Motivation und Handlung, Teil 3

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Motivation und Handlung
So wie die Theorie der Verstärkung das Herzstück der modernen Verhaltenstheorie ist, so ist
die Entscheidungstheorie das Herzstück kognitiver Theorien der Handlung. Aus ihrer Sicht
steht Handeln unter Kontrolle zweier Faktoren, den Nutzen oder Werten, die die möglichen
Folgen einer Handlung für uns haben (dem motivationalen Faktor) und den
Wahrscheinlichkeiten, mit der die Folgen eintreten (dem kognitiven Faktor), wobei die
Wahrscheinlichkeiten subjektive Wahrscheinlichkeiten sind. Die Nutzen der Folgen einer
Handlung werden mit ihren Wahrscheinlichkeiten gewichtet (multipliziert) und die Produkte
addiert. Diese Summe ergibt den erwarteten Nutzen einer Handlung genauer den subjektiv
erwarteten Nutzen (SEU-Modell, subjective expected utility). Gewählt wird die Theorie mit
dem höchsten subjektiven Nutzen. Man nennt diese Entscheidungsstrategie Maximierung.
Ein wichtiger Aspekt der Theorie betrifft den Zusammenhang zwischen dem Nutzen eines
Produkts und seiner Menge in der Hand des Besitzers. Mit zunehmender Menge geht deren
weiterer Zuwachs mit immer geringerem Nutzenzuwachs einher. Man bezeichnet dies als
abnehmenden Grenznutzen. (Abb. 1)Dieses einfache psychologische Prinzip erklärt einige
grundlegende ökonomische Tätigkeiten wie etwa den Einkauf von Lebensmitteln.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Entscheidungsverhalten ist, daß wir häufig zu
Entscheidungen gezwungen sind, deren Folgen davon abhängen, ob eine bestimmte andere
Bedingung X vorliegt oder nicht und wir uns nicht sicher sind, ob X vorliegt oder nicht.
Unsere Entscheidung hängt davon ab, für wie wahrscheinlich es wir halten, daß X zutrifft
(kognitiver Faktor) und den Kosten und Nutzen der möglichen Folgen (motivationaler
Faktor). Die Signalentdeckungstheorie stellt eine Anwendung der Entscheidungstheorie auf
diesen Fall dar. (Abb. 2)
Rationales Entscheidungsverhalten führt jedoch nicht immer zu den vortrefflichsten
Ergebnissen. Beispiele dafür sind die Tragödie des Gemeineigentums und das GefangenenDilemma-Spiel. (Abb.3)
Entscheidungstheorie kann auch zum Verständnis der Evolution des Verhaltens beitragen.
Arten entwickeln sich dadurch, daß einige Formen von Arten mehr Nachkommen haben als
andere. Die Zahl der Nachkommen können wir als Ergebnis betrachten , als Nachkommenpay off für die Entscheidung, bestimmte anatomische Strukturen und Verhaltenstendenzen zu
entwickeln. Die Küstenkrabbe ist so „abgestimmt“, daß sie das Beutetier auswählt, das das
Nutzen/Kosten-Verhältnis von Energieaufnahme zu Energieverbrauch beim Fressen
maximiert.
Der im vorigen Semester behandelte Coolidge-Effekt kann betrachtet werden als Verhalten,
das den reproduktiven Erfolg von Männern erhöht. Frauen haben Wege gefunden, ihren
eigenen reproduktiven Erfolg zu erhöhen, indem sie sich auf eine Weise verhalten, die den
Erfolg von Promiskuität bei Männern deutlich verringert.
Bei diesen Beispielen ist die Anwendung der Entscheidungstheorie deskriptiver nicht
kognitiver Natur. Es wird nicht angenommen, daß Tiere irgendwelche Berechnungen
anstellen. Wenn sie sich so verhalten, wie sie es tun, dann deswegen, weil Vorfahren, die sich
so verhalten haben, mehr Nachkommen hatten als solche, die sich nicht so verhalten hatten.
Die jetzigen Tiere haben die Verhaltenstendenzen ererbt.
Auch auf die Verstärkungstheorie kann die Entscheidungstheorie bezogen werden, wie es bei
der Analyse von gleichzeitig ablaufenden Verstärkungsplänen der Fall ist. Das dort
beobachtete „matching law“ besagt, daß Organismen ihre Wahlen so verteilen, daß deren
relative Häufigkeit der relativen Häufigkeit der Verstärkung der einzelnen Aktionen
entspricht. Daraus resultiert das Gesetz vom relativen Effekt. Die Wirkung eines Verstärkers
ist abhängig davon, welche anderen Verstärker verfügbar sind. Die Vorgehensweise der Tiere
in diesem Beispiel wird als Prinzip der Verbesserung bezeichnet im Unterschied zum Prinzip
der Maximierung.
Wir haben Entscheidungstheorie, wie diese Bezüge belegen auf dreierlei Art und Weise
benutzt. Entscheidungstheorie als kognitive Theorie beschreibt die Berechnungen, die ein
Handelnder durchführt, bevor er sich entscheidet. Entscheidungstheorie als Deskription
beschreibt die Ergebnisse einer Entscheidung, ohne Annahmen darüber zu machen, wie die
Entscheidung zustande gekommen ist. Als normative Theorie schreibt die
Entscheidungstheorie uns vor, was wir in einer bestimmten Situation zu sollen, wenn wir
Nutzen maximieren wollen. Dieser unterschiedliche Gebrauch der Entscheidungstheorie ist zu
beachten.
Als Verhaltenstheorie ist die Entscheidungstheorie empirisch überprüft worden. Dabei zeigen
sich Einschränkungen ihrer Gültigkeit. So haben wir nur beschränkte Zeit und Ressourcen für
eine Entscheidung, so daß eine sorgfältige Nutzenmaximierungsstrategie nicht möglich ist. In
Notfällen dauert sie zu lange oder ist zu aufwendig bei trivialen Entscheidungen. Manchmal
ist sie auch nicht durchführbar wie bei der Partnerwahl. Nicht alle potentiellen Partner können
bedacht werden. Alternative Strategien sind das satisficing oder das Verbessern. Wie aber
entscheiden wir zwischen Entscheidungsstrategien mit welcher Entscheidungsstrategie? Hier
tut sich die Möglichkeit eines infiniten Regreß auf, ohne daß die Entscheidungstheorie darauf
eine Antwort weiß.
Eine weitere von der Entscheidungstheorie nicht beantwortbare Frage ist, welche
Handlungsoptionen wir durchdenken, natürlich die, die kognitiv verfügbar sind. Wovon hängt
Verfügbarkeit ab? Die Entscheidungstheorie sagt etwas aus über Optionsgewichte nicht aber
darüber, welche wir bedenken sollten.
Eine weitere Komplikation stellt das Problem der sprachlichen Einbettung dar (framing). Abb.
4) Entscheidungen fallen zum Beispiel anders aus, wenn es um Leben geht, die gerettet
werden als wenn es um Leben geht, die dabei verloren werden.
So zeigt dieser letzte Teil, daß die Entscheidungstheorie ergänzt werden muß um das
alltägliche Entscheiden in den vielen unterschiedlichen alltäglichen Situationen.
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