Die Vereinbarkeit des Bergbauprojekts „Rosia Montana“ in Rumänien mit den Prinzipien und Normen der Europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung Gutachten erstellt von O. Univ. Prof. Dr. Peter Fischer und Univ. Ass. Dr. Alina Lengauer, LL.M Wien, im Oktober 2002 2 INHALT I. II. Einleitung ................................................................................................................................................................................... 3 Sachverhalt ............................................................................................................................................................................ 4 A. Der Projektbetreiber ....................................................................................................................................................... 4 B. Rechtsgrundlage, geographisches Ausmaß, archäologische Implikationen und Abbaumethode des Projekts 4 C. Auswirkungen auf die Bevölkerung von Rosia Montana und Umgebung: Umsiedlung .................................... 6 D. Die Umweltverträglichkeit des Projekts ...................................................................................................................... 7 III. Die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nach Europäischem Gemeinschaftsrecht (EG-Recht) ................... 8 A. Umweltrecht und Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft ....................................................................... 8 1. Allgemeine Grundlagen: Art. 2, 3 und 174ff. EG-V ................................................................................................. 8 2. Der Begriff der Umwelt im europäischen Gemeinschaftsrecht............................................................................ 10 3. Ziele der EU/EG-Umweltpolitik ............................................................................................................................... 10 B. Die Durchführung eines Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahrens .............................................................. 14 1. Grundsätze der UVP-Richtlinie und der Umweltauswirkungen-Richtlinie ........................................................ 14 2. Die einschlägige EuGH-Judikatur .............................................................................................................................. 17 3. Das Rosia Montana Projekt im Lichte der UVP-Richtlinie und der Umweltauswirkungen-Richtlinie ........... 19 C. Gewässerschutz ............................................................................................................................................................. 20 D. Die unmittelbare Wirkung von Richtlinien zugunsten des Individuums ............................................................ 22 IV. Das Rosia Montana Projekt im Lichte der EMRK 1950 ............................................................................................... 24 A. Die mögliche Rechtfertigung der rumänischen Maßnahmen gegen die Bevölkerung zum Zwecke des wirtschaftlichen Wohls des Landes .............................................................................................................................. 25 B. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der rumänischen Maßnahmen gegen die Bevölkerung ............................ 25 V. Ergebnis ............................................................................................................................................................................... 27 3 I. Einleitung Gegenstand des vorliegenden Gutachtens ist die Frage der Vereinbarkeit des rumänischen Bergbauprojekts „Rosia Montana“ mit den Prinzipien und Normen der Europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung. Das Gebiet um Rosia Montana ist die seit dem römischen Altertum als Alburnus Maior bekannte und nunmehr Europas größte Goldlagerstätte. Die nachfolgende rechtliche Untersuchung analysiert im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des genannten Projekts zunächst das europäische Gemeinschaftsrecht (EGRecht) als solches, in dem seit 1967 das Umweltrecht einen besonderen Stellenwert einnimmt. sodass heute schon von einer „Umweltgemeinschaft“ gesprochen wird. Das EG-Recht wird daher in Hinblick auf die gestellte Frage in erster Linie zu untersuchen sein. Im weiteren bildet die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im folgenden EMRK) vom 4. November 1950 eine wesentliche Grundlage der europäischen Wertegemeinschaft, die dem Einzelnen unveräußerliche Rechte gewährleistet und durch das Straßburger Rechtsschutzsystem durchgesetzt wird. Die EMRK wurde in der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (in der Folge: EuGH) auch als Teil der europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung angesehen, was nun durch die Verträge von Maastricht 1992 und Amsterdam 1997 auch verfassungsmäßig anerkannt worden ist1. Somit ist die EMRK auch zur Lösung der gestellten Frage heranzuziehen. Die Gutachter müssen aber hier festhalten, dass die Besonderheit dieser Fragestellung zunächst im Sinne des Auftraggebers selbst darin liegt, dass die Prüfung des Sachverhalts „Rosia Montana Projekt“ hier zum überwiegenden Teil anhand einer Rechtslage vorgenommen wird, die erst im Falle des rumänischen EU-Beitritts zum Tragen kommt, da erst dann das EU/EG Umweltrecht für diesen Staat verbindlich wird und auch durchgesetzt werden kann. Das gilt jedoch nicht für die Frage der Vereinbarkeit 1 Vgl. Art. 6 Abs. 2 und 46 lit. d EU-Vertrag. 