Punkt 1 der Tagesordnung - Abgeordnetenhaus von Berlin

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Wortprotokoll Kult 15 / 18
15. Wahlperiode
Plenar- und Ausschussdienst
Wortprotokoll
Ausschuss für
Kulturelle Angelegenheiten
18. Sitzung
17. Februar 2003
Beginn:
Ende:
Vorsitz:
9.38 Uhr
12.45 Uhr
Frau Abg. Ströver (Grüne)
Punkt 1 der Tagesordnung
Aktuelle Viertelstunde
Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 2 der Tagesordnung
Antrag der Fraktion der CDU
Vorlage einer Gesamtkonzeption, die den Arbeiteraufstand vom
17. Juni 1953 als herausragendes Datum des Widerstandes der
Berliner Bevölkerung gegen die SED-Diktatur angemessen berücksichtigt
- Drs 15/1069 -
0096
Siehe Inhaltsprotokoll.
Punkt 3 der Tagesordnung
Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs
Die kulturelle Aufgabe des Museums Haus am Checkpoint Charlie
(auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)
Siehe Inhaltsprotokoll.
Redakteur: Th. Böhm-Christl, Tel. 23 25 1460 bzw. quer (99407) 1460
0013
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Frau Vors. Ströver: Wir kommen zu
Punkt 4 der Tagesordnung
a) Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs
Gesamtsituation der bildenden Künstlerinnen und Künstler in Berlin
unter besonderer Berücksichtigung ihrer sozialen Situation
(auf Antrag der Fraktion der SPD)
0037
b) Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs
Situation der bildenden Kunst in Berlin
(auf Antrag der Fraktion der CDU)
0048
c) Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs
Stand und Perspektiven des Ateliersofortprogrammes
(auf Antrag der Fraktion der SPD)
0060
d) Besprechung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs
Kunst am Bau / Kunst im öffentlichen Raum
(auf Antrag der Fraktion der SPD)
0062
Wir haben uns im Vorfeld auf eine Anhörung geeinigt und haben uns vorgenommen, diesen
Tagesordnungspunkt in 1 ½ Stunden zu behandeln. – Es ist auf jeden Fall klar, dass wir den
Tagesordnungspunkt Ufer GmbH behandeln müssen. Der Hauptausschuss, Unterausschuss Theater, wartet
auf eine Stellungnahme und wird sonst das Verfahren dort nicht weiterführen können. – Frau Lange, bitte!
Frau Abg. Lange (SPD): Zur Tagesordnung bitte ich darum, den Punkt d), „Kunst am Bau“,
herunterzunehmen. Das ist ein sehr komplexes Thema – mit der Überlagerung der Senatsverwaltungen –,
dass wir denken, das sprengt den heutigen Rahmen. Wir bitten darum, Punkt d) zu vertagen.
Frau Vors. Ströver: Auf Antrag der antragstellenden Fraktion nehmen wir Tagesordnungspunkt 4 d) von
der Tagesordnung. Es bleibt bei a) bis c). – Wir haben eine Anhörung vereinbart und hatten uns verständigt,
dass je Institution nur ein Vertreter/eine Vertreterin anzuhören ist. Es wurden eingeladen: Für den BBK
Berlin e. V. Herr Mondry als Vorsitzender, er ist anwesend. – Für das Kulturwerk für den Bereich „Atelier“
der Atelierbeauftragte Herr Schöttle, ist auch anwesend. – Als nächstes sind anwesend für die GEDOKBerlin Frau Wankel, Frau Niemann, herzlich willkommen. – Für den Landesverband Berliner Galerien e. V.
ist Herr Tammen ebenfalls anwesend, guten Tag, Herr Tammen! – Für Verdi, Fachgruppe „Bildende Kunst“
ist Herr Dieter Ruckhaberle anwesend und für die Künstlerförderung bei der Investitionsbank Berlin Frau
Hendler, guten Tag!
Vorab hat die IBB dem Ausschuss am Freitag zusätzliche schriftliche vertrauliche Informationen zu dem
Bereich „soziale Künstlerförderung“ zur Verfügung gestellt. Die haben Sie alle bekommen. Ebenfalls haben
wir eine Vielzahl von Unterlagen, die Sie als Tischvorlage bekommen haben, vom BBK und vom
Atelierbeauftragten erhalten. – Zum Thema „Zukunft Künstlerförderung“ ist der Präsident des Landesamtes
für Gesundheit und Soziales, Herr Allert, und Herr Westphal als Abteilungsleiter eingeladen. Die Herren
sind anwesend. – Ich gehe davon aus, dass ein Wortprotokoll angefertigt wird. – Da gibt es keinen
Widerspruch. Ich bitte jetzt, die Fraktion der SPD zur Begründung zu Tagesordnungspunkt 4 a) und c). –
Bitte, Frau Lange!
