Wie sollen wir denn leben – wie können wir weiterleben? Ursula Langel Wie radikal müssen wir Veränderungen in unserem Lebensstil angehen, damit sich tatsächlich etwas verändert. Mich erschreckt unsere Menschenzentriertheit. Nicht Gottzentriert (obwohl wir das immer wieder sagen) sondern so sehr auf den Menschen ausgerichtet. Ohne die Schöpfung die uns umgibt, in die Gott uns hineingestellt hat, können wir Menschen nicht leben. Da ist kein Leben für uns ohne das, was vor uns war und noch ist. Unsere Beziehung zu den Tieren, seien es sogenannte Nutztiere oder Wildtiere, steht in direktem Zusammenhang mit unserer Beziehung und unserem Willen, die Armut in dieser Welt zu bekämpfen. „Nutztiere“ eigentlich sagt dieses Wort ja schon alles – die ganze Respektlosigkeit der stummen Kreatur gegenüber drückt sich darin bereits aus. Wir sind offensichtlich heute soweit, dass sie von den einen total vermenschlicht werden oder von anderen in Massen produziert und als „Futter“ genutzt zu werden. Wir sind geprägt von falschen Denkvoraussetzungen und uns so wenig bewusst, dass diese tatsächlich unser ganzes Handeln bestimmen und – dass vor allem immer sehr viele andere, Menschen und Tiere, davon betroffen sind. Wir tragen genauso Mitschuld an den vielen Tierfabriken und der Futtermittelproduktion auf Kosten anderer. Wir tragen Mitschuld an Massentierhaltung und den daraus resultierenden Seuchen und daraus folgenden „Tiernotschlachtungen“ sprich Morden, um unserer Gesundheit willen. Es sind also nicht die Bösen anderen, sondern ich selbst oder auch wir als Christen, die unsere Denkansätze hinterfragen müssen. Wir können den Hunger in der Welt nicht bekämpfen, wenn wir nicht bereit sind auf das heute offenbar so Normale zum Alltag gehörende zu verzichten. Wir müssen uns heute die Frage nach der Beziehung von uns Menschen zu den Tieren, unseren Mitgeschöpfen stellen. Was für eine total verdrehte Beziehung haben wir als Christen zu ihnen und wie gehen wir mit ihnen um. Auch wenn wir Menschen im Bild Gottes geschaffen sind gibt es uns nicht das Recht, gerade deswegen nicht, dass wir auf solch respektlose und lieblose Art über die Tierwelt herrschen. Wenn wir, was ich glaube, in Gottesbild geschaffen sind, und wenn wir Christus, Jesus dem Sohn Gottes, immer ähnlicher werden sollen, dann kann sich dies nicht nur in unserer Beziehung zu Menschen, sondern es muss sich in unserer Beziehung und unserem Umgang mit der Schöpfung und insbesondere auch unserem Umgang und unserer Beziehung zu den Tieren äussern. Tiere wurden von Gott mit Liebe geschaffen, jedes Einzigartig. Und ob es uns gefällt oder passt oder nicht, von der Schöpfungsgeschichte her gesehen, wurden wir alle am gleichen Tag erschaffen, wir sind alle aus Erde gemacht! (Fische und Vögel am 5. Tag). Tiere haben einen festen Platz in der Bibel, sie ist voll von ihnen. Immer wieder werden sie als Beispiel oder Gleichnis oder Vergleich mit uns erwähnt. Wie können wir den Schöpfer preisen, seine Schöpfung besingen und die Tiere als Seelenlose Wesen behandeln? Gott hat nach der Flut einen Bund mit den Menschen und den Tieren geschlossen. Die ganze Schöpfung, alle Kreatur! wartet auf das Erscheinen der Kinder Gottes. Auf was warten sie? Ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass unser ganzer theologischer Ansatz falsch ist. Wir haben einen verdrehten Blickwinkel. Was braucht es, dass wir beginnen uns diesen Fragen zu stellen? Sie überhaupt zuzulassen? Warum sind ausgerechnet wir Christen so langsam im begreifen, wenn es um ökologische Fragen, um Tiere und Tierhaltung und um Fleischkonsum etc. geht? Wird es uns vielleicht zu persönlich? Was brauchen wir tatsächlich zum Leben? • Wie wenig sind wir doch daran interessiert noch uns bewusst, was am Anfang der Nahrungsmittelkette geschieht, wenn’s dann bei uns auf dem Teller liegt ist alles gut. Damit meine ich nicht nur all die Früchte und das Gemüse, das aus europäischen oder sogenannten Schwellenländern eingeführt wird. Alles, Fleisch, Fisch und Nahrungsmittel, die für die Tierfutterproduktion bei uns verwendet werden. Was dringend benötigte Lebensmittel für die Menschen in den armen Schwellenländern sind, wird bei uns hier als billige Rohstoffe (Mais, Sojabohnen, Weizen etc.) für unsere vielen Tiere zur Futter Herstellung verwendet. Ein kleines Beispiel: Sind wir uns bewusst, wie viele Lebensmittel die hier im Handel sind und die wir regelmässig konsumieren, Eier enthalten. Seit wir eine Mitarbeiterin haben, die keine Hühnereier essen darf, wird mir beim Einkaufen bewusst, wo überall Eier drinn sind. Es ist eine schwache oder gar keine Entschuldigung wenn wir sagen, dass es ja jetzt keine Batteriehühner mehr gebe. Wer weiss schon, wie die sogenannten Bodenhaltungshühner tatsächlich leben müssen? (Es gibt Dokus dazu, wenn man’s denn wissen will!) Oder wer interessiert sich schon für das Leben und die „Lebensqualität“ all der vielen Masthähnchen, die wir alle regelmässig verspeisen? Ist es wirklich so, dass wir das nicht ändern können? Es ist wesentlich einfacher ein fertig zerlegtes oder gebratenes Hähnchen zu kaufen, als zu entscheiden, dass einer unserer Hähne oder eines unserer Hühner geschlachtet werden soll für den Kochtopf. Oder wollen wir über all das gar nicht nachdenken, weil es für uns persönlich eine Veränderung in unserem Konsumverhalten und in unseren Essgewohnheiten erfordern würde? Ist unser Ansatz deshalb weiterhin der, dass dies sowieso nur ein „Tropfen auf den heissen Stein“ wäre? Oder gehen wir von dem Sprichwort aus: „Steter Tropfen höhlt den Stein!“ Jesus sagte mit Recht, dass wir nicht zwei Herren dienen können: Gott und dem Mammon. Nebst dem, dass wir gerne alles, sofort und jederzeit zur Verfügung haben wollen, soll es ja auch noch immer „preisgünstiger“ sprich billiger sein. Die Qualität muss aber selbstverständlich die gleiche bleiben. Eine Rechnung, die letztlich mit nur ganz wenig Nachdenken nicht aufgeht. Niemand kann bei immer gleichbleibender oder noch besserer Qualität immer preisgünstiger und zum Schaden von niemandem produzieren und konsumieren. Es wird in diesem Spiel immer wenige Gewinner und viele, viele Verlierer geben, auf zwei und vier Beinen. Ich bin deshalb überzeugt, dass wir einen anderen, völlig anderen Ansatz brauchen. Worte wie Verzicht, Bescheidenheit, Einfachheit und Nachhaltigkeit, müssen in Wort und Tat in unserem Leben genau die gleiche Wichtigkeit haben, wie Glaube, Hoffnung und Liebe. Zu lange waren wir dem Irrtum verfallen, dass wir nur für Dinge die in Bezug zum Menschen stehen vor Gott verantwortlich sind. Wir haben sehr, sehr viel ausgeklammert, weil es unseren Bedürfnissen zuwider war und haben unsere Theologie entsprechend angepasst. Vielleicht wäre dazu ja auch noch zu bemerken, dass dies nicht immer so war. Es gab sehr wohl eine Zeit, in der Schöpfung, Land und Tiere anders gesehen wurden und einen Platz in der christlichen Theologie hatten. Dies ist einer der Hauptgründe, warum sich unsere Gemeinschaft an einer biblisch-keltisch-christlichen Spiritualität orientiert. (Fortsetzung folgt)