4 des Projekts mit der erwähnten EMRK, die bereits jetzt für Rumänien als Mitgliedstaat des Europarats verbindlich ist2 und auch vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof durchgesetzt werden kann. II. Sachverhalt A. Der Projektbetreiber Das Unternehmen Rosia Montana Gold Corporation S.A. (im folgenden RMGC) plant die Errichtung eines Bergbauprojektes in der Gemeinde Rosia Montana, Rumänien. RMCG befindet sich zu 80% im Eigentum des kanadischen Unternehmens Gabriel Resources Ltd. und zu 20% im Eigentum diverser rumänischer Unternehmen. Von den 20 % im Eigentum rumänischer Unternehmen verfügt Minvest, ein verstaatlichtes Unternehmen, über 19,31 %. Wiewohl hierzu in den zur Verfügung stehenden Unterlagen keine Angaben enthalten sind, ist RMGC als Aktiengesellschaft konstituiert und daher als juristische Person anzusehen. B. Rechtsgrundlage, geographisches Ausmaß, archäologische Implikationen und Abbaumethode des Projekts Die Errichtung und das Betreiben des Bergbauprojektes Rosia Montana wird von der Bergbaulizenz No. 47/1999 für zwanzig Jahre erlaubt; eine Erneuerung dieser Abbaulizenz für jeweils weitere fünf Jahre ist zulässig. Inhaber dieser Lizenz ist RMGC. 3 Die für das gesamte Projekt geplante Fläche erstreckt sich über 4282 ha. Das Tal Rosia Montana befindet sich in 80 km Entfernung der Stadt Alba Julia. Die in Aussicht genommene Fläche erstreckt sich über oder betrifft fünf Gemeinden, nämlich Rosia Montana (Bezeichnung ident mit Talschaft), Orlea, Cetate, Jig-Vaidoaia sowie Cirnic. 2 Vgl. dazu unten Abschnitt IV. 5 Das Projekt Rosia Montana soll in einer Umgebung durchgeführt werden, welche auch von spezifischem archäologischen Interesse ist 4. Rosia Montana war unter den Provinzen des römischen Reiches die erste, in der Gold abgebaut wurde und wo heute einzigartige archäologische Relikte römischer Bergbautechnologie (Tagbau) vollkommen erhalten sind. Gerade in jüngster Zeit wurden durch die Arbeiten in Carpeni und Gauri (2000-2002) mehrere Tempel (für die Götter Zeus, Ianus und Geminus), ein Mausoleum, Bäder, etc., freigelegt, die auf europäischer Ebene einzigartige Zeugen der illyrisch-römischen Kultur darstellen5. Der Ablauf des Projektes Rosia Montana stellt sich wie folgt dar: Gegenwärtig ist Minvest an dem für das Projekt Rosia Montana mit staatlich gefördertem Bergbau geringfügigen Ausmaßes befasst6. Der in Aussicht genommene Ausbau der Förderanlagen stellt eine 50-fache Vergrößerung der bisherigen baulichen Anlagen dar7 3 Angaben entnommen aus Rosia Montana Project. Section 1 Project Summary DFS-20mt/a. GRD Miniproc Limited,: d:\grdminprocts\section 1_8 to 1_18 proj.. mit Seitenangaben. In der Folge: als Project Summary zitiert. 4 Project Summary, S. 83: „This district has been the subject of industrial scale mining operations since Roman times and this tradition carries on to the present time with small-scale open pit mining, supported by Government subsidy.“ Sowie Project Summary S. 84: „The following environmental factors are key to assessing the impact of the Project: presence of archaeologically interesting sites.“ 5 Dazu vgl. Volker Wollmann, Position Paper on Displacement of Cultural Relicts. Position paper on the proposal of Gold Corporation S.A. for the displacement of the relicts of cultural history in Rosia Montana from their original place. www.rosiamontana.org, der das Fehlen jedweden Plans betreffend Vorsorge für die Erhaltung dieser Kulturschätze durch die Bergbaugesellschaft kritisiert und hier von einem „irremediable mistake“ spricht. 6 vgl. Project Summary, S. 102: „Minvest ist entitles to continue its current small scale mining operations at Rosia Montana until RMGC makes a production decision“ sowie Project Summary S. 83 „The Land is fully utilised for agriculture (mainly pasture, forestry and housing“ 7 Project Summary, S. 90: „The proposed 20 Mt/a Project is some 50 times larger than the current operations“ sowie dortselbst „The development of the Project will profoundly influence the future growth and character of this region of Romania, the Rosia Montana Comuna and the communities locates within the Rosia Montana and Corna valleys.“. 6 Das Projekt Rosia Montana soll aus vier offenen Abbaustätten bestehen, jeweils in oder in der Nähe der Gemeinden Cetate, Cirnic, Orlea und Jig 8. Der Abbau soll mit Hilfe der sog. Zyanid-Methode erfolgen. Zu diesem Zwecke soll zur Aufbewahrung des Rohmaterials Zyanid ein Stausee in dem dem Tal Rosia Montana benachbarten Tal Corna errichtet werden, welcher eine Fläche von ca. 600 ha bedecken soll. Im Hinblick auf ein eventuelles Sickern der hochgiftigen Chemikalie in das Grundwasser finden sich folgende Angaben 9 The Corna Valley basin comprises residual soil and colluvium overlying sequences of sedimentary rock including interbedded shales and sandstones. [...] Elevates groundwater in the valley ridge will provide a hydraulic barrier to seepage through the ridges. [...] Minor deposits of alluvium that have high permeability were encountered in the valley bottom. Und im weiteren: The basin preparation will comprise the stripping and shaping of the basin, discing and tiling of the top 300 mm of overburden, moisture conditioning and compaction to provide a continuous low permeability layer10. Aus den oben stehenden Angaben kann gefolgert werden, dass ein Sickern der hochgiftigen Chemikalie Zyankali in das Grund- und Trinkwasser der Bevölkerung nicht ausgeschlossen werden kann. C. Auswirkungen auf die Bevölkerung von Rosia Montana und Umgebung: Umsiedlung Aufgrund der Beeinträchtigungen durch dieses Projekt ist eine Umsiedelung der Bevölkerung nach Ansicht von RMCG unumgänglich. Die hierzu im Project Summary gemachten Angaben lauten wie folgt: Umsiedelungen betreffen eine geschätzte Anzahl von 2156 Personen11. 8 Angaben aus Project Summary S. 5. Project Summary S. 72. 10 Project Summary S. 74. 9 7 Diese Umsiedelungen sollen freiwillig erfolgen. Allerdings wird mit der Möglichkeit zwangsweisen Umsiedelns gerechnet, was sich aus folgender Aussage in de, Project Summary ergibt: „Involuntary resettlement should be minimised where feasible, exploring all viable alternative project designs.“12) Die umzusiedelnde Bevölkerung solle zunächst als Gemeinde oder Gemeinschaft zu den Auswirkungen dieses Projektes befragt werden13. Da sich diese Option allerdings als nicht durchführbar erwies, wurden Haushalte in Form von Meinungsumfragen oder dgl befragt14. Als weitere Auswirkung des Projekts wäre der Umstand zu nennen, dass in Streulage befindliche Siedlungen und Häuser dann vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten werden, die dann auf jedwede Infrastruktur zu verzichten hätten15 D. Die Umweltverträglichkeit des Projekts Offensichtlich wird seitens RMCG davon ausgegangen, dass die rumänische Gesetzgebung weitgehend konform mit einschlägigem Gemeinschaftsrecht sei 16. Eine Prüfung der Umweltverträglichkeit dieses Projektes wird wohl ins Auge gefasst. Im Zuge dessen wird auch auf die geplante Anwendung von EG-Recht verwiesen17. 11 Ibid., S. 91. Ibid. S. 90. 