Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Das Angebot Angebot wird beeinflusst Preis des Gutes Bei Preisänderungen bewegen wir uns auf der Angebotskurve!! Preis anderer Güter auf gleicher Produktionsanlage. (Preise für Substitute) Preise Produktionsfaktoren (Preise für Vorleistungen) Technischer Fortschritt (Produktivität) Regel: Je höher der Preis, desto grösser ist die angebotene Menge und umgekehrt (Ausschöpfung der Kapazitätsreserven bzw. Kapazitäten von anderen Produktionen werden abgezogen) Längerfristig werden bei steigendem Preis eines Gutes neue Kapazitäten aufgebaut, entweder durch etablierte oder neue Marktanbieter Kapazitäten werden auf die teuer gewordenen Güter eingesetzt. Seigen die Produktionskosten verringert sich der Gewinn der Unternehmer, evtl. wird längerfristig die Produktion eingestellt. Infolge von Verfahrensinnovationen kann die gleiche Menge des betrachteten Gutes mit geringen Kosten hergestellt werden, was eine verbesserte Gewinnsituation der Anbieter bedeutet. Eine Vergrösserung der angebotenen Menge ist die Folge. Anzahl der Anbieter Die Angebotskurve verschiebt sich auch, wenn neue Anbieter auf den Markt kommen (nach rechts) oder wenin Anbieter sich vom Markt zurückziehen (nach links). WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Der Markt Unter „Markt“ versteht man den Ort, an dem ein bestimmtes Gut/eine bestimmte Dienstleitsung ausgetauscht wird. Markt bezeichnet in der Ökonomie jedes Zusammentreffen von Angeboten und Nachfrage. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Marktgleichgewicht Das Marktgleichgewicht stellt sich dort ein, wo sich Angebotskurve und Nachfragekurve schneiden. Bei untenstehender Grafik bei einem Gleichgewichtspreis von CHF 16.- wird eine Menge von 480 abgesetzt. Bei einem Preis, der über dem gleichgewichtigen Preis von CHF 16.- liegt, z.B. CHF 20.-, entsteht ein Ungleichgewicht, nämlich ein Angebotsüberhang. Das Gegenteil ist der Fall, wenn der Preis unter dem Gleichgewichtspreis (z.B. CHF 12.-) liegt; dann entsteht ein Nachfrageüberhang. Der Preis, zu dem die Kaufziele mit den Verkaufszielen übereinstimmen, heisst Gleichgewichtspreis. Dort ist der Nutzen für alle Beteiligten maximal oder optimal. Beispiel: Nachfrageüberschuss/Nachfrageüberhang Die Nachfrage bei einem Preis von 12.- liegt bei einer Menge von 620, die Angebotsmenge bei einem Preis von 12.- liegt aber nur bei 310. Folge: Es herrscht ein Unterangebot von 310, d.h. es gibt zu wenig Essen im Verhältnis zur Nachfrage. Der Preis wird steigen und mit steigendem Preis wird die Nachfrage abnehmen bis es zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommt. Beispiel: Angebotsüberschuss/Angebotsüberhang Die Nachfrage bei einem Preis von 20.- liegt bei einer Menge von 370, die Angebotsmenge bei einem Preis von 20.- liegt aber bei 660. Folge: Es herrscht ein Überangebot von 290, d.h. es gibt zu viel Essen im Verhältnis zur Nachfrage. Der Preis wird sinken und mit steigendem Preis wird die Nachfrage zunehmen bis es zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommt. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 3-Schritte Vorgehen bei Nachfrage- und Angebotsänderungen Übungssaufgaben Schritte Beispiele 1. Ändert Nachfrage oder Angebot? 2. Handelt es sich um eine Zunahme (Rechtsverschiebung) oder eine Abnahme (Linksverschiebung) 3. Was passiert mit dem Marktgleichgewicht (Menge, Preis)? Gut kommt Einkommen aus der Mode steigen (normales Gut) Rohstoffpreis e steigen Beispiel 1: Beispiel 2: Beispiel 3: Beispiel 4: WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Staat subventioni ert Anbieter Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Übungsbeispiele: Im nebenstehenden Diagramm sind die Angebotskurve (A1) und eine Nachfragekurve (N1) für Taschenrechner eingezeichnet. a. Tragen Sie die neue Angebotskurve (A2) ein für den Fall, dass unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus) das Angebot an Taschenrechnern vergrössert wird. b. Wie wirkt sich die Angebotsvergrösserung auf den Gleichgewichtspreis aus? c. Mögliche Ursachen der Angebotszunahme: Im nebenstehenden Diagramm sind die Angebotskurve (A1) und eine Nachfragekurve (N1) für Rindfleisch eingezeichnet. a. Tragen Sie die neue Nachfragekurve (N2) ein für den Fall, dass unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus) weniger Rindfleisch nachgefragt wird. b. Wie wirkt sich die Verringerung der Nachfrage auf den Gleichgewichtspreis aus? c. Mögliche Ursachen des Nachfragerückganges. N1 A1 P1 M1 N1 A1 P1 M1 Im nebenstehenden Diagramm sind die Angebotskurve (A1) und eine Nachfragekurve (N1) für Äpfel eingezeichnet. a. Tragen Sie die neue Angebotskurve (A2) ein für den Fall, dass unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus) das Angebot an Äpfel verringert wird. b. Wie wirkt sich die Verringerung des Angebots auf den Gleichgewichtspreis aus? c. Mögliche Ursachen des Angebotsrückganges: N1 A1 P1 M1 Im nebenstehenden Diagramm sind die Angebotskurve (A1) und eine Nachfragekurve (N1) für lange Röcke eingezeichnet. a. Tragen Sie die neue Nachfragekurve (N2) ein für den Fall, dass unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus) die Nachfrage an langen Röcken vergrössert wird. b. Wie wirkt sich die Nachfragesteigerung auf den Gleichgewichtspreis aus? c. Mögliche Ursachen der Nachfragezunahme: WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub N1 A1 P1 M1 Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Beispiele: Veränderung des Marktgleichgewichtes: Beispiel Milch • Preise für Heu ↑ Produktionskosten Milch ↑ Produzenten bieten zu jedem Preis weniger Milch an Angebotskurve für Milch verschiebt sich nach links. • Nach Verschiebung der Angebotskurve pendelt sich ein neues Gleichgewicht bei p2 und q2 ein. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Vollständige Konkurrenz ober Modell des vollkommenen Marktes Modell des vollkommenen Marktes 1. Homogenität der Güter 2. Keine persönlichen, räumlichen und zeitlichen Präferenzen der Anbieter/Nachfrager. Anbieter und Nachfrager gibt es in grosser Zahl, der Einzelne kann den Preis nicht beeinflussen. 3. Vollständige Markttransparenz 4. Unendliche Anpassungsgeschwindigk eit. Der Marktzutritt ist frei und jederzeit können neue Konkurrenten eintreten. Die Güter müssen objektiv und in den Augen der Nachfrager vollständig gegeneinander austauschbar sein und Bsp. keine Qualitätsunterschiede aufweisen. Der Nachfrager bevorzugt keinen Anbieter, weil er ihn Bsp. persönlich bekannt ist oder weil dessen Standort günstiger ist. Alle Anbieter sind gleichzeitig zum Leistungsaustausch bereit. Alle Anbieter und Nachfrager kennen alle Marktdaten, insbesondere die Produktionspreise. Änderungen von Angebot und Nachfrage führen ohne zeitliche Verzögerung zu einem neuen Marktpreis. Ein solcher Markt ist in Realität kaum möglich. Jedoch beobachtet man, dass in Märkten mit nicht völlig homogenen Gütern, mit wenig Teilnehmern, mit erschwertem Marktzutritt und mit unvollständiger Information die Marktkräfte so stark sind, dass über kurz oder lang Angebot und Nachfrage zu einem Markt zusammenfinden. Exkurs: Vollständige Konkurrenz • Die Bedingungen der vollständigen Konkurrenz sind selten vollständig erfüllt. • Sie sind aber meist in einem Ausmass erfüllt, dass sie die Aussagekraft des Marktmodells nicht entscheidend einschränken. Ein Markt, der dem oben beschriebenen Modell des vollkommenen Marktes sehr nahe kommt, ist „Ebay“. Nachfolgender Artikel vom NZZ Folio, (September 2002) zeigt dies beispielhaft. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Die Ohrfeige der unsichtbaren Hand Das Internet-Auktionshaus Ebay ist der grösste Marktplatz der Welt. 50 Millionen Teilnehmer tummeln sich darauf und verwirklichen Adam Smiths Traum vom perfekten Markt - scheinbar. Anscheinend braucht niemand Adam Smith, Artikel 1551849440. Sein weltberühmtes Hauptwerk, «The Wealth of Nations», ist der Wirtschaftsklassiker schlechthin, das theoretische Fundament der freien Marktwirtschaft. Ausgabe von 1937, mit Goldlettern und in Leinen gebunden. Eine Zierde für jede Privatbibliothek. Zum Schnäppchenpreis von drei Dollar wird es in der Internet-Tauschbörse Ebay angeboten. Noch eine Stunde bis zum Ende der Auktion. Doch es gibt kein einziges Gebot. Niemand braucht das Buch, weil Ebay selbst den Traum vom perfekten, unregulierten Markt zu verkörpern scheint, den Smith in seinem «Reichtum der Nationen» formulierte. Eine «unsichtbare Hand», schrieb er, regle den freien Austausch der Waren, wenn der Staat sie nicht mit Zünften und Zöllen behindere. Ebay lässt das Wirken dieser Hand auf wundersame Weise sichtbar werden. Hier kann jeder mitbieten, und jedem wird etwas geboten. Von antiquarischen Büchern bis zu Zierfischen, von Autoreifen bis zu Zuchtpferden. Die Klamotten des Mafiabosses John Gotti wurden hier von seinem Knastbruder verhökert. Die Nasa sucht nach Ersatzteilen für das angejahrte Spaceshuttle. Spionagegerät der US-Luftwaffe wird ebenso gehandelt wie eine Gedenkmünze zum Rütlischwur. Und die Geheimdienste vermuten, dass das Al-Kaida-Netzwerk kommuniziert, indem die Terroristen Geheimbotschaften in Ebay-Fotos verstecken. Ebay, die vielleicht erfolgreichste Internetfirma aller Zeiten, ist zum Inbegriff des Webwirtschaftswunders geworden. Während die Weltökonomie derzeit in einer tiefen Krise steckt, floriert der virtuelle Flohmarkt mehr denn je: Der Nettoumsatz des zweiten Quartals 2002 schnellte auf die Rekordhöhe von über einer Viertelmilliarde Dollar hoch und wuchs damit um atemraubende 66 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Gewinn: über 50 Millionen Dollar im letzten Vierteljahr. Und dieser märchenhafte Erfolg hat viel mit dem Artikel 1551849440 zu tun, der sich im Netz so schleppend verkauft: Adam Smith. Angeblich fing alles mit Pez-Figuren an, mit süssen Prickelbonbons in Plastic-Spendern, verziert mit den Köpfen von Comicfiguren wie Asterix, Donald Duck und Goofy. Es war einmal, so beginnt das Märchen, vor gar nicht allzu langer Zeit ein Programmierer namens Pierre Omidyar, der lebte im Silicon Valley, unweit von San Francisco. Er war das Kind einer Französin und eines Persers, geboren 1967 in Paris, aufgewachsen in Washington DC, Anfang der Neunziger ins HightechParadies Kalifornien gezogen, wo er für eine Firma mit dem wunderbaren Namen General Magic arbeitete. Im Sommer 1995 sass Pierre Omidyar mit seiner Verlobten beim Abendessen, und sie erzählte ihm von ihrer heimlichen Leidenschaft: dem Sammeln der lustigen bunten Pez-Spender. Doch seit sie von ihrer Heimatstadt Boston an die 5000 Kilometer entfernte Pazifikküste gezogen war, hatte sie den Kontakt zu ihrer Sammlerclique verloren. Um ihr eine kleine Freude zu machen, setzte Omidyar sich an