Wortprotokoll Kult 15 / 18 15. Wahlperiode Plenar- und Ausschussdienst Wortprotokoll Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten 18. Sitzung 17. Februar 2003 Beginn: Ende: Vorsitz: 9.38 Uhr 12.45 Uhr Frau Abg. Ströver (Grüne) Punkt 1 der Tagesordnung Aktuelle Viertelstunde Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 2 der Tagesordnung Antrag der Fraktion der CDU Vorlage einer Gesamtkonzeption, die den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 als herausragendes Datum des Widerstandes der Berliner Bevölkerung gegen die SED-Diktatur angemessen berücksichtigt - Drs 15/1069 - 0096 Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 3 der Tagesordnung Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs Die kulturelle Aufgabe des Museums Haus am Checkpoint Charlie (auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) Siehe Inhaltsprotokoll. Redakteur: Th. Böhm-Christl, Tel. 23 25 1460 bzw. quer (99407) 1460 0013 Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 2 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – Frau Vors. Ströver: Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung a) Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs Gesamtsituation der bildenden Künstlerinnen und Künstler in Berlin unter besonderer Berücksichtigung ihrer sozialen Situation (auf Antrag der Fraktion der SPD) 0037 b) Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs Situation der bildenden Kunst in Berlin (auf Antrag der Fraktion der CDU) 0048 c) Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs Stand und Perspektiven des Ateliersofortprogrammes (auf Antrag der Fraktion der SPD) 0060 d) Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs Kunst am Bau / Kunst im öffentlichen Raum (auf Antrag der Fraktion der SPD) 0062 Wir haben uns im Vorfeld auf eine Anhörung geeinigt und haben uns vorgenommen, diesen Tagesordnungspunkt in 1 ½ Stunden zu behandeln. – Es ist auf jeden Fall klar, dass wir den Tagesordnungspunkt Ufer GmbH behandeln müssen. Der Hauptausschuss, Unterausschuss Theater, wartet auf eine Stellungnahme und wird sonst das Verfahren dort nicht weiterführen können. – Frau Lange, bitte! Frau Abg. Lange (SPD): Zur Tagesordnung bitte ich darum, den Punkt d), „Kunst am Bau“, herunterzunehmen. Das ist ein sehr komplexes Thema – mit der Überlagerung der Senatsverwaltungen –, dass wir denken, das sprengt den heutigen Rahmen. Wir bitten darum, Punkt d) zu vertagen. Frau Vors. Ströver: Auf Antrag der antragstellenden Fraktion nehmen wir Tagesordnungspunkt 4 d) von der Tagesordnung. Es bleibt bei a) bis c). – Wir haben eine Anhörung vereinbart und hatten uns verständigt, dass je Institution nur ein Vertreter/eine Vertreterin anzuhören ist. Es wurden eingeladen: Für den BBK Berlin e. V. Herr Mondry als Vorsitzender, er ist anwesend. – Für das Kulturwerk für den Bereich „Atelier“ der Atelierbeauftragte Herr Schöttle, ist auch anwesend. – Als nächstes sind anwesend für die GEDOKBerlin Frau Wankel, Frau Niemann, herzlich willkommen. – Für den Landesverband Berliner Galerien e. V. ist Herr Tammen ebenfalls anwesend, guten Tag, Herr Tammen! – Für Verdi, Fachgruppe „Bildende Kunst“ ist Herr Dieter Ruckhaberle anwesend und für die Künstlerförderung bei der Investitionsbank Berlin Frau Hendler, guten Tag! Vorab hat die IBB dem Ausschuss am Freitag zusätzliche schriftliche vertrauliche Informationen zu dem Bereich „soziale Künstlerförderung“ zur Verfügung gestellt. Die haben Sie alle bekommen. Ebenfalls haben wir eine Vielzahl von Unterlagen, die Sie als Tischvorlage bekommen haben, vom BBK und vom Atelierbeauftragten erhalten. – Zum Thema „Zukunft Künstlerförderung“ ist der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, Herr Allert, und Herr Westphal als Abteilungsleiter eingeladen. Die Herren sind anwesend. – Ich gehe davon aus, dass ein Wortprotokoll angefertigt wird. – Da gibt es keinen Widerspruch. Ich bitte jetzt, die Fraktion der SPD zur Begründung zu Tagesordnungspunkt 4 a) und c). – Bitte, Frau Lange! Frau Abg. Lange (SPD): Berlin ist für bildende Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt eine attraktive Stadt, und wir schmücken uns auch gerne mit der vielfältigen Szene. Wenn man dann aber berücksichtigt, dass die bildende Kunst einen Anteil am Berliner Kulturetat von unter einem Prozent hat, könnte sich leicht der Eindruck aufdrängen, dass die bildende Kunst ein Stiefkind der Berliner Kulturpolitik ist. Die bildende Kunst hat in Berlin viele Verluste hinnehmen müssen: Die Freie Berliner Kunstausstellung wurde eingestellt. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 3 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – Ab diesem Jahr wird der Künstlerhof Buch nicht mehr gefördert und vieles andere mehr. Es gibt Studien, die belegen, dass nur 4 % der bildenden Künstler und Künstlerinnen von ihrer Arbeit leben können. Öffentliche Förderung fließt zum größten Teil vor allem in die Administration und den Erhalt der Institutionen. Nur ein marginaler Teil kommt der direkten Künstlerförderung zugute, wie z. B. über Stipendien, Preise, Atelierförderung. Hinzu kommt, dass die akademische Ausbildung der bildenden Künstlerinnen und Künstler immer noch zu wenig auf den Markt vorbereitet. Uns interessiert nun, herauszufinden, wie die Lebenssituation in Berlin ist. Wie ist z. B. die Ateliersituation für die bildenden Künstlerinnen und Künstler? Gibt es genug Ateliers? Gibt es zu wenige? Kann man Künstlerinnen und Künstlern zumuten, in Neubauwohnungen Atelier oder ihre Arbeitsräume zu betreiben? Wo kann man durch sinnvolle Strukturveränderungen eine optimale Förderung besonders der einzelnen Künstler erreichen? – Dieses alles würden wir heute gerne herausfinden. Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Frau Lange! – Zum Tagesordnungspunkt 4 b) die Fraktion der CDU, Frau Grütters, bitte! Frau Abg. Grütters (CDU): Ich kann mich den Worten und Zahlen von Frau Lange natürlich nur anschließen. Sie haben gesehen, dass auch wir unseren Antrag als Überbegriffsbesprechungspunkt formuliert haben, „Situation der bildenden Kunst in Berlin“, aus den von Frau Lange dargestellten Gründen. Wir gehen immer von ungefähr 50 000 hier in der Stadt gemeldeten Künstlern aus – aller Sparten natürlich –, aber wir wissen, dass davon sehr viele bildende Künstler sind. Die berühmte Szene wird vor allen Dingen – das nur als Ergänzung zu Frau Langes Ausführungen – von Galerien dargestellt, was bekanntlich kleine Wirtschaftsunternehmen sind und nicht staatlich geförderte oder subventionierte Einrichtungen. In dem Zusammenhang hat es mir sehr leid getan, dass wir Frau Sabrina van der Ley wieder ausgeladen haben, die das Art Forum im Moment als Geschäftsführerin vertritt – eine Neugründung. Sie war einmal als Anzuhörende vorgesehen, dann haben wir sie nicht eingeladen. Das Art Forum, nämlich die junge Kunstmesse, ist immerhin ein riesiger Pluspunkt in der Szene der bildenden Kunst für Berlin – eine Initiative einzelner Galerien und nicht landesseitig. Es hat im 7. Jahr seines Bestehens erhebliche Erfolge auch für Berlin zu verbuchen. In dem Zusammenhang war es auch schade, dass der Regierende Bürgermeister letztes Mal dorthin gedrängt werden musste, da er eigentlich nicht wollte. Ganz wichtig ist Künstlerförderung auch durch das Artist in Residence-Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, was immer mal wieder auch senatsseitig in Frage gestellt wurde, jedenfalls der Zuschuss, den das Land Berlin an den DAAD gibt. Das sind Tendenzen, die u. E. sehr problematisch und alarmierend sind, wenn man bedenkt, welchen erheblichen Anteil gerade die bildende Kunst hier hat. Ein letztes Wort zur Situation der Künstlerinnen und Künstler selbst. Da ist das Stichwort „Atelier“ ein existenzielles Signal, weil wir wissen, dass sie ohne solche Arbeitsmöglichkeiten gar nicht ihren Beruf ausüben könnten, diese technische oder tatsächliche Arbeitssituation aber in Berlin nur schwer herzustellen ist. Insofern ist das Atelierprogramm keine Nebensächlichkeit, sondern in der Tat die Grundlage dafür, dass das hier noch gedeihlich funktioniert. – Das nur zur Einleitung. Alles Weitere wird sich in der Besprechung ergeben. Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! – Dann bitte ich den Vorsitzenden der BBK Berlin, Herrn Mondry, um Stellungnahme. – Bitte schön! Herr Mondry (BBK Berlin): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Senator! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke für die Einladung. – Zunächst einen Satz zum BBK: Der Berufsverband Bildender Künstler organisiert in seinen Reihen 2 000 Mitglieder und ist die Interessensvertretung der Künstler in Berlin. Er finanziert sich ausschließlich aus seinen eigenen Einnahmen. Das Kulturwerk des BBK Berlin ist eine Tochtergesellschaft. Sie wird überwiegend öffentlich gefördert. Sie ist eine Strukturförderung für alle Berliner Künstler. Im Kulturwerk werden Künstlern Werkstätten – eine Druckwerkstatt, eine Bildhauerwerkstatt, Atelierförderung und Kunst im öffentlichen Raum – verfügbar gemacht. Zum Gesamtbereich „zeitgenössische bildende Kunst“: Im geförderten Bereich haben wir Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 4 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – eigentlich heute nur noch die Künstlerhaus Bethanien GmbH, „Kunstwerke“, dann das Kulturwerk und die Atelierförderung. Das sind die geförderten Teile, die für den Gesamtbereich „zeitgenössische bildende Kunst“ existieren, mit einem Fördervolumen von 3,5 Mio €. Und über diesen Bereich sprechen wir jetzt. Zeitgenössische bildende Kunst lässt sich aus Berlin nicht wegdenken. Neben den berühmten Kunstmuseen, die antike und klassische Kunst vermitteln, gibt es die zeitgenössische bildende Kunst. Sie ist zu einem Markenzeichen Berlins geworden, die übrigens genau so viele Besucher anlockt wie Kunstmuseen oder die öffentlich geförderten staatlichen Theater. Sie ist ein Exportschlager und Anziehungspunkt für Berlin. In Berlin arbeiten 4 000 bis 5 000 professionelle bildende Künstler. Gerade die zeitgenössischen bildenden Kunstformen – auch die anderen zeitgenössischen bildenden Kunstformen übrigens, wie Tanz, Theater, Musik – geben Ausstrahlung und Impulse, übrigens auch in die Werbung, in die Mode, in den Tourismus, in Lifestyle und in die Medienindustrie. Man kann sich ihnen nicht entziehen. Die kulturelle Produktion, auch in den bezeichneten Bereichen, ist für eine nachhaltige Zukunftsentwicklung der Hauptstadt unverzichtbar. Das sind Ressourcen, auf die Berlin nicht verzichten kann bzw. die es aktiv fördern muss. Bildende Künstler sind hoch qualifiziert. Von den 2 000 Mitgliedern des Berufsverbandes haben zwei Drittel eine abgeschlossene künstlerische akademische Ausbildung, ein weiteres Fünftel eine andere akademische Ausbildung und 15 % Fachhochschulausbildung. Wichtigste Arbeitsschwerpunkte sind immer noch Malerei und Grafik, rd. 40 % arbeiten auch dreidimensional und interdisziplinär. Die Anwendung neuer Medien, meist in Verbindung mit klassischen Techniken, wird immer bedeutsamer, stößt aber auf technische Defizite. Sehr deutlich wird das Fehlen einer Infrastruktur gerade in diesem Bereich. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 5 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Die bildende Kunst finanziert sich zu 95 % selbst. Dennoch ist die bildende Kunst ein öffentliches Gut, das ohne öffentliche Strukturförderung nicht existieren kann. Das wissen wir alle, und doch wird diese öffentliche Aufgabe – Frau Lange hat es vorhin angesprochen – vergleichsweise wenig erfüllt. Das Ungleichgewicht zwischen der Produktionsförderung zeitgenössischer Kunst und der Präsentation antiker und klassischer Kunst in großen Häusern ist allen bekannt. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen drei Zahlen nennen: Die Förderung in den großen Musiktheatern beträgt 150 € pro Besucher, bei den Kunstmuseen sind es 20 €, in der bildenden Kunst ist es 1 € und 30 Cent. Wenn man diese Zahlen hört, dann ahnt man schon, dass es vermutlich enorme Defizite geben muss. Sie wissen: Die Kunstankäufe sind gestrichen worden und, wenn überhaupt, dann nur noch über das Lotto möglich. Die große Berliner Kunstausstellung ist schon lange nicht mehr da, es gibt keine Kunsthalle in Berlin, Künstlerförderungen wurden reduziert, und die für die Künstler enorm wichtige soziale Künstlerförderung beim Sozialsenat wurde auf 25 % abgeschmolzen. Man bedenke auch, dass 75 % der Ateliers in der Vergangenheit verloren gegangen sind, und diese Verluste konnten nicht aufgefangen werden – jedenfalls nicht vollständig, nur zu einem kleinen Teil. Über die Atelierförderung wird Ihnen der Atelierbeauftragte nachher noch etwas sagen. Projektförderung, Katalogförderung, Transport, internationaler Austausch – all das gibt es in Berlin eigentlich nur noch als Wort, aber nicht mehr real. Die kommunalen Galerien werden reduziert oder arbeitsunfähig gemacht. Es fehlen an allen Ecken und Enden Ausstellungsmöglichkeiten für die Künstler. Das, was die Berliner Kunstmuseen in öffentlichem Auftrag für antike und klassische Kunst leisten, eine nichtkommerzielle öffentliche Vermittlung, das fehlt für den Bereich zeitgenössischer bildender Kunst. Die in Berlin existierenden Galerien, die sich mit höchstem Engagement und mit eigenen Mitteln der Kunst und den Künstlern verschrieben haben und die doch verkaufsorientiert arbeiten müssen, haben eben andere Aufgaben, nicht diese. Es gibt keine größeren Ausstellungsmöglichkeiten für Kunst aus Berlin, kein nichtkommerzielles Ausstellungsgeflecht, keine Plattform für Künstler aus Berlin, keine ad hoc bespielbaren Orte, keine Förderung kleiner und mittelgroßer Ausstellungsvorhaben. Hier ist null Infrastruktur, null Bewegung und null Chance. Da hilft auch der Hauptstadtkulturfonds nicht, denn er wird zu 90 % als Reptilienfonds für fehlende Etats der großen Häuser genutzt. Die Kunst in Berlin braucht eine nichtkommerzielle Vermittlungsebene, und – Sie werden verstehen – das ist keine leichte Aufgabe. Ich nenne Ihnen jetzt einmal einige Sozialdaten, aus denen Sie ersehen können, auf welch einer schmalen und prekären Basis Künstler heute in Berlin Kunst machen: Der Durchschnitt aller Künstler hat im Monat eine Summe von 759 € zur Verfügung, 82 % der Künstler können aber nur 606 € im Monat ausgeben. Diese Summen fassen alles zusammen, was sie an Einkommen haben. Ob sie es aus ihrer künstlerischen Tätigkeit oder über Nebenerwerbsquellen verdienen, das haben wir nicht gefragt, sondern wir haben gefragt: Welche Summe habt ihr im Monat zur Verfügung? – 65 % der Künstler können nur 495 € im Monat für ihr Leben und ihre Kunst ausgeben. 15 % der Künstlerinnen und Künstler haben überhaupt kein nennbares Einkommen, leben von Lebenspartnern und vielleicht ihren Eltern, das wissen wir nicht. Sie wissen auch: Künstler sind auf Nebenverdienstquellen angewiesen. Von der Kunst kann kaum jemand leben. Frau Lange hat es gesagt: Es waren früher 4 %, die allein aus ihrer Kunst leben konnten, und heute dürfte es genau das Gleiche sein mit einem Unterschied: Nebenerwerbsquellen in Berlin werden immer schmaler. Eine Befragung der Künstler, die wir organisieren, hat ergeben, dass 40 % überschuldet sind. Viele Künstler, auch junge, fallen zunehmend in die Sozialhilfe mit dem Ergebnis, dass sie aus der Berufstätigkeit tendenziell herausfallen, denn die Sozialämter wollen ihre Ateliers und ihre berufsbedingten Ausgaben natürlich nicht finanzieren. Ich möchte hier noch kurz auf das Stichwort soziale Künstlerförderung eingehen, da das nachher besprochen wird: Die soziale Künstlerförderung wurde 1950 errichtet, um Künstlern, die an sich auf Sozialhilfe angewiesen wären, eine Stabilisierung ihrer beruflichen Situation zu ermöglichen. Das erspart Sozialhilfekosten. Die soziale Künstlerförderung war eine kostengünstige, berufsorientierte Vermeidung der Sozialhilfe, die darauf abzielte, Künstler in ihrem Beruf zu halten und ihnen weiterhin ihre künstlerische Tätigkeit und damit Einkommensmöglichkeiten zu sichern. Diese Funktion hatte sie – bei allen Fehlern – letztendlich hervorragend wahrgenommen. Was ist die soziale Künstlerförderung heute? – Wir wissen es nicht genau. Wir wissen nur eins: Die heutige Künstlerförderung hat sich in der Tendenz von dieser Aufgabe verabschiedet. Ich will Ihnen thesenartig einige Fragen und einige Positionen, die wir hier haben, nennen. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 6 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Wir wissen genau, dass eine Selbstfinanzierung der Künstlerförderung allein aus der Verwertung der Werke der Künstler ausgeschlossen ist. Wer so etwas glaubt, rechnet falsch. Eine Offenlegung der Einnahmen und Ausgaben ist uns nicht bekannt. Das Verhältnis zwischen Verwaltungskosten und der Summe, die den Künstlern direkt zugute kommt, ist uns nicht bekannt. Eine Wirtschaftlichkeitsrechnung bzw. eine Umsatzerwartung ist uns nicht bekannt, es ist auch für niemanden überprüfbar. Wir möchten endlich Zahlen sehen. Jeder weiß doch, dass auch Banken sich ständig verrechnen. Die Ziele der Künstlerförderung haben sich unserer Auffassung nach verändert. Es stellen sich die Fragen: Wer beruft die Jury? Wie ist ihre Zusammensetzung? Welche Interessen kommen hier zum Zuge? – Wir sehen nicht dokumentiert, dass trotz Aufforderung die Urheberrechte der Künstler an ihren Werken tatsächlich umgesetzt werden. Das ist ein hohes und auch ein finanzielles Risiko. Es ist uns auch nicht begreiflich, dass ausgerechnet die Vertretung der Künstler nicht an der Gestaltung, Ausrichtung, den Verfahrensweisen und auch in der Jury beteiligt wird. Um zu vermeiden, dass die Auftragsvergaben der Künstlerförderung ständig reduziert werden, ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Landesbeitrag in Höhe von 500 000 € unbedingt erhalten bleibt. Es ist uns nicht verständlich, warum dieser Beitrag ausgerechnet von der Sozialverwaltung in Frage gestellt wird. Hier sollte doch mit ganz geringem Aufwand Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden. Man gibt Geld gegen Leistung. Man wendet Mittel rechtzeitig und an der Qualifikation der Menschen orientiert auf. Hier sind alle Gedanken einer Reform der Sozialhilfe bereits verwirklicht, an der anderswo mühsam gearbeitet wird. Man gibt hochqualifizierten Menschen die Möglichkeit, trotz zwischenzeitlicher Finanzkrisen weiterhin in ihrem – auch für die Gesellschaft wichtigen – Beruf zu arbeiten, und vermehrt dabei den öffentlichen Reichtum. Wem soll damit gedient sein, wenn stattdessen alle Künstlerinnen und Künstler, deren schwankende und prekäre Einkommen ja bekannt sind, zum Sozialamt gehen, ihren Beruf aufgeben und auf alle Fälle ohne Gegenleistung und ohne Verwertung ihrer beruflichen Qualifikation als Sozialhilfeempfänger für das Land noch viel teurer kommen? Frau Vors. Ströver: Herr Mondry, können Sie zum Schluss kommen? – Sie reden schon mehr als doppelt so lang wie verabredet. Sonst kann ich Herrn Schöttle nicht mehr drannehmen, weil wir die anderen Kollegen auch noch hören möchten, und die Diskussion soll auch noch stattfinden. Sie können gern auf Nachfragen dann noch einmal zu Wort kommen. Herr Mondry: Okay! Ich kürze das ab an dieser Stelle. Ich sage noch einmal: Für uns wäre es entscheidend, von der Sozialsenatorin, Frau Knake-Werner, zu erfahren, ob sie die Summe weiterhin der Künstlerförderung zur Verfügung stellt. Ich fasse abschließend noch einmal kurz zusammen. Ich sehe die folgenden Aufgabenschwerpunkte: 1. Sicherung und Ausbau der Infrastruktur der zeitgenössischen bildenden Kunst, den bezahlbaren Zugang von Künstlern zu künstlerischen Arbeitsmitteln und Werkstätten, gerade auch der neuen Medien und Arbeitsflächen, 2. die Schaffung eines Geflechts von nichtkommerziellen Ausstellungsmöglichkeiten und 3. die Optimierung der wirtschafts- und sozialpolitischen Instrumente zur Strukturverbesserung künstlerischer Arbeitsbedingungen. Zu Letzterem gehört die Rekonstruktion der sozialen Künstlerförderung zu einem Instrument der Verhinderung der teuren und für die Künstler nutzlosen Sozialhilfe. – Ich danke Ihnen! Frau Vors. Ströver: Herzlichen Dank! – Ergänzend dazu zur konkreten Ateliersituation der Atelierbeauftragte im Kulturwerk des BBK, Herr Schöttle! – Bitte schön! Herr Schöttle (Atelierbeauftragter im Kulturwerk des BBK Berlin GmbH): Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr verehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Senator! Berlin ist weltweit präsent, auch weil es die Atelierförderung gibt. Die Nutzer sind auf der Documenta, der Art Basel, der Art Cologne und nahezu allen wichtigen Kunstmessen und Artfairs in der ganzen Welt vertreten. Wir haben Ihnen hier eine Dokumentation dazu vorgelegt. Das Berliner Ateliersofortprogramm ist für mich und für uns das Netzwerk und die Qualitätssicherung im Berliner Kunstbetrieb. Das Ateliersofortprogramm ist das wesentliche Instrument der Berliner Atelierförderung. Seit 1993 ist es nach wie vor ein gewichtiger Baustein im Gesamtsystem und eigentlich das Rückgrat. Alle noch zur Verfügung stehenden Investitions- und Fördermittel wie die europäischen Strukturhilfen und Programme wie Aufschwung Ost – Kultur in den Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 7 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – neuen Bundesländern – brauchen Komplementär- und Ergänzungsmittel in unserer Entwicklungsarbeit als Atelierbüro. Das Ateliersofortprogramm gleicht durch seine Kontinuität die Sprunghaftigkeit und – leider – Unberechenbarkeit mäzenatischer und öffentlicher Investitionen aus und bildet die Grundlage einer sinnvollen Entwicklung, weil es ein durchgängiges Raumangebot sicherstellt. Dadurch kann in der Atelierförderung insgesamt die Nachfrage gebündelt und ein bedarfsgerechtes Angebot überhaupt erst geplant werden. Wir gehen heute davon aus, dass fast alle Berliner Künstlerinnen und Künstler das Angebot des Atelierbüros kennen. Im Ateliersofortprogramm allein haben bis heute 600 Künstlerinnen und Künstler Hilfen in Anspruch genommen. Aktuell bewirtschaften wir 280 Arbeitsplätze. Für die Nutzer war und ist das Programm nahezu die einzige Möglichkeit, in dieser Stadt kontinuierlich zu arbeiten. Für die meisten Künstlerinnen und Künstler bedeutet schon allein ein Atelierumzug mit Suche, Baumaßnahmen und Einrichtung für ein Jahr Lähmung der Arbeitskraft. Durch die Struktur kann die Kunstszene Berlins – eines der großen Aushängeschilder – sinnvoll mit dem internationalen Hauptstadtnetzwerk, so über das GoetheInstitut und die Akademie, mit denen wir zusammenarbeiten, verbunden werden. An manchen Tagen interessieren sich heute bis zu 900 Nutzerinnen und Nutzer aus aller Welt für das im Internet verbreitete Angebot an künstlerischen Arbeitsräumen in Berlin. Die Atelierförderung – das möchte ich betonen – ist ein Berliner Leistungsbereich, der weit mehr einbringt, als er kostet. Die dezentrale Kultur ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Atelierbüro registriert aber heute über 2 000 Ateliergesuche, der Bedarf ist riesengroß. Das Atelierprogramm und die Förderung von Ateliers ist keine Berliner Orchidee. Mittlerweile ist Atelierförderung bundesweiter Standard. In Köln als Standortkonkurrenz Berlins wird die Atelierförderung gerade mehr als verdoppelt. In Düsseldorf hält man 250 geförderte Ateliers bei 600 000 Einwohnern, in Amsterdam werden gerade 35 Millionen € in den Atelierbau investiert. Berlin als Standort darf wenigstens in Deutschland den Anschluss nicht verlieren. Das Ateliersofortprogramm ermöglicht Anmietungen unter dem Marktniveau. Es nimmt heute für sich in Anspruch, im Bundes- und Europakontext die sach- und fachgerechteste Förderung von zeitgenössischer bildender Kunst darzustellen. Das Programm ist in Bezug auf Mittelverwendung, Nachhaltigkeit und Investitionssicherheit auf der einen Seite, in Bezug auf Transparenz, Chancengleichheit, Kriterienklarheit und Qualität der Förderung auf der anderen Seite beispielhaft. Die konzentrierte Zusammenarbeit des Atelierbüros – mit seiner Marktbeobachtung, gezielter Flächenakquise und seiner Arbeit – mit inhaltlich motivierten Investoren, der gemeinnützigen Stadtentwicklungsgesellschaft GSE mit ihrem modernen Gebäude- und Facilitymanagement und – das möchte ich auch betonen – der Senatsverwaltung mit ihrem personellen Engagement und ihrer unbürokratischen und sachgerechten Steuerung der Mittelverwendung hat ermöglicht, dass erstens 90 % der im Programm geführten Flächen unter dem Marktniveau angemietet und gehalten werden können. Es ist gelungen, unter dem Leitgedanken der Private-Public-Partnership inhaltlich interessierte und motivierte Eigentümer anzusprechen und zu binden, so dass heute mit dem gleichen Fördermitteleinsatz dreimal so viele Künstlerarbeitsplätze gesichert werden können wie 1995. Eine konzeptionell fundierte und betriebswirtschaftlich ausgerichtete Verhandlungs- und Investitionsstrategie sorgt für größtmögliche Rationalität und Effizienz des Programms – hautnah am Immobilienmarktgeschehen. Im Programm haben wir den Anteil an administrativen Kosten auf 4,6 % zurückführen können. Immerhin 40 % der Raumkosten tragen heute die Künstlerinnen und Künstler. Auch die gefallenen Berliner Mietpreise bedingen weiterhin die Atelierförderung. In den Innenstadtgebieten liegen die ortsüblichen Mieten für nutzbare Gewerberäume bei dem individuellen Flächenbedarf der Künstlerinnen und Künstler immer noch so, dass ein professionell nutzbares Atelier mindestens 600 € monatlich, in der Regel aber 800 € kostet. Eine weitere Entwicklung der Mieten nach unten ist nicht in