Motivation und Handlung So wie die Theorie der Verstärkung das Herzstück der modernen Verhaltenstheorie ist, so ist die Entscheidungstheorie das Herzstück kognitiver Theorien der Handlung. Aus ihrer Sicht steht Handeln unter Kontrolle zweier Faktoren, den Nutzen oder Werten, die die möglichen Folgen einer Handlung für uns haben (dem motivationalen Faktor) und den Wahrscheinlichkeiten, mit der die Folgen eintreten (dem kognitiven Faktor), wobei die Wahrscheinlichkeiten subjektive Wahrscheinlichkeiten sind. Die Nutzen der Folgen einer Handlung werden mit ihren Wahrscheinlichkeiten gewichtet (multipliziert) und die Produkte addiert. Diese Summe ergibt den erwarteten Nutzen einer Handlung genauer den subjektiv erwarteten Nutzen (SEU-Modell, subjective expected utility). Gewählt wird die Theorie mit dem höchsten subjektiven Nutzen. Man nennt diese Entscheidungsstrategie Maximierung. Ein wichtiger Aspekt der Theorie betrifft den Zusammenhang zwischen dem Nutzen eines Produkts und seiner Menge in der Hand des Besitzers. Mit zunehmender Menge geht deren weiterer Zuwachs mit immer geringerem Nutzenzuwachs einher. Man bezeichnet dies als abnehmenden Grenznutzen. (Abb. 1)Dieses einfache psychologische Prinzip erklärt einige grundlegende ökonomische Tätigkeiten wie etwa den Einkauf von Lebensmitteln. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Entscheidungsverhalten ist, daß wir häufig zu Entscheidungen gezwungen sind, deren Folgen davon abhängen, ob eine bestimmte andere Bedingung X vorliegt oder nicht und wir uns nicht sicher sind, ob X vorliegt oder nicht. Unsere Entscheidung hängt davon ab, für wie wahrscheinlich es wir halten, daß X zutrifft (kognitiver Faktor) und den Kosten und Nutzen der möglichen Folgen (motivationaler Faktor). Die Signalentdeckungstheorie stellt eine Anwendung der Entscheidungstheorie auf diesen Fall dar. (Abb. 2) Rationales Entscheidungsverhalten führt jedoch nicht immer zu den vortrefflichsten Ergebnissen. Beispiele dafür sind die Tragödie des Gemeineigentums und das GefangenenDilemma-Spiel. (Abb.3) Entscheidungstheorie kann auch zum Verständnis der Evolution des Verhaltens beitragen. Arten entwickeln sich dadurch, daß einige Formen von Arten mehr Nachkommen haben als andere. Die Zahl der Nachkommen können wir als Ergebnis betrachten , als Nachkommenpay off für die Entscheidung, bestimmte anatomische Strukturen und Verhaltenstendenzen zu entwickeln. Die Küstenkrabbe ist so „abgestimmt“, daß sie das Beutetier auswählt, das das Nutzen/Kosten-Verhältnis von Energieaufnahme zu Energieverbrauch beim Fressen maximiert. Der im vorigen Semester behandelte Coolidge-Effekt kann betrachtet werden als Verhalten, das den reproduktiven Erfolg von Männern erhöht. Frauen haben Wege gefunden, ihren eigenen reproduktiven Erfolg zu erhöhen, indem sie sich auf eine Weise verhalten, die den Erfolg von Promiskuität bei Männern deutlich verringert. Bei diesen Beispielen ist die Anwendung der Entscheidungstheorie deskriptiver nicht kognitiver Natur. Es wird nicht angenommen, daß Tiere irgendwelche Berechnungen anstellen. Wenn sie sich so verhalten, wie sie es tun, dann deswegen, weil Vorfahren, die sich so verhalten haben, mehr Nachkommen hatten als solche, die sich nicht so verhalten hatten. Die jetzigen Tiere haben die Verhaltenstendenzen ererbt. Auch auf die Verstärkungstheorie kann die Entscheidungstheorie bezogen werden, wie es bei der Analyse von gleichzeitig ablaufenden Verstärkungsplänen der Fall ist. Das dort beobachtete „matching law“ besagt, daß Organismen ihre Wahlen so verteilen, daß deren relative Häufigkeit der relativen Häufigkeit der Verstärkung der einzelnen Aktionen entspricht. Daraus resultiert das Gesetz vom relativen Effekt. Die Wirkung eines Verstärkers ist abhängig davon, welche anderen Verstärker verfügbar sind. Die Vorgehensweise der Tiere in diesem Beispiel wird als Prinzip der Verbesserung bezeichnet im Unterschied zum Prinzip der Maximierung. Wir haben Entscheidungstheorie, wie diese Bezüge belegen auf dreierlei Art und Weise benutzt. Entscheidungstheorie als kognitive Theorie beschreibt die Berechnungen, die ein Handelnder durchführt, bevor er sich entscheidet. Entscheidungstheorie als Deskription beschreibt die Ergebnisse einer Entscheidung, ohne Annahmen darüber zu machen, wie die Entscheidung zustande gekommen ist. Als normative Theorie schreibt die Entscheidungstheorie uns vor, was wir in einer bestimmten Situation zu sollen, wenn wir Nutzen maximieren wollen. Dieser unterschiedliche Gebrauch der Entscheidungstheorie ist zu beachten. Als Verhaltenstheorie ist die Entscheidungstheorie empirisch überprüft worden. Dabei zeigen sich Einschränkungen ihrer Gültigkeit. So haben wir nur beschränkte Zeit und Ressourcen für eine Entscheidung, so daß eine sorgfältige Nutzenmaximierungsstrategie nicht möglich ist. In Notfällen dauert sie zu lange oder ist zu aufwendig bei trivialen Entscheidungen. Manchmal ist sie auch nicht durchführbar wie bei der Partnerwahl. Nicht alle potentiellen Partner können bedacht werden. Alternative Strategien sind das satisficing oder das Verbessern. Wie aber entscheiden wir zwischen Entscheidungsstrategien mit welcher Entscheidungsstrategie? Hier tut sich die Möglichkeit eines infiniten Regreß auf, ohne daß die Entscheidungstheorie darauf eine Antwort weiß. Eine weitere von der Entscheidungstheorie nicht beantwortbare Frage ist, welche Handlungsoptionen wir durchdenken, natürlich die, die kognitiv verfügbar sind. Wovon hängt Verfügbarkeit ab? Die Entscheidungstheorie sagt etwas aus über Optionsgewichte nicht aber darüber, welche wir bedenken sollten. Eine weitere Komplikation stellt das Problem der sprachlichen Einbettung dar (framing). Abb. 4) Entscheidungen fallen zum Beispiel anders aus, wenn es um Leben geht, die gerettet werden als wenn es um Leben geht, die dabei verloren werden. So zeigt dieser letzte Teil, daß die Entscheidungstheorie ergänzt werden muß um das alltägliche Entscheiden in den vielen unterschiedlichen alltäglichen Situationen.