Mobbing: Hinschauen, Handeln. No Blame Approach – ein Mobbing-Interventionsansatz ohne Schuldzuweisung Seit einigen Jahren handeln wir, Stefanie Brüggemann und Sven Göttsche (Beratungslehrer/in am Kepler), nach diesem Modell. Wir stellen es hier kurz vor: "Der "No Blame Approach" (Ansatz ohne Schuldzuweisung) ist eine sehr bewährte und erfolgreiche Methode, Mobbing in der Schule zu begegnen. Er wurde vor ca. fünfzehn Jahren in England entwickelt. Die Methode fand zunächst hauptsächlich in England Verbreitung und wurde dann in der Schweiz erfolgreich eingesetzt. Beim diesem Ansatz werden den "Täterinnen" oder "Tätern" keine Warum-Fragen gestellt. Die Vorfälle und ihre Ursachen werden nicht untersucht, auch Rechtfertigungen für ihre Taten werden nicht verlangt. Der "No Blame"-Ansatz zielt ausnahmslos darauf, Lösungen für das gemobbte Kind zu finden. Dazu braucht es die Hilfe der Kinder: Was können sie tun, damit es dem gemobbten Kind besser geht? Das "Opfer" muss sich wohl und sicher im Unterricht, auf dem Schulhof und dem Schulweg fühlen können. Vorrangig ist das Opfer zu schützen und so zu handeln, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung des Mobbing reduziert. Schritt 1: Gespräch mit dem "Opfer": Wenn die Lehrperson erfährt, dass ein Kind gemobbt wird, holt sie das Kind Einverständnis der Eltern ein und spricht mit dem Kind über seine Gefühle. Sie befragt es nicht nach den Vorfällen, aber sie muss herausfinden, wer mitgemacht hat. Schritt 2: Treffen mit der Unterstützergruppe (ohne das gemobbte Kind): Die Lehrperson lädt Schülerinnen und Schüler zu einem Treffen ein. Einbezogen werden dabei die Täterinnen und Täter, aber auch Mitläuferinnen und Mitläufer sowie Kinder, die bisher nichts mit den Mobbing-Handlungen zu tun hatte, aber eine konstruktive Rolle bei der Lösung der problematischen Situation spielen können. Zusammen bilden diese Kinder eine Unterstützergruppe. Optimal ist eine Gruppe von sechs bis acht Kindern. 2.a Die Lehrperson erzählt den Schülerinnen und Schülern, wie sich das gemobbte Kind fühlt. Sie bespricht mit den Kindern nie die Details der Vorgänge und macht keine Schuldzuweisungen an die Gruppe. 2.b. Keine Schuldzuweisung: Die Lehrperson weist keine Schuld zu, bringt aber ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass sie weiß, dass die Gruppe Verantwortung für ihr Handeln trägt und etwas verändern kann. 2.c. Gruppe nach Ideen fragen: Jedes Mitglied der Gruppe wird ermuntert, Vorschläge zu machen. Das Ziel ist, dass sich das gemobbte Kind besser fühlt. Die Lehrerperson verstärkt die Antworten positiv, insistiert aber nicht und versucht auch nicht, den Kindern ein Versprechen für ein verbessertes Verhalten abzuringen. 2.d Verantwortung der Gruppe übergeben: Die Lehrperson schließt das Treffen ab, indem sie die Verantwortung für die Problemlösung der Gruppe übergibt. Sie vereinbart mit den Kindern ein nächstes Treffen, um den weiteren Verlauf zu verfolgen. Schritt 3: Nachgespräch mit allen Beteiligten: Ungefähr eine Woche später bespricht die Lehrperson mit jedem Kind bzw. Jugendlichen – einschließlich des Opfers – wie sich die Dinge entwickelt haben. Falls es erforderlich ist, werden so lange Gespräche mit der Unterstützergruppe geführt, bis eine dauerhafte Veränderung zum Guten erreicht ist." (Workshop-Unterlagen zum "No Blame Approach" für die Anwendung in der Schule". www.no blame-approach.de) Nach vielen Durchführungen der Methoden sind wir überrascht und glücklich, wie schnell und unspektakulär sich jedes Mal die Dinge verändern. Uns war und ist bewusst, dass wir für diesen Ansatz die Unterstützung der Eltern des gemobbten Kindes brauchen. Sie stehen ihrem Kind nahe, leiden mit ihrem Kind unter den Ausgrenzungen, sind empört über das unsoziale Verhalten der "Täter" und äußern oft den berechtigten Wunsch nach Bestrafung. Bei allem Verständnis bitten wir aber die Eltern darum, während der Zeit, in der wir mit der Unterstützergruppe arbeiten, nicht zu intervenieren und nichts zu unternehmen, was die gegenseitigen unguten Gefühle verstärken könnte. Wir haben das große Glück gehabt, dass die Eltern bisher kooperativ waren und sich davon überzeugen ließen, dass das erste Ziel eine Verbesserung der Situation ist und ihr Wunsch nach Bestrafung demgegenüber zurückstehen muss. Unsere Erfahrungen waren durchweg positiv: Nach sehr kurzer Zeit hat das Mobbing aufgehört, in vielen Fällen waren nur ein- bis zwei Nachgespräche mit den Beteiligten nötig. Die Kinder bzw. Jugendlichen haben sich ernst genommen gefühlt, waren erfreut (und manchmal auch überrascht), dass wir ihnen zutrauen, ihre Konflikte lösen zu können und waren stolz auf ihre Erfolge. Was uns noch gefällt an dieser Methode: Die Dinge werden beim Namen genannt, Schweigetabus und Ängste werden durchbrochen, schnelle Hilfe ist möglich. Das sollte Schüler und Eltern ermutigen, sich frühzeitig zu melden und nicht zu warten, bis die Situation für ein gemobbtes Kind unerträglich geworden ist. Sven Göttsche und Stefanie Brüggemann