seinen Rechner und bastelte seiner Angebeteten eine neue Heimat: eine kostenlose Tauschbörse im Internet. Noch am selben Wochenende schaltete er die Homepage unter dem Namen Auction Web frei. Am ersten Tag verzeichnete er keinen einzigen Besucher. Doch in den folgenden Wochen tauchten die ersten Angebote auf: ein signiertes Michael-JacksonPoster für 400 Dollar zum Beispiel, eine Amiga-Konsole für 260 Dollar. Und natürlich Pez-Figuren. Die Tauschbörse entwickelte sich schnell zum Geheimtipp, ohne dass je ein Cent in Werbung geflossen wäre. In einer Art Engelskreis zogen immer mehr Anbieter immer mehr Käufer an. Fast wie im Sterntaler-Märchen überfluteten bald Briefe mit Dollarnoten Omidyars Briefkasten, ein gutes halbes Jahr nach dem Start von Auction Web erzielte er bereits einen Umsatz von 10 000 Dollar. Er kündigte bei General Magic, denn sein bescheidenes Hobby hatte eine ganz eigene Magie entwickelt: Auction Web warf tatsächlich vom ersten Monat an einen satten Profit ab. Der Liebesdienst für seine Verlobte hatte Omidyar über Nacht in ein Wirtschaftswunderkind verzaubert. So weit die romantische Version. In der historisch-kritischen Ausgabe wollte Omidyar einfach eine Geschäftsidee testen, baute eine Auktionssite und bot dort kaltschnäuzig einen scheinbar wertlosen Gegenstand an: einen kaputten Laserzeiger, wie sie gern für Vorträge und WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Präsentationen verwendet werden. Aufrichtig beschrieb er die Macken des Gerätes, das neu etwa 30 Dollar wert war. Eine Woche lang kam kein einziges Gebot. In der zweiten Woche bot jemand drei Dollar, dann jemand vier. Als die Versteigerungsfrist ablief, hatte Omidyar vierzehn Dollar verdient. Mit etwas, das für ihn selbst völlig wertlos war. Als sei der kaputte Laserpointer eine Art Zauberstab. Da wurde Omidyar die wahre Magie seiner Versteigerungsmaschine klar: Er hatte den perfekten Markt geschaffen - das, was Adam Smith in «Reichtum der Nationen» nur als abstraktes Ideal formuliert hatte, schien in der wunderbaren Welt des Cyberspace Wirklichkeit zu werden. Ein Paradies des freien Handels aller mit allen, ohne Grenzen und Kartelle, «wo die Dinge ihrem natürlichen Lauf überlassen sind», wie es Adam Smith formulierte, auf dass die «unsichtbare Hand» ungehindert zu einer angemessenen Preisfindung führe. Und einen «gerechten Preis» gebe es nicht - nur den Tauschwert. Diese Bibel des freien Marktes erschien im Jahr 1776, dem Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Zweihundert Jahre darauf wurde Adam Smith, als Urvater der «West Coast Ideology» adoptiert, als Vordenker einer eigenartigen Mischung aus Liberalismus, Hippiekultur und Technikgläubigkeit. Wenn also irgendein Spinner, Sammler oder Bastler bereit war, Omidyar das abzukaufen, was für diesen ohne Wert war, so bedeutete das nicht nur für beide einen Gewinn. Der defekte Laserpointer war ein Signal für eine Art Marktrevolution, eine Unabhängigkeitserklärung, mit der sich der Cyberspace von den unfairen Regeln der Grosskonzerne, der Markenwerbung und der blinden Konsumgier distanzierte. «Von einem liberalen Standpunkt aus ist es gar nicht lustig, wenn irgendein Konzern dich mit immer mehr und mehr Produkten vollstopft», so Omidyar. Das InternetAuktionshaus könnte die Menschen aus der Abhängigkeit von zentralistischen Grossunternehmen befreien, indem alle Käufer Zugang zu denselben Informationen und Produkten haben. Das elektronisch geebnete Spielfeld würde automatisch zum «perfekten Preis» führen. Ebay ist eine Art kollektives Computerspiel: Nacht für Nacht schütteln die Nutzer sich gegenseitig ihre unsichtbaren Hände per Internet, indem sie nicht nur Pez-Figuren und kaputte Laserpointer austauschen, sondern auch Plaudereien, Streit, Gerüchte und fast alles, was seit je zu einem lebendigen Marktplatz gehört. Mit «Hallöchen» begrüssen sie sich im Chatraum «Ebay Café», tauschen Kochrezepte, Ehesorgen und Tipps für die Kindererziehung aus und verabschieden sich mit den Worten «Knuddelknuddel». Die WG-Atmosphäre geht so weit, dass es zeitweilig ausreicht, «Pop» zu schreiben, um von allen Teilnehmern ein «Pop, pop» zu ernten: die virtuelle Form einer Popcornparty. Derlei Albernheiten wirken auf Aussenstehende zunächst so befremdlich, als hätten sie sich in eine fremde Wohnküche verirrt - und doch sind sie das Fundament, auf dem der virtuelle Marktplatz ruht. Denn ohne das gegenseitige Vertrauen würde Ebay sich über Nacht in nichts auflösen. Schliesslich kennen sich die Geschäftspartner nur als Schriftzeichen auf dem Bildschirm - nicht einmal Fotos werden verwendet, um sich kennenzulernen. Stattdessen wird jeder an seinen Taten gemessen: Unter der Rubrik «Bewertungen» kann jeder nach erfolgtem Kauf eine Bewertung abgeben. «Rekord!! So schnell wurde noch nie bezahlt», steht zum Beispiel in einem Nutzerzeugnis, weltweit einsehbar, «nie wieder!» oder auch: «flip flop, tip top!!! alles perfekt gelaufen, würde ich sofort heiraten!!!» Wie damals in der Grundschule gilt es hier, möglichst viele Sternchen zu verdienen, die im Folgenden hinter dem eigenen Namen auftauchen - als Empfehlung oder Warnung. Die virtuelle Dorfgemeinschaft übt damit eine lückenlose soziale Kontrolle aus, die dem modernen Städter altmodisch und fast bedrohlich erscheinen muss. Aber Ebay ist mehr als nur Marktplatz, globales Dorf oder Geldmaschine. Ebay ist auch