2.4 Entscheidung bei Risiko § Entscheidung bei Risiko nimmt an, dass für jeden Zustand Sj seine Eintrittswahrscheinlichkeit P(Sj) bekannt ist § Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmbar als § statistische Wahrscheinlichkeiten basierend auf Erfahrungen aus der Vergangenheit (z.B. wie oft hat es an diesem Tag in den letzten 100 Jahren geregnet) § subjektive Wahrscheinlichkeiten basierend auf den Erwartungen des Entscheiders Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 54 Diskrete Zufallsvariable § Sei X eine diskrete Zufallsvariable mit möglichen Werten {a1,…,an} und Wahrscheinlichkeiten P(X = ai), § Erwartungswert einer diskreten Zufallsvariable X ist µ = E(X) = n ÿ i=1 ai · P (X = ai ) § Beispiel: Fairer Würfel mit sechs Seiten 1 1 1 E(X) = 1 · + 2 · + . . . 6 · = 3.5 6 6 6 Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 55 Diskrete Zufallsvariable § Varianz einer diskreten Zufallsvariable X ist n ÿ ‡ 2 = V (X) = (ai ≠ µ)2 · P (X = ai ) i=1 und es gilt V (X) = E(X ≠ E(X))2 = E(X 2 ) ≠ (E(X))2 § Größe σ heißt Standardabweichung (auch: Streuung) § Beispiel: Fairer Würfel mit sechs Seiten 1 2 1 2 1 V (X) = (1 ≠ 3.5) · + (2 ≠ 3.5) · + . . . + (6 ≠ 3.5) · = 2.916 6 6 6 2 Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 56 Dominanz bei Unsicherheit § Konzept der Dominanz lässt sich auf den Fall mehrerer Zustände erweitern § absolute Dominanz betrachtet nur das schlechtmöglichste und bestmöglichste Ergebnis je Alternative § Zustandsdominanz vergleich die Ergebnisse der Alternativen zustandsweise § stochastische Dominanz (erster Ordnung) betrachtet auch die Wahrscheinlichkeiten der Zustände Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 57 Absolute Dominanz § Alternative Ai dominiert Alternative Aj im Sinne absoluter Dominanz, wenn gilt min(xik ) Ø max(xjk ) k k d.h. das schlechteste Ergebnis von Ai ist mindestens so gut wie das beste Ergebnis von Aj § Beispiel: A1 A2 S1 S2 S3 S4 0.20 0.50 0.20 0.10 40 20 20 20 30 5 50 10 Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie A1 dominiert A2 58 Zustandsdominanz § Alternative Ai dominiert Alternative Aj im Sinne der Zustandsdominanz, wenn gilt ’k : xik Ø xjk : · ÷ k : xik > xjk d.h. Ai ist in allen Zuständen mindestens so gut wie Aj und in mindestens einem besser § Beispiel: A1 A2 S1 S2 S3 S4 0.20 0.50 0.20 0.10 40 40 20 25 10 10 20 40 Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie A2 dominiert A1 59 Stochastische Dominanz § Stochastische Dominanz beruht auf Vergleich der Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Alternativen § Betrachte Alternative Ai als Zufallsvariable, dann sei P (Ai Æ xi ) die Wahrscheinlichkeit, dass Ai zu einen Ergebnis kleiner gleich xi führt Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 60 Stochastische Dominanz § Beispiel: A1 A2 S1 S2 S3 S4 0.10 0.50 0.20 0.20 10 10 20 50 50 100 100 20 P (Ai Æ 10) A1 A2 0.10 0.10 P (Ai Æ 20) 0.60 0.30 P (Ai Æ 50) 0.80 0.80 P (Ai Æ 100) 1.00 1.00 A1 A2 10 20 50 Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 100 61 Stochastische Dominanz § Stochastische Dominanz (erster Ordnung) der Alternative Ai über die Alternative Aj liegt vor, wenn ’ x : P (Ai Æ x) Æ P (Aj Æ x) · ÷ x : P (Ai Æ x) < P (Aj Æ x) … ’ x : P (Ai > x) Ø P (Aj > x) · ÷ x : P (Ai > x) > P (Aj > x) § Beispiel: Alternative A2 dominiert Alternative A1 A1 A2 10 20 50 Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 100 62 Risikoeinstellung des Entscheiders § Risikoneutralität § Entscheider ist indifferent zwischen Alternativen mit gleichem Erwartungswert § Risikoaversion § Entscheider zieht bei zwei Alternativen mit gleichem Erwartungswert diejenige mit geringerer Streuung vor § Risikofreude § Entscheider zieht bei zwei Alternativen mit gleichem Erwartungswert diejenige mit höherer Streuung vor Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 63 Risikoeinstellung des Entscheiders § Beispiel: Entscheidung über Teilnahme an einfachem Glücksspiel (z.B. Münzwurf) mit Einsatz 10€ § A1: Teilnahme, A2: Nicht-Teilnahme § S1: Gewinn, S2: Kein Gewinn S1 S2 0.50 0.50 10 0 ≠10 0 A1 A2 µ ‡ 0.0 0.0 10.0 0.0 § A1 oder A2 bei Risikoneutralität § A1 bei Risikofreude § A2 bei Risikoaversion Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 64 Indifferenzkurven nach Risikoeinstellung ‡ ‡ ‡ µ Risikoneutralität µ Risikoaversion Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie µ Risikofreude 65 µ-Regel § μ-Regel beurteilt Alternativen nach ihrem Erwartungswert (ursprünglich formuliert für den Fall einer Zielgröße) (Ai ) = E(xij ) = n ÿ j=1 xij · P (Sj ) § Risikoeinstellung des Entscheiders nicht berücksichtigt Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 66 µ-Regel § Beispiel: Lotterie mit 5 Millionen im Jackpot und Einsatz 3€ § A1: Teilnahme, A2: Nicht-Teilnahme § S1: Gewinn, S2: Kein Gewinn A1 A2 S1 S2 14 · 10≠6 1 ≠ 14 · 10≠6 4, 999, 997 0 ≠3 0 µ ¥ ≠2.64 0 § Entscheider wird niemals an der Lotterie teilnehmen, sofern er die µ-Regel anwendet Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 67 (µ,σ)-Prinzip § (µ,σ)-Prinzip berücksichtigt neben dem Erwartungswert die Standardabweichung der Ergebnisse zur Beurteilung der Alternativen § Präferenzfunktion Φ(Ai) = Φ(µi, σi) z.B. als Linearkombination von Erwartungswert µi und Standardabweichung σi definiert (Ai ) = µi ≠ – · ‡i mit α als Gewichtungsparameter, welcher die Risikoeinstellung des Entscheiders erfasst (α > 0 : Risikoaversion; α < 0 : Risikofreude) Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 68 (µ,σ)-Prinzip § Beispiel: A1 A2 A3 S1 S2 S3 0.5 0.2 0.3 40 120 30 20 ≠30 10 10 ≠20 60 µ ‡ – = +1 –=0 – = ≠1 27.00 48.00 35.00 13.45 72.08 18.03 13.55 ≠24.08 16.97 27.00 48.00 35.00 40.45 120.08 53.03 Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 69 (μ,σ)-Prinzip und stochastische Dominanz § Stochastische Dominanz erster Ordnung und (µ,σ)-Prinzip sind inkompatibel, d.h. wir eliminieren u.U. optimale Alternativen § Beispiel: A1 A2 S1 S2 0.50 0.50 100 50 100 100 µ ‡ 100 75 0.00 35.35 A2 würde eliminiert, ist aber für risikofreudige Entscheider (z.B. α = -1.0) u.U. optimal A1 A2 0 50 Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 100 70 Petersburger Spiel § Petersburger Spiel (auch: Petersburger Paradoxon) § wiederholter Wurf einer fairen Münze (Kopf oder Zahl) § fällt im n-ten Münzwurf erstmals Zahl, so erhält Spieler 2n § Erwartungswert des Petersburger Spiels 1 1 1 µ = 2 · + 4 · + 8 · + ... = Œ 2 4 8 § Ein nach der µ-Regel handelnder Entscheider wäre also immer bereit, einen beliebig großen Betrag einzusetzen und am Spiel teilnehmen Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 71 Bernoulli-Prinzip § Bisherige Ansätze zur Entscheidung bei Risiko § betrachten nur eine Zielgröße und § verdichten Zielgrößenwerte in den Parametern µ und σ § Bernoulli-Prinzip besteht aus zwei Schritten § bestimme für den Entscheider eine Nutzenfunktion U(xi) (z.B. mittels Durchführung einer Bernoulli-Befragung) § wähle eine Alternative mit höchstem erwarteten Nutzen (auch: Bernoulli-Nutzen, Erwartungsnutzen) (Ai ) = n ÿ j=1 U (xij ) · P (Sj ) Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 72 