Frau Abg. Lange (SPD): Berlin ist für bildende Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt eine attraktive
Stadt, und wir schmücken uns auch gerne mit der vielfältigen Szene. Wenn man dann aber berücksichtigt,
dass die bildende Kunst einen Anteil am Berliner Kulturetat von unter einem Prozent hat, könnte sich leicht
der Eindruck aufdrängen, dass die bildende Kunst ein Stiefkind der Berliner Kulturpolitik ist. Die bildende
Kunst hat in Berlin viele Verluste hinnehmen müssen: Die Freie Berliner Kunstausstellung wurde eingestellt.
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Ab diesem Jahr wird der Künstlerhof Buch nicht mehr gefördert und vieles andere mehr. Es gibt Studien, die
belegen, dass nur 4 % der bildenden Künstler und Künstlerinnen von ihrer Arbeit leben können. Öffentliche
Förderung fließt zum größten Teil vor allem in die Administration und den Erhalt der Institutionen. Nur ein
marginaler Teil kommt der direkten Künstlerförderung zugute, wie z. B. über Stipendien, Preise,
Atelierförderung. Hinzu kommt, dass die akademische Ausbildung der bildenden Künstlerinnen und
Künstler immer noch zu wenig auf den Markt vorbereitet.
Uns interessiert nun, herauszufinden, wie die Lebenssituation in Berlin ist. Wie ist z. B. die Ateliersituation
für die bildenden Künstlerinnen und Künstler? Gibt es genug Ateliers? Gibt es zu wenige? Kann man
Künstlerinnen und Künstlern zumuten, in Neubauwohnungen Atelier oder ihre Arbeitsräume zu betreiben?
Wo kann man durch sinnvolle Strukturveränderungen eine optimale Förderung besonders der einzelnen
Künstler erreichen? – Dieses alles würden wir heute gerne herausfinden.
Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Frau Lange! – Zum Tagesordnungspunkt 4 b) die Fraktion der CDU,
Frau Grütters, bitte!
Frau Abg. Grütters (CDU): Ich kann mich den Worten und Zahlen von Frau Lange natürlich nur
anschließen. Sie haben gesehen, dass auch wir unseren Antrag als Überbegriffsbesprechungspunkt formuliert
haben, „Situation der bildenden Kunst in Berlin“, aus den von Frau Lange dargestellten Gründen. Wir gehen
immer von ungefähr 50 000 hier in der Stadt gemeldeten Künstlern aus – aller Sparten natürlich –, aber wir
wissen, dass davon sehr viele bildende Künstler sind. Die berühmte Szene wird vor allen Dingen – das nur
als Ergänzung zu Frau Langes Ausführungen – von Galerien dargestellt, was bekanntlich kleine
Wirtschaftsunternehmen sind und nicht staatlich geförderte oder subventionierte Einrichtungen. In dem
Zusammenhang hat es mir sehr leid getan, dass wir Frau Sabrina van der Ley wieder ausgeladen haben, die
das Art Forum im Moment als Geschäftsführerin vertritt – eine Neugründung. Sie war einmal als
Anzuhörende vorgesehen, dann haben wir sie nicht eingeladen. Das Art Forum, nämlich die junge
Kunstmesse, ist immerhin ein riesiger Pluspunkt in der Szene der bildenden Kunst für Berlin – eine Initiative
einzelner Galerien und nicht landesseitig. Es hat im 7. Jahr seines Bestehens erhebliche Erfolge auch für
Berlin zu verbuchen. In dem Zusammenhang war es auch schade, dass der Regierende Bürgermeister letztes
Mal dorthin gedrängt werden musste, da er eigentlich nicht wollte.
Ganz wichtig ist Künstlerförderung auch durch das Artist in Residence-Programm des Deutschen
Akademischen Austauschdienstes, was immer mal wieder auch senatsseitig in Frage gestellt wurde,
jedenfalls der Zuschuss, den das Land Berlin an den DAAD gibt. Das sind Tendenzen, die u. E. sehr
problematisch und alarmierend sind, wenn man bedenkt, welchen erheblichen Anteil gerade die bildende
Kunst hier hat.
Ein letztes Wort zur Situation der Künstlerinnen und Künstler selbst. Da ist das Stichwort „Atelier“ ein
existenzielles Signal, weil wir wissen, dass sie ohne solche Arbeitsmöglichkeiten gar nicht ihren Beruf
ausüben könnten, diese technische oder tatsächliche Arbeitssituation aber in Berlin nur schwer herzustellen
ist. Insofern ist das Atelierprogramm keine Nebensächlichkeit, sondern in der Tat die Grundlage dafür, dass
das hier noch gedeihlich funktioniert. – Das nur zur Einleitung. Alles Weitere wird sich in der Besprechung
ergeben.
Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! – Dann bitte ich den Vorsitzenden der BBK Berlin, Herrn Mondry, um
Stellungnahme. – Bitte schön!