13 Vgl. Project Summary S. 93: „There has been some difficulty in obtaining „community“ opinions on the future of Rosia Montana with respect to the project, and to development and resettlement.“ 14 Vgl. Project Summary: „This is because people are not accustomed to speaking as a community, but prefer to discuss such issues on a household basis. Comments have been received through site visits to the Targu-Jiu coal mining resettlement project, a series of public workshops, written comments and a door-to-door survey.“ 15 Wollmann, Position Paper, S. 1. 16 Project Summary S. 83: „Further, these are generally fully in line with similar requirements set down under EU legislation.“ 17 Project Summary S. 93: „The preparation of an EIA (Environmental Impact Assessment) and Environmental Audit are central to the permitting process for mining developments under both 12 8 III. Die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nach Europäischem Gemeinschaftsrecht (EG-Recht) Die vom Auftraggeber, Greenpeace Österreich, gestellte Rechtsfrage erstreckt sich wie folgt auf die Vereinbarkeit mit dem EG-Recht auf a. das im Zuge der Planung der Mine angewendete Verfahren, und auf b. die Zulässigkeit des Goldabbaues mittels der Zyanid-Methode Unbestritten ist EG-Recht auf diesen Sachverhalt (noch) nicht anwendbar. Das vorliegende Gutachten soll daher, wie oben erwähnt, zunächst für die fiktive Sachverhaltskonstellation erstellt werden, dass Rumänien bereits Mitglied der EU wäre 18. Wie eingangs erwähnt19, nimmt das Umweltrecht in der Gemeinschaftsrechtsordnung einen zentralen Stellenwert ein. Aus diesen Gründen muss näher auf seine Grundlagen hier eingegangen werden. A. Umweltrecht und Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft 1. Allgemeine Grundlagen: Art. 2, 3 und 174ff. EG-V Der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (in der Folge EG-V) sieht bereits in seinem Art. 2 EG u.a. als Aufgabe der Gemeinschaft an, „durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschaftsund Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 4 genannten gemeinsamen Politiken [...] ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität [...] zu fördern.“ Diese Aufgabenstellung der Gemeinschaft, welche durch die rezente Änderung des EG-V durch den Vertrag von Amsterdam eingefügt wurde, stellt die Aufgabe des Umweltschutzes für die EG gleichberechtigt neben z.B. die Aufgabe eines „beständigen, nichtinflationären Wachstums“, „eines hohen Beschäftigungsniveaus“ oder „eines hohen Maßes an sozialem Schutz“. Romanian Environmental Law and the EU Environmental Legislation“ (Hervorhebung von uns). 18 Vgl. oben Abschnitt I Einleitung. 9 Damit wird positivrechtlich eine im EG-Primärrecht und seinen Gleichrangigkeit von Ökonomie, allgemeinen Grundsätzen sozialen Belangen und Umweltschutz festgelegt20. Der wirtschaftliche Fortschritt sei daher nicht bloß quantitativ, sondern auch qualitativ zu bemessen. Die Europäische Gemeinschaft kann daher nicht – wie in ihren Ursprüngen – als bloße Wirtschaftsgemeinschaft bezeichnet werde, sondern ist nunmehr auch als Umweltgemeinschaft zu bezeichnen.21 Daher müssen bei einem Hinwirken auf ein hohes Beschäftigungsniveau oder auf eine Verbesserung des sozialen Schutzes gleichermaßen Erfordernisse des Umweltschutzes berücksichtigt werden.22 Art. 3 lit. l EG-V nennt Politik auf dem Gebiet des Umweltschutzes ausdrücklich als eines der Tätigkeitsgebiete der Gemeinschaft. Diese Vorschrift begründet zunächst einen Auftrag an die EG, auf dem Gebiet des Umweltschutzes tätig zu werden. Hierbei handelt es sich um eine Handlungsaufforderung.23 Die Bestimmungen der Art. 174 ff EG-V stellen nun eine Konkretisierung der oben angeführten Bestimmungen dar. Art. 174 Abs. 1 EG-V normiert jene Ziele, denen die Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft dienen soll. Wesentlich erscheinen darunter „Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität“, „Schutz der menschlichen Gesundheit“ sowie „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“. 19 Ibid. Zustimmend Frenz, Europäisches Umweltrecht (1997), 4. 21 Bereits vor den durch den Vertrag von Amsterdam vorgenommenen Änderungen Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der Einheitlichen Europäischen Akte, Europarecht 1989, 152 (176); Pernice, Europäische Union als Umweltunion?, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1995, 385; Jahns-Böhm/Breier, Die umweltrechtliche Querschnittklausel des Art. 130 r II EWGV, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1992, 49 (52). 22 Frenz, Europäisches Umweltrecht (1997), 4. 23 Langguth/Lenz, Kommentar zu Art. 3 EG-V, in Lenz (Hg.) EG-Vertrag – Kommentar (1994), S. 13. 20 10 Art. 174 Abs. 2 EG-V definiert ein weiteres Ziel der EG-Umweltpolitik, nämlich das Abzielen – wohl unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft – auf ein hohes Schutzniveau. Weiters werden innerhalb dieser Bestimmung die tragenden Grundsätze der EG-Umweltpolitik normiert: Diese beruht nämlich, so Art. 172 Abs. 2 EG-V, auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen an ihrem Ursprung zu bekämpfen und auf dem Verursacherprinzip. Da die in dem nächsten Abschnitt auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwendenden Rechtsnormen des EG-Sekundärrechts im Lichte der ihnen zugrundeliegenden Kompetenznormen (gegenständlich Art. 174 EG) sowie der allgemeinen Bestimmungen des EG-V (Art. 2 und 3 EG-V) zu interpretieren sind, soll im folgenden eine Konkretisierung der angeführten Begriffe vorgenommen werden. 2. Der Begriff der Umwelt im europäischen Gemeinschaftsrecht Der Umweltbegriff ist zwar im Gemeinschaftsrecht nirgends definiert und damit „entwicklungsoffen“ gehalten24. Jedoch sowohl aus der Literatur, als auch aus den verschiedenen Aktionsprogrammen für den Umweltschutz25 sowie dem Sekundärrecht kann mit Sicherheit abgeleitet werden, dass ein weiter Ansatz auf allgemeinen Konsens gestoßen ist. Nach herrschender Auffassung umfasst der Umweltbegriff „die natürliche und die vom Menschen geschaffene gegenständliche Umwelt“26. Daraus ergibt sich, dass auch noch erhaltene Zeugnisse des europäischen kulturellen Erbes (Grabstätten, Tempel, historische Bergwerke, etc.) nach dieser allgemein anerkannten Definition Gegenstand des EG-Umweltschutzes sind. 3. Ziele der EU/EG-Umweltpolitik Als erstes zu konkretisierendes Ziel der EU/EG-Umweltpolitik stellt sich der Begriff „Erhaltung der Umwelt“. Die Erhaltung der Umwelt schließt jedenfalls 24 Breier/Vygen, Kommentar zu Art. 174 EG-V, in Lenz (Hg.) Kommentar zum EG-Vertrag. 