Aussicht. Der massive Gewerbeflächenleerstand steht für die Künstlerinnen und Künstler leider nicht zur Verfügung. Die Finanzierungsstrukturen begünstigen eher den Leerstand als eine preiswerte Vermietung. Leerstand kann steuerlich abgeschrieben werden, und in den meisten Fällen werden die Bankzinsen im Leerstandsfall gestundet. Bei einem durchschnittlichen Einkommen der Künstlerinnen und Künstler von 700 € sind maximal 5 % der Nachfrager in der Lage, das Angebot des freien Marktes wahrzunehmen. Die von den Künstlerinnen und Künstlern gebrauchten vergleichsweise kleinteiligen Flächenangebote werden vom Gewerbeimmobilienmarkt kaum bereit gehalten. Nur unter den Bedingungen der Förderung existiert ein Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 8 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – strukturell nennenswertes, dem Bedarf entsprechendes Flächenangebot. Durch die Bewirtschaftung ganzer Gebäudeteile sind angemessene und bezahlbare Mietpreise erzielbar und werden sach- und fachgerechte Investitionen sinnvoll. In der Förderung werden langfristige Mietverträge möglich, die auch unter den Bedingungen der Fluktuation Mietpreisstabilität bringen. Trotzdem: Die aktuelle Krisensituation der Infrastruktur für die bildende Kunst ist alarmierend. Ohne zeitweilige Interventionen des Atelierbeauftragten bei existenzgefährdenden Krisen wären fast alle freien Atelierhäuser und Zentren heute nicht mehr vorhanden oder gar nicht erst entstanden. Die beispiellosen historischen Verwerfungen und Brüche in der Entwicklung Berlins waren und sind ohne intelligente Investitionslenkung nicht zu bewältigen. Das gilt auch für die Kunst. Die mit der Finanzkrise verbundenen Verwertungszwänge gefährden aktuell die Arbeitsgrundlagen der Künstlerinnen und Künstler. Die Künstlergemeinschaft „Milchhof“ mit 45 Ateliers muss bis Juni einer Schulerweiterung weichen. Ersatzflächen sind nicht da. Die Künstlergemeinschaft „Schwarzenberg“ mit 20 Ateliers in der Rosenthaler Straße verliert wohl ihre Heimat in nächster Zeit durch Zwangsversteigerung. Die insolventen Bezirke erhöhen den Kostendruck auf das Künstlerhaus Bethanien, die Druckwerkstatt, die Bildhauerwerkstatt, und gefährden deren Existenz. Weitere Einrichtungen und Atelierhäuser werden durch den Liegenschaftsfonds veräußert wie z. B. das Atelierhaus Axel-Springer-Straße, das Atelierhaus Wiesenstraße und der Künstlerhof Buch. Mit der Wohnungsbauförderung ist auch das Neuangebot von 15 bis 20 sozial geförderten Atelierwohnungen im Jahr weggebrochen. Bis 2005 werden alle noch im Bau befindlichen Wohnungen vermittelt sein. Es sind vielleicht 10 oder 15. Künstlerateliers brauchen die Infrastruktur der Innenstadtgebiete, und die Innenstadtgebiete brauchen die Künstlerinnen und Künstler. Diese leben in einer Wechselwirkung mit dem Stadtteil- und Quartiersgeschehen. Die kulturelle Belebung durch den Kunstbetrieb braucht insgesamt aber intakte Infrastruktur als Voraussetzung. Der Kunstinteressierte, der Sammler, sieht nicht nur die Kunst allein, sondern will auch ein insgesamt attraktives Umfeld, das im Kunstbetrieb wiederum Nahrung findet. Aber gerade in diesen Quartieren hält der Markt wegen des Preisgefüges die Infrastruktur für die Kunst aus sich heraus nicht bereit. Hier sind intelligent eingesetzte Strukturhilfen unersetzlich. Mit diesen Zentren als Basis kann durch Infrastrukturinvestition für andere Gebiete, städtische Entwicklungsgebiete, vor allem bei der Industriebrachenkonversion mit relativ geringen Mitteln ein sinnvoller Beitrag zur Stadtentwicklung geleistet werden. Hier sind die Künstlerinnen und Künstler als Standortkatalysatoren gefragt. Nun zu den etwas traurigen Perspektiven: Heute steht – wir haben es erst kurz vor der Endredaktion der Aufstellung des Nachtragshaushalts 2003 erfahren, 2 Tage vor Toresschluss sozusagen – eine Kürzung des Ateliersofortprogramms um 100 000 € im Raum. Leider ist diese Entscheidung weder sachgerecht noch haushaltsrechtlich haltbar. Sie ist insgesamt existenzgefährdend für das ganze Programm, wenn sie so im Raum stehen bleibt, wie sie im Moment formuliert ist. Sie trifft die Atelierförderung mit insgesamt 600 Künstlerinnen und Künstlern – nicht nur die 280 im Ateliersofortprogramm werden durch uns betreut, sondern darüber hinaus, also über 600 Künstlerinnen und Künstler. Sie wird am Lebensnerv getroffen. Die Bewirtschaftung des Programms muss jährlich Mittel für Rückbaumaßnahmen bei Auszügen und andere betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten vorhalten. Auch für die effektivierende Bewirtschaftung, das Beenden von relativ teuren Anmietungen zugunsten preiswerterer Angebote und Umsetzung der Künstlerinnen und Künstler, sind Dispositionsmittel notwendig. Die jetzt plötzlich über uns hereinbrechende Kürzung ist zudem dreimal so hoch wie die hierfür notwendigen Summen. Es müssen also obendrein Künstlerinnen und Künstler aus ihren Ateliers geworfen werden, was auf Grund der Vertragssituation im Einzelnen für 2003 aber nur 10 000 € Einsparungseffekt erbringt. Die Kürzung heißt also für die Servicegesellschaft GSE, dass sie dieses Jahr ihre Verpflichtungen gegenüber Vertragspartnern nicht erfüllen kann. Es ist eine Kette der Vertragsbrüche dadurch angelegt. Der Senat bricht seine Vereinbarungen durch diese Titelkürzungen, und die Servicegesellschaft muss ihre Verträge brechen. Das ist haushaltsrechtlich ein illegaler Vorgang. Auch Mieterhöhungen gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern sind wegen der Zweijahresverträge kurzfristig nicht umsetzbar – abgesehen davon, dass die gegenwärtigen Mieten im Programm mit 250 bis 300 € monatlich für die meisten Nutzerinnen und Nutzer schon äußerst grenzwertig sind. Auszüge und mangelnde Vermietbarkeit wären die Folge. Insofern ist die Servicegesellschaft aktuell insolvenzbedroht. Dadurch sind alle 280 geförderten Ateliers im Sofortprogramm in Gefahr. Die nicht abgestimmte Titelabsenkung bedeutet einen Vertragsbruch zwischen Senat und Servicegesellschaft und ist haushaltsrechtlich so nicht haltbar. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 9 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Bitte, sehr verehrte Abgeordnete, helfen Sie uns, diese krasse Fehlentscheidung abzuwenden! – Danke schön! Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Schöttle! – Es ist eine schwere Situation für eine Vorsitzende, aber in Ihrem eigenen Interesse an der Debatte bitte ich Sie noch einmal herzlich, sich an die vorgegebene Zeit zu halten und nicht zu verdoppeln oder mehr als zu verdoppeln. Wir haben sonst keine Zeit mehr, und ich muss spätestens um 12.15 Uhr den letzten Tagesordnungspunkt aufrufen. Wir stehen da in der Pflicht gegenüber dem Hauptausschuss. – Für die GEDOK Berlin, Frau Niemann, bitte! Frau Niemann (GEDOK e.V.): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! Liebe Mitglieder des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten! Sehr verehrter Herr Senator! Anknüpfend an die beiden vorangestellten Beiträge lassen sich auch für die Künstlerinnen Angaben über ihre soziale Lage auf Grund der Daten der Künstlersozialkasse machen. Wir beziehen uns hier auf einen Stand von Februar 2002, d. h. es werden nur diejenigen erfasst, deren Einkommen jährlich den Mindestsatz von 6 000 € übersteigt. Wir müssen in Berlin also mit Hunderten von Künstlerinnen rechnen, deren Einkommen aus ihrer künstlerischen Arbeit geringer ist, ohne dass sie als nichtprofessionell bezeichnet werden dürften. Rund 45 % der bei der KSK im Bereich bildende Kunst Versicherten in Berlin sind weiblich. Zu Beginn des Jahres 2002 waren das 2 748 Künstlerinnen. In den Altersgruppen bis 40 überwiegen Frauen deutlich. Bei den 40- bis 50-jährigen sind es nur zwei Drittel der Zahl der Künstler, bei den 50- bis 60-jährigen etwa die Hälfte, danach kaum ein Drittel. Die zahlenmäßige Entwicklung ist also positiv. Dem entspricht die Situation bei der Höhe der Einkommen aber nicht. Hier kommen die Frauen in allen Altersgruppen nicht auf das Einkommen der Männer – das ja auch nicht gerade überwältigend ist –, so dass ein Minus von 20 % an die Grenze des Existenzminimums führen muss. Das vom BBK genannte Nettoeinkommen von monatlich 650 bis 700 € wird also von den Künstlerinnen nicht erreicht, das Niveau der Sozialhilfe ohnehin nicht. Wir möchten auch an dieser Stelle noch einmal auf die soziale Künstlerinnenförderung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales aufmerksam machen, wie unsere Vorredner auch schon. Es fällt schwer, unter diesen Umständen darin einen Erfolg zu sehen, dass Künstlerinnen in Berlin nicht nur ca. 70 %, wie noch vor vier Jahren, sondern inzwischen 80 % des Einkommens ihrer männlichen Kollegen erreichen, und doch ist diese Tatsache für diejenigen, die sich wie die GEDOK der Förderung von Künstlerinnen verschrieben haben, ein Lichtblick. Positiv ist auch die Lage im Bereich der von der Senatsverwaltung für Kultur vergebenen Stipendien. Hier hat die Sensibilisierung der Verantwortlichen durch die Existenz des Künstlerinnenprogramms – ich hoffe, allseits bekannt – in den letzten 10 Jahren offenbar so große Fortschritte gemacht, dass von gleichen Chancen die Rede sein kann. Dass die Anzahl der Frauen in den Auswahlgremien im gleichen Zeitraum erheblich zunahm, hat diese Entwicklung sicherlich befördert. Wenn bei über 500 Anträgen aber nur 20 Stipendien im Jahr vergeben werden können, sind die Auswirkungen auf die allgemeine soziale Situation der Künstler und Künstlerinnen natürlich kaum der Rede wert. Ausstellungshonorare in angemessener Höhe hätten da schon ein anderes Gewicht. Es ist sowieso nicht einzusehen, warum Kunstmanager öffentlicher Kulturprojekte honoriert werden, die Kunstschaffenden aber nicht. Angesichts der schwierigen ökonomischen Bedingungen für die bildenden Künste ist es erstaunlich und erfreulich zugleich, wie viel Anziehungskraft dennoch die Kunstszene Berlin für Künstlerinnen aus ganz Deutschland und der ganzen Welt hat. An beiden Kunsthochschulen stellen die Frauen 50 % oder mehr der Studierenden. Bei den Lehrenden sieht es allerdings weniger gut aus: Die letzten Zahlen von 1998 weisen 20,7 % an der Universität der Künste und 22,5 % an der Kunsthochschule Weißensee auf. Dass die Berliner Hochschulen insgesamt in diesem Punkt besser dastehen als andere Bundesländer, haben diverse Fördermaßnahmen doch bewirken können. Freilich bräuchte es bei dem jetzigen Tempo der Entwicklung immer noch 25 Jahre, ehe die Studierenden der Berliner Kunsthochschulen unter den Lehrenden die angemessene Zahl von Frauen finden würden. Künstlerinnen spielen im Kunstbetrieb Berlins eine wesentlich größere Rolle als noch vor 10 Jahren. Mit Hilfe des Künstlerinnenprogramms der Senatsverwaltung, durch das Engagement verschiedener Initiativen wie Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 10 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – z. B. Das verborgene Museum, Verein der Berliner Künstlerinnen, die GEDOK, Goldrausch, Inselgalerie und FFBIZ haben Projekte mit Kunst von Frauen Öffentlichkeit und Anerkennung gefunden. Ich erinnere auch an unsere Ausstellung im letzten August, die uns sehr viel Freude gemacht hat. Zahlreiche Kulturinstitutionen wie z. B. die Kunst- und Kulturämter der Bezirke stellen ihrerseits häufiger die Werke von Künstlerinnen aus. Diese Ausstellungsprojekte werden oft von der GEDOK initiiert und finanziell unterstützt, was den Künstlerinnen nicht selten zur Beteiligung an Folgeprojekten verhilft. Inwieweit Frauen auch von den kommerziellen Galerien vertreten werden, wäre zu untersuchen. Dazu liegen uns keine Zahlen vor. Es hängt jetzt alles davon ab, dass dieser für die Künstlerinnen positive Trend nicht unterbrochen wird und dass die Förderung weitergeht, um das Erreichte zu stabilisieren und auszubauen. Nur dann waren die öffentlichen Gelder – das hatten wir heute schon einmal auf der Tagesordnung – in der Vergangenheit sinnvoll angelegt. Fast unberührt von dieser Entwicklung zeigen sich die Ausstellungsprogramme der großen staatlichen Häuser in dieser Stadt. Rebecca Horn, Jenny Holzer, VALIE EXPORT sind darin seltene Ausnahmen. Dass im Jahr 2000 ein Großprojekt an fünf prominenten Ausstellungsorten zur Kunst des 20. Jahrhunderts vorgestellt wurde, bei dem die Künstlerinnen nicht mehr als 10 % der Exponate beitragen konnten, hätte einen Skandal hervorrufen müssen. Aber selbst die Betroffenen hielten sich an den coolen Zeitgeist und protestierten nicht gegen diesen Missbrauch von öffentlichen Geldern. Die Künstlerinnen brauchen hier die Unterstützung der Politiker und Politikerinnen, Ihre Unterstützung also. Wenn die Kulturinstitutionen in unserem Land auch frei von staatlicher Gängelung sein sollten, so haben sie doch die Gesetze zu beachten – in diesem Fall das Grundgesetz Artikel 3 –, sonst muss die Politik mit geeigneten Mitteln nachhelfen. Dazu ist sie seit der Neufassung dieses Artikels Mitte der 90er Jahre verpflichtet. Die Künstlerinnen in Berlin vertrauen darauf. An dieser Stelle kostet politisches Handeln nicht einmal zusätzliches Geld, es muss nur anders und gerechter eingesetzt werden. – Vielen Dank! Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Frau Niemann! – Jetzt möchte ich dem Vorsitzenden der Fachgruppe bildende Kunst von Verdi, Herrn Ruckhaberle, das Wort geben. – Bitte schön! Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 11 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Herr Ruckhaberle (Landesfachgruppe Bildende Kunst, Verdi): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! Herr Senator! Meine Damen und Herren! Liebe Mitarbeiter der Fraktionen! – Wir betrachten mehr die langen Linien und schließen uns im Wesentlichen dem Berufsverband Bildender Künstler an. Da Sie alle aber auch auf Grund der mangelnden Gelder in Berlin genug gefrustet sind, will ich einmal vier Punkte an den Anfang setzen, wo es positiv vorangeht Erstens: Die gesetzliche Regelung für Ausstellungshonorare ist auf der Bundesebene vorangekommen. Es gibt noch einen Nachschlag, eine Novelle, die in der Koalitionsvereinbarung der derzeitigen Regierung steht. Weiterhin ist es so, dass die Künstler ein Ausstellungshonorar bekommen sollten. Da das in der Öffentlichkeit noch sehr auf Kritik stößt, will ich hier kurz etwas dazu sagen: Die Bezirke wie die Zentralverwaltungen sträuben sich noch, dies in ihre Haushalte einzustellen. Sie sollten aber im Interesse der Landeskinder an dieser Stelle einmal Geld für bildende Künstlerinnen und Künstler, gebunden an Ausstellungshonorare, ausgeben. Die Musiker bekommen Geld, Theaterleute bekommen Geld, die bildende Kunst hat überhaupt keine Einkommensmöglichkeit aus der Tatsache, dass Ausstellungen gemacht werden. Das gesetzliche Ausstellungshonorar – ausgenommen sind die Galerien, aber die staatlichen Einrichtungen sind gefragt – müsste jetzt langsam in die Etats eingestellt werden, damit das Geld an die Künstler gelangen kann, soweit sie Ausstellungen haben. Die Verbände müssen sich untereinander noch über den richtigen Satz verständigen. Es gibt noch keine direkte Einigung, aber das Grundprinzip ist erst einmal vorhanden. Zweitens: Eine wichtige Sicherung, die wir auch sehr positiv empfinden, ist die Grundsicherung im Rentensystem. Künstler über 65 Jahre – soweit sie Sozialhilfeempfänger wären – kommen in die Grundsicherung und können nun mit dem Sozialamt bzw. mit der neuen Behörde, dem Grundsicherungsamt, ihr Einkommen als Künstler in Rente klären und müssen nicht immer zum Sozialamt gehen – was sie sowieso ungern tun. Sie haben alle eine gewisse Berufsehre, auch wenn sie über 65 sind – Sie sehen, wie viel Geld unterwegs ist, nämlich fast nichts –, und möchten nicht mehr in den Sozialämtern herumsitzen müssen. Aber der Punkt ist: Hier muss für Künstler noch etwas nachgearbeitet werden, denn oft haben die Künstler einen relativ großen Besitz an Kunstwerken, die sie nicht verkaufen können, die aber vom Sozialamt irgendwie angerechnet werden. D. h. hier muss eine Regelung getroffen werden, dass entweder eine zentrale Nachlassverwaltung oder etwas Ähnliches eingerichtet wird. Jedenfalls kann es nicht sein, dass sie aus dieser Hilfe, die im hohen Alter genehmigt wird, wieder herausfallen, weil sie noch auf ihren eigenen Kunstwerken sitzen, die sie auf dem Markt nicht mehr loswerden. Das dritte Positive – daran haben Verdi und auch der Berufsverband mitgearbeitet: Die 7 % Mehrwertsteuer im kulturellen Bereich sind Gott sei Dank aus den Senkungsmaßnahmen herausgefallen, so dass sie im Kulturbereich nach wie vor gelten. Viertens ist ein positiver Punkt die dezentrale Kulturarbeit. Dass diese auch von Ihnen hier so verteidigt wird, begrüßen wir, wobei wir uns wünschen, dass für Strukturmaßnahmen auf Bezirksebene das Geld ebenfalls ausgegeben werden kann, nicht nur für Projektförderung. Wenn es für die Künstler gut ist, sollte auch eine Strukturmaßnahme, die direkt den Künstlern zugute kommt, über diese Mittel gefördert werden können, nicht immer nur einzelne Projekte. Wenn also eine Langfristigkeit hier möglich wäre, würden wir das sehr begrüßen. Ich wollte zunächst etwas Tröstliches für Sie sagen, was alles positiv ist, bei Ihrer Frustration, die Sie sicherlich auch haben. Die negative Liste ist sehr viel länger, und dazu kann ich mich erst einmal dem Berufsverband anschließen. Ich möchte es nicht sehr vertiefen, aber die soziale Lage der bildenden Künstlerinnen und Künstler in Berlin war noch nie so schlecht wie heute. Das sollte man einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Ich fasse mich kurz, die Zahlen sind auf dem Tisch. Aber bedenken Sie auch: Jetzt – in Kriegsvorbereitungszeiten – kaufen die Leute ohnedies kaum Kunst. Aber wenn der Krieg tatsächlich kommen würde – was wir sehr bedauern würden –, dann sieht es für die bildende Kunst ganz furchtbar aus. Ich kann nur appellieren, dass man bis ganz nach oben – wenn der G 8-Gipfel demnächst stattfindet – Mittel einstellt – wenn die Etats ohnedies gesprengt werden müssen –, so dass auch die bildende Kunst daran partizipieren kann. Wie Sie das machen, weiß ich im Moment noch nicht. Also die soziale Lage ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 12 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Sie wird noch schlechter, weil in dem Moment, in dem das Hartz-Konzept funktioniert, die Arbeitslosen gezwungen werden, Jobs anzunehmen, in denen oft bildende Künstler sitzen. Die meisten von ihnen müssen aus Nebentätigkeiten leben. Indem nun die Arbeitslosen dort hineingedrängt werden, entfällt ihr eigener Weg auf diesem Grat. Die anderen verdrängen sie aus diesem Bereich. „Kunst am Bau“ steht nächstes Mal auf der Tagesordnung, aber da das zur Kulturverwaltung gegangen ist, möchte ich noch einen kleinen Satz dazu sagen: Die Demokratisierung, die wir in den 70er Jahren – glaube ich – durchgesetzt haben, ist noch in der Bauverwaltung abgebaut worden, und wir bitten dringend, eine transparente Lösung nach dem Delegationsprinzip und möglichst so wie die alte Lösung für Kunst im öffentlichen Raum wiederherzustellen. Ich sage an dieser Stelle noch: Es gab einen nicht geldgebundenen und nicht notwendigerweise vollzogenen Abbau von demokratischen Rechten. Die Kulturverwaltung beruft Beiräte – vielleicht wird es bald wieder so sein –, ohne dass das Delegationsprinzip der Verbände eine Rolle spielt. Diese brauchen nicht das Übergewicht, aber sie müssen mit Delegationen am Tisch sitzen, wo sie dann auch wieder berichten müssen, was sie machen, um zu erreichen, dass Informationen über die soziale Situation dorthin gelangen. Der Pluralismus ist im Zuge des Umzugs – und was weiß ich, was alles – weitgehend abgebaut, und die Kulturverwaltung beruft selbst. Das bedeutet natürlich immer Eingriffe von Staats wegen. Wir wollen ein transparentes System durch das Delegationsprinzip. Ein weiterer Punkt, an dem Sie auch beitragen können, ist die Medienpräsenz. Die bildende Kunst ist aus den Zeitungen fast völlig verschwunden. Ich erinnere mich sehr genau: Früher gab es auch Berichte über Galerien im „Tagesspiegel“, in der „Berliner Zeitung“ usw. In den Boulevardblättern gab es sie sowieso nicht, aber in den kulturell anspruchsvolleren Gazetten wird über Galerien, über Ausstellungen von einzelnen Künstlern und so etwas praktisch nicht mehr berichtet, sondern über große Dinge, Ereignisse, Events. Früher gab es das, und es ist keine Not und kostet auch nicht sehr viel mehr Geld, wenn die Kritiker wieder in die Galerien gehen und darüber berichten würden. SFB und die Fusion Berlin-Brandenburg: Auch in der Vergangenheit gab es in der „Abendschau“ so gut wie keinen Kunstbericht. Wenn mal eine Kuh vom Dach fällt, dann ja, aber unter normalen Bedingungen gibt es keine Berichterstattung über die Galerien, über das, was im kulturellen Bereich stattfindet. Selbst im dritten Programm gibt es so gut wie keine Berichterstattung über bildende Kunst. Der offene Kanal: Das kostet Sie nicht viel Geld, aber vielleicht könnte man an den Regeln etwas ändern, das muss vielleicht von unten kommen. Auch im offenen Kanal haben Sie es so geregelt, dass dort kein Geld verdient werden darf von außen. Vielleicht muss man einen Weg finden, wie das verbessert werden kann. Das wäre noch eine Möglichkeit, wenn alle anderen Kanäle für die bildende Kunst verstopft sind. Förderung der bildenden Kunst bedeutet, dass man eine Transparenz der Strukturen herstellt. Es müssen dringend wieder die Offenheit, die Durchlässigkeit und das Delegationsprinzip hergestellt werden – nicht dass der Staat immer beruft und dann zufrieden ist, wenn ihm die Leute positiv sagen, was sie alles haben wollen, sondern in die Gremien muss auch die Kritik hinein und die Möglichkeit, aus der Struktur der tatsächlich Produzierenden dann einen Vorschlag zu machen. Dann schließen wir uns dem BBK an: Die Abschaffung der FBK war ein elementarer Fehler und gibt den Berliner Künstlern gar keine Chance mehr, sich außerhalb des Systems zu präsentieren. Das ist ein schwerer Verlust. Das muss wiederhergestellt werden. Wie Sie das finanzieren, müssen Sie selber noch einmal überlegen. Wir können vielleicht einen Vorschlag machen. Dann will ich noch etwas zur PISA-Studie sagen. In der PISA-Studie – so wichtig es ist, dass die Leute alle lesen, schreiben und rechnen können – sind keine kulturellen Werte verankert. Was wir zurzeit haben, ist eine Pseudokultur. Nach Kreuzworträtselmanier wird in den öffentlichen Rundfunkanstalten mal ein künstlerischer Name abgefragt, aber die wirkliche, tiefe kulturelle Bildung verschwindet aus unserem Bildungswesen, wenn Sie nicht darauf achten – auch durch die Dominanz der PISA-Studie, die keinesfalls nachgefragt hat, ob die jungen Menschen, die in Zukunft die Gesellschaft tragen sollen, noch an Kulturellem interessiert sind und vielleicht noch ein tieferes Wissen über Kultur haben als das, was in Kreuzworträtseln abgefragt wird. Wichtig ist selbstverständlich auch, dass die Kultur nicht nur unter kommerziellen Aspekten gesehen wird, sondern Kultur und Kunst haben einen eigenen Wert und gehören zur menschlichen Existenz. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 13 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Man muss darauf achten, dass man nicht alles nur unter kommerziellen Aspekten betrachtet, sondern sich für Kunst und Kultur wirklich öffnet. – Jetzt muss ich verschiedene Punkte kürzen. Frau Vors. Ströver: Herr Ruckhaberle! Sie haben jetzt die Zeit erheblich überschritten. Es tut mir sehr Leid, Sie zu unterbrechen, aber wir haben sonst keine Chance, noch über das Angehörte zu reden. Das kann nicht in Ihrem Interesse sein. Wir wollen ja miteinander kommunizieren. Es ist auch unfair gegenüber den Nächsten, weil die dann die Zeit nicht mehr haben. Wenn Nachfragen kommen, können Sie noch einmal dazu Stellung nehmen. Okay? – [Herr Ruckhaberle: Ja!] – Danke schön! – Ich möchte jetzt Herrn Tammen das Wort geben. – Bitte schön! Herr Tammen (Landesverband Berliner Galerien e. V.): Danke schön! – Es wird sicherlich ein bisschen kürzer. – Unsere Rolle als Galeristen in der Stadt wurde vorhin schon als sicherlich eine besondere beschrieben, da wir quasi mit eigenem Geld und eigenem kräftigen Engagement dafür sorgen müssen, dass Kunst und Künstler Verbreitung finden. Unser Verband – unter einem neuen Vorstand – hat interessanterweise gerade eine eigene Umfrage auf den Weg gebracht. Das resultierte aus einem ersten Gespräch, das wir vor zwei Monaten mit dem Kultursenator geführt haben, um auch dort Bewegung hineinzubringen. Wir machen eine Umfrage zum Wirtschafts- und Kulturfaktor Berliner Galerien in dieser Stadt. Interessant ist, dass wir den Fragebogen nach Prüfung standesrechtlicher Voraussetzungen an insgesamt 350 Galerien in dieser Stadt versandt haben. Diese Zahl bedeutet: Berlin ist europaweit von der Zahl her der größte Galerienstandort überhaupt. Ich glaube, man muss sich Gedanken machen, ob man das gut findet. Vom Grundsatz her finden wir das gut, und es belegt auch die Nachhaltigkeit vergangener Politik. Aber – die Vorredner haben darauf hingewiesen – nicht nur die soziale Situation der Künstler, sondern in der Tendenz auch die der Galerien ist sicherlich gefährdet. Es wird durch bestimmte öffentliche Politik wie Kürzung der Ankaufsmittel, wie bestimmte Entscheidungen im Lottobeirat auch nicht vereinfacht, selbst wenn wir die Spitzen in Berlin mit großen internationalen Erfolgen von Kollegen auf Messen und in großen Ausstellungen wahrnehmen und auf die Entwicklung des Galerienstandorts Mitte hinweisen. Das hat maßgeblich mit der Aktivität von Kreativen und damit auch von Galerien zu tun und entwickelt eine Nachhaltigkeit mit weiteren Engagements wirtschaftlicher Gruppen, Medien, Kneipen, Restaurants etc. Aber das wirft nur ein kleines Schlaglicht auf die Möglichkeiten kultureller Tätigkeit u. a. auch von Galerien. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir das sichern und schützen können. Unsere Initiativen gehen dahin, auch im Gespräch mit dem Kultursenat und dem Wirtschaftssenat Initiativen zu entwickeln, die darauf reflektieren – das glauben wir auf Grund unserer Umfrage schon sagen zu können –, dass der Großteil des Umsatzes mit Personen außerhalb Berlins erzielt wird. D. h. wir sind vielfältig auf Messen u. a. aktiv, aber wir ziehen auch durch unsere Initiativen viele Leute in die Stadt und erwirtschaften damit ein hohes Maß an Geld, das in der Stadt als Tourismusfaktor bleibt. Unsere maßgebliche Forderung an den Senat – und dafür sind die Gespräche – ist, sich konzeptionell Gedanken darüber zu machen, wie man diesen Faktor verstärken kann. Unser Ziel ist, in das Thema internationale Messeförderung einzusteigen, das wir für wesentlich halten. Das ist auch kein Subventionsgeschrei, sondern eine Milchmädchenrechnung, weil wir nach unseren Erfahrungen immer wieder Kunden mit in die Stadt bringen und das über Steueraufkommen leicht rückerwirtschaften. Wir können und müssen aber das Image verstärken, das Berlin weltweit hat und das substantiell erhalten bleiben muss. Ich glaube, die Situation von Künstlern ist am besten auch dadurch zu verbessern und zu gewährleisten, dass viele Galerien die Möglichkeiten haben, überhaupt ihr Programm zu fahren, sprich immer mindestens zehn, fünfzehn Künstler z. B. im Programm zu haben und kontinuierlich zu betreuen. Es ist logischerweise auch im Interesse der Interessenverbände, diese Tendenzen zu unterstützen. Soweit zu diesem Fakt. Evtl. kann ich später noch auf das Thema eingehen – das möchte ich zeitlich nicht verkürzen, weil ich es für relativ wichtig halte –: Wie sind die Perspektiven für die soziale Künstlerförderung? – Vom Grundsatz her sind wir als Verband in sehr positive Gespräche mit der IBB eingetreten. Das Problem ist nicht unkompliziert, aber wenn wir alle an dem Ziel festhalten, die Künstlerförderung zu stützen und zu erhalten, dann muss man sich auch darüber sehr konkret und phantasievoll Gedanken machen. In diesem Sinn möchte ich bitten, dass Frau Hendler das Wort ergreift und wir direkt in dieses Thema einsteigen, weil da sehr viel eher Klärungsbedarf ist. – Danke! Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 14 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Tammen! – Bitte schön, Frau Hendler! Frau Hendler (Direktorin der sozialen Künstlerförderung in der Investitionsbank): Vielen Dank für die Möglichkeit, dass ich hier ein paar Worte zur Künstlerförderung sagen darf! – Ich möchte kurz auf die Historie einschwenken. Ernst Reuter, der legendäre Oberbürgermeister, gründete vor 52 Jahren die Künstlerförderung in Berlin. Damals hieß sie nicht „soziale Künstlerförderung“, sondern „Künstlernothilfe“. Mit ihrem Start – das ist sehr wichtig, und das sollten wir uns alle merken – wurde der Grundstock für eine einzigartige Artothek in dieser Stadt gelegt, eine Artothek, die in diesen 52 Jahren auf 14 000 Exponate zeitgenössischer Kunst angewachsen ist. Daher gibt es nicht nur Rechte, sondern auch gewisse Pflichten aus der Vergangenheit heraus, diese Artothek für diese Region zu erhalten. Was war damals der Grund? – Zeitgenössische Berliner Künstler mit einer abgeschlossenen Ausbildung und einem bestimmten minimalen Einkommen – daher ist es auch im Landesamt für Gesundheit und Soziales angesiedelt – erhielten einen Werkvertrag zur Erstellung eines Exponates, der Künstler erhielt nach der Fertigstellung Geld, nämlich die Förderung, und das Exponat wanderte in die Artothek oder per Leihvertrag in öffentliche Räume zur Ansicht. Fakten heute, Fakten im Jahr 2000: Mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales ist die IBB einen Geschäftspartnerbesorgungsvertrag eingegangen, der eine Laufzeit vom 1. 1. 2000 bis zum 31. 12. 2003 hat. D. h. in diesem Jahr wäre der Vertrag so – mit den Fördergeldern, die in die Künstlerförderung hineingekommen sind – abgelaufen. Das Land gab 512 000 € Fördergelder hinein, die IBB 205 000 €, und die IBB hat noch weitere 155 000 € Betriebskosten vorfinanziert. Die Mitarbeitergestellung kam vom Land und von der IBB. Die Übernahme der Artothek mit 14 000 Exponaten durch die IBB stand zur Vermarktung an – Vermarktung heißt Vermietung und Verkauf –, so dass die Künstlerförderung sich auch teilweise selbständig ernähren kann, denn diese Ergebnisse und die Gelder daraus fließen in die Künstlerförderung zurück, da die IBB nicht gewinnorientiert arbeitet. Die Künstlerförderung wird eine Abteilung der IBB und partizipiert kostenlos an allen Dienstleistungen der IBB, die man sonst, wenn sie allein stünde, draußen teuer einkaufen müsste. Zu den Fakten der Gegenwart: Die darstellende Kunst wurde 2002 eingestellt, die Fördergelder wurden vom Land um 24 % und 2003 um 29 % reduziert. Bis heute hat die IBB ihre Fördergelder noch nicht reduziert. Wie es ab 2004 aussehen wird, wenn die Fördergelder komplett versagen, müssten wir uns noch überlegen. Einnahmen aus der Vermarktung haben wir im Jahr 2002 – nur aus Vermietung, verkauft wurde noch nicht – 65 000 €. Die Ergebnisse, die wir bisher auf die Beine stellen konnten: Wir haben festgestellt, dass sehr bekannte Künstler wie Baselitz, Grützke, Koeppel, Lüpertz und Schönebeck durch die Künstlerförderung gegangen sind. Von diesen Künstlern sind reichlich Exponate in der Künstlerförderung, nicht mehr alle in der Artothek, aber das wird durch eine Inventur, die wir vorhaben, noch festgestellt werden. Wir haben 150 Exponate bekannter Künstler, die durch die Künstlerförderung gegangen sind, im Tresor der IBB eingelagert – zur Risikovorsorge, weil die Depots in der Gustav-Meyer-Allee, wo die Künstlerförderung angesiedelt ist, mit der Brechstange zu öffnen sind und man abends oder nachts die Kunstwerke rausholen kann. Die Verkürzung und Optimierung von Arbeitsabläufen musste durchgeführt werden, um dort auch Mitarbeiter einzusparen, die dann in den Ruhestand gegangen sind. Die Förderung der bildenden Künstler belief sich dann im Jahr 2002 auf weitere 350 000 €. Wir haben vor, mit einigen Institutionen dieser Stadt die Freie Berliner Kunstausstellung in diesem Jahr wieder zum Leben zu erwecken, weil wir alle zwei Jahre eine Werkschau für 30 Künstler mit 70 Exponaten durchgeführt haben, die auch Geld gekostet hat. Dieses Geld wollen wir gemeinsam mit den anderen Institutionen in die Freie Berliner Kunstausstellung stecken. Dazu sind wir schon in Verhandlungen mit etlichen Institutionen. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 15 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Wir haben vor, die Fortführung und den Erhalt der Artothek durch gezielte Vermarktung voranzutreiben und die Künstlerförderung in eine weitgehende Selbständigkeit zu führen. Das kann gelingen, wenn man es anders aufstellt, als es in der Vergangenheit gewesen ist. Schön wäre es, wenn die Fördergelder weiter fließen könnten – schön für die Künstler, weil auch das mehr Künstler und weitere Künstler in den Genuss dieser Sache bringen kann. Wir haben alle gehört, wie sozial wichtig dies für unsere Region ist. Die Entwicklung und der Einsatz einer digitalen Artothek in virtuellen Räumen, zu sehen unter www.dieartberlin.de, ist am 25. 9. live gegangen. Wir haben seit Januar erhöhte Zahlen von 10 000 Zugriffen, und wir erwarten auch durch Werbung einen Zugang zu den Objekten, die wir dann an potentielle Mieter weitergeben können. Wir haben eine namhafte Jury einberufen, und dazu möchte ich noch zwei Sätze sagen: Wir waren per Geschäftspartnerbesorgungsvertrag verpflichtet, die Jury alle drei bis fünf Jahre zu wechseln. Das hat seinen Grund, um gewissen Richtungen keinen Vorschub zu leisten. Wir haben festgestellt, dass die jüngsten Mitglieder dort 5 ½ Jahre und die längsten Mitglieder 22 Jahre anwesend waren. Es war an der Zeit, die Jury zu wechseln. Wir haben allen sehr herzlich gedankt, sie haben alle eine große Leistung vollbracht, und wir haben jetzt eine namhafte Jury einberufen, die aus bewährten Künstlern, jungen Künstlern und auch aus sehr wichtigen Persönlichkeiten dieser Stadt resultiert. Die Exponate in der Artothek haben alle einen Anschaffungswert, der durch eine Förderung durch die Jury vergeben wird. Dieser Betrag wird zu einem Versicherungswert verdoppelt, um die Betriebskosten mit drin zu haben, und die Exponate werden dann zu 5 % dieses Werts per anno an Private verliehen. Diese Sache muss auf den Marktwert gebracht werden. Die Feststellung der Marktwerte für diese Exponate kostet richtig Geld. Eine Vermarktung zu Anschaffungswerten würde bedeuten: Ein Schönebeck, der damals zu 100 DM eingekauft wurde, ist heute 25 000 DM wert, und wir vermieten ihn zu 10 DM pro Jahr. Das wäre eine tolle Sache, da würde ich auch gern einen Schönebeck mieten. Aber der Marktwert ist ein bisschen anders. Das könnte der Künstlerförderung sehr zugute kommen. Wenn nach diesen Werten vermietet wird, könnte sie sich auch weitgehend selbst ernähren. Die muss man natürlich feststellen. Wir haben eine SAP-Anbindung für den Zahlungsverkehr und die Klärung von Urheberrechten durchgeführt. Wir haben einen Basisvertrag mit der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst abgeschlossen. Dort ist es so, dass www.dieart-berlin.de einmal als Marketinginstrument anerkannt wird, weil wir nicht gewinnorientiert arbeiten und es nur zur Förderung benutzen, um Mietverträge und potentielle Mieter, die uns noch nicht kennen, aus der Ecke hervorzuholen. Und wir haben für die Exponate, die wir vermietet haben, vereinbart, dass wir eine Inventur durchführen. Dazu benötigen wir die Marktwerte, denn die Urheberrechte werden nicht auf die Anschaffungswerte, sondern auf die Marktwerte bezahlt, und diese stehen noch nicht fest. Wenn wir Ende des Jahres die Inventur haben, dann einigen wir uns auf eine Pauschalsumme, denn die Verwaltungskosten für das Zahlen der einzelnen Sachen würden mit 37 Cent oder 1,48 € für einen Künstler so hoch liegen, dass wir uns auf eine Pauschalsumme einigen werden, die die Verwertungsgesellschaft BildKunst dann auf die entsprechenden Künstler verteilen wird. Sollten wir einmal verkaufen, werden wir den Künstler über die 5 %, mit mindestens 7 %, daran beteiligen. Die Fakten für die Zukunft sind: Wenn die Förderung der bildenden Kunst eingestellt wird, sollten wir die Umwandlung der Künstlerförderung in eine weitgehend sich selbst tragende Einrichtung vornehmen. Dafür haben wir Ihnen ein Papier in die Hand gedrückt, das wir bitten, vertraulich zu behandeln, weil es noch ein Arbeitspapier ist. Darin sind vier Varianten. Wir präferieren die Variante 2, aber auch die Variante A hat ihren Charme. Die Variante 3 ist aufgeführt, weil sie draußen auch diskutiert wird, und von der vierten Variante raten wir dringend ab, weil – wie gesagt – die Marktwerte nicht festliegen, weil wir den Markt überschwemmen würden und Galeristen in eine Insolvenz drücken könnten. Darin ist sehr viel Sprengstoff, dazu sollten wir uns nicht entschließen. Wir fokussieren also die Variante B. Unsere Ziele sind: Erhalt der Artothek und deren Mehrung, die anteilige Betriebskostenfinanzierung durch das Land; die Vorfinanzierung wird die IBB weiterhin vornehmen. Wir werden eine Marktwertermittlung durchführen, wir werden die Steigerung der Mieteinnahmen durch Vermietung haben, und wir werden auch die Mitarbeitergestellung teilweise vom Land und von der IBB durchziehen. Die Künstlerförderung muss aus den Räumen der Depoträume und aus den nicht vorhandenen Betriebsräumen – zu denen man sie allerdings gemacht hat – heraus, damit sie sich dort neu aufstellen kann. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 16 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/vo – Zum Schluss den Satz, den ich Ihnen nicht verhehlen möchte: Die IBB hat in den letzten Jahren die Weichen zur positiven Entwicklung der Künstlerförderung in eine sich weitgehend selbst finanzierende Institution gestellt. Wir würden uns über die Fördergelder freuen. Wir können uns aber auch vorstellen, die Künstlerförderung für die Region zu erhalten, indem wir sie weitgehend selbständig vorbereiten. Dies betrifft sowohl die qualitativen Leistungen der IBB, die wir weiterhin einbringen werden, als auch die finanziellen Vorleistungen. Wir sind bereit, diese Vorleistungen zu erbringen, denn auch das dieART ist mit viel Geld durch die IBB vorfinanziert worden, und die Refinanzierung durch zusätzliche Mieteinnahmen ist noch nicht da. Warum tut die IBB das? – fragen sich sehr viele. Dazu muss ich Ihnen ganz ehrlich meine eigene Meinung und auch die Meinung unseres Hauses sagen: Mit der Künstlerförderung ist es wie mit der Liebe auf den zweiten Blick. Erst wenn man sich die Mühe macht, ihre inneren Werte zu erkennen, dann entfaltet sich auch ihre wahre Schönheit. Geben Sie der Künstlerförderung eine Chance! Glauben Sie mir: Sie ist es wert, sie hat es verdient, und sie schafft es auch – mit der IBB an ihrer Seite. – Vielen Dank! Frau Vors. Ströver: Schönen Dank, Frau Hendler! – Das leitet genau zu Herrn Allert, dem Präsidenten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, und der Frage über: Wie sieht es von sozialer Seite hinsichtlich der weiteren sozialen Künstlerförderung aus? – Bitte schön, Herr Allert! Herr Allert (Präsident des Landesamts für Gesundheit und Soziales): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Als Letzter der Anzuhörenden habe ich die Aufgabe, mich besonders kurz zu fassen, damit noch etwas Diskussionszeit bleibt. Zur Historie und den Aufgaben der Künstlerförderung, warum es in dem Landesamt für Gesundheit und Soziales angesiedelt worden ist, ist genügend gesagt worden, so dass ich mir diese Erläuterungen sparen kann. Die finanzielle Situation des Landes Berlin muss ich Ihnen auch nicht im Einzelnen erläutern. Sie ist hinreichend bekannt. Das hat allerdings zur Folge, dass alle Verwaltungen sehr intensiv darüber nachdenken und prüfen müssen, welche Aufgaben, die nicht gesetzlich gebunden sind, sie auch künftig fortführen können. Dazu gehört auch die soziale Künstlerförderung. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 17 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – Es ist in diesen Zeiten, in denen sehr hohe Einsparleistungen auch für den Haushalt 2004/2005 erwartet werden, notwendig, diese Leistungen – die durchaus ihren Sinn und ihren Zweck haben, die Erfolge in der Vergangenheit gezeitigt haben, das ist völlig unbestritten und steht auch nicht zur Diskussion – zu überprüfen, ob sie denn auch künftig vom Staat weiterhin finanziert werden müssen und dann auch können. In diesem Zusammenhang prüft mein Landesamt zur Zeit, ob die Mittel, die noch als soziale Künstlerförderung ausgereicht werden, zum Jahresende eingestellt werden können. Allerdings zusammen mit der IBB im Hinblick auf die Ziele, die soziale Künstlerförderung als Förderung zu erhalten, d. h. also auch, dieses Ziel „Abbau von Arbeitslosigkeit“ bei Künstlern zu verfolgen und weiterhin zu erhalten. Darauf ist zu Beginn hingewiesen worden, da auch dies ein Stück Belebung der Berliner Kunstszene darstellt. Im Gegensatz zu dem Vertreter der BBK bin ich nicht der Auffassung, dass es von vornherein ausgeschlossen ist, anzunehmen, dass die soziale Künstlerförderung sich aus sich selbst heraus finanzieren kann. Die hohe Anzahl von auch sicherlich sehr wertvollen Exponaten, die im Bestand der Künstlerförderung vorhanden ist, kann durchaus zum einen als Grundlage für eine Vermarktung dienen, aber auch für einen Grundstock, aus dem sich dann diese soziale Künstlerförderung künftig selbst tragen kann. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, die Ihnen vorliegen. Diese Vorschläge sind noch sehr frisch, d. h. sie müssen zunächst sowohl auf die Belastbarkeit der darin enthaltenen Zahlen geprüft werden als auch auf die Frage, ob diese oder einer dieser Vorschläge auch realisierbar ist. Es scheint mir allerdings auf Grund der ersten Prüfungen und der Gespräche, die ich auch mit Frau Hendler geführt habe, nicht ausgeschlossen zu sein. Daher lohnt es sich, eine solche Variante zu prüfen, die zum einen einen Rückzug des Staates aus dieser Künstlerförderung bewirken kann, zugleich allerdings die Sache selbst erhält. Sie wissen, dass auch der Rechnungshof in seinem Jahresbericht 2002 dringend dazu geraten hat, die staatliche Förderung einzustellen, da sich die Künstlerförderung von ihrem ursprünglichen Zweck, den sie in den 50er Jahren hatte, doch etwas entfernt hat. Dieses ist bei dieser Prüfung ein für uns wichtiger Rahmenpunkt, so dass eine Zielrichtung schon da ist, zu prüfen, ob eine solche Subventionierung aus dem Haushalt der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz künftig entfallen kann, wohlgemerkt aber bei Beibehaltung der Künstlerförderung. – So weit im Hinblick auf die noch notwendige Diskussionszeit. Frau Vors. Ströver: Schönen Dank! – Ich habe gerade dem Senator gesagt, dass ich darauf verzichten möchte, ihn anzuhören, weil wir das Thema, wenn das Wortprotokoll vorliegt, die Auswertung sowieso behandeln und dann den Senator ausführlich hören. – Ich möchte Sie bitten, nur zu Fragen an die Anzuhörenden Stellung zu nehmen und diese Fragen kurz, knapp und konzentriert zu stellen, damit wir die Anzuhörenden nicht noch einmal bitten müssen, zu kommen, und wir dann, wenn wir das Wortprotokoll haben, eine Auswertung auf der Grundlage des Protokolles der heutigen Sitzung machen können. Können wir so verfahren? – Frau Fugmann-Heesing, bitte! Frau Abg. Dr. Fugmann-Heesing (SPD): Ich habe eine Nachfrage zu dem Papier, das uns zur Atelierförderung übergeben worden ist. Sie verweisen in dem Papier auf Vergleichszahlen aus Paris und London und erwähnen, dass in anderen deutschen Städten auch Atelierförderung praktiziert wird. Mich würden die Zahlen interessieren, wie viele Ateliers in den einzelnen Städten in Deutschland finanziert werden und mit welchem Volumen. Eine zweite Frage – zur Zielgerichtetheit der eingesetzten Mittel: Die Atelierförderung läuft nicht nur über das Ateliersofortprogramm, sondern auch über die Wohnungsbauförderung. Ich habe Ihre Aussagen hier in diesem Text so verstanden, dass, wenn nur 10 % der Suchenden überhaupt in der Lage sind, ein so finanziertes Programm zu nutzen aus finanziellen Gründen, sich die Frage stellt, wie zielgerichtet dieses Programm ist. Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, ob Sie die Zahlen kennen, die in diesen subventionierten Atelierbau geflossen sind und noch fließen. Frau Vors. Ströver: Bitte schön, Herr Brauer! Abg. Brauer (PDS): Das schließt sich gleich unmittelbar an. Ich hätte gerne eine Positionierung zu dem aus meiner Sicht etwas merkwürdigen Argument: „Was schreien diese Menschen nach einem Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 18 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – Ateliersonderförderprogramm, wenn 130 000 Wohnungseinheiten in Berlin leer stehen?“ Das liest man häufiger. Zweite Frage: Wie schätzen Sie die Situation auf dem Werkstättensektor in der Stadt ein? Besteht hier Handlungsbedarf aus Ihrer Sicht in Richtung Land? Ich meine vor allen Dingen die Druckwerkstätten und die Großwerkstätten für Bildhauerei, Stichwort auch „Künstlerhof Buch“. Dritte Frage: Wie schätzen Sie die Produktivität kommunaler Galerien für die bildenden Künstlerinnen und Künstler in der Stadt Berlin ein? Was wir bislang gehört haben in Richtung Galerie, ist doch stärker kommerziell ausgerichtet. Mit kommunalen Galerien meine ich die in bezirklicher Verantwortung. – Danke schön! Frau Vors. Ströver: Herr Cramer, bitte! Abg. Cramer (Grüne): Es ist erwähnt worden, dass Sozialhilfeempfänger den Staat teurer kommen als künstlerische Förderung. Das müssten Sie unterlegen. Eigentlich wäre das für den Senat in dieser finanziellen Situation ein toller Vorschlag. Ich weiß nicht, warum er dann nicht gleich aufgegriffen wird. Aber vielleicht können das noch ein bisschen untermauern, dass man damit arbeiten kann. Bei den Ateliers habe ich die Frage: Gibt es eine systematische Erfassung aller Ateliers, die in Berlin vorhanden sind und wie werden sie genutzt, woran hapert es? Hier schließe ich mich ein bisschen an die Frage von Herrn Brauer an: Wir haben 160 000 Wohnungen, die leer stehen. Macht sich das da auch bemerkbar? Ist der Druck so groß? Bei Honoraren für Ausstellungen hatte ich Sie so verstanden, dass Sie das nur auf staatliche Ausstellungen beziehen. Das ist natürlich ein Problem, weil eine Ausstellung auch immer eine Werbung für den Künstler ist. Wenn es dann an finanziellen Gründen scheitert, dass er noch nicht einmal ausgestellt werden kann, hat er weder Verdienst noch Werbung für sich. Das ist ein bisschen widersprüchlich. Vielleicht können Sie einmal darstellen, wie Sie das Problem lösen wollen. Oft sind Künstler froh über Werbung, auch wenn sie dann noch kein Honorar erhalten. Ich hätte gerne gewusst, wie Sie diesen Widerspruch lösen wollen, denn auch die privaten Galerien müssen ihre Kosten aufbringen und haben auch ihren finanziellen Rahmen. – Die finanzielle Situation im Land Berlin ist bekannt, die wird sich so schnell auch nicht ändern, und insofern finde ich Ihren Vorschlag toll, dass Sie gleich Vorschläge machen, wo Sie die finanzielle Situation auch berücksichtigen. Was man dann damit machen kann, ist mir in einigen Redebeiträgen zu kurz gekommen. Ich hätte gerne gewusst, wenn Sie all das im Hinterkopf haben, wie man den Weg aus der Misere finden kann. Frau Vors. Ströver: Herr Dr. Jungnickel! Abg. Dr. Jungnickel (fraktionslos): Zu einer ausführlichen Diskussion kommt es heute nicht. Deswegen werde ich eine ganz kurze Frage stellen, an Herrn Mondry und Herrn Schöttle. – Mir sind drei Sachen aufgefallen, das Fehlen von Ausstellungsmöglichkeiten, das Atelierproblem und das Herstellen von Öffentlichkeit. Das hat Herr Ruckhaberle noch erwähnt. Wie kann man das, ohne dass es heute zu Ende diskutiert wird, so zusammenbringen, dass man sagt: „Gut, wir machen ein Konzept, wie man das herstellen kann.“ Die sozialen Probleme, die daran hängen, lassen sich natürlich nur haushaltsrechtlich lösen. Denn ohne dass die finanziellen Fragen gelöst werden, lässt sich auf diesem Gebiet sicherlich nichts anderes erreichen. Aber wenn man diese drei Punkte auf einen Nenner bringt, würde ich gerne etwas dazu hören. Frau Vors. Ströver: Frau Meister! Frau Abg. Meister (FDP): Vielen Dank! – Ich versuche, mich möglichst kurz und knapp zu halten und die Fragen in kurze Sätze zu formulieren. – An Herrn Mondry habe ich eine Frage zu den Ateliers: Auch in Ihren Papieren weisen Sie immer wieder darauf hin, wie wichtig ist, dass die Ateliers in Mitte, Charlottenburg, Schöneberg, Kreuzberg, Prenzlauer Berg liegen. Das wäre mir jetzt persönlich auch sehr recht, wenn ich eine Wohnung suchen würde, aber mir ist nicht sehr einsichtig, warum ich nicht auch in Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 19 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – Hohenschönhausen, Marzahn, Köpenick, Zehlendorf oder sonst wo mein Atelier haben kann. Da ist es eigentlich auch ganz schön. Dann habe ich nicht verstanden: Sie wiesen noch einmal darauf hin, dass die Ausstellungsräume in Berlin knapp sind. Das wundert mich so ein bisschen, weil ich denke, es gibt auch im Bereich der privaten Unternehmen durchaus eine Affinität dazu, einmal Künstler ausstellen zu lassen, also Banken oder Gewerbe, die einfach viel Platz haben. Da habe ich eher ein bisschen das Gefühl, dass die eine Seite nicht zur anderen Seite findet. Das ist auch eine Frage der Übermittlung und des miteinander Kommunizierens. Vielleicht kann mir darauf noch einmal jemand eine Antwort geben. Dann habe ich noch eine Frage an den immer wieder eingebrachten Betrag von 760 €, den der durchschnittliche Künstler verdient. Ich kann das aus meinem Wissen heraus jetzt zwar ins Verhältnis zu dem setzen, was eine Verkäuferin oder eine Krankenschwester oder andere verdienen, das fällt mir nicht so schwer. Aber mich würde doch interessieren, ob Sie Vergleichszahlen im kulturellen Bereich haben: Was verdient ein Musiker im Durchschnitt, der kein festes Engagement an einem Opernhaus hat? Oder was verdient ein Autor, der nicht gerade bei Random House auf dem ersten Platz liegt, sondern z. B. Lyriker ist? Wir haben auch in Berlin viele junge, neue Autoren, in welchen Gehaltsklassen bewegen die sich? Es fällt mir jetzt aus der persönlichen Erfahrung schwer, das in ein Verhältnis zueinander zu setzen. Eine kurze, knappe Frage noch an Herrn Tammen. Ich habe aufgehorcht, als Sie meinten, dass Sie bei den Galerien sehr viele Künstler haben, die von außerhalb Berlins kommen. – [Herr Tammen: Kunden!] – Ach so, Kunden, dann ist das schon geklärt. – Vielen Dank! Frau Vors. Ströver: Frau Lange! Frau Abg. Lange (SPD): Ich habe zwei Anmerkungen, eine zu Herrn Cramer in Bezug auf die Ausstellungshonorare. Das Recht auf Ausstellungshonorar ist klar im neuen Urheberrecht definiert, das die neue Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Dafür haben ganz Viele viele Jahre gekämpft. Ich glaube nicht, dass man von einem Musiker verlangen könnte, weil er für sich Werbung machen will, dass er ohne Honorar auftritt, und das Recht müssen auch die bildenden Künstler haben. Dann habe ich noch eine Frage an Herrn Schöttle. Es gibt einen vielstimmigen Chor derer, die behaupten, es gäbe viele Angebote an das Atelierbüro von Wohnungen, die Künstler kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen könnten, teilweise von ganzen Häusern, und die Künstler würden dies nicht in Anspruch nehmen und säßen auf dem hohen Ross, wollten nicht nach Marzahn. Wie sehen Sie das? – Kann man eigentlich z. B. von einem Bildhauer erwarten, dass er in einer Neubauwohnung sein Atelier einrichtet? Frau Vors. Ströver: Herr Sayan! Abg. Sayan (PDS): Vielen Dank! – In Berlin leben sehr viele Künstlerinnen und Künstler nichtdeutscher Herkunft, entweder als Arbeitsmigranten oder als politische Flüchtlinge aus diktatorischen Ländern, und ich weiß, dass sie sehr viele Probleme haben. Wie weit sind diese Künstlerinnen und Künstler, die so viele Probleme haben – Berlin ist wirklich voll von diesen Künstlerinnen und Künstler –, in Ihre Organisationen einbezogen? Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Sayan! – Frau Grütters! Frau Abg. Grütters (CDU): Die Museen haben, das hat Herr Tammen erwähnt, keinen Ausstellungsetat, sie haben keinen Ankaufetat, und Berlin selbst, das ist auch mehrfach angeklungen, leidet darunter, dass es keine Kunsthalle mehr gibt. Deshalb an einige von Ihnen die Frage: Kein Ausstellungsetat bedeutet, dass die langen Schlangen vor den großen Ausstellungen zwischen den Jahren in Paris stehen und leider Gottes nicht in Berlin, obwohl das auch für das Stadtmarketing und auch als Aspekt der Wirtschaftsförderung sehr wichtig wäre. Diese mittelbaren Effekte der Künstlerförderung sind hier noch viel zu wenig angeklungen. Aber die Frage: Wenn schon Notstand besteht, wie sind die Kontakte der einzelnen Verbände, die die Künstler vertreten, zu den Museen, in denen Ausstellungsflächen auch zwischendurch leer bleiben, also schlichtweg nicht mit Wechselausstellungen bespielt sind? Können Sie die nutzen? Wie geht z. B. die Neue Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 20 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – Nationalgalerie mit ihren Räumen um? Ich weiß, wie schwer das für den DAAD immer ist, dort etwas unterzubringen, der nur die kleine Einstein-Galerie hat. Gibt es dort engere Kontakte im Interesse der Künstler und der vorhandenen Potentiale, wenn schon Missstand, dies dann zu nutzen? Das Zweite ist: Kein Ankaufetat. Da hat die Lotto-Stiftung bisher immerhin noch einmal in einem Einzelfall geholfen. Es gibt in schöner Regelmäßigkeit von den Finanzsenatoren den Wunsch, die Lottomittel in den Landeshaushalt einzustellen. Gibt es Erkenntnisse Ihrerseits, was in den vergangenen Jahren die LottoStiftung für den Bereich „bildende Kunst“ getan hat, z. B. durch Ankäufe oder durch Finanzierung von Ausstellungen? Da die Antworten später kommen, können Sie es vielleicht noch einmal auflisten, damit auch klar ist, was uns verloren ginge, wenn das jetzt auch noch passierte. Dann habe ich noch eine Frage an der Verband. Es gibt Initiativen, zwei waren sehr weit gediehen, eine Kunsthalle fast ohne Landesmittel wieder zu errichten. NBK, DAAD und Bethanien wollten sie gemeinsam bespielen. Es hätte kaum institutioneller Mittel durch das Land bedurft. Warum ist das eingeschlafen? Oder gibt es andere Initiativen? Es würde Ihnen allen nutzen. An die soziale Künstlerförderung habe ich die Frage: Solange wir hier im Parlament sind, wissen wir, dass das Stiefkind der Sozialverwaltung die soziale Künstlerförderung war. Es hat immer Interessen gegeben, sie zur Kulturverwaltung hinüberzubringen, was nur mit den Mitteln und dem Personal gegangen wäre und deshalb am Ende nicht geklappt hat. Dass es immer noch da war und ist, hat aber den einzigen Grund, Herr Allert, dass es nämlich doch noch zumindest an die ursprünglich Aufgabe erinnert und dass es nicht zur reinen Selbstverwaltung der Artothek werden sollte und u. E. auch nicht werden darf. Deshalb ist es bei der Sozialverwaltung geblieben, auch wenn Sie es nicht mögen. – Deshalb die Frage: Sie haben gesagt, die Künstlerförderung hat sich von ihrer eigenen Aufgabe entfernt. Ich behaupte, die Sozialverwaltung hat sie davon entfernt. Wenn das weiter passieren sollte, muss man sich in der Tat fragen, ob eine kommerzielle Vermarktung, das ist jetzt eine Frage an Frau Hendler, der wirklich wertvollen Bestände sinnvoll ist. Je besser Sie das machen, desto schneller erledigt sich das Programm dann ganz von alleine. Es ist dann in der Tat nicht mehr Aufgabe des Parlaments. Jetzt haben Sie schon die Förderung der darstellenden Kunst eingestellt. Wir haben lange darum gekämpft, dass das nicht passieren muss. Sie haben vor allem die Artothek dargestellt. Wo liegt der soziale Aspekt, außer dass Sie Bilder an die Verwaltung verleihen? Wo wird etwas für andere Sozialeinrichtungen, das war bei der darstellenden Kunst nämlich der Hauptzweck der ganzen Veranstaltung, getan? Wo gibt es diese Zielrichtung nicht nur zu Gunsten der Künstler, die Arbeiten herstellen, sondern auch der empfangenden Seite? Denn dann hätten wir zwei Bereiche in der Gesellschaft, die dafür kämpfen würden, dass es so bleibt. Dann habe ich noch eine letzte Frage: Warum mussten Sie auf das KPM-Gelände umziehen? Das steht einfach nur so in den Papieren. Mir ist das nicht einleuchtend. Das kann ja gut sein. Aber da, wo Sie bisher waren, war das sehr professionell in diesen Fabriketagen im Wedding angesiedelt. Das kostet auch immer alles Geld. Muss das sein? Wer drängt Sie dazu? Und was macht das für einen Sinn? Die letzte Frage: Es hat immer mal Verlustsituationen gegeben, Baselitz usw. Da gab es sehr wertvolle Arbeiten. Sind Sie da inzwischen fündig geworden? – Ich hoffe, jetzt habe ich alle Fragen gestellt. – Danke! Frau Vors. Ströver: Ich kann Ihnen jetzt pro Fachbereich 1 ½ Minuten geben, ich möchte Sie bitten, bei komplexeren Fragezusammenhängen uns die Antwort schriftlich nachzureichen. Manches wird sich auch aus den schriftlichen Tischvorlagen erschließen, die wir im Detail noch nicht zur Kenntnis nehmen konnten. – Weil wir gerade mit der Frage soziale Künstlerförderung auch den darstellenden Kunstbereich behandelt hatten, möchte ich jetzt mit Herrn Allert beginnen. – Bitte schön! Herr Allert (Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales): Frau Vorsitzende! Frau Abgeordnete Grütters! Es ist so, es ist keinesfalls das Stiefkind. Das sollten Sie mir dabei auch gar nicht unterstellen, sondern es geht darum, eine zeitgemäße Fortführung zu finden. Das bedeutet auch, eine Fortführung, die nicht mehr zu Lasten des Landes Berlin geht. Darum sind wir bemüht. Diese Fortführung, das hatte ich vorhin gesagt, werden wir zusammen mit der IBB versuchen zu erarbeiten auf der Grundlage der Ihnen Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 21 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – vorliegenden Papiere. Die gibt es seit Ende letzter Woche. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich Ihnen dazu noch keine fundierte Auskunft geben kann, sondern diese Daten dort müssen geprüft werden. Es liegt auch noch nicht der Abschluss 2002 vor. Auch das wird noch eine Grundlage sein. Wir haben bis Mitte des Jahres Zeit, zum Haushalt 2004/2005, nicht für diesen Haushalt, weil Sie vorhin die Diskussion von Freitag ins Spiel gebracht haben. Da geht es um den Nachtragshaushalt 2003. Da wollen wir nicht irgendwie allein machen, sondern es geht um 2004/2005. Dafür wollen wir gemeinsam ein Konzept entwickeln, das auch die Förderung weiter beinhaltet. Das ist der soziale Aspekt dabei, die Förderung. Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! – Frau Hendler, bitte schön! Frau Hendler (Direktorin der sozialen Künstlerförderung in der Investitionsförderbank): Zur Frage: Soziale Komponente, Komplettverkauf. Natürlich haben wir nicht den Komplettverkauf der Artothek vor. Das wäre ja fatal. Wir haben von Anfang an hier – und auch ich – ganz deutlich gemacht, dass wir diese Lösung überhaupt nicht präferieren, ganz und gar nicht. Es wäre jammerschade, so etwas zu tun. Wir raten dringend davon ab wegen der Gründe, die wir genannt haben. – Natürlich wollen wir aus einer Teilvermarktung heraus, das heißt vor allem Vermietung, Fördergelder resultieren lassen, die dann in die Förderung zurückfließen, um die Förderung, wenn alles irgendwann aufhört, wirklich erwirtschaftet zu haben. Das ist der Grund. Warum Umzug: Die Depoträume sind heute so unzureichend, Sie können vorne hinein, hinten hinein, seitlich hinein. Wenn einer geschickt ist, holt er alles da heraus. Dann sind wir es ganz schnell los. Das muss dringend geändert werden. Deswegen haben wir die letzten 150 Exponate von bekannten Künstlern, die wir im Depot festgestellt haben, die nicht verliehen oder vermietet sind, in die Tresorräume der IBB gebracht, einschließlich der Vermögensbücher, in denen nachzuweisen ist, wo auch die anderen Exponate berühmter und bekannter Künstler in den Leihverträgen und in den Mietverträgen stecken. Da heißt es, eine Inventur zu machen und festzustellen, ob sie tatsächlich noch alle vorhanden sind; wenn ja, sie zu inventarisieren und zu erhalten, deren Marktwert zu kennen und sie dann auch potentiell zu vermieten, um wieder Fördergelder herauszuziehen. Das zum Thema Umzug. Wir müssen dort heraus. Das sind keine Büroräume, in denen die Leute sind. Wir brauchen auch nicht so viel Geld für eine so große Galerie auszugeben, die kann etwas kleiner sein, und die Depoträume müssen sicher gemacht werden. Sonst ist diese Artothek, die seit 52 Jahren entstanden ist, nicht mehr da. Wenn einer dahinterkommt, dass da Räumlichkeiten sind, wo man von hinten dagegen fahren kann und mit dem Lastwagen einladen kann – – Glauben Sie mir, aus der Recherche heraus ist dieses mehrfach passiert. Wir haben 69 Schönebecks – müssten wir haben. In den 60er Jahren sind 61 vermietet worden. Wir haben heute noch 8 Stück. 3 hängen in der Berlinischen Galerie, und 5 habe ich hinter dem Schrank hervorgeholt, die jetzt in dem Tresor der IBB sind. Die anderen hoffen wir in Leihverträgen zu finden. Ich habe eine Recherche gemacht über 20 % der bekannten Künstler, der Verlust ist ein Drittel aus den 60er und 70er Jahren. Ich möchte nicht, dass noch ein weiterer Verlust entsteht und das Restliche in der so schön gewachsenen Artothek auch noch den Bach hinuntergeht. Das ist der Grund, warum wir umziehen müssen und warum wir zusammenkommen müssen und darauf ein Auge haben müssen. – Danke! Frau Vors. Ströver: Danke schön! – Herr Tammen, bitte! Herr Tammen (Landesverband Berliner Galerien e. V): Ganz kurz: Frau Grütters, ein wirklich nicht erfreulicher Umstand z. B. bei der Lotto-Stiftung ist, dass die Statuten vorschreiben, dass nicht bei Galeristen gekauft werden kann. Wenn man sich gleichzeitig vorstellt, wie schwer das auch hier in der Stadt ist, sein Auskommen als Galerist zu haben, seine Arbeit wirklich leisten zu können, und dann mit solchen Dingen konfrontiert wird, passt das natürlich in ein Gesamtszenario „Mittelkürzung auf allen Ebenen“. Das ist letztendlich auch für die kontinuierliche, langfristige Arbeit der Kollegen notwendig und wichtig. Meine Anregung, auch an Ihre Fraktion, bzw. wir wären dankbar, auch da ins Gespräch zu gehen, tatsächlich die Veränderung dieser Statuten aufzugreifen. Kunsthalleninitiative: Wir sind immer wieder in unterschiedlichen Diskussionen – ich unterstelle einmal im Moment, dass Frau Horn als gute Szenekennerin besser informiert ist als ich –, nach wie vor besteht die absolute Notwendigkeit, ein Forum für zeitgenössiche Kunst hier in der Stadt wieder entstehen zu lassen. Ich glaube, dass es ein paar gute Initiativen und Gedanken gibt, die man nur vernünftig bündeln und gemeinsam an einen Tisch bringen muss. Dann könnte man etwas auf die Beine stellen. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 22 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – Zum Thema soziale Künstlerförderung: Wir haben auch seitens des Verbandes gesagt, weil man an uns herangetreten war und weil wir natürlich auch die Problemlage gesehen haben bei dem Konvolut von nahezu fast 17 000 Arbeiten: Die Vorstellung, dass diese auf den Markt geschwemmt werden, kann nicht im Interesse des Verbandes und der Galerien sein. Aber die Gespräche waren sehr positiv, und wir glauben, wenn wir mit unserem Sachverstand und Ratschlag auch mit der IBB – das ist verabredet – ins Gespräch kommen, positiv für das Gesamtthema tätig werden zu können. – Danke! Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! – Herr Ruckhaberle! Herr Ruckhaberle (Fachgruppe Bildende Kunst, Verdi): Ich will an das anschließen, was Herr Tammen gesagt hat. Wir haben die allergrößten Bedenken, wenn jetzt die 17 000 Werke aus der sozialen Künstlerförderung auf den Markt geworfen werden. Das zerstört den Markt total für die Galerien, aber auch für die Künstler. Es ist ein großer Berg von Werken, die bisher nicht als Artothek gehandelt worden sind. Sie sind nur im öffentlichen Bereich, in den Rathäusern und in den Behörden, verteilt worden, manchmal nicht zurückgekommen, aber immerhin, dort – außerhalb des öffentlichen Markts – haben sie funktioniert. Jetzt kommt ein Marktangebot, das total überschwemmen wird und das die Chancen für die freischaffenden Künstler und für die Galerien auf Null treiben wird, wenn das wirklich mit diesen Möglichkeiten geschieht. Also, wir warnen dringend davor. In Wirklichkeit war das, wie die „Kunst am Bau“, eine Möglichkeit, die Künstler an etwas anzubinden, womit sie Geld verdienen könnten. Die Berlinische Galerie darf aus dem Fonds abziehen, was sie möchte. Wenn Sie nun anfangen, 10 000 Werke auf den Markt zu werfen, haben wir die größten Bedenken, und wir sind der Meinung, so sympathisch das vorgetragen wird, dass dieses nun so erfolgt. Wenn die Bauern so etwas machen würden, würde man ihre Vorsitzenden alle abwählen. Das gibt es überhaupt nicht, dass man einen solchen aus öffentlichen Mitteln angesammelten Fundus einfach auf den Markt wirft. Das geht nicht. Das verstopft den ganzen Markt. Wir sind also total dagegen. Vielleicht ist es nicht so, aber Sie haben deutlich vorgetragen, Sie wollen dies als Artothek haben. Dies ist aber nicht als Artothek aufgebaut worden. Sie benutzen jetzt diesen Namen. Eine Artothek leiht in erster Linie an die Bürger aus, während sie bisher nur an den Staat ausgeliehen haben. Das wäre eigentlich eine sinnvolle Tätigkeit, um da auch mehr die Kunstfreudigkeit zu heben. Wir haben schwerste Bedenken. Nun zur Frage von Herrn Cramer, Ausstellungshonorar: Die Musiker haben selbstverständlich das Recht, wenn ein Stück von ihnen aufgeführt wird, bekommen sie dafür GEMA-Gebühren für das Hören. Die Künstler möchten nun, wenn ihre Werke ausgestellt werden, wir sagen, nicht in privaten Galerien, denn die sind schon mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz genug belastet, sondern in öffentlichen Bereichen – – Und es ist für den öffentlichen Bereich auf allen Ebenen eine Chance, an die Landeskinder mal mit Geld heranzukommen. Sehen Sie das einmal so herum: Das ist eine Form der Künstlerförderung, wobei das mit ihren Aktivitäten verbunden wird. Es sind noch die Banken, die Arztpraxen usw., die auch Gott sei Dank gelegentlich einmal Werke ausstellen. Das hat einen tiefen Sinn, und das ist gesetzlich verankert. Es muss angemessen bezahlt werden. In Zukunft wird das noch, wenn die Verbände sich geeinigt haben, richtig geregelt. Es sind unterschiedliche Tarife in Arbeit. Aber hier sollten Sie auch die Chance sehen, Ihren Landeskindern auf legale Art und Weise Gelder zukommen zu lassen, damit sie leben können. – [Abg. Cramer (Grüne): Ich wollte ja nur wissen, wie die Risiken dabei sind!] – Die Risiken sind groß. Wenn man aber bei der GEMA verzichtet hätte, hätten die Musiker auch keine Chance. Die bildenden Künstler gehen bisher leer aus. Dann will ich noch eine Anmerkung machen. Der Boom, wo man die Künstler sozusagen auch von Staats wegen, aus den Parlamenten heraus auf die neuen Medien orientiert hat, ist nun durch das Zusammenbrechen des Nemax weitgehend gestoppt. Da muss auch eine Alternative her. Die Medienwerkstatt des BBK kommt viel zu spät. In der Richtung muss irgendetwas geschehen. Noch eine letzte Anmerkung, zur FDP auch: Die Leute, die Arbeit haben und vielleicht damit auch viel Geld verdienen, haben keine Zeit mehr, in Galerien zu gehen, und die, die Zeit haben, in Galerien und Ausstellungen zu gehen, haben kein Geld. Das ist eine ganz wichtige Schere, die Sie einfach begreifen müssen. Da muss der Staat versuchen, auch wenn er wenig Geld hat, strukturell einzuwirken. – Danke schön! Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 23 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/ger – Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! – Frau Wankel, bitte schön! Frau Wankel (GEDOK): Zur Frage nach den ausländischen Künstlerinnen und Künstlern: Sie sind natürlich in den Verbänden selbstverständlich Mitglieder, wie alle anderen. Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 24 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/sch – Sie werden auch gezielt angesprochen. Die GEDOK hat also von Anfang an immer Kontakte zu ausländischen Künstlerinnen gehalten und sie vorwiegend, wenn sie noch nicht Mitglied waren, als Gäste eingeladen. Das ist Tradition, das bleibt so und ist in diesem Jahr für jedes Projekt vorgesehen. Und wir haben weitgehend Verbindungen vor allen Dingen nach Osteuropa zwecks Kooperation mit den Künstlerinnen dort, auch zu Verbänden, und helfen, Künstlerverbände aufzubauen. Das spielt sich hier in Berlin ab, als Zentrale, wenn Sie so wollen. – Danke! Frau Vors. Ströver: Danke schön! – Herr Schöttle! Herr Schöttle (Atelierbeauftragter): Auf die Frage von Frau Fugmann-Hessing nach der Atelierförderung in Paris und in London: In Paris werden 1 900 Atelierwohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung gestellt, zu dort üblichen Sozialmieten. In London führt man insgesamt 800 Atelierwohnungen und Ateliers – das zum Vergleich. Auf die Frage der Zielrichtung des Atelierprogramms im Programmteil Atelierwohnungen in der Förderung durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung muss ich anmerken: 10 % können wir aus den Einkommensverhältnissen heraus erreichen. Diese 10 % haben wir natürlich in den 280 Atelierwohnungen untergebracht, das ist klar. Das ist ja auch nicht schlecht, wenn die in diese schmale Brücke zwischen Förderungen mit ihren genuin hohen Mietpreisen passen. Daran krankt ja das gesamte System des sozialen Wohnungsbaus bundesweit. Sie haben eine jährliche Einkommenshöchstgrenze von 18 000 € und eine Miete von fast 1 000 € monatlich im sozialen Wohnungsbau für eine normale Familie. Da sind die Künstler in der Systematik natürlich genauso Opfer einer insgesamt schlecht designten Wohnungsbauförderung. Natürlich mussten wir auf diese 280 Wohnungen zurückgreifen und sie für die nächsten 25 Jahre sichern. Denn wie unsicher die Kulturfonds tatsächlich sind, das sehen wir ja heute. Diese 280 Atelierwohnungen werden diesen 10 % der Nachfrager wenigstens die nächsten 25 Jahre zur Verfügung stehen. – Das Atelierbüro hat übrigens die Belegrechte dafür. Wir üben praktisch die hoheitliche Funktion durch trilaterale Verhältnisse mit Bezirk und Senatsverwaltung, den Wohnungsämtern, für die Atelierwohnungen aus, so dass es auch sichergestellt sein wird, dass diese Wohnungen – die durchaus die schönsten Wohnungen sind, die im sozialen Wohnungsbau gebaut worden sind – den Künstlern auch die nächsten 25 Jahre zur Verfügung stehen. Natürlich arbeiten wir – dies auf die Frage eines anderen Kollegen – an der systematischen Erfassung von Ateliers. Wir haben unsere selbst zu belegenden 600 Ateliers in der Datenbank erfasst – mit allen Möglichkeiten, die wir haben, auch die Nutzer zu erreichen –, und wir stehen in Verbindung mit den acht oder zehn freien Atelierhäusern, die immer wieder unsere Hilfe benötigen, wenn sie mal wieder existenziell angegriffen sind. Was sonst in Fabriketagen, Hinterhöfen und vor allem in behelfsmäßigen Flächen an Ateliers zur Verfügung steht, bleibt weitestgehend im Dunkeln und ist schwer zu erfassen. Zu dem Vorwurf, wir hätten Umsonst-Angebote von leerstehenden Wohnungen nicht berücksichtigt: Mir ist kein einziges Angebot bekannt – und ich wäre natürlich angenehm überrascht, wenn mir mal jemand eine Fläche für umsonst anbieten würde. Aber es gab Angebote aus den Plattenbaugebieten, für drei Monate Zwischennutzungszeit zu Betriebskosten Läden zu nutzen. – Dafür brauchen wir keine Atelierförderung, und dafür brauchen wir auch keine systematisierende Hand des Atelierbüros. So ein Drei-Monats-Angebot ist schlechterdings für einen Künstler – der, wie ich vorhin ausgeführt habe, ungefähr ein halbes bis ein Jahr braucht, bis er sich in seinem neuen Atelier richtig eingerichtet hat, bis er da richtig professionell arbeiten kann – lächerlich und professionell nicht nutzbar. Wir haben uns dem Thema Ateliers in den Plattenbaugebieten, weil wir auch in vielen anderen städtebaulichen Entwicklungsgebieten eng mit den Entwicklungsbeauftragten zusammenarbeiten, sehr intensiv genähert. Wir haben gemeinsam mit dem Abgeordneten Dr. Zotl in Hohenschönhausen und mit Künstlern eine Arbeitsgruppe gebildet, die vor Ort die Flächenangebote in den so genannten Dienstleistungswürfeln überprüft hat. Wir haben uns diese Angebote im Einzelnen ganz genau angeschaut und haben feststellen müssen, dass selbst in den ehemaligen Gewerbeflächen, die an sich von den Flächenaufteilungen her noch ein bisschen großzügiger sind als die einzelnen Plattenbauwohnungen, die Belichtung durch vorgelagerte Terrassen und Balkons viel zu schlecht ist, dass eine Raumhöhe von 2,80 m, wie man sie im Plattenbau durchgängig vorfindet, schlechterdings viel zu gering ist, um dort professionell Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Seite 25 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/sch – künstlerisch zu arbeiten. Wir benötigen Raumhöhen von 3,60 m aufwärts, um professionell arbeiten zu können. Die Anordnung der Plattenbauanlagen ist so, dass diese Dienstleistungswürfel immer ein Karree von Bebauung abschließen. Dadurch würde durch Freiarbeitsplätze, die zum Beispiel Bildhauer dringend benötigen, und auch durch die Arbeit indoors die anfallende Lärmbelästigung dort potenziert, und Nutzungskonflikte mit der Anwohnerschaft wären programmiert. Frau Vors. Ströver: Das ist jetzt mein Recht, das Prioritätsmikrofon zu nehmen, Herr Schöttle! Liefern Sie es bitte schriftlich nach, wenn Sie jetzt nicht ausreichend Antwort geben konnten. – Herr Mondry, möchten Sie dazu noch ergänzen? – Bitte schön! Herr Mondry (BKK Berlin e. V.): Ich hatte vorhin gesagt, die soziale Künstlerförderung war eine Verhinderung von Sozialhilfe, und dass dieses billiger ist als Sozialhilfe. Wir müssen uns vorstellen: Bei den schwankenden Einkommen der Künstler kommt es sehr häufig vor, dass sie ein halbes oder ein Jahr lang ganz fürchterlich dran sind. Und dann war immer die Möglichkeit, bei der sozialen Künstlerförderung einen Auftrag zu erhalten – für 1 500 oder 3 000 €, jetzt mal umgerechnet in €. Dann ist er aufgefangen, er kann seine Miete zahlen, es kommt der Gerichtsvollzieher nicht usw., Sie wissen das – er überlebt also, ohne in die Sozialhilfe zu gehen. Geht er in die Sozialhilfe, dann kostet das allein für ein halbes Jahr 4 000 € bis 5 000 €, und wir wissen, dass dann die Künstler überwiegend länger oder ganz in der Sozialhilfe bleiben, weil die weiteren Arbeitsmöglichkeiten dann ja nicht mehr gegeben sind. Deswegen war dieses Programm ideal und ist ein Modell überhaupt für den Umgang mit Menschen, die in eine ganz schwierige Situation absacken und sich nicht mehr allein fangen können. Noch ein Wort – das ist auch gefragt worden: Im freien Bereich, also in der freien Szene, bei den Tänzern, bei den Musikern, bei den Schauspielern, bei all denen, die nicht festangestellt sind, sondern eben diese prekären Arbeitsverhältnisse oder oftmals überhaupt nichts haben, finden wir natürlich ganz ähnliche Situationen wie in der bildenden Kunst – das noch zu diesem Punkt. Frau Vors. Ströver: Recht schönen Dank! – Damit ist die Anhörung und die Besprechung der vorgelegten Punkte bis auf den vertagten, denke ich, so weit erledigt. Ich schlage vor, dass wir einen gemeinsamen Besprechungspunkt neu aufnehmen: „Auswertung der Anhörung“ – ich bediene mich jetzt des SPDAntrags – „der Gesamtsituation der bildenden Künstlerinnen und Künstler in Berlin unter besonderer Berücksichtigung ihrer sozialen Situation“ – damit ist alles umfasst, was wir heute andiskutiert haben: Atelierfragen wie soziale Künstlerförderung – und sobald das Wortprotokoll vorliegt, dann auch unter Einschluss natürlich der Stellungnahme des Kultursenators, die Diskussion weiterführen und die Auswertung dieser Anhörung vornehmen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Angehörten für Ihre Stellungnahmen. Wie gesagt, wenn Sie noch weitere schriftliche Vorlagen nachreichen wollen, freuen wir uns darauf ebenfalls. Punkt 5 der Tagesordnung Finanzielle Planungen für eine neu zu ordnende Ufer GmbH hier: a) Besprechung gem. § 21 Abs. 5 GO Abghs (0974) (auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) in der 7. Sitzung UA Theater vom 20.1.03 (THE 21) b) Schreiben SenWissKult - K (IV B) - vom 13.1.2003 (THE 29) Haupt 1198 (Auf Vorschlag des UA THE von Haupt an den Ausschuss Kult m.d.B. um Stellungnahme weitergegeben.) Vertagt. 0098 Abgeordnetenhaus von Berlin 15. Wahlperiode Punkt 6 der Tagesordnung Verschiedenes Siehe Beschlussprotokoll. Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq Seite 26 Wortprotokoll Kult 15 / 18 17. Februar 2003 – bc/sch –