Herr Mondry (BBK Berlin): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Senator! Sehr geehrte
Damen und Herren! Ich danke für die Einladung. – Zunächst einen Satz zum BBK: Der Berufsverband
Bildender Künstler organisiert in seinen Reihen 2 000 Mitglieder und ist die Interessensvertretung der
Künstler in Berlin. Er finanziert sich ausschließlich aus seinen eigenen Einnahmen. Das Kulturwerk des
BBK Berlin ist eine Tochtergesellschaft. Sie wird überwiegend öffentlich gefördert. Sie ist eine
Strukturförderung für alle Berliner Künstler. Im Kulturwerk werden Künstlern Werkstätten – eine
Druckwerkstatt, eine Bildhauerwerkstatt, Atelierförderung und Kunst im öffentlichen Raum – verfügbar
gemacht. Zum Gesamtbereich „zeitgenössische bildende Kunst“: Im geförderten Bereich haben wir
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eigentlich heute nur noch die Künstlerhaus Bethanien GmbH, „Kunstwerke“, dann das Kulturwerk und die
Atelierförderung. Das sind die geförderten Teile, die für den Gesamtbereich „zeitgenössische bildende
Kunst“ existieren, mit einem Fördervolumen von 3,5 Mio €. Und über diesen Bereich sprechen wir jetzt.
Zeitgenössische bildende Kunst lässt sich aus Berlin nicht wegdenken. Neben den berühmten Kunstmuseen,
die antike und klassische Kunst vermitteln, gibt es die zeitgenössische bildende Kunst. Sie ist zu einem
Markenzeichen Berlins geworden, die übrigens genau so viele Besucher anlockt wie Kunstmuseen oder die
öffentlich geförderten staatlichen Theater. Sie ist ein Exportschlager und Anziehungspunkt für Berlin. In
Berlin arbeiten 4 000 bis 5 000 professionelle bildende Künstler.
Gerade die zeitgenössischen bildenden Kunstformen – auch die anderen zeitgenössischen bildenden
Kunstformen übrigens, wie Tanz, Theater, Musik – geben Ausstrahlung und Impulse, übrigens auch in die
Werbung, in die Mode, in den Tourismus, in Lifestyle und in die Medienindustrie. Man kann sich ihnen nicht
entziehen. Die kulturelle Produktion, auch in den bezeichneten Bereichen, ist für eine nachhaltige
Zukunftsentwicklung der Hauptstadt unverzichtbar. Das sind Ressourcen, auf die Berlin nicht verzichten
kann bzw. die es aktiv fördern muss.
Bildende Künstler sind hoch qualifiziert. Von den 2 000 Mitgliedern des Berufsverbandes haben zwei Drittel
eine abgeschlossene künstlerische akademische Ausbildung, ein weiteres Fünftel eine andere akademische
Ausbildung und 15 % Fachhochschulausbildung. Wichtigste Arbeitsschwerpunkte sind immer noch Malerei
und Grafik, rd. 40 % arbeiten auch dreidimensional und interdisziplinär. Die Anwendung neuer Medien,
meist in Verbindung mit klassischen Techniken, wird immer bedeutsamer, stößt aber auf technische Defizite.
Sehr deutlich wird das Fehlen einer Infrastruktur gerade in diesem Bereich.
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Die bildende Kunst finanziert sich zu 95 % selbst. Dennoch ist die bildende Kunst ein öffentliches Gut, das
ohne öffentliche Strukturförderung nicht existieren kann. Das wissen wir alle, und doch wird diese
öffentliche Aufgabe – Frau Lange hat es vorhin angesprochen – vergleichsweise wenig erfüllt. Das
Ungleichgewicht zwischen der Produktionsförderung zeitgenössischer Kunst und der Präsentation antiker
und klassischer Kunst in großen Häusern ist allen bekannt. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen drei
Zahlen nennen: Die Förderung in den großen Musiktheatern beträgt 150 € pro Besucher, bei den
Kunstmuseen sind es 20 €, in der bildenden Kunst ist es 1 € und 30 Cent. Wenn man diese Zahlen hört, dann
ahnt man schon, dass es vermutlich enorme Defizite geben muss. Sie wissen: Die Kunstankäufe sind
gestrichen worden und, wenn überhaupt, dann nur noch über das Lotto möglich. Die große Berliner
Kunstausstellung ist schon lange nicht mehr da, es gibt keine Kunsthalle in Berlin, Künstlerförderungen
wurden reduziert, und die für die Künstler enorm wichtige soziale Künstlerförderung beim Sozialsenat
wurde auf 25 % abgeschmolzen. Man bedenke auch, dass 75 % der Ateliers in der Vergangenheit verloren
gegangen sind, und diese Verluste konnten nicht aufgefangen werden – jedenfalls nicht vollständig, nur zu
einem kleinen Teil. Über die Atelierförderung wird Ihnen der Atelierbeauftragte nachher noch etwas sagen.
Projektförderung, Katalogförderung, Transport, internationaler Austausch – all das gibt es in Berlin
eigentlich nur noch als Wort, aber nicht mehr real. Die kommunalen Galerien werden reduziert oder
arbeitsunfähig gemacht. Es fehlen an allen Ecken und Enden Ausstellungsmöglichkeiten für die Künstler.