eine Grossexpedition in die Natur des Menschen, mit 50 Millionen begeisterten Probanden, die sich gemäss einer gewagten Annahme verhalten: «Wir glauben, dass die Menschen gut sind.» Mit diesem Satz beginnen die «Grundsätze der Gemeinschaft», denen sich jeder Ebay-Nutzer mit seiner Anmeldung verpflichtet. «Wir glauben, dass eine offene Gemeinschaft das Beste in den Menschen hervorbringt», heisst es weiter, «wir bauen eine neue Welt und eine Gemeinschaft im Internet. Jeder ist eingeladen, an dieser Welt mitzubauen.» WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Ebay hat keine Kontrolle über die Qualität der Waren, die auf der Site gehandelt werden. Ebay ist eine virtuelle Kontaktbörse ohne Fabrik, Fuhrpark oder Lagerhaus, denn Geld und Waren werden direkt von Kunde zu Kunde getauscht. Ebay ist eine milliardenschwere Wette auf die unsichtbare Hand. Nur dieser Glaube hält den Laden am Laufen. «Die Markenerfahrung bei Ebay», sagt Omidyar, «hängt davon ab, wie die Kunden sich gegenseitig behandeln.» Diese Laisser-faire-Haltung gilt als Erfolgsrezept von Ebay. Der schärfste Konkurrent, die Auktionssite Onsale, hatte anfangs viermal mehr Kunden als Ebay. Doch Onsale lagerte und verschickte die gehandelte Ware selber, was zu hohe Kosten verursachte. Das Prinzip setzte sich nicht durch, Ebays Vertrauen in die Kunden dagegen triumphierte in diesem Doppelblindversuch der beiden konkurrierenden Konzepte. Denn indem Ebay sich auf das Zustandekommen der Kundenkontakte konzentriert, ohne den Warenfluss zu reglementieren, wälzt es das finanzielle Risiko und die moralische Verantwortung fast komplett auf die Kunden ab, die salbungsvoll abgespeist werden: «Wir fordern jeden dazu auf, sich anderen gegenüber so zu verhalten, wie er von ihnen behandelt werden möchte.» Ebay will lediglich Bühne und Theaterkasse sein für das menschliche Drama zwischen Anbieter und Käufer. Schnell umspannte das elektronisch ausgebügelte Spielfeld den halben Erdball. 1998 erfolgte der Börsengang. Heute hat Ebay rund 50 Millionen angemeldete Mitglieder und ist auf dem Weg zum Weltreich des Reichtums jenseits der Nationen. Der perfekte Marktplatz wächst sich selber über den Kopf. Und entfernt sich damit immer weiter von den ursprünglichen Grundsätzen. Das Grossexperiment in Sachen Marktwirtschaft folgt stur dem Willen seiner Teilnehmer - und die schlagen derzeit einen überraschenden Kurs ein. Nie konnte die unsichtbare Hand so frei schalten und walten wie in der virtuellen Welt. Nun holt sie aus zu einer schallenden Ohrfeige für die Ideologen der totalen Liberalisierung. Der freieste Markt der Welt scheint sich nach Festpreisen, Grosskonzernen, Sicherheit und Grosskundenprivilegien zurückzusehnen, als deren Gegenentwurf er angetreten war. Noch diesen Herbst sollen Ebay-Terminals in ausgewählten Computerläden aufgestellt werden. Aber natürlich nur, wenn diese zu einer grossen Kette mit vielen Filialen gehören. Ebay erobert auch den Automarkt, oder anders herum: Alfa Romeo und Audi bieten Neuwagen auf dem Marktplatz an, der doch eigentlich dem freien Handel der Endkunden untereinander vorbehalten sein sollte, als «andere, neue Welt». Auch das Auktionshaus Sotheby's ist auf Ebay vertreten. Eine eigene Ebay-Polizei macht neuerdings Jagd auf Raubkopien von Filmen, Musik und Software, und im März 2000 führte Ebay sogar eine alte Form des Handels wieder ein: den Festpreis, Sofortkauf genannt. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass nicht mehr das Ende einer Auktion abgewartet werden muss. Aber mit dem Ideal des «perfekten Preises» hat das nichts mehr zu tun. Dazu verfügt Ebay seit dem Juli dieses Jahres über eine Art eigene Währung, indem es Paypal schluckte, einen Bezahlservice, der es Kunden in 37 Ländern ermöglicht, einfach und schnell per E-Mail zu bezahlen. Dadurch könnte Ebay demnächst unter das strenge Bankengesetz fallen, befürchten Branchenkenner. Und spätestens seit der Fusion der beiden Branchenführer sind nun sogar die Kartellwächter hellhörig geworden. Das Ebay-Reich verästelt sich immer weiter und ist heute fast so kompliziert wie das eidgenössische Steuerrecht. Ohne Expertenrat läuft nichts mehr. Was sagt uns das? Möglicherweise steht das ja dort, wo es scheinbar niemanden interessierte. Irgendwo bei Adam Smith, Artikelnummer 1551849440. In letzter Minute löst der schliesslich doch noch eine ganze Menge: vierzehn Dollar. Genau so viel wie Omydiars kaputter Laserzeiger, mit dem alles anfing. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Immer mehr Getreide und immer mehr Hunger: Marktmanipulation und spekulative Erwartungen in den Nahrungsmittelpreisen von Thomas Kreyenbühl, Neue Zürcher Zeitung vom 11. April 2008 Im vergangenen Jahr ist die weltweite Getreideproduktion um fast 5% ausgeweitet worden. Und trotzdem lassen gegenwärtig viele Entwicklungsländer mit Hungerprotesten aufhorchen. Der Zugang zu den Nahrungsmitteln wird durch hohe Weltmarktpreise verbaut. Hunger ist nicht eine Folge mangelnder Nahrungsmittel, sondern des mangelnden Zugangs zu den Nahrungsmitteln. Selten seit der «grünen Revolution» in den 1960er Jahren war diese Binsenwahrheit zutreffender als heute: Die weltweite Getreideproduktion ist im vergangenen Jahr um 4,6% auf 2103 Mio. t gestiegen, und aus Haiti wird gemeldet, mehrere Personen seien bei Hungerprotesten getötet worden. Unmutskundgebungen werden auch aus