Bernoulli-Prinzip § Wo liegt der Unterschied zur µ-Regel und (µ,σ)-Prinzip? § es können mehrere Zielgrößen betrachtet werden § explizite Betrachtung von Nutzen anstelle von Zielgröße § Nutzenfunktion erfasst Risikoeinstellung des Entscheiders Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 73 Nutzenfunktionen und Risikoeinstellung § Krümmung der Nutzenfunktion lässt auf die tionale Entscheidung bei Risiko: Das Bernoulli-Prinzip 118 Rationale Entscheidung bei Risiko: Das Bernoulli-Pr x 0 Risikoeinstellung des Entscheiders5 schließen Risikoneutralität U(x) x 0 U(x) U(x) U(x) U(x) Risikoaversion konkav x 0 U(x) Risikoneutralität x 00 U Risikoaversion Risikofreude xx konvex Abb. 5.1U(x) Der Verlauf unterschiedlicher Nutzenfun veranschaulicht bereits Abschn. Quelle: Laux,werden Gillenkirch(vgl. und Schenk-Mathes [1] die Entscheidung gestellt, an einem Glückssp Wahrscheinlichkeit 0,5 (z. B. durch den Wurf e verlieren kann. Beträgt sein gegenwärtiges Verm am Glücksspiel entweder W + ! oder W − !. x x x 0 0 sind,xbeträgt0der Erwartungswert W. Ist der Ent Risikofreude ferent bezüglich der Teilnahme am Glücksspiel. zenfunktionen Abb. 5.1 Der Verlauf unterschiedlicher Nutzenfunktionen strikt ab. Ein risikofreudiger Entscheider dageg Um dieses Entscheidungsverhalten über da Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 74 bschn. 4.4 des Kap. 4): Ein Entscheider veranschaulicht wird vor werden (vgl. bereits Abschn. 4.4der desPräferenzfunktion Kap. 4): Ein Entscheider wird tierung an (5.1) nachzu Bernoulli-Befragung § Nutzenfunktion des Entscheiders lässt sich mittels Bernoulli-Befragung approximieren § bestimme schlechtestes und bestes Ergebnis xw und xb § für jedes Ergebnis bestimmt man die Wahrscheinlichkeit wi, so dass der Entscheider indifferent ist zwischen § dem sicheren Ergebnis xi § einer Lotterie, die mit Wahrscheinlichkeit wi das Ergebnis xb und mit Wahrscheinlichkeit (1-wi) das Ergebnis xw auszahlt § die ermittelten Wahrscheinlichkeiten wi können als Werte der Nutzenfunktion U(xi) interpretiert werden Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 75 Bernoulli-Befragung § Beispiel: Ergebnisse xw = 0, 20, 40, 60, 80, 100 = xb möglich § für x0 = 0 gibt Entscheider Wahrscheinlichkeit w0 = 0.0 an § für x1 = 20 gibt Entscheider Wahrscheinlichkeit w1 = 0.4 an § für x2 = 40 gibt Entscheider Wahrscheinlichkeit w2 = 0.6 an § für x3 = 60 gibt Entscheider Wahrscheinlichkeit w3 = 0.8 an § für x4 = 80 gibt Entscheider Wahrscheinlichkeit w4 = 0.9 an § für x5 = 100 gibt Entscheider Wahrscheinlichkeit w5 = 1.0 an Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 76 Bernoulli-Befragung 0.4 w 0.6 0.8 1.0 § Beispiel: Ermittelte Nutzenfunktion 0.0 0.2 Risikoaverser Entscheider 0 20 40 60 80 100 x Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 77 Zusammenfassung § Risikoeinstellung des Entscheiders spielt eine Rolle § risikoavers, risikoneutral oder risikofreudig § Entscheidung bei Risiko und einer Zielgröße § μ-Regel betrachtet nur Erwartungswert § (µ,σ)-Prinzip betrachtet Erwartungswert und Streuung § Bernoulli-Prinzip bei Risiko und beliebig vielen Zielgrößen § Bernoulli-Befragung zum Bestimmen einer Nutzenfunktion § Auswahl der Alternative mit höchstem erwarteten Nutzen Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 78 Literatur [1] H. Laux, R. M. Gillenkirch und H. Y. Schenk-Mathes: Entscheidungstheorie, Springer 2014 (Kapitel 4 und 5) [2] Hagenloch T.: Grundzüge der Entscheidungslehre, Books on Demand GmbH 2009 (Kapitel 4) Entscheidungsunterstützende Systeme / Kapitel 2: Entscheidungstheorie 79