Das, was die Berliner Kunstmuseen in öffentlichem Auftrag für antike und klassische Kunst leisten, eine
nichtkommerzielle öffentliche Vermittlung, das fehlt für den Bereich zeitgenössischer bildender Kunst. Die
in Berlin existierenden Galerien, die sich mit höchstem Engagement und mit eigenen Mitteln der Kunst und
den Künstlern verschrieben haben und die doch verkaufsorientiert arbeiten müssen, haben eben andere
Aufgaben, nicht diese. Es gibt keine größeren Ausstellungsmöglichkeiten für Kunst aus Berlin, kein
nichtkommerzielles Ausstellungsgeflecht, keine Plattform für Künstler aus Berlin, keine ad hoc bespielbaren
Orte, keine Förderung kleiner und mittelgroßer Ausstellungsvorhaben. Hier ist null Infrastruktur, null
Bewegung und null Chance. Da hilft auch der Hauptstadtkulturfonds nicht, denn er wird zu 90 % als
Reptilienfonds für fehlende Etats der großen Häuser genutzt. Die Kunst in Berlin braucht eine
nichtkommerzielle Vermittlungsebene, und – Sie werden verstehen – das ist keine leichte Aufgabe.
Ich nenne Ihnen jetzt einmal einige Sozialdaten, aus denen Sie ersehen können, auf welch einer schmalen
und prekären Basis Künstler heute in Berlin Kunst machen: Der Durchschnitt aller Künstler hat im Monat
eine Summe von 759 € zur Verfügung, 82 % der Künstler können aber nur 606 € im Monat ausgeben. Diese
Summen fassen alles zusammen, was sie an Einkommen haben. Ob sie es aus ihrer künstlerischen Tätigkeit
oder über Nebenerwerbsquellen verdienen, das haben wir nicht gefragt, sondern wir haben gefragt: Welche
Summe habt ihr im Monat zur Verfügung? – 65 % der Künstler können nur 495 € im Monat für ihr Leben
und ihre Kunst ausgeben. 15 % der Künstlerinnen und Künstler haben überhaupt kein nennbares
Einkommen, leben von Lebenspartnern und vielleicht ihren Eltern, das wissen wir nicht. Sie wissen auch:
Künstler sind auf Nebenverdienstquellen angewiesen. Von der Kunst kann kaum jemand leben. Frau Lange
hat es gesagt: Es waren früher 4 %, die allein aus ihrer Kunst leben konnten, und heute dürfte es genau das
Gleiche sein mit einem Unterschied: Nebenerwerbsquellen in Berlin werden immer schmaler. Eine
Befragung der Künstler, die wir organisieren, hat ergeben, dass 40 % überschuldet sind. Viele Künstler, auch
junge, fallen zunehmend in die Sozialhilfe mit dem Ergebnis, dass sie aus der Berufstätigkeit tendenziell
herausfallen, denn die Sozialämter wollen ihre Ateliers und ihre berufsbedingten Ausgaben natürlich nicht
finanzieren.
Ich möchte hier noch kurz auf das Stichwort soziale Künstlerförderung eingehen, da das nachher besprochen
wird: Die soziale Künstlerförderung wurde 1950 errichtet, um Künstlern, die an sich auf Sozialhilfe
angewiesen wären, eine Stabilisierung ihrer beruflichen Situation zu ermöglichen. Das erspart
Sozialhilfekosten. Die soziale Künstlerförderung war eine kostengünstige, berufsorientierte Vermeidung der
Sozialhilfe, die darauf abzielte, Künstler in ihrem Beruf zu halten und ihnen weiterhin ihre künstlerische
Tätigkeit und damit Einkommensmöglichkeiten zu sichern. Diese Funktion hatte sie – bei allen Fehlern –
letztendlich hervorragend wahrgenommen. Was ist die soziale Künstlerförderung heute? – Wir wissen es
nicht genau. Wir wissen nur eins: Die heutige Künstlerförderung hat sich in der Tendenz von dieser Aufgabe
verabschiedet. Ich will Ihnen thesenartig einige Fragen und einige Positionen, die wir hier haben, nennen.
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Wir wissen genau, dass eine Selbstfinanzierung der Künstlerförderung allein aus der Verwertung der Werke
der Künstler ausgeschlossen ist. Wer so etwas glaubt, rechnet falsch. Eine Offenlegung der Einnahmen und
Ausgaben ist uns nicht bekannt. Das Verhältnis zwischen Verwaltungskosten und der Summe, die den
Künstlern direkt zugute kommt, ist uns nicht bekannt. Eine Wirtschaftlichkeitsrechnung bzw. eine
Umsatzerwartung ist uns nicht bekannt, es ist auch für niemanden überprüfbar. Wir möchten endlich Zahlen
sehen. Jeder weiß doch, dass auch Banken sich ständig verrechnen. Die Ziele der Künstlerförderung haben
sich unserer Auffassung nach verändert. Es stellen sich die Fragen: Wer beruft die Jury? Wie ist ihre
Zusammensetzung? Welche Interessen kommen hier zum Zuge? – Wir sehen nicht dokumentiert, dass trotz
Aufforderung die Urheberrechte der Künstler an ihren Werken tatsächlich umgesetzt werden. Das ist ein
hohes und auch ein finanzielles Risiko. Es ist uns auch nicht begreiflich, dass ausgerechnet die Vertretung
der Künstler nicht an der Gestaltung, Ausrichtung, den Verfahrensweisen und auch in der Jury beteiligt wird.