Ägypten, Burkina Faso, Kamerun, Indonesien, Côte d'Ivoire, Mauretanien, Moçambique und Senegal gemeldet. Der Krisenherde könnten, so befürchtet Jacques Diouf, der Generaldirektor der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), bald noch mehr werden. Höchstnotierungen Der Grund ist immer der gleiche: In den Nahrungsmitteln reflektieren sich die stark gestiegenen Weltmarktpreise der landwirtschaftlichen Rohwaren: Die Preise für Weizen und Soja haben sich zwischen Frühjahr 2007 und Mitte Februar verdoppelt. Mais ist seit letztem Herbst um 66%, Reis in den vergangenen zehn Monaten um etwa 75% teurer geworden. Der von der FAO berechnete Food-PriceIndex ist innerhalb nur eines Jahres (März zu März) um 57% gestiegen. Damit sind die Nahrungsmittel für erhebliche Teile der Weltbevölkerung zu teuer geworden, ihre Kaufkraft reicht nicht mehr aus. Allein mit Angebotsknappheit kann das Ausmass des Preisauftriebes nicht erklärt werden. Einschliesslich Lagerabbaus standen dem Konsum im letzten Jahr 2120 Mio. t (+2,6%) Getreide zur Verfügung. Dabei haben sich die einzelnen Verbrauchs-Kategorien jedoch unterschiedlich entwickelt. Obwohl sich die Weltbevölkerung jährlich um 6% bis 7% vergrössert, dienten nur 1006 Mio. t (+1%) der menschlichen Nahrung, und 754 Mio. t (+2%) wurden wegen des höheren Fleischverbrauches in den Industrieländern und den erfolgreichen Schwellenländern (China, Indien) als Futtermittel verwendet. Die Mehrproduktion kam somit hauptsächlich der Industrieverarbeitung zu Stärke, Süssstoffen und neuerdings Ethanol (rund 360 Mio. t) zugute. Biotreibstoff – ein Sündenbock Die FAO schätzt, dass 2007 zur Biotreibstoff-Produktion wenigstens 100 Mio. t Getreide benötigt wurden. Allein in den USA wurden 81 Mio. t (+37%) Mais zu Ethanol verarbeitet. Ist es also der stark subventionierte Biotreibstoffboom, der die Getreideknappheit, die hohen Preise und damit auch den Ernährungsnotstand in den Entwicklungsländern verursacht? Vermutlich nicht oder nicht allein. Die eingangs erwähnte Getreide-Mehrproduktion des letzten Jahres erklärt sich nämlich zu grossen Teilen mit ebendieser gezielt zur Biotreibstoff-Herstellung ausgeweiteten amerikanischen Maisproduktion. Dabei mögen Verdrängungseffekte eine gewisse, aber kaum die entscheidende Rolle gespielt haben. Der Zusammenhang Mais statt Weizen stimmt für die extensive, stark auf Preisimpulse reagierende US-amerikanische Landwirtschaftsproduktion kaum. So kann gegenwärtig beobachtet werden, dass die Weizenaussaat dank den hohen Weltmarktpreisen erheblich steigt, ohne dass im laufenden Jahr eine entsprechende Kürzung bei der Maisproduktion erwartet würde. Die Industrie-Nachfrage allein kann somit für den Getreidepreis-Boom und die weltweite Nahrungsmittelknappheit nicht verantwortlich gemacht werden. Entscheidender sind andere Ursachen. Wenn die gesamte Getreideproduktion (ohne den amerikanischen Mais) im vergangenen Jahr nur geringfügig stieg, hatte dies hauptsächlich mit der extremen Trockenheit in Australien und Kanada zu tun, mit dem Frühjahrsfrost in den Vereinigten Staaten und auch mit den schweren Regenfällen, die osteuropäische Anbaufelder unter Wasser setzten. Der Preisauftrieb erklärte sich zudem mit der wachsenden Kaufkraft einiger Schwellenländer. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern In Bezug auf die klimatischen Faktoren zeichnet sich für das laufende Jahr eine klare Besserung ab. Gefährliche Krankheiten sind ausser dem Schwarzrostpilz-Stamm Ug 99, der sich in den letzten Monaten über Afrika hinaus bis auf die Weizenfelder in Iran und Pakistan verbreitetet hat, nirgends zu erkennen. Auch die Gefahr von Lieferstörungen ist ausser in Argentinien, wo der Ausgang des Machtkampfes zwischen Staatspräsidentin Cristina Fernández und den Landwirtschaftsproduzenten aber noch offen ist, gering. Sollte sich das Konjunkturklima nun tatsächlich verschlechtern, wird zudem die Futtermittelnachfrage weniger rasch zunehmen. Und in Europa scheint die Biotreibstoff-Euphorie langsam an ihr Ende zu stossen, die Substitutionseffekte werden sich abschwächen. Die Produktionsperspektiven sind ausser beim Reis wieder sehr viel günstiger geworden. Die FAO rechnet für dieses Grundnahrungsmittel von drei Milliarden Menschen mit einer Mehrproduktion von nur 1,8%. Die Lager sind bereits erheblich ausgedünnt worden, wichtige Exportländer (bisher Indien, Vietnam, China und Ägypten, auf die mehr als ein Drittel der globalen Exporte entfallen) haben die Ausfuhr gedrosselt, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen. Der Verteilungskampf könnte von einem weiteren Preisauftrieb begleitet sein. Bei den übrigen Getreidearten ist eine Verminderung des Nachfrageüberhanges hingegen wahrscheinlich geworden. Ausser bei Weizen und Soja, die seit einigen Wochen wieder günstiger notierten, verharren die Preise aber auf hohem Niveau oder steigen weiter. Neue Preiseinflüsse Auch die in den letzten Monaten ungewöhnlich starke Preisvolatilität lässt erkennen, dass der Markt Veränderungen der Einflussfaktoren auf Angebot und Nachfrage nicht mehr mit der früher üblichen Aufmerksamkeit wahrnimmt und verarbeitet. Seit der Handel mit verbrieften Wertpapieren illiquid geworden ist, haben sich die Anleger und Banktrader förmlich auf die Rohstoffmärkte gestürzt. In den Preisbewegungen der sozial sensiblen landwirtschaftlichen Güter spiegeln sich