Gebrauch der Tempora, Bildung des Perfekts mit haben/sein

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Gebrauch der Tempora
Tempora
Durch das Tempus wird allgemein ausgedrückt, in welchem Verhältnis ein
geäußerter Sachverhalt zum Redemoment steht.
Die Zeitformen unterscheiden sich am auffälligsten dadurch, das es einfache
(Präsens und Präteritum) und zusammengesetzte Formen (Perfekt,
Plusquamperfekt, Futur I und II) gibt. Die zusammengesetzten Formen werden aus
einem Hilfsverb und einer infiniten Form gebildet. Ein zweiter Unterschied bei der
Bildung der Zeitformen ist der zwischen starken und schwachen Verben. Starke
Verben wechseln mit der Zeitform meist ihren Stammvokal oder Stammdiphtong,
manche auch Stammkonsonanten.
Das Präsens
1. Das Präsens drückt ein Geschehen aus, das zum Zeitpunkt der Aussage
(Sprechzeitpunkt) andauert:
Der Sohn zieht sich modisch an.
2. Das Präsens drückt allgemeingültige Sachverhalte aus:
In nassem Boden gedeihen nur wenige Holzarten.
3. Das Präsens drückt Zukünftiges aus – unmittelbar bevorstehende Zukunft
(konkurrierend mit Futur I):
Morgen fahre ich nach Wien.
4. Das Präsens drückt Vergangenes aus:
1914 beginnt der Erste Weltkrieg.  historisches Präsens
Zwei Stunden in einem überfüllten Bus. Wir sind die einzigen Fremden in dieser
schaukelnden Sardinenbüchse. (Max frisch „Tagebuch“)  lebhafte Schilderung,
episches Präsens
5. Das Präsens wird in Schlagzeilen gebraucht:
Neue Krise steht vor der Tür!
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Gebrauch der Tempora
6. Das Präsens drückt eine Befehl oder eine Aufforderung aus (imperativische
Bedeutung):
Ihr geht jetzt ins Bett, Kinder!
7. In Verbindung mit einer Partikel drückt das Präsens eine Vermutung aus
(modale Komponente):
Er ist wohl zu Hause.
Das Präteritum
1. Das Präteritum wird stets gebraucht, um eine Handlung (ein Geschehen)
mitzuteilen, die zum Sprechpunkt vergangen oder abgeschlossen ist:
Das Gewitter vernichtete gestern das ganze Feld.
2. Das Präteritum ist das charakteristische Erzählungstempus in der
geschriebenen Sprache (episches Präteritum):
So gingen sie und stöberten wie sie Lust hatten. Ruhe herrschte in den Korridoren, und sie
sahen kaum von fern einen Lakaien. (Thomas Mann „Königliche Hoheit!)
3. Das Präteritum drückt in der gesprochenen Sprache eine besonders lebhafte
Erinnerung oder eine intensive Frage aus:
Wie hieß denn nun sein Vater?
4. Das Präteritum wird in der „erlebten Rede“ benutzt:
Ich fragte meine Frau: „Gibt es wirklich keine Rettung mehr?“  direkte Rede
Ich fragte meine Frau, ob es wirklich keine Rettung mehr gibt.  indirekte Rede
Gab es wirklich keine Rettung mehr?  erlebte Rede
5. Das Präteritum als Vergangenheitstempus dominiert bei haben, sein und
werden, wenn sie als Vollverb benutzt werden, so wie bei den Modalverben:
Ich hatte keine Lust.
Ich war auch dabei.
Es wurde bald besser.
Ich wollte es ihm sagen.
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Gebrauch der Tempora
6. Bei einer Reihe von Verben wird als Ausdruck der Vergangenheit
ausschließlich das Präteritum verwendet:
angehen:
Das ging niemand etwas an.
gehen:
Das Zimmer ging auf die Straße.
pflegen:
Morgens pflegte er länger zu schlafen.
scheinen:
Sie schien müde zu sein.
fortfahren:
Der Redner fuhr fort, seine Gedanken darzulegen.
heißen:
Das hieß nichts anderes, als dass er die Tat begangen hatte.
Das Perfekt
1. Das Perfekt drückt im allgemeinen den Vollzug einer Handlung im
Vergangenen, Gegenwärtigen oder Zukünftigen aus:
Morgen habe ich die Prüfung bestanden.
Dabei kann ein Adverb oder ein Temporalsatz den Zeitpunkt verdeutlichen:
Gestern habe ich das Auto gekauft.