Um zu vermeiden, dass die Auftragsvergaben der Künstlerförderung ständig reduziert werden, ist es von
entscheidender Bedeutung, dass der Landesbeitrag in Höhe von 500 000 € unbedingt erhalten bleibt. Es ist
uns nicht verständlich, warum dieser Beitrag ausgerechnet von der Sozialverwaltung in Frage gestellt wird.
Hier sollte doch mit ganz geringem Aufwand Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden. Man gibt Geld gegen
Leistung. Man wendet Mittel rechtzeitig und an der Qualifikation der Menschen orientiert auf. Hier sind alle
Gedanken einer Reform der Sozialhilfe bereits verwirklicht, an der anderswo mühsam gearbeitet wird. Man
gibt hochqualifizierten Menschen die Möglichkeit, trotz zwischenzeitlicher Finanzkrisen weiterhin in ihrem
– auch für die Gesellschaft wichtigen – Beruf zu arbeiten, und vermehrt dabei den öffentlichen Reichtum.
Wem soll damit gedient sein, wenn stattdessen alle Künstlerinnen und Künstler, deren schwankende und
prekäre Einkommen ja bekannt sind, zum Sozialamt gehen, ihren Beruf aufgeben und auf alle Fälle ohne
Gegenleistung und ohne Verwertung ihrer beruflichen Qualifikation als Sozialhilfeempfänger für das Land
noch viel teurer kommen?
Frau Vors. Ströver: Herr Mondry, können Sie zum Schluss kommen? – Sie reden schon mehr als doppelt
so lang wie verabredet. Sonst kann ich Herrn Schöttle nicht mehr drannehmen, weil wir die anderen
Kollegen auch noch hören möchten, und die Diskussion soll auch noch stattfinden. Sie können gern auf
Nachfragen dann noch einmal zu Wort kommen.
Herr Mondry: Okay! Ich kürze das ab an dieser Stelle. Ich sage noch einmal: Für uns wäre es entscheidend,
von der Sozialsenatorin, Frau Knake-Werner, zu erfahren, ob sie die Summe weiterhin der
Künstlerförderung zur Verfügung stellt.
Ich fasse abschließend noch einmal kurz zusammen. Ich sehe die folgenden Aufgabenschwerpunkte:
1. Sicherung und Ausbau der Infrastruktur der zeitgenössischen bildenden Kunst, den bezahlbaren
Zugang von Künstlern zu künstlerischen Arbeitsmitteln und Werkstätten, gerade auch der neuen
Medien und Arbeitsflächen,
2. die Schaffung eines Geflechts von nichtkommerziellen Ausstellungsmöglichkeiten und
3. die Optimierung der wirtschafts- und sozialpolitischen Instrumente zur Strukturverbesserung
künstlerischer Arbeitsbedingungen.
Zu Letzterem gehört die Rekonstruktion der sozialen Künstlerförderung zu einem Instrument der
Verhinderung der teuren und für die Künstler nutzlosen Sozialhilfe. – Ich danke Ihnen!
Frau Vors. Ströver: Herzlichen Dank! – Ergänzend dazu zur konkreten Ateliersituation der
Atelierbeauftragte im Kulturwerk des BBK, Herr Schöttle! – Bitte schön!
Herr Schöttle (Atelierbeauftragter im Kulturwerk des BBK Berlin GmbH): Sehr geehrte Damen und Herren
Abgeordnete! Sehr verehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Senator! Berlin ist weltweit präsent, auch
weil es die Atelierförderung gibt. Die Nutzer sind auf der Documenta, der Art Basel, der Art Cologne und
nahezu allen wichtigen Kunstmessen und Artfairs in der ganzen Welt vertreten. Wir haben Ihnen hier eine
Dokumentation dazu vorgelegt. Das Berliner Ateliersofortprogramm ist für mich und für uns das Netzwerk
und die Qualitätssicherung im Berliner Kunstbetrieb. Das Ateliersofortprogramm ist das wesentliche
Instrument der Berliner Atelierförderung. Seit 1993 ist es nach wie vor ein gewichtiger Baustein im
Gesamtsystem und eigentlich das Rückgrat. Alle noch zur Verfügung stehenden Investitions- und
Fördermittel wie die europäischen Strukturhilfen und Programme wie Aufschwung Ost – Kultur in den
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neuen Bundesländern – brauchen Komplementär- und Ergänzungsmittel in unserer Entwicklungsarbeit als
Atelierbüro. Das Ateliersofortprogramm gleicht durch seine Kontinuität die Sprunghaftigkeit und – leider –
Unberechenbarkeit mäzenatischer und öffentlicher Investitionen aus und bildet die Grundlage einer
sinnvollen Entwicklung, weil es ein durchgängiges Raumangebot sicherstellt. Dadurch kann in der
Atelierförderung insgesamt die Nachfrage gebündelt und ein bedarfsgerechtes Angebot überhaupt erst
geplant werden. Wir gehen heute davon aus, dass fast alle Berliner Künstlerinnen und Künstler das Angebot
des Atelierbüros kennen. Im Ateliersofortprogramm allein haben bis heute 600 Künstlerinnen und Künstler
Hilfen in Anspruch genommen. Aktuell bewirtschaften wir 280 Arbeitsplätze. Für die Nutzer war und ist das
Programm nahezu die einzige Möglichkeit, in dieser Stadt kontinuierlich zu arbeiten. Für die meisten
Künstlerinnen und Künstler bedeutet schon allein ein Atelierumzug mit Suche, Baumaßnahmen und
Einrichtung für ein Jahr Lähmung der Arbeitskraft. Durch die Struktur kann die Kunstszene Berlins – eines
der großen Aushängeschilder – sinnvoll mit dem internationalen Hauptstadtnetzwerk, so über das GoetheInstitut und die Akademie, mit denen wir zusammenarbeiten, verbunden werden.