2.Aufl. 1999, S. 1451. 25 Dazu eingehend Fischer/Köck, Europarecht, 4. Aufl. 2002, S. 666ff. 11 Maßnahmen ein, die den status quo wahren sollen. Da Art. 2 EG-V von einem hohen Schutzniveau für den Bereich der Umwelt ausgeht, ist dieser status quo nach Ansicht der Literatur gleichfalls auf einem hohen Niveau zu bemessen.27 Soll daher der status quo der Umwelt erhalten werden, müssen auch bereits jene Entwicklungen aufgehalten werden, welche zwar noch keine schädigenden Wirkungen auf die Umwelt gezeigt haben, welche jedoch solche schädigenden Wirkungen zu entfalten vermögen. Die Einschätzung der Gefährdung hat nach Art. 174 Abs. 3 EG-V aufgrund der verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten zu erfolgen. Daher könne, so Grabitz/Nettesheim, der gegenwärtige Zustand der Umwelt nur durch einen präventiven und damit vorbeugenden Umweltschutz gewahrt werden, und nicht lediglich durch Maßnahmen, welche auf eine Beseitigung von bereits zum Vorschein gekommenen Beeinträchtigungen abzielen.28 In gleicher Weise müsse, so Frenz, der Begriff „Erhaltung der Umwelt“ so gesehen werden, dass seine Tragweite über eine bloße Bewahrung des status quo hinausweise und bereits zur Erhaltung der Umwelt zu treffende präventive Maßnahmen erfordert.29 Daraus ergibt sich, dass die oben genannte, weite Auslegung des Zieles „Erhaltung“ der gemeinschaftlichen Umweltpolitik jedenfalls von dem Ziel „Schutz der Umwelt“ umfasst wird. Da der Schutz der Umwelt neben der Erhaltung der Umwelt aufgeführt wird, sollen rechtliche Maßnahmen der Gemeinschaft Umweltschutz zum umfassenden Gegenstand haben. Nicht erforderlich ist, dass die Bedrohung der Umwelt von Menschen ausgeht; vielmehr sollen auch Gefährdungen einbezogen werden, welche möglicherweise erst in 26 Breier/Vygen, Kommentar, S. 1451. Frenz, Europäisches Umweltrecht (1997), 6. 28 Grabitz/Nettesheim, Kommentar zu Art. 130r EG-V, in Grabitz/Hilf (Hg), Kommentar zum EG-Vertrag (mit Ergänzunglieferungen). 29 Frenz, Europäisches Umweltrecht (1997), 7. 27 12 der Zukunft eine Konkretisierung erfahren (so etwa Grundwasserveränderungen oder Erdbeben).30 Mit dieser in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht zu Art. 174 EG-V sollen zum einen auch nicht von Menschen hervorgerufene Beeinträchtigungen erfasst werden. Zum anderen soll jedoch etwaigen Beweisschwierigkeiten vorgebeugt werden, da der Verursacher einer Umweltbeeinträchtigung oft nicht exakt nachweisbar ist. Das zweite, in Art. 174 EG-V enthaltene Ziel der gemeinschaftlichen Umweltpolitik und für die in diesem Gutachten zu beantwortende Fragestellung ist die „Verbesserung der Qualität der Umwelt“. Dieses Ziel der gemeinschaftlichen Umweltpolitik soll – auf der Grundlage von Art. 2 EG-V von einem hohen Schutzniveau ausgehend – den Erlass von Maßnahmen ermöglichen, welche den gegenwärtigen Umweltstandard anheben sollen. Ausgangspunkt stellt zwar ein hohes Schutzniveau dar, nicht jedoch ein Idealzustand; eine Verbesserung des status quo soll insbesondere durch gestufte, sich mit der Zeit verschärfende Umweltstandards erreicht werden.31 Der Schutz der menschlichen Gesundheit ist drittes Ziel der Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft. Das Ziel der Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus ist bereits in Art. 152 Abs. 1 (Titel XIII) EG-V vorgesehen. Gewissermaßen in Ergänzung dazu wiederholt nun Art. 174 Abs 1 Spiegelstrich 2 EG-V innerhalb des Titels XIX (Umweltschutz) dieses Ziel des „Schutzes der menschlichen Gesundheit“, womit die zentrale Bedeutung des Gesundheitsschutzes im europäischen Umweltrecht deutlich unterstrichen wird. Gesundheit umfasst dabei alle körperlichen und seelischen Lebensvorgänge 32. Dieses Ziel ist somit im Rahmen einer finalen Kompetenznorm als Ergänzung zu dem Schutz der Umwelt zu verstehen, wenngleich zugegebenermaßen manche Umweltschutzmaßnahmen, 30 Breier/Vygen, Kommentar zu Art. 130 r EG-V, in Lenz (Hg.) Kommentar zum EG-Vertrag 1994, 951ff. ZU dem umfassenden Umweltschutz gehört auch die Erforschung der Situation der Umwelt unabhängig von möglichen oder bereits bestehenden Gefährdungen. 31 Grabitz/Nettesheim, Kommentar zu Art. 130r EG-V, in Grabitz/Hilf (Hg), Kommentar zum EG-Vertrag (mit Ergänzunglieferungen). 13 wie Naturschutz, nur in entfernter Hinsicht einen Gesundheitsbezug aufweisen. Doch heute kommt dem Schutz der menschlichen Gesundheit im Bereich des EGUmweltrechts und der Umweltpolitik eine selbständige Bedeutung33 zu, wie es sich auch aus Sekundärrechtsakten ableiten läßt34 Die Zielbestimmung „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“ umfasst als viertes Ziel zunächst sowohl Umweltmedien, i.e. Luft, Wasser und Boden einschließlich der Pflanzenwelt, als auch die Bodenschätze. Da die EG nicht die Kompetenz für eine gemeinschaftsrechtliche Energie besitzt, ist ein Konflikt zwischen dieser Zielbestimmung und nationalstaatlicher Energiepolitik denkbar. Ein solcher Konflikt wird zunächst dadurch entschärft, dass es sch bei dieser Bestimmung nicht um unmittelbar anwendbares EG-Recht handelt, sondern um eine bloße Zielbestimmung. Wird jedoch einmal diese Zielbestimmung in einem Rechtsakte des sekundären EG-Recht konkretisiert, so ist dieser Rechtsakt – wenn es sich um eine Richtlinie handelt – umzusetzen oder in einem vertikalen Verhältnis unmittelbar wirksam. Wird eine Umsetzung im Rahmen einer Verordnung vorgenommen, so ist eine solche für sich ab dem Zeitpunkt ihrer Erlassung oder ihres Inkrafttretens bereits allgemein verbindlich und unmittelbar anwendbar. In dem nächsten Teil dieses Abschnittes sollen die für die Beantwortung der gestellten Rechtsfrage relevanten Handlungsmaßstäbe der EG kurz herangezogen werden. Gemäß Art. 174 Abs. 2 EG zielt die Umweltpolitik der Gemeinschaft auf die Wahrung eines hohen Schutzniveaus ab. Der Begriff „hohes Schutzniveau“ wird innerhalb des EG-V selbst nicht definiert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nicht ein absolut bestes Niveau gefordert wird, sondern bloß eine an einem hohen Standard 32 Breier/Vygen, Kommentar zu Art. 174 EG-V, in Lenz (Hg.) Kommentar zum EG-Vertrag. 