2. Das Perfekt wird dann gebraucht, wenn das Geschehen bis an den
Sprechzeitpunkt heranreicht:
Soeben ist sie gekommen.
3. Das Perfekt wird – wie das Präsens – bei allgemeingültigen Aussagen
verwendet:
Das haben wir immer so gemacht.
4. Das Perfekt kann auch Zukünftiges ausdrücken (dabei muss eine Zeitangabe
den Inhalt des Satzes verdeutlichen):
Morgen Abend um 21 ist er in Prag angekommen.
5. Das Perfekt ist das vorherrschende Erzähltempus in der gesprochenen
Sprache:
Und dann bin ich zu ihr gelaufen und habe ihr die ganze Wahrheit gesagt. Sie hat sich
sehr gewundert.
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Gebrauch der Tempora
6. Das Perfekt steht in Überschriften oder als Abschluss einer Erzählung in der
geschrieben Sprache:
Zernagt vom Zahn der Zeit
7. Das Perfekt dominiert in Fragesätzen, die Vergangenes bezeichnen:
Ist er schon Lehrer geworden?
8. Perfekt und Präsens stehen in einem engen zeitlichen Verhältnis zueinander
(consecutio temporum):
Seit ich ihn gesehen habe, schätze ich ihn.
Das Plusquamperfekt
1. Wir das Perfekt drückt das Plusquamperfekt den Vollzug einer Handlung
(eines Geschehens) aus, allerdings nicht für Gegenwart oder Zukunft,
sondern ausschließlich für die Vergangenheit:
Ich hatte gerade den Fernseher eingeschaltet, da klingelte das Handy.
2. Das Plusquamperfekt steht in einem zeitlichen Verhältnis zum Präteritum
(consecutio temporum). Das wird deutlich in temporalen Nebensätzen:
Nachdem wir gegessen hatten, rauchte er eine Zigarre.
3. Häufig wird der Bezugszeitpunkt mit einem Temporaladverb (später), einer
Jahreszahl (1900) oder einem Temporalsatz angegeben:
Als er abfahren wollte, hatte es angefangen zu regnen.
Das Futur I
1. Das Futur I drückt zukünftiges Geschehen ohne Rücksicht auf die
tatsächliche Verwirklichung aus:
Er wird auf die Universität gehen.
Dieser Bezug auf Zukünftiges kann durch ein Temporaladverb verdeutlicht
werden:
Morgen werden wir nach Wien fahren.
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Gebrauch der Tempora
2. In dem „werden + Infinitiv-Gefüge“ ist fast immer ein modaler Aspekt
enthalten, der von Gewissheit über Vermutung, Unsicherheit oder Zweifel
bis zum Nichtglauben reicht:
Das wird Vater regeln!  Gewissheit
Das wird sie schon schaffen. Zuversicht
Er wird jetzt in der Schule sein.  Vermutung
verdeutlichend dabei sind: vielleicht, wohl, sicher, bestimmt usw.
3. Die Struktur „werden + Infinitiv“ drückt ein Versprechen aus:
Ich werde dir immer treu sein!
4. Das Futur I drückt aber auch Gegenwärtiges aus. Dabei erwartet der
Sprecher Zustimmung. Häufig handelt es hier um rhetorische Flosken oder
Sprechhülsen:
Sie werden mir sicher zustimmen, meine Damen und Herren, wenn ich jetzt eindeutig
erkläre, dass …
Das Futur II
1. Das Futur II drückt Zukünftiges aus, also etwas, das man sich zu einem
bestimmten Zeitpunkt als abgeschlossen vorstellt. Dabei schwingt stets ein
Moment der Unsicherheit mit. Temporale und modale Komponente sind
gleichzeitig gegeben:
Er wird (wohl) die Lösung gefunden haben.
Die Funktion des Futurs II ist austauschbar mit dem Perfekt:
Er hat (wohl) die Lösung gefunden.
Der Modalcharakter (Unsicherheit, Vermutung) kann durch eine temporale
Angabe verstärkt werden:
Bis Monatsende wird er die Lösung gefunden haben.
2. Häufiger ist der Gebrauch des Futurs II zur Kennzeichnung vergangenen
Geschehens, das vermutet wird:
Der Gast wird (wohl) (letzte Woche) abgereist sein.
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Gebrauch der Tempora
austauschbar mit dem Perfekt:
Der Gast ist wohl letzte Woche abgereist.
