steinegger <www.sportpaedagogik.ch> Auszug aus der Diplomarbeit „Gewaltprävention und Intervention im Schulsportunterricht“ von Nüesch-Perret, J. Bern, 2002 4.3. Konsequenzen für die direkte Intervention im Sportunterricht These I Gewaltsituationen haben ihren Ursprung vielfach außerhalb des Sportunterrichts. These II Gewalteskalationen bahnen sich häufig im Verlaufe der Sportlektion an. Experte lI aus Fall 1 sagt: "Gewalt ist immer an einen Kontext gebunden. In einem körperbetonten Unterricht werden Gewaltaktionen eher ausgelöst." Spannungen unter den Kindern entstehen häufig schon auf dem Pausenplatz beim Fussball spielen, auf dem Weg zur Sporthalle, in der Garderobe oder in der Halle vor der Stunde. Wenn man als Lehrperson aggressive Stimmungen, Zickeleien, Unzufriedenheit in einer Klasse früh erkennen will, verlangt dies Präsenz und viel Aufmerksamkeit. These III Erkennt oder spürt eine Lehrperson aggressive Tendenzen oder Verhaltensweisen, so müssen diese mit den einzelnen oder mit der Gruppe angesprochen werden. OLWEUS schreibt: " Wer es unterläßt, aktiv Gegenmaßnahmen bei Gewaltproblemen zu ergreifen, billigt sie stillschweigend." (OLWEUS, 1995, 56) "Wir Erwachsenen sind in der unliebsamen Position, Grenzen ziehen zu müssen. Wir müssen der Jugend sagen, dass es undiskutierbare Werte und Normen gibt." (GUGGENBUEHL, 1996, 216) Es scheint mir wichtig, dass die Lehrperson bei diesem ersten Ansprechen nicht schon Schuldzuweisungen macht und Partei ergreift. Es geht hier darum, dass sie den Kindern sagt, was sie gesehen hat. Dann sollen auch die betroffen Kinder Gelegenheit bekommen, ihre Wahrnehmung zu schildern. In meiner Klasse haben sich die Kinder nach Streitereien immer die Hand zu geben und sich zu entschuldigen. Dies hat sich als Ritual bewährt. 1 steinegger <www.sportpaedagogik.ch> These IV Wenn die Lehrperson aggressive Tendenzen oder Verhaltensweisen nicht frühzeitig erkennt und darauf reagiert, dann kann es im Unterricht rasch zu Gewalteskalation kommen. Hier bleibt der Lehrperson keine Zeit mehr, um pädagogisch und reflektiert zu handeln. Sie muss direkt und schnell intervenieren. These V Wenn man als Lehrperson bei einer Eskalation direkt intervenieren muss, ist es entscheidend, in seinem pädagogischen Handlungsrepertoire ein Handlungsschema von möglichen Interventionen zu haben. Aus diesem Grunde haben wir ein solches Schema entworfen. Es entstand aus unserer praktischen Arbeit. Das Schema soll die Kernpunkte einer direkten, unmittelbaren Intervention aufzeigen. (vgl. Schema Fliessdiagramm 2, folgende Seite). These VI Gewaltsituationen im Sportunterricht schüren Emotionen bei allen Beteiligten. Umso mehr muss die Lehrperson in diesem Moment ihre eigenen Emotionen zügeln. Niemals darf und sollte emotional interveniert werden. GUGGENBUEHL sagt dazu: Gewaltprävention betreiben wir, wenn wir die Auseinandersetzung mit Kindern und Jugendlichen zivilisiert austragen." (GUGGENBUEHL, 1996, 220) Es ist trotz eigenen Emotionen wichtig, dass die Lehrperson - mit etwas Distanz zum „Täter“ - reagieren kann. Dies erfordert Zeit, um sich zu beruhigen und um etwas Distanz zum Vorgefallenen zu bekommen. Meine Erfahrung zeigt, dass es gut ist, sich jeweils zuerst um das Opfer oder die beschädigte Sache zu kümmern. These VII Die Lehrkraft muss nach einer ersten direkten Intervention eine individuelle Entscheidung treffen: Führe ich den Unterricht weiter oder breche ich den Unterricht ab? Bei dieser Entscheidung spielt die Wahrnehmung der Lehrperson eine wichtige Rolle. Wenn ich davon ausgehe, dass ein großer Teil der Klasse involviert ist, soll der Unterricht unterbrochen oder abgebrochen werden. Bei zwei meiner Fälle ist ein Lektionsunterbruch angebracht. 2 steinegger <www.sportpaedagogik.ch> These VIII Wenn ein Lektionsunterbruch in Folge eines Vorfalls gemacht wurde, dann gilt ein geeignetes Vorgehen, das in den meisten Fällen angewendet werden kann. Ich rufe die Klasse, Gruppe zusammen - sie sollen sich hinsetzen. Ich teile den Kindern mit, dass ich mit dem Vorgefallenen nicht einverstanden bin. Ich versuche den Vorfall zu klären Ich sage den Kindern, dass dieser Fall damit noch nicht abgeschlossen ist. These IX Bei einem Lektionsabbruch muss die Lehrperson ein weiteres Vorgehen zur Klärung und zur Weiterführung der Situation planen. Weitere Schritte und Maßnahmen nicht alleine planen. Sich mit dem Lehrpersonenteam, der Schulleitung oder beratenden Instanzen im Schulhaus absprechen. Den Vorfall im Team reflektieren, analysieren bevor man weitere Schritte einleitet. Schülerinnen und Schüler über weitere Schritte informieren. These X Auf jede Gewaltaktion von Schülerinnen und Schülern soll die Lehrkraft eine Konsequenz und Wiedergutmachung aussprechen, bzw. verlangen. "Will man das Verhalten aggressiver Schüler und Schülerinnen verändern, reicht es gewöhnlich nicht aus, wenn der Lehrer oder die Lehrerin wohlwollend Verständnis zeigen. Sowohl Forschung und Erfahrung zeigen, dass man Strafen einsetzen muss in Form irgendeiner negativen Folge für unerwünschtes Verhalten." (OLWEUS, 1995, 88) "Die meisten Schülerinnen und Schüler wollen, dass die Lehrpersonen klare Grenzen setzen. Sanktionen und Strafen können eine Notwendigkeit sein, weil dadurch die Schülerschaft sich ernst genommen fühlt und merkt, dass eine Grenze überschritten wurde." (GUGGENBUEHL, 1996, 220) Ich finde es meistens sinnvoll, wenn man die Schülerinnen und Schüler an der Diskussion über die Form der Wiedergutmachung teilhaben lässt. Die Wiedergutmachung soll dem Täter dazu dienen, seine Handlung zu reflektieren. 3 steinegger <www.sportpaedagogik.ch> Muss der Sportunterricht durch den Vorfall nicht gänzlich unterbrochen werden, nimmt man die Betroffenen zu Seite. Anschliessend kann man gleich vorgehen, wie dies in These VIII geschildert wurde. 4