Das Prinzip der Nachhaltigkeit und die Kirche (n)

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Globalisierung und das Prinzip der Nachhaltigkeit, eine
Herausforderung für die Kirche(n)
Seit dem Beginn der neunziger Jahre ist die >Globalisierung< allgegenwärtig und
mit ihr verbinden die Menschen weniger Hoffnung als vielmehr Ängste. Sie wird
unterschiedlich wahrgenommen, etwa durch den weltweiten beschleunigten
Austausch von Waren und Informationen, die Dominanz transnationaler
Unternehmen, die Einbußen an nationalstaatlicher Souveränität, die Intensivierung
des Wettbewerbs, die extreme Verschuldung zahlreicher Länder, die Durchmischung
der Kulturen und die durch menschliche Aktivitäten verursachten
Umweltveränderungen .
Insbesondere die Verknappung der >Umweltgüter< wie Atmosphäre, Wälder,
Böden, Trinkwasser, Meere und genetische Vielfalt etc. werden zu tief greifenden
Veränderungen der Lebensbedingungen auf der Erde führen und zeigen immer
deutlicher, dass es sich hier um Strukturprobleme unseres Wohlstandes
handelt(M.Vogt). Rund 1,2 Mrd. Menschen konsumieren 80 Prozent aller Ressourcen
dieser Erde. Unser Lebensstil ist nicht globalisierbar und das endliche System Welt ist
nicht unendlich benutzbar.
Diese Einsichten führten zur Debatte um die >Nachhaltigkeit<, die heute zu einem
zentralen Begriff der gesellschaftspolitischen Debatte geworden ist. Er stammt aus
der modernen Forstwirtschaft, nämlich nicht mehr Holz zu schlagen als nachwächst.
Politisch wurde >Nachhaltigkeit< erstmals 1987 im >Weltbericht über die menschliche
Entwicklung< verwendet: „Eine Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie die Bedürfnisse
der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Möglichkeiten zukünftiger
Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“.
Die >Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung< 1992 in Rio de Janeiro ging einen
Schritt weiter und wurde zu einem Wendepunkt weltweiten Denkens: „Entwicklungen
sind nachhaltig, wenn sie umweltverträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich
tragfähig sind“. Zum ökonomischen und ökologischen Element kommt sie soziale
Komponente hinzu. Deutlich wird dieses Nachhaltigkeitsprinzip umso mehr, wenn
man die Begriffe wie Verschwendung, Vergeudung und Ausbeutung dagegenstellt.
Der Aktionsplan zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung, ist die >Agenda 21<,
die weltumspannendste politische Absichtserklärung für das 21. Jahrhundert, weil sich
dafür mehr als 150 Regierungen (auch Österreich) verpflichtet haben.
„In seinem integrativen Ansatz entspricht das Nachhaltigkeitskonzept wesentlich dem
ethischen Ansatz des christlichen Schöpfungsglaubens. Es gibt vielfältige
Zusammenhänge zwischen der Trias des konziliaren Prozesses für Frieden,
Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung (Basel 1989) und der Trias von
Ökologie, Ökonomie und sozialer Gerechtigkeit von Rio“(M.Vogt) . 1997 Bei der
zweiten ökumenischen Versammlung in Graz 1997 wird die Handlungsanweisung
formuliert, „dass die europäischen Kirchen den Agenda 21 Prozess unterstützen und
zu fördern sollen“.
In eine der vielen kirchlichen Schriften im deutschsprachigen Raum heißt es zur
Schöpfungsverantwortung unter anderem:
“Nur wenn wir begreifen, dass die Schöpfung Gabe Gottes ist, deren lebendige
Vielfalt, Schönheit und Integrität wir aus der Mitte unseres Glaubens heraus und
zugleich als Ausdruck unserer eigenen Würde und Vernunft nachhaltig schützen
müssen, wird unsere Zivilisation Zukunft haben“.
Der Nachhaltigkeitsgedanke kann man als Übersetzung christlicher
Schöpfungsverantwortung in der Sprache der heutigen Politik und Wirtschaft
verstehen.
Der Schöpfungsglaube gibt den Christen die Kraft und Sicherheit für ihr nachhaltiges,
Denken und Handeln, denn in ihrem Verständnis meint Schöpfung immer mehr als
nur die naturwissenschaftlich feststellbare Welt, mehr als die Begriffe Natur und
Umwelt und mehr als nur einen Akt am Anfang der Welt, sondern es beinhaltet
zugleich auch die ständige Gegenwart Gottes in seinen Geschöpfen.
Die Vollversammlung des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE)
beschlossen in Sarajevo im Oktober 2002 ein Schlussdokument, in dem es unter
anderem heißt:
„Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist ein unverzichtbarer Ausdruck zeitgemäßer
Schöpfungsverantwortung. Dieses Prinzip verdiene einen festen Platz in der
christlichen Sozialethik und fordere beispielhaftes Handeln in der Lebens- und
Wirtschaftsweise der einzelnen Christen, in der kirchlichen Verwaltung sowie in der
politischen Mitverantwortung für entsprechende Formen in der Weltwirtschaft“.
Um dieses beispielhafte Handeln auf den genannten drei Ebenen bemühen sich
unermüdlich die wenigen dafür in den einzelnen Diözesen Zuständigen, vor allem
aber unzählige Einzelpersonen, kirchliche Gruppen und Initiativen.
Für sie ist es ein willkommener Aufruf der Kirche Europas, von dem sie hoffen, dass sie
dadurch von ihren Bischöfen und Mitarbeitern in den eigenen Diözesen mehr
Unterstützung und Anerkennung bei der Umsetzung dieser Forderungen erfahren.
Vor allem aber soll ein nachhaltiger und schöpfungsfreundlicher Wirtschafts- und
Lebensstil in der Kirche und unter den Christen viel selbstverständlicher werden. Er
entspricht schließlich der Anwaltschaft für das Leben in Fülle für alle, auch die
Schwachen, Armen und zukünftigen Generationen, wie es sich aus der Botschaft
Jesu ergibt.
Wolfgang Schindegger
Wolfgang Schindegger ist Leiter des Referates für Umweltfragen der Erzdiözese Wien
im Rahmen der KA-Wien, Koordination der Konferenz der Umweltbeauftragten der
österreichischen Diözesen
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