An manchen Tagen interessieren sich heute bis zu 900 Nutzerinnen und Nutzer aus aller Welt für das im
Internet verbreitete Angebot an künstlerischen Arbeitsräumen in Berlin. Die Atelierförderung – das möchte
ich betonen – ist ein Berliner Leistungsbereich, der weit mehr einbringt, als er kostet. Die dezentrale Kultur
ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Atelierbüro registriert aber heute über 2 000 Ateliergesuche, der
Bedarf ist riesengroß. Das Atelierprogramm und die Förderung von Ateliers ist keine Berliner Orchidee.
Mittlerweile ist Atelierförderung bundesweiter Standard. In Köln als Standortkonkurrenz Berlins wird die
Atelierförderung gerade mehr als verdoppelt. In Düsseldorf hält man 250 geförderte Ateliers bei
600 000 Einwohnern, in Amsterdam werden gerade 35 Millionen € in den Atelierbau investiert. Berlin als
Standort darf wenigstens in Deutschland den Anschluss nicht verlieren.
Das Ateliersofortprogramm ermöglicht Anmietungen unter dem Marktniveau. Es nimmt heute für sich in
Anspruch, im Bundes- und Europakontext die sach- und fachgerechteste Förderung von zeitgenössischer
bildender Kunst darzustellen. Das Programm ist in Bezug auf Mittelverwendung, Nachhaltigkeit und
Investitionssicherheit auf der einen Seite, in Bezug auf Transparenz, Chancengleichheit, Kriterienklarheit
und Qualität der Förderung auf der anderen Seite beispielhaft. Die konzentrierte Zusammenarbeit des
Atelierbüros – mit seiner Marktbeobachtung, gezielter Flächenakquise und seiner Arbeit – mit inhaltlich
motivierten Investoren, der gemeinnützigen Stadtentwicklungsgesellschaft GSE mit ihrem modernen
Gebäude- und Facilitymanagement und – das möchte ich auch betonen – der Senatsverwaltung mit ihrem
personellen Engagement und ihrer unbürokratischen und sachgerechten Steuerung der Mittelverwendung hat
ermöglicht, dass erstens 90 % der im Programm geführten Flächen unter dem Marktniveau angemietet und
gehalten werden können. Es ist gelungen, unter dem Leitgedanken der Private-Public-Partnership inhaltlich
interessierte und motivierte Eigentümer anzusprechen und zu binden, so dass heute mit dem gleichen
Fördermitteleinsatz dreimal so viele Künstlerarbeitsplätze gesichert werden können wie 1995. Eine
konzeptionell fundierte und betriebswirtschaftlich ausgerichtete Verhandlungs- und Investitionsstrategie
sorgt für größtmögliche Rationalität und Effizienz des Programms – hautnah am
Immobilienmarktgeschehen.
Im Programm haben wir den Anteil an administrativen Kosten auf 4,6 % zurückführen können. Immerhin 40
% der Raumkosten tragen heute die Künstlerinnen und Künstler. Auch die gefallenen Berliner Mietpreise
bedingen weiterhin die Atelierförderung. In den Innenstadtgebieten liegen die ortsüblichen Mieten für
nutzbare Gewerberäume bei dem individuellen Flächenbedarf der Künstlerinnen und Künstler immer noch
so, dass ein professionell nutzbares Atelier mindestens 600 € monatlich, in der Regel aber 800 € kostet. Eine
weitere Entwicklung der Mieten nach unten ist nicht in Aussicht. Der massive Gewerbeflächenleerstand steht
für die Künstlerinnen und Künstler leider nicht zur Verfügung. Die Finanzierungsstrukturen begünstigen
eher den Leerstand als eine preiswerte Vermietung. Leerstand kann steuerlich abgeschrieben werden, und in
den meisten Fällen werden die Bankzinsen im Leerstandsfall gestundet.
Bei einem durchschnittlichen Einkommen der Künstlerinnen und Künstler von 700 € sind maximal 5 % der
Nachfrager in der Lage, das Angebot des freien Marktes wahrzunehmen. Die von den Künstlerinnen und
Künstlern
gebrauchten
vergleichsweise
kleinteiligen
Flächenangebote
werden
vom
Gewerbeimmobilienmarkt kaum bereit gehalten. Nur unter den Bedingungen der Förderung existiert ein
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strukturell nennenswertes, dem Bedarf entsprechendes Flächenangebot. Durch die Bewirtschaftung ganzer
Gebäudeteile sind angemessene und bezahlbare Mietpreise erzielbar und werden sach- und fachgerechte
Investitionen sinnvoll. In der Förderung werden langfristige Mietverträge möglich, die auch unter den
Bedingungen der Fluktuation Mietpreisstabilität bringen.
Trotzdem: Die aktuelle Krisensituation der Infrastruktur für die bildende Kunst ist alarmierend. Ohne
zeitweilige Interventionen des Atelierbeauftragten bei existenzgefährdenden Krisen wären fast alle freien
Atelierhäuser und Zentren heute nicht mehr vorhanden oder gar nicht erst entstanden. Die beispiellosen
historischen Verwerfungen und Brüche in der Entwicklung Berlins waren und sind ohne intelligente
Investitionslenkung nicht zu bewältigen. Das gilt auch für die Kunst. Die mit der Finanzkrise verbundenen
Verwertungszwänge gefährden aktuell die Arbeitsgrundlagen der Künstlerinnen und Künstler. Die
Künstlergemeinschaft „Milchhof“ mit 45 Ateliers muss bis Juni einer Schulerweiterung weichen.
Ersatzflächen sind nicht da. Die Künstlergemeinschaft „Schwarzenberg“ mit 20 Ateliers in der Rosenthaler
Straße verliert wohl ihre Heimat in nächster Zeit durch Zwangsversteigerung. Die insolventen Bezirke
erhöhen den Kostendruck auf das Künstlerhaus Bethanien, die Druckwerkstatt, die Bildhauerwerkstatt, und
gefährden deren Existenz. Weitere Einrichtungen und Atelierhäuser werden durch den Liegenschaftsfonds
veräußert
wie
z.
B.
das
Atelierhaus
Axel-Springer-Straße, das Atelierhaus Wiesenstraße und der Künstlerhof Buch. Mit der
Wohnungsbauförderung ist auch das Neuangebot von 15 bis 20 sozial geförderten Atelierwohnungen im Jahr
weggebrochen. Bis 2005 werden alle noch im Bau befindlichen Wohnungen vermittelt sein. Es sind
vielleicht 10 oder 15.
Künstlerateliers brauchen die Infrastruktur der Innenstadtgebiete, und die Innenstadtgebiete brauchen die
Künstlerinnen und Künstler. Diese leben in einer Wechselwirkung mit dem Stadtteil- und
Quartiersgeschehen. Die kulturelle Belebung durch den Kunstbetrieb braucht insgesamt aber intakte
Infrastruktur als Voraussetzung. Der Kunstinteressierte, der Sammler, sieht nicht nur die Kunst allein,
sondern will auch ein insgesamt attraktives Umfeld, das im Kunstbetrieb wiederum Nahrung findet. Aber
gerade in diesen Quartieren hält der Markt wegen des Preisgefüges die Infrastruktur für die Kunst aus sich
heraus nicht bereit. Hier sind intelligent eingesetzte Strukturhilfen unersetzlich. Mit diesen Zentren als Basis
kann durch Infrastrukturinvestition für andere Gebiete, städtische Entwicklungsgebiete, vor allem bei der
Industriebrachenkonversion mit relativ geringen Mitteln ein sinnvoller Beitrag zur Stadtentwicklung geleistet
werden. Hier sind die Künstlerinnen und Künstler als Standortkatalysatoren gefragt.
Nun zu den etwas traurigen Perspektiven: Heute steht – wir haben es erst kurz vor der Endredaktion der
Aufstellung des Nachtragshaushalts 2003 erfahren, 2 Tage vor Toresschluss sozusagen – eine Kürzung des
Ateliersofortprogramms um 100 000 € im Raum. Leider ist diese Entscheidung weder sachgerecht noch
haushaltsrechtlich haltbar. Sie ist insgesamt existenzgefährdend für das ganze Programm, wenn sie so im
Raum stehen bleibt, wie sie im Moment formuliert ist. Sie trifft die Atelierförderung mit insgesamt 600
Künstlerinnen und Künstlern – nicht nur die 280 im Ateliersofortprogramm werden durch uns betreut,
sondern darüber hinaus, also über 600 Künstlerinnen und Künstler. Sie wird am Lebensnerv getroffen. Die
Bewirtschaftung des Programms muss jährlich Mittel für Rückbaumaßnahmen bei Auszügen und andere
betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten vorhalten. Auch für die effektivierende Bewirtschaftung, das Beenden von relativ teuren Anmietungen zugunsten preiswerterer Angebote und Umsetzung der Künstlerinnen
und Künstler, sind Dispositionsmittel notwendig. Die jetzt plötzlich über uns hereinbrechende Kürzung ist
zudem dreimal so hoch wie die hierfür notwendigen Summen. Es müssen also obendrein Künstlerinnen und
Künstler aus ihren Ateliers geworfen werden, was auf Grund der Vertragssituation im Einzelnen für 2003
aber nur 10 000 € Einsparungseffekt erbringt. Die Kürzung heißt also für die Servicegesellschaft GSE, dass
sie dieses Jahr ihre Verpflichtungen gegenüber Vertragspartnern nicht erfüllen kann. Es ist eine Kette der
Vertragsbrüche dadurch angelegt. Der Senat bricht seine Vereinbarungen durch diese Titelkürzungen, und
die Servicegesellschaft muss ihre Verträge brechen. Das ist haushaltsrechtlich ein illegaler Vorgang. Auch
Mieterhöhungen gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern sind wegen der Zweijahresverträge kurzfristig
nicht umsetzbar – abgesehen davon, dass die gegenwärtigen Mieten im Programm mit 250 bis 300 €
monatlich für die meisten Nutzerinnen und Nutzer schon äußerst grenzwertig sind. Auszüge und mangelnde
Vermietbarkeit wären die Folge. Insofern ist die Servicegesellschaft aktuell insolvenzbedroht. Dadurch sind
alle 280 geförderten Ateliers im Sofortprogramm in Gefahr. Die nicht abgestimmte Titelabsenkung bedeutet
einen Vertragsbruch zwischen Senat und Servicegesellschaft und ist haushaltsrechtlich so nicht haltbar.