Anmerkung:
Soll im Perfekt die Vermutung (oder eine andere Modalität) ausgedrückt
werden, ist wohl (usw.) obligatorisch, sonst handelt es sich um eine
Feststellung. Beim Futur II ist wohl (usw.) fakultativ.
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Gebrauch der Tempora
Die Vergangenheit mit haben
Die Formen von Perfekt und Plusquamperfekt als Ausdruck vergangenen
Geschehens werden mit haben gebildet:
a) bei Verben, die üblicherweise mit Akkusativobjekt stehen (transitive
Verben):
Ich habe die Geschichte erzählt.
Akkusativobjekt fehlt:
Ich habe getrunken.
b) bei pseudo-transitiven Verben (nicht passivfähig):
Er hat eine Auszeichnung erhalten.
c) bei allen sog. intransitiven Verben, die den Ablauf eines Geschehens oder
einen Zustand (imperfektivce Verben) kennzeichnen (mit Ausnahme der
Verben der Bewegung):
Ich habe sechs Stunden gearbeitet.
Sie hat ganz fest geschlafen.
d) bei allen reflexiven Verben:
Sie hat sich geschminkt.
e) bei allen reziproken Verben mit Akkusativ:
Die Freunde haben sich ( = einander) gestern getroffen.
f) bei allen Modalverben:
Sie hat die Arbeit machen müssen.
g) bei allen unpersönlichen Verben (imperfektive wie perfektive):
Letzten Dienstag hat es geschneit.
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Gebrauch der Tempora
Die Vergangenheit mit sein
Die Formen von Perfekt und Plusquamperfekt als Ausdruck vergangenen
Geschehens werden mit sein gebildet:
a) bei sog. intransitiven Verben, die den Abschluss eines Vorgangs oder einen
neuen vollendeten Zustand bezeichnen (perfektive Verben):
Er ist angekommen.
Sie ist erkrankt.
b) bei den Verben der Bewegung, wenn sie eine Ortsveränderung bezeichnen:
Wir sind nach Hause gegangen.
Sie sind den Strand entlang gewandert.
aber keine Ortsveränderung:
Sie haben die ganze Nacht getanzt.
gegenüber:
Sie sind durch den Saal getanzt.
c) bei den Verben sein und bleiben (obwohl intransitiv und imperfektiv):
Er ist vor dem Haus geblieben.
d) bei einigen zusammengesetzten oder abgeleiteten sog. transitiven Verben,
deren einfaches Verb mit sein steht:
Ich bin diese Aufgabe losgeworden.
Er ist eine schlimme Verbindung einmgegangen.
Perfektum – haben und sein
Die Unterscheidung zwischen imperfektiven (durativen) und perfektiven Verben ist
vor allem für die Bildung der zusammengesetzten Tempora wichtig.
Grundsätzlich gilt: Verben ohne Ergänzung und Verben mit Genitiv-, Dativoder Präpositionalergänzung (sog. intransitive Verben), die imperfekt sind,
bilden ihr Perfekt mit haben. Wenn sie perfekt sind, wird das Tempus mit sein
gebildet.
Die Blume ist erblüht. (perfektiv)
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Gebrauch der Tempora
Die Blume hat geblüht. (impefektiv)
Die Blume ist verblüht. (pefektiv)
Er ist aufgestanden. (perfektiv)
Er hat im Bett gelegen. (imperfektiv)
Er ist wieder ins Bett gegangen. (perfektiv)
Diese Unterscheidung gilt auch für Verben mit haben bzw. sein im Perfekt bei
gleichzeitigem Bedeutungsunterschied:
Er hat/ist drei Stunden geschwommen. (imperfektiv)
Hans ist 1500 Meter geschwommen. (perfektiv)
Hans ist bis zur Insel geschwommen. (perfektiv)
Diese Unterscheidung gilt nur für die Verben ohne Ergänzung sowie solche mit
Genitiv-, Dativ- oder Präpositionalergänzung (sog. intransitive Verben). Die
Verben mit Akkusativergänzung (sog. transitive Verben) sowie die
reflexiven und reziproken Verben bilden das Perfekt grundsätzlich mit
haben. Diese regeln folgen nicht die Verben sein und bleiben: Obwohl intransitiv
und imperfektiv, wird das Perfekt mit sein gebildet:
Ich bin letzte Woche in Wien gewesen.
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