nun vermehrt auch Marktmanipulation und spekulative Erwartung. Preisanstiege bei Metallen oder Energieträgern führen normalerweise zu sparsamerem Konsumverhalten. Bei den landwirtschaftlichen Rohwaren herrschen andere Voraussetzungen. Ist die Absorptionskraft der staatlichen «Stossdämpfer» (Lagerhaltungen, Preiskontrollen, Subventionen, Exportbeschränkungen usw.) erschöpft, droht Hunger, sind Unruhen nicht auszuschliessen. Die weltweiten Getreide-Lagerbestände sind über das vergangene Jahr hinaus um 5,2% auf 405 Mio. t abgebaut worden. Es handelt sich um den tiefsten Stand seit 1982. In der Armutsspirale Je ärmer die Haushalte, desto grösser ist der Einkommensanteil, der für die Ernährung verwendet wird. In den Industrieländern beläuft er sich auf etwa 15%, in vielen Entwicklungsländern sind es mehr als 50%, bei den ärmsten (mit Einkommen von weniger als 1 $ pro Tag) oft sogar mehr als 75%. Gemäss Uno World Food Programme (WFP) ist es seit 1969 gelungen, die Zahl der Hungerleider an der Weltbevölkerung von 37% auf 17% zu mindern. WFP-Exekutivdirektorin Josette Sheeran rechnet nun aber wieder mit steigender Tendenz. Sie sorgt sich nicht nur um die städtische Bevölkerung, sondern auch die Kleinbauern ohne Marktzugang, die unter erheblich höheren Energie- und Düngerpreisen leiden. Müssen grössere Einkommensteile für die Ernährung verwendet werden, bleibt weniger für Erziehung und Gesundheit, die Armutsspirale drehe sich daher wieder rascher. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Schwierige Begriffe im Artikel Grüne Revolution Als Grüne Revolution wird der Versuch der Weltbank bezeichnet, seit den 60er Jahren in Indien sowie den Ländern von Asien, Afrika, Lateinamerika durch damals modernere Agrartechnik die Armut zu bekämpfen und die Ernährungssicherheit bei stark wachsender Bevölkerung zu gewährleisten. (Monokulturen, Kreuzungszüchtung verschiedener Getreidearten, neu gezüchtetes Saatgut, verstärkten Einsatz von Dünger, Wasser und Pflanzenschutzmittel usw.) FAO Food and Agriculture Organization: UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft Ethanol/Biotreibstoff Als Bioethanol bezeichnet man Ethanol, das ausschließlich aus Biomasse oder den biologisch abbaubaren Anteilen von Abfällen hergestellt wurde und für die Verwendung als Biokraftstoff bestimmt ist. Preisvolatilität Volatilität (zu lat. volatilis „fliegend; flüchtig“) bezeichnet in der Statistik die Schwankung von Zeitreihen. Hier: Ausmass der Preisschwankungen Extensive Produktion Extensive Landnutzung nennt man eine Landnutzung mit hohem Verbrauch an Fläche, aber geringem Eingriff, intensive Landnutzung ist deren Gegenteil. Wachsende Kaufkraft Als Kaufkraft der Verbraucherhaushalte wird das in privaten Haushalten für Konsumzwecke verfügbare Einkommen bezeichnet, Schwellenländer Ein Schwellenland (engl. Newly Industrialized Country) ist ein Staat, der traditionell noch zu den Entwicklungsländern gezählt wird, aber nicht mehr deren typische Merkmale aufweist. Deshalb wird ein solches Land begrifflich von den Entwicklungsländern getrennt. Ein Schwellenland ist auf dem Wege zur Industrialisierung. Marktmanipulation Als Marktmanipulation werden eine Reihe von Praktiken bezeichnet, durch unfaire Massnahmen die Preisfindung auf Märkten zu beeinflussen, um ungerechtfertigte Gewinne zu erzielen. Aus ökonomischer Sicht führen Marktmanipulationen zu Ineffizienzen. Fragen zum Artikel Frage 1 Die Weizenpreise haben sich im Zeitraum von Frühling 2007 bis Februar 2008 verdoppelt; gleichzeitig ist die produzierte Menge grösser geworden. Dies ist vor allem die Folge einer Verschiebung der Nachfragekurve für Weizen. Wie hat sich die Nachfragekurve verschoben, und welche Gründe für die Verschiebung werden im Artikel genannt? Die Nachfrage nach Weizen hat zugenommen, die Nachfragekurve hat sich also nach rechts verschoben. Als Gründe werden genannt: • Die Anzahl der Nachfrager nimmt mit dem Wachstum der Weltbevölkerung zu • Das Wachstum der Einkommen in den Schwellen- und Industrieländern führt zu einer höheren Nachfrage nach Fleisch und damit indirekt auch zu einer höheren Nachfrage nach Getreide, das bei der Fleischproduktion als Futtermittel dient. • Der Boom bei der Verarbeitung von Mais zu Ethanol als Biotreibstoff (v.a. in den USA) hat die Maispreise erhöht. Da Weizen und Mais bis zu einem gewissen Grad Substitutionsgüter sind, haben die anziehenden Maispreise die Nachfrage nach Weizen erhöht. • Die Spekulation auf künftige Preissteigerungen fördert die aktuelle Nachfrage zusätzlich. Das Angebot an Weizen hat gemäss Artikel ebenfalls leicht zugenommen. Allerdings vermochte die Rechtsverschiebung der Angebotskurve den Preisanstieg nicht zu kompensieren. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Frage 2 Welche Anreize setzen die hohen Weizenpreise bei den Produzenten? Gemäss dem Artikel stieg die Weizenaussaat für das laufende Jahr (2008) aufgrund des guten Preisumfeldes erheblich. Hohe Preise sind auf der einen Seite – gerade bei lebensnotwendigen Nahrungsmitteln – für arme Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern ein existenzielles Problem. Auf der anderen Seite zeigt der Artikel, dass die hohen Preise ein Knappheitssignal aussenden und so die Produzenten dazu bewegen, die Produktion zu erhöhen. Damit besteht die Möglichkeit, dass das Angebot mit der steigenden Nachfrage Schritt hält und der Aufwärtsdruck bei den Weizenpreisen in Zaum gehalten werden kann. Frage 3 Untersuchen Sie, inwiefern der Weizenmarkt die Voraussetzungen für vollständige Konkurrenz erfüllt. Vergleiche Lehrbuch S. 30: - Homogenität: Weizen ist ein relativ homogenes Gut. Ob der Weizen nun aus der Schweiz oder einem anderen Land stammt, macht qualitativ keinen grossen Unterschied. - Beeinflussbarkeit des Preises: Ein einzelner Produzent (Bauer) kann durch eine Anpassung seiner Produktionsmenge den Weizen-Weltmarktpreis nicht beeinflussen. - Marktzutritt: Der Marktzutritt bei Landwirtschaftsprodukten ist für neue Produzenten offen; die einzelnen Produzenten können andere Produzenten kaum davon abhalten, in den Markt einzutreten. Allerdings sind die Märkte, vor allem in den Industrieländern, durch staatliche Zollschranken relativ stark abgeschottet. - Information: Die einzelnen Bauern und die Käufer der Produkte sind in der Regel gut über die herrschenden Marktpreise informiert. Aus diesen Gründen ist der Weizenmarkt – bis auf die teilweise starke staatliche Abschottung durch Zölle – ein Beispiel für einen Markt, welcher den Bedingungen der vollständigen Konkurrenz relativ nahe kommt. Frage 4 Der Weizenpreis ist gemäss dem Artikel im Jahr 2007 stark gestiegen und war zudem sehr starken Schwankungen unterworfen. Bei verarbeiteten Weizenprodukten wie zum Beispiel Brot beim Grossverteiler können Sie solche starken Preisschwankungen kaum beobachten. Welche Gründe können für die starke Preisvolatilität aufgeführt werden? Weizen ist im Gegensatz zum verarbeiteten Produkt Brot ein relativ homogenes Gut. Französischer Weizen unterscheidet sich kaum von Schweizer Weizen, französisches Brot hingegen unterscheidet sich von Schweizer Brot. Je homogener ein Gut, desto eher kann das Gut an einer Börse gehandelt werden, und desto eher bildet sich ein Weltmarktpreis heraus. Da Weizen, wie die meisten Rohstoffe auch, an Börsen gehandelt wird, ist der Weltmarktpreis zahlreichen Einflüssen und letztendlich auch der Spekulation ausgesetzt, was die starke Volatilität erklärt. Der NZZ-Artikel spricht im Zusammenhang mit den jüngsten Preisanstiegen und der Preisvolatilität sogar von Marktmanipulation. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Die Elastizität Die Ökonomen interessiert es, wie gross die Abhängigkeit von Preisänderungen auf die Menge ist, d.h. wie stark eine abhängige Grösse auf eine Einflussgrösse reagiert. Preiselastizität der Nachfrage: Wie reagiert die Nachfrage auf Preisänderungen Elastische Nachfrage Preiselastizität der Nachfrage (PN) > 1 Unelastische Nachfrage Preiselastizität der Nachfrage (PN) < 1 Starre Nachfrage Preiselastizität der Nachfrage (PN) = 0 PN = relative Änderung der Nachfragemenge relative Änderung des Preises Bsp. Bsp. Bsp. Preis Gut steigt um 10 %, Preis Gut steigt um 10 %, Preis Gut steigt um 10 %, Nachfrage geht um 20 % zurück Nachfrage geht um 5 % zurück Nachfrage geht nicht zurück (Kurve ist flach) (Kurve ist steil) (Kurve ist vertikal) Nachfrage wird elastischer, wenn Subsitutionsgüter vorhanden sind Nachfrage wird elastischer je weniger Dringlich ein Gut ist Nachfrage wird starr wenn Gut lebensnotwendig ist Viele Güter zeigen auf lange Frist eine grössere Preiselastitzität als kurzfristig. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Vollkommen elastische Nachfrage (= ∞) Vollkommen unelastische Nachfrage (= 0) Die Steilheit der Nachfragekurve gibt Auskunft über die Preiselastizität der Nachfrage. Je geringer die Preiselastizität, desto steiler verläuft die Nachfragekurve. Eine vollkommen unelastische Nachfragekurve (0) zeigt sich in einer völlig senkrechten Nachfrage-Kurve. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Preiselastizität des Angebotes: Wie reagiert das Angebot auf Preisänderungen Elastisches Angebot Preiselastizität des Angebotes (PA) > 1 Unelastisches Angebot Preiselastizität des Angebotes (PA) < 1 Starres Angebot Preiselastizität des Angebotes (PA) = 0 (trifft kaum zu) PA = relative Änderung der Angebotsmenge relative Änderung des Preises Bsp. Bsp. Bsp. Preis Gut steigt um 10 %, Preis Gut steigt um 10 %, Preis Gut steigt um 10 %, Angebot nimmt um 20 % zu Angebot nimmt um 5 % zu Angebot nimmt nicht zu (Kurve ist flach) (Kurve ist steil) (Kurve ist vertikal) Wenn freie Kapazitätsreserven vorhanden sind ist Angebot elastischer Wenn keine Spezialmaschinen zur Herstellung nötig sind (sondern sog. Universalmaschinen) ist Angebot elastischer. Kurzfristig ist Angebot unelastischer als mittel- und langfristig (Zeithorizont) Vollkommen elastisches Angebot Vollkommen unelastisches Angebot WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Preiselastizität der Nachfrage Unternehmungen interessieren sich für die Preiselastizität der Nachfrage nach ihren Produkten, denn daraus können sie ablesen, welche Folgen Preisänderungen für ihren Umsatz haben. Umsatz = abgesetzte Menge x Preis Umsatz bei unelastischer Nachfrage Der Umsatz steigt bei steigenden Preisen Umsatz bei elastischer Nachfrage Der Umsatz sinkt bei steigenden Preisen Umsatz bei einheitselastischer Nachfrage Umsatz einer geraden Nachfragekurve Preisänderungen bewirken keine Umsatzänderung Verschiedene Elastizitäten einer linearen Nachfragegeraden. WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Übung: Die Elastizität des Angebotes und der Nachfrage am Beispiel der Preisbildung bei der Blumenauktion in Aalsmeer. Im Video wird die Preisbildung von Rosen durch die «Vereinigung für Blumenversteigerungen» im holländischen Aalsmeer dokumentiert. Die Schnittblumenproduktion in Holland übersteigt die einheimische Nachfrage bei Weitem, 80% der Produktion werden deshalb exportiert. Im Auktionshaus in Aalsmeer werden pro Tag 17 Mio. Schnittblumen umgesetzt. 