2.Aufl. 1999, S. 1452. 33 Ibid. 14 orientierte Verwirklichung des Schutzes der Umwelt.35 Aus einer systematischen Interpretation dieser Bestimmung mit jener des Art. 174 Abs. 3 EG-V ist zu folgern, dass ein hohes Schutzniveau keinesfalls hinter dem verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisstand zurückbleiben kann. Die Grundsätze der „Vorsorge“ und der Grundsatz der „Vorbeugung“ weisen auf den Bereich des präventiven Umweltschutzes und ermöglichen es auch, mit Hilfe rechtlicher Maßnahmen über den Bereich des repressiven Umweltrechts hinauszugehen. Diese Grundsätze der gemeinschaftlichen Umweltpolitik ermöglichen es, mittels Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts einen umfassenden Umweltschutz zu gewährleisten. Im folgenden sollen relevante Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts auf den vorliegenden Sachverhalt geprüft und angewendet werden. Die zu untersuchenden Bereiche betreffen die Durchführung eines gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahrens sowie des Schutzes des Grundwassers. Die oben dargestellten Zielvorgaben und tragenden Grundsätze der gemeinschaftlichen Umweltpolitik sind als Maßstäbe der Interpretation im Sinne einer gemeinschaftskonformen Interpretation heranzuziehen. B. Die Durchführung eines Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahrens 1. Grundsätze der UVP-Richtlinie und der UmweltauswirkungenRichtlinie Die für die gestellte Rechtsfrage wesentlichen Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts sind die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (im folgenden: UVP-Richtlinie)36 sowie 34 Vgl. die Richtlinie 82/884/EWG vom 3. Dezember 1982 betreffend den Grenzwert für den Bleigehalt in der Luft. ABl. 1982 L378, S. 15ff. 35 Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union (1997), 96. 36 Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl L. 175/1985, S. 40. 15 die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (im folgenden: Umweltauswirkungen-Richtlinie)37. Ein wesentliches Kennzeichen der UVP-Richtlinie besteht darin, dass hier ein in seinen Eckpunkten bestimmtes Verfahren für die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen wird. Damit sollen in einem förmlichen Verfahren schädliche Umweltbeeinträchtigungen so früh wie möglich identifizier, umfassend beschrieben und bewertet werden. Die UVP-Richtlinie schreibt nicht vor, dass bedenkliche Projekte mit Absolutheit nicht zugelassen werden sollen. Vielmehr sollen die Auswirkungen dieser Projekte in die Zulassungsentscheidung einbezogen werden; die einzelnen Projekte sollen allenfalls mit Auflagen behaftet werden.38 Die UVP-Richtlinie stellt bereits in ihrer Präambel fest: „Zur Ergänzung und Koordinierung der Genehmigungsverfahren für öffentliche und private Projekte, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, sollten allgemeine Grundsätze für Umweltverträglichkeitsprüfungen aufgestellt werden“. Aus dieser Bestimmung lässt sich ableiten, dass die UVP-Richtlinie in ihrer Anlage und Systematik allgemeine Grundsätze für die Verwaltungsverfahren der Mitgliedstaaten normieren soll. Diese Richtlinie soll daher bloß zur Ergänzung der nationalen Genehmigungsverfahren dienen. In ihrem Art. 1 sieht die UVP-Richtlinie vor, dass bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, eine Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend stattzufinden hat.39 37 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Projekte, ABl L. 197/2001, S. 30. 38 Prelle, Die Umsetzung der UVP-Richtlinie in nationales Recht und ihre Koordination mit dem allgemeinen Verwaltungsrecht (2001), 67. 39 Vgl. dazu Prelle, Die Umsetzung der UVP-Richtlinie in nationales Recht und ihre Koordination mit dem allgemeinen Verwaltungsrecht (2001), 67. 16 Ein Projekt im Sinne dieser Richtlinie ist weit zu verstehen: Darunter fallen nach Art.1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen oder sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen. Da der Ansatz der UVP-Richtlinie für die Definition ihres Anwendungsbereiches jede Errichtung von baulichen Anlagen sowie sämtliche Eingriffe zum Abbau von Bodenschätzen umfasst, muss auch ein Ausbau etwaiger, bereits bestehender Anlagen, als Projekt im Sinne der UVP-Richtlinie qualifiziert werden. Die zentrale Bestimmung der UVP-Richtlinie sieht in Art. 3 die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Anlagen, welche der Definition eines Projektes nach Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie entsprechen: „Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren: - Mensch, Fauna und Flora - Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft - die Wechselwirkung zwischen den unter dem ersten und dem zweiten Gedankenstrich genannten Faktoren, Sachgüter und das kulturelle Erbe“. Für „Anlagen zur Gewinnung von Nichteisenrohmetallen aus Erzen, Konzentraten oder sekundären Rohstoffen durch metallurgische, chemische oder elektrolytische Verfahren“ ist verpflichtend ein nach den Arts. 10-15 der UVP-Richtlinie definiertes Verfahren durchzuführen. Der Verlauf dieses Verfahrens soll im folgenden im Überblick dargelegt werden. Im Anschluss soll eine Prüfung vorgenommen werden, ob die zur Errichtung der Bergbauanlage in Rosia Montana eingeschlagene Vorgangsweise den EG-rechtlichen Vorgaben für den Bereich der UVP-Richtlinie entspricht. Art. 5 Abs. 3 der UVP-Richtlinie sieht vor, dass der Projektträger im wesentlichen folgende Angaben vorzulegen habe: eine Beschreibung des Projektes nach Standort, Art und Umfang; eine Beschreibung jener Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen vermieden, verringert und soweit möglich ausgeglichen werden sollen; Angaben zur Feststellung und Beurteilung der Hauptauswirkungen, die das Projekt voraussichtlich auf die Umwelt haben wird; eine Übersicht über die wichtigsten 17 anderweitigen vom Projektträger geprüften Lösungsmöglichkeiten und Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen. Weiters ist für das Verständnis der Öffentlichkeit eine nichttechnische Zusammenfassung der oben genannten Angaben erforderlich. Für eine Einhaltung der in der UVP-Richtlinie vorgesehenen Verfahrensschritte ist es erforderlich festzustellen, welcher Personenkreis ein Individualrecht auf die Abhaltung eines UVP-Verfahrens besitzt: In einem ersten Schritt sollen hierzu die Vorgaben der UVP-Richtlinie selbst analysiert werden: Art. 6 Abs. 2 der UVP-Richtlinie sieht folgendes vor: „Die Mitgliedstaten tragen dafür Sorge, dass der Öffentlichkeit die Genehmigungsanträge sowie die nach Artikel 5 eingeholten Informationen binnen einer angemessenen Frist zugänglich gemacht werden, damit der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich vor Erteilung der Genehmigung dazu zu äußern“. Diese Bestimmung enthält zwei Vorgaben zur Umsetzung an die Mitgliedstaaten: Die eingeholten Informationen müssen in angemessener Frist einer „betroffenen Öffentlichkeit“ zugänglich gemacht werden; weiters muss dieser die Gelegenheit zur „Äußerung“ gegeben werden. 