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Bitte, sehr verehrte Abgeordnete, helfen Sie uns, diese krasse Fehlentscheidung abzuwenden! – Danke
schön!
Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Schöttle! – Es ist eine schwere Situation für eine Vorsitzende, aber
in Ihrem eigenen Interesse an der Debatte bitte ich Sie noch einmal herzlich, sich an die vorgegebene Zeit zu
halten und nicht zu verdoppeln oder mehr als zu verdoppeln. Wir haben sonst keine Zeit mehr, und ich muss
spätestens um 12.15 Uhr den letzten Tagesordnungspunkt aufrufen. Wir stehen da in der Pflicht gegenüber
dem Hauptausschuss. – Für die GEDOK Berlin, Frau Niemann, bitte!
Frau Niemann (GEDOK e.V.): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! Liebe Mitglieder des Ausschusses für
Kulturelle Angelegenheiten! Sehr verehrter Herr Senator! Anknüpfend an die beiden vorangestellten
Beiträge lassen sich auch für die Künstlerinnen Angaben über ihre soziale Lage auf Grund der Daten der
Künstlersozialkasse machen. Wir beziehen uns hier auf einen Stand von Februar 2002, d. h. es werden nur
diejenigen erfasst, deren Einkommen jährlich den Mindestsatz von 6 000 € übersteigt. Wir müssen in Berlin
also mit Hunderten von Künstlerinnen rechnen, deren Einkommen aus ihrer künstlerischen Arbeit geringer
ist, ohne dass sie als nichtprofessionell bezeichnet werden dürften.
Rund 45 % der bei der KSK im Bereich bildende Kunst Versicherten in Berlin sind weiblich. Zu Beginn des
Jahres 2002 waren das 2 748 Künstlerinnen. In den Altersgruppen bis 40 überwiegen Frauen deutlich. Bei
den 40- bis 50-jährigen sind es nur zwei Drittel der Zahl der Künstler, bei den 50- bis 60-jährigen etwa die
Hälfte, danach kaum ein Drittel. Die zahlenmäßige Entwicklung ist also positiv. Dem entspricht die Situation
bei der Höhe der Einkommen aber nicht. Hier kommen die Frauen in allen Altersgruppen nicht auf das
Einkommen der Männer – das ja auch nicht gerade überwältigend ist –, so dass ein Minus von 20 % an die
Grenze des Existenzminimums führen muss. Das vom BBK genannte Nettoeinkommen von monatlich 650
bis 700 € wird also von den Künstlerinnen nicht erreicht, das Niveau der Sozialhilfe ohnehin nicht. Wir
möchten auch an dieser Stelle noch einmal auf die soziale Künstlerinnenförderung der Senatsverwaltung für
Gesundheit und Soziales aufmerksam machen, wie unsere Vorredner auch schon.
Es fällt schwer, unter diesen Umständen darin einen Erfolg zu sehen, dass Künstlerinnen in Berlin nicht nur
ca. 70 %, wie noch vor vier Jahren, sondern inzwischen 80 % des Einkommens ihrer männlichen Kollegen
erreichen, und doch ist diese Tatsache für diejenigen, die sich wie die GEDOK der Förderung von
Künstlerinnen verschrieben haben, ein Lichtblick.
Positiv ist auch die Lage im Bereich der von der Senatsverwaltung für Kultur vergebenen Stipendien. Hier
hat die Sensibilisierung der Verantwortlichen durch die Existenz des Künstlerinnenprogramms – ich hoffe,
allseits bekannt – in den letzten 10 Jahren offenbar so große Fortschritte gemacht, dass von gleichen
Chancen die Rede sein kann. Dass die Anzahl der Frauen in den Auswahlgremien im gleichen Zeitraum
erheblich zunahm, hat diese Entwicklung sicherlich befördert. Wenn bei über 500 Anträgen aber nur 20
Stipendien im Jahr