1. Das Rosenangebot in Holland ist konstant. Beschreiben Sie in Stichworten, weshalb es bei Rosen, einem Naturprodukt, nicht zu saisonalen Spitzenangeboten kommt. Die Rosen wachsen das ganze Jahr gleichmässig in Gewächshäusern keine Saison; bei Tulpen geht das nicht 2. Warum ist das Rosenangebot unelastisch? Die Rosen müssen an einem bestimmten Tag geschnitten werden (Länge, Zustand der Knospe) und sofort verkauft werden. Die Züchter können die Rosen nicht lagern und deshalb nicht auf Preisänderungen mit Mengenänderungen reagieren. Im Lager verwelken die Rosen (Mengenrückgang bei Preisrückgang), zu früh geschnittene Rosen werden nicht gekauft. 3. Im Gegensatz zum Angebot ist die Nachfrage nach Schnittblumen elastisch. Beschreiben Sie, was man darunter versteht. Die Nachfrager reagieren auf Preisänderungen für Rosen oder Tulpen. Bei steigenden Preisen fragen sie weniger nach, bei sinkenden Preisen fragen sie mehr nach. Allgemeine Formel: e = nachgefragte Menge in % / Preis in % e > 1 überproportionale Reaktion der Nachfrager z.B. + 20% Menge / -10% Preissteigerung e = 2 (absoluter Wert) 4. Beschreiben Sie, den Ablauf der Auktion. Wer sind die Anbieter, wer die Nachfrager? Standardisiertes Blumenangebot (Farbe, Qualität); Start mit zu hohem Angebotspreis, Anbieter: Blumenzüchter, Nachfrager: Grosshändler; stoppen Uhr = Preis für das Angebot WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern 5. Zeichnen Sie das Marktdiagramm für den Rosenmarkt in Aalsmeer ein. Preis Sorte A1 p1 N q Menge Rosen, Sorte Prinzessin Ada 6. Erstellen Sie ein Diagramm für die beiden Fälle „Muttertag“ und „Krebswarnung“. Muttertag: Preis Krebswarnung: Preis p2 N2 p1 p1 N1 N1 p2 N2 Menge Rosen Menge Rosen 7. Erstellen Sie ein Diagramm für den Fall eines Streiks der holländischen LKW-Fahrer und den Fall der Aufhebung des Streiks. Streik: Preis A2 Aufhebung des Streiks: Preis A1 A2 A1 p2 p1 p1 p2 N N q2 8. q1 q1 Menge Rosen Neue Konkurrenz aus der Dritten Welt Preis Sorte A1 p1 p2 N q1 WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub A2 q2 Menge Rose q2 Menge Rosen Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Übung: Die Elastizität der Nachfrage bei einem Fussballspiel Der FC-Bümpliz, der vor einem Europacupspiel gegen Juventus Turin steht, überlegt sich, wie er die Preise – im Vergleich zu einem üblichen Nationalligaspiel – gestalten soll, um seine Einnahmen zu optimieren. Während einige Vorstandsmitglieder sich für eine massive Preiserhöhung aussprechen, sprechen sich andere sogar für Preissenkungen aus. Die Nachfragekurve für das Spiel sieht folgendermassen aus: Preis Nachfrage in CHF Zuschauer 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 0 5000 10000 15000 20000 25000 30000 35000 40000 45000 50000 55000 60000 Kniffelfrage: Wie sieht die Angebotskurve des FC-Bümpliz aus, wenn das Stadion 50 000 Plätze hat? Der Vorstand interessiert sich brennend für die «Elastizität der Nachfrage», die folgendermassen definiert ist: Preiselastizität der Nachfrage = Veränderung der nachgefragten Menge in % Veränderung des Preises in % Die «Elastizität des Angebotes» ist zudem folgendermassen definiert: Preiselastizität des Angebots = WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Veränderung der nachgefragten Menge in % Veränderung des Preises in % Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Den Vorstand würde vor allem interessieren, wie die Einnahmen bei unterschiedlichen Preisen aussehen würden. Leider kennt er die Nachfragekurve nicht so genau wie wir und kann die folgende Rechnung und Grafik nur etwa schätzen: Preis Zuschauer Einnahmen 60 0 55 5’000 50 10’000 45 15’000 40 20’000 35 25’000 30 30’000 25 35’000 20 40’000 15 45’000 10 50’000 5 55’000 0 60’000 Schlussfolgerung: Berechnen Sie auf der folgenden Seite die Elastizitäten bei den angegebenen Fällen. Wir senken den Preis von Fr. 40.- auf Fr. 30.- Wir erhöhen den Preis von Fr. 30.- auf Fr. 40.- Wir senken den Preis von Fr. 20.- auf Fr. 10.- Wir erhöhen den Preis von Fr. 10.- auf Fr. 20.- WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Schlussfolgerungen: WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Der einfache Wirtschaftskreislauf • • • • • Eine Volkswirtschaft besteht aus dem Zusammenwirken von Millionen von wirtschaftlichen Akteuren Mit einem Wirtschaftskreislauf lassen sich die wichtigsten Akteure und die wichtigsten Transaktionen überblicksartig zusammenfassen. Einfacher Wirtschaftskreislauf: Haushalte und Unternehmen Die Haushalte stellen den Unternehmen Produktionsfaktoren (Kapital bzw. Arbeit) zur Verfügung und erhalten dafür Zins und Lohn. Die Unternehmen stellen den Haushalten Güter und Dienstleistungen zur Verfügung und erhalten den Güterpreis. • WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern-Wankdorf Wirtschaftsmittelschule Bern Der erweiterte Wirtschaftskreislauf: Haushalte, Unternehmen, Staat, Ausland (Der Einfachheit halber sind nur die Geldströme eingezeichnet.) WW-VWL Kapitel 1A. Brunetti/I. Staub