2. Die einschlägige EuGH-Judikatur Unter „betroffene Öffentlichkeit“ ist sicherlich ein engerer Personenkreis zu verstehen als unter Allgemeinheit. Der EuGH spricht in ständiger Rechtsprechung dem Einzelnen dann Rechte aus einem Rechtsakt des Umweltrechts zu, wenn zumindest der Regelungszweck des in Frage kommenden Rechtsaktes den Schutz für den Menschen wesentlicher Rechtsgüter vorsieht. In der Entscheidung TA-Luft40 stellt der EuGH fest, dass die Festlegung von Grenzwerten in den Luftreinhalterichtlinien dem Schutz der menschlichen Gesundheit diene. Deshalb können die Betroffenen in allen Fällen, in denen eine Überschreitung zu 18 rügen sei, sich auf zwingende Vorschriften der Richtlinie berufen, um ihre Rechte gelten zu machen. In der Entscheidung zur Grundwasserrichtlinie41 betont der EuGH das Ziel eines wirksamen Schutzes des Grundwasser der Gemeinschaft, indem er die Mitgliedstaaten durch genaue und detaillierte Vorschriften verpflichtet, eine zusammenhängende Regelung von Verboten, Genehmigungen und Überwachungsverfahren zu erlassen, um Ableitungen bestimmter Stoffe zu verhindern und zu begrenzen.42 An dieser Richtlinie und den dem Einzelnen zugesprochenen Rechten ist – in Anlehnung an die UVPRichtlinie – festzustellen, dass es sich insbesondere um verfahrensrechtliche Bestimmungen handelt. Ebenso entschied der EuGH in einem gleichgelagerten Fall, der die Nichtumsetzung von Oberflächenwasserrichtlinien43 betraf. Die Richtlinien enthalten als Zweck den „Schutz der Volksgesundheit“, so dass nach Ansicht des EuGH wiederum ein Fehler bei der Umsetzung dieser Richtlinie von den Betroffenen im Klageweg bekämpft werden kann. Damit kann gefolgert werden, dass unter gewissen Voraussetzungen – welche in einem gesonderten Abschnitt kurz dargestellt werden können – Richtlinien des Umweltrechts jenen natürlichen und juristischen Personen, die von ihrem Schutzbereich erfasst werden, Rechte verleihen. Diese Rechte sollen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH vor Gericht geltend gemacht werden können. Schließlich sieht Art. 9 der UVP-Richtlinie vor, dass eine Entscheidung über die Genehmigung oder die Verweigerung der Genehmigung in einem der UVP-Richtlinie 40 EuGH Rs C-361/88 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland („TA-Luft“), Slg. 1991, 2567. 41 EuGH Rs C-131/88 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1991, 835. 42 Prelle, Die Umsetzung der UVP-Richtlinie in nationales Recht und ihre Koordination mit dem allgemeinen Verwaltungsrecht (2001), 33. 43 EuGH Rs. 58/89 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1991 S. 4983. 19 folgenden Verfahren unverzüglich, gemeinsam mit ihrer Begründung, der Öffentlichkeit mitgeteilt werden soll. 3. Das Rosia Montana Projekt im Lichte der UVP-Richtlinie und der Umweltauswirkungen-Richtlinie Für den vorliegenden Sachverhalt soll nun eine Beurteilung der Übereinstimmung der eingeschlagenen Vorgangsweise mit den Vorgaben der beiden einschlägigen Richtlinien vorgenommen werden: Der in Aussicht genommene Ausbau der Förderanlagen in Rosia Montana stellt eine 50-fache Vergrößerung der baulichen Anlagen dar, so dass von einem der UVP-Richtlinie unterliegenden Projekt auszugehen ist. Anhand des vorliegenden Sachverhaltes kann festgestellt werden, dass den Erfordernissen des UVP-Verfahrens, so wie es in der EG-Richtlinie festgelegt wird, nicht entsprochen wurde. Die von Art. 5 der UVP-Richtlinie vorgesehenen Informationen liegen nicht vor. Die Anhörung der Betroffenen scheint nicht zu erfolgen: Die Befragung der Betroffenen als „Gemeinde“ oder als „Haushalt“ oder wiederum in Form einer Meinungsumfrage (sic!) genügt nicht den Erfordernissen eines geregelten und fairen Verfahrens nach der UVP-Richtlinie. Die Umweltauswirkungen-Richtlinie sieht vor, dass im Hinblick auf die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und der Annahme von gewissen Plänen und Programmen einbezogen werden. Von dieser Richtlinie werden jene Programme und Pläne erfasst, welche eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben. 20 Während diese Richtlinie über Umweltauswirkungen im wesentlichen ähnliche Vorschriften wie die UVP-Richtlinie enthält, werden hier unter „betroffene Öffentlichkeit“ sowohl jene Teile der Öffentlichkeit eingeschlossen, die vom Entscheidungsprozeß dieser Richtlinie betroffen sind oder betroffen sein werden, als auch Nichtregierungsorganisationen mit einem entsprechenden Tätigkeitsschwerpunkt. Damit ist der Personenkreis erweitert. Nach den den Gutachtern vorliegenden Unterlagen wurden von den zuständigen Behörden dieser erweiterte Personenkreis weder gehört noch wurden die entsprechenden Informationen gegeben. Hier liegt somit ein Verstoß nicht nur gegen die UVP-, sondern auch gegen die Umweltauswirkungen-Richtlinie vor. C. Gewässerschutz Die Richtlinie über den Schutz des Grundwassers44 unterstellt systematisch zwei Kategorien von Stoffen ihrem Regime, Liste I und II. Zyanide unterliegen der Liste I. Diese Richtlinie setzt sich in ihrer Präambel folgendes Ziel: „Um einen wirksamen Schutz des Grundwassers in der Gemeinschaft zu gewährleisten, muß die Ableitung von Stoffen aus der Liste I verhindert und die Ableitung von Stoffen aus der Liste II begrenzt werden. Es ist zwischen direkten Ableitungen gefährlicher Stoffe und in das Grundwasser einerseits und Maßnahmen, die zu einer indirekten Ableitung dieser Stoffe führen können, andererseits zu unterscheiden45 Mit Ausnahme der von vornherein untersagten direkten Ableitungen von Stoffen der Liste I ist jede Ableitung einer Genehmigung zu unterwerfen!. Die Richtlinie normiert bereits in ihrer Präambel die legislative Wertung, dass Stofffamilien und Stoffgruppen der Liste I als besonders gefährlich zu betrachten sind. Art. 1 der Richtlinie definiert Grundwasser als „alles unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund 44 Richtlinie des Rates 80/68/EWG vom 17. Dezember 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe, ABl L 20/1980, S. 43. 45 Hervorhebung von den Verfassern. 21 steht.“ Als direkte Ableitung wird eine „Einleitung von Stoffen aus der Liste I oder II in das Grundwasser ohne Boden- oder Untergrundpassage“ und als indirekte Ableitung „Einleitung von Stoffen aus der Liste I oder II in das Grundwasser nach Boden- oder Untergrundpassage“. Art. 3 der Richtlinie enthält die zentrale Bestimmung dieses Rechtsaktes: Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Ableitung von Stoffen der Liste I in das Grundwasser zu verhindern. Während demnach die Ableitung in direkter und indirekter Weise in das Grundwasser mit einem Verhinderungsgebot belegt ist, soll die Ableitung von Stoffen der Liste II bloß begrenzt werden. Das den Mitgliedstaaten gestellte Ziel, nämlich die Verhinderung der direkten und indirekten Ableitung von Stoffen der Liste I in das Grundwasser soll durch die Durchführung einer Prüfung sichergestellt werden46. Für den vorliegenden Sachverhalt von hoher Relevanz ist Art. 4 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie über den Grundwasserschutz. Er lautet wie folgt: „Aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung verbieten die Mitgliedstaaten diese Maßnahme oder erteilen eine Genehmigung, sofern alle technischen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, die nötig sind, um diese Ableitung zu verhindern47. Die Verwendung des Ausdruckes „verhindern“ lässt folgern, dass den Mitgliedstaaten – aufgrund der Zielsetzung der Richtlinie, nämlich der Wahrung der menschlichen Gesundheit – eine unbedingte Ergebnispflicht auferlegt wird. Art. 9 der Richtlinie zum Schutz des Grundwassers legt zwingend den Inhalt der Genehmigungsentscheidung fest, während Art. 11 die Erteilung einer Genehmigung für einen Zeitraum von höchstens vier Jahren für zulässig erklärt. Nach dem Ablauf dieser Periode können Genehmigungen verlängert, geändert oder widerrufen werden. 46 47 Art. 4 der Richtlinie. Hervorhebung von den Verfassern. 22 Für den vorliegenden Sachverhalt ist festzustellen, dass – nachdem Cyanide unter Stoffe der Liste I fallen, indirekte Ableitungen solcher Stoffe in das Grundwasser absolut zu verhindern sind. Im Project Summary findet sich jedoch folgende Passage im Hinblick auf ein Einsickern des Cyanids in das Grundwasser:48 “The Corna Valley basin comprises residual soil and colluvium overlying sequences of sedimentary rock including interbedded shales and sandstones. [...] Elevated groundwater in the valley ridge will provide a hydraulic barrier to seepage through the ridges. [...] Minor deposits of alluvium that have high permeability were encountered in the valley bottom. […] The basin preparation will comprise the stripping and shaping of the basin, discing and tilling of the top 300 mm of overburden, moisture conditioning and compaction to provide a continuous low permeability layer”49. Aus den oben stehenden Angaben kann gefolgert werden, dass ein Sickern der hochgiftigen Chemikalie Zyankali in das Grund- und Trinkwasser der Bevölkerung – sei es durch hoch permeable oder niedrig permeable Erdschichten - nicht ausgeschlossen werden kann. Die Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung eines Zyanid- Aufbewahrungssees stellt daher einen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie über den Schutz des Grundwassers dar. Weiters stellt die zeitlich unbegrenzte Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung eines derartigen Stausees einen Verstoß gegen Art. 11 der Richtlinie über den Grundwasserschutz dar. D. Die unmittelbare Wirkung von Richtlinien zugunsten des Individuums Welche Folgen haben die oben angeführten Verstöße gegen EG-Richtlinienrecht für den Einzelnen? Ein wesentlicher Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist die 48 49 S. 72 und 74. Hervorhebung von den Gutachtern. 23 vom EuGH entwickelte Doktrin der unmittelbaren Wirkung, die dem Einzelnen Rechte gegenüber dem Mitgliedstaat wie folgt einräumt. Werden Richtlinien nicht oder nicht rechtzeitig umgesetzt, so entfalten sie unmittelbare Wirkung. Zu der Nicht- oder Schlechtumsetzung einer Richtlinie müssen die Voraussetzungen der hinreichenden Genauigkeit und Bestimmtheit der Vorschrift und der Erteilung von Rechten an Einzelne gegeben sein.50 Der EuGH formuliert die an die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie zu stellenden Anforderungen wie folgt: „Es ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, die einzelnen berechtigt sind, sich gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen zu berufen, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umsetzt oder eine unzutreffende Umsetzung der Richtlinie vornimmt.51“ Oben wurde bereits dargelegt, dass Richtlinien des Umweltrechts dann Rechte an Einzelne verleihen, wenn Einzelpersonen von dem Schutzbereich der Richtlinien umfasst werden. Daher ist es Einzelnen möglich, sich in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft unmittelbar auf eine Richtlinienbestimmung zu berufen, die in einem gegebenen Bereich einen Grenzwert (etwa Schwefeldioxid52, Blei53 oder Stickoxid54 in der Luft) festlegt. Sollte daher Rumänien das Projekt Rosia Montana unter den oben dargelegten schweren Verstößen gegen EG/EU-Umweltrecht und –Umweltstandards zulassen, so wird es im Falle einer EU-Mitgliedschaft mit einer Vielzahl von Verfahren, angestrengt auch von betroffenen Einzelpersonen, vor dem EuGH zu rechnen haben. 50 Vgl. etwa EuGH Rs. 8/81 Ursula Becker gegen Finanzamt Münster-Innenstadt, Slg. 1982, 53. EuGH Rs 152/84 M.H. Marshall gegen Southampton and South West Hampshire Health Authority (Teaching), Slg. 1986, 723. 52 Richtlinie 80/779/EWG des Rates vom 15. Juli 1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub, ABl L 229/1980, 30. 53 Richtlinie 82/884/EWG des Rates vom 3. Dezember 1982 betreffend einen Grenzwert für einen Bleigehalt in der Luft, ABl L 378, 15. 54 Richtlinie 85/203/EWG des Rates vom 7. März 1985 über Luftqualitätnormen für Stickoxid, ABl L 87/1985, 1. 51 24 Abschließend soll auch geprüft werden, ob nicht bereits jetzt, also vor einer EUMitgliedschaft, Rumänien durch eine Fortführung des Projekts seine internationalen Verpflichtungen verletzt. IV. Das Rosia Montana Projekt im Lichte der EMRK 1950 Als Mitglied des Europarates ist Rumänien seit 1994 auch Mitglied der EMRK, aus der sich aus Art. 8 für alle Menschen das Recht auf Achtung des Privatlebens ergibt (Abs. 1). Gemäß ständiger Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg55 steht somit dem Einzelnen ein Freiraum zu, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit entwickeln und verwirklichen kann. Dieser Freiraum umfasst auch den Anspruch auf Achtung seiner Wohnung. Diesem Recht steht die Verpflichtung des Staates gegenüber, diesen Freiraum zu respektieren. Staatliche Eingriffe in diesen können aus öffentlichem Interesse, wie etwa nationale Sicherheit, wirtschaftliches Wohl des Landes, Schutz der Gesundheit, etc. 56, dürfen nur auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg erfolgen und müssen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein57. Die Rechtfertigung ist von der Behörde bzw. der Regierung, die das betreffende Freiheitsrecht einschränkt, anzuführen 58. Legt man diese Rechtslage den Tatsachen zugrunde, dass durch das Rosia MontanaProjekt tausende Menschen, denen Art. 8 EMRK ein Recht auf Privatsphäre garantiert, zwangsweise abgesiedelt werden, so stellt sich die Frage, ob durch diese Maßnahme die Rechtfertigungsgründe des Art. 8 Abs. 8 EMRK erfüllt sind. Allein in der Stadt Rosia Montana sind von der Absiedelung 740 Häuser und 138 Wohnungen betroffen 59. Eine Rechtfertigung des Eingriffs wäre aus „öffentlichem Interesse“ zulässig. Das läge in diesem Fall dann vor, wenn der Eingriff den Zweck verfolgt, dem wirtschaftlichen 55 Für viele vgl. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Zürich 1993, 318ff. 56 Vgl. Art. 8-11 EMRK 57 Dazu im weiteren Fischer/Köck/Karollus, Europarecht, 4. Aufl. 2002, 200ff. 58 Nachweise bei Villiger, op.cit. 311 59 Wollmann, Position Paper, S.1 25 Wohl des Landes zu dienen und wenn dieser Eingriff in Hinblick auf den dadurch bewirkten Nachteil für den/die betroffenen Menschen verhältnismäßig ist. Beide Kriterien sind nun zu untersuchen. A. Die mögliche Rechtfertigung der rumänischen Maßnahmen gegen die Bevölkerung zum Zwecke des wirtschaftlichen Wohls des Landes Wie eingangs festgestellt wurde, ist die Abbaugesellschaft RMGC zu 80% im Eigentum der kanadischen Gesellschaft Gabriel Resources Ltd. und nur zu 20% in rumänischer Hand. Eine derartige Minderheitsbeteiligung des Förderlandes ist in der internationalen Bergbauindustrie unüblich und erinnert an neokolonialistische Ausbeutung60. In Hinblick auf die Abbau-Konzession (exploitation concession) fehlt jeder Hinweis im Project Summary61 auf eine Gewinnbeteilungsformel (profit sharing formula), wie sie bei Bergbaukonzessionen üblich ist und, z.B. in der Erdölindustrie, etwa 15:85 zugunsten des Förderlandes beträgt. Es ist hier nur von einer royalty von 2% (!) der Bruttoproduktion die Rede, die jährlich an die rumänische Regierung entrichtet werden muss. Daraus folgt, dass dementsprechend der überwiegende Anteil an zukünftigen Gewinnen nach Kanada fließen und nicht im Lande verbleiben wird. Daher ist der von Art. 8 Abs. 2 geforderte Rechtfertigungsgrund “öffentliches Interesse“ im Sinne des wirtschaftlichen Wohls des Landes im Rosia Montana Projekt nicht gegeben. B. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der rumänischen Maßnahmen gegen die Bevölkerung Doch selbst wenn der rumänische Staat als Förderland einen im Sinne einer Reihe von UNO-Resolutionen62 angemessenen Anteil an den Gewinnen aus dem Rosia 60 Dazu eingehend Fischer, Die internationale Konzession, Wien 1974; ders., , Concessions, in: R.Bernhardt (Hrg.), Encyclopedia of Public International Law, Instalment 8 (Amsterdam-New York-Oxford 1985), 77 ff. 61 S. 103. Vgl. dazu die zahlreichen Resolutionen der UNO-Generalversammlung über die „dauernde Souveränität über Naturreichtümer“ und die Vorschläge der UN. Commission on Transnational 62 26 Montana Projekt erhalten würde, wären die schwerwiegenden Eingriffe in das Leben tausender Menschen des Bergbaugebietes und die irreparablen Umweltschäden durch den verbotenen Zyanidabbau unverhältnismäßig zu den möglichen wirtschaftlichen Vorteilen des Förderlandes Rumänien. Darüber hinaus sind Folgeschäden, wie eine Umweltkatastrophe wie jene im Falle der Zyanidverseuchung der Flüsse Theiss und Donau im Jahre 2000, die auch einen Nachbarstaat betraf, nicht zur Gänze auszuschließen63. Daraus ergibt sich, dass die von Art. 8 Abs. 2 EMRK von Rumänien geforderten Rechtfertigungsgründe für die schwerwiegenden staatlichen Eingriffe in das Leben tausender Menschen im Rosia Montana Projekt nicht gegeben sind und somit dieses nicht nur dem EU/EG Umweltrecht, sondern auch den Grundprinzipen und Normen der EMRK widerspricht. Corporations. Vgl. Fischer, Das internationale Bergrecht im Lichte historischer, gegenwärtiger und zukünftiger vertraglicher Rechtsgestaltung, in: Zeitschrift für Bergrecht (Bonn 1976), 74 ff.; 63 Vgl. Roth, A storm in the making, 1. http:\www.corporatewatch.org 27 V. Ergebnis Die vorhergehende Untersuchung hat in Hinblick auf die Vereinbarkeit des Bergbauprojekts Rosia Montana in Rumänien mit den Prinzipien und Normen der Europäischen Gemeinschaftsrechtordung folgendes ergeben: 1. Das im Zuge der Planung des Rosia Montana Projekts angewendete Verfahren verstößt sowohl gegen die UVP-, als auch gegen die Umweltauswirkungen-Richtlinie. 2. Die Methode des Zyanidgoldabbaus stellt einen Verstoß gegen die Richtlinie zum Schutz des Grundwassers dar. 3. Nach einem EU-Beitritt Rumäniens können sich davon betroffene Einzelpersonen auf diese Richtlinien berufen und allenfalls Schadenersatz fordern. 4. Die in Auge gefassten Maßnahmen der rumänischen Behörden gegen die Bevölkerung des Bergbaugebietes (zwangsweise Ab- bzw. Umsiedelung) widersprechen Art. 8 EMRK, die bereits jetzt für Rumänien verbindlich ist. Die in ihren Freiheitsrechten verletzten Einzelpersonen könnten bereits jetzt ihre Ansprüche vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geltend machen. Erstellt am 27. Oktober 2002 O. Univ. Prof. Dr. Peter Fischer Univ. Ass. Dr. Alina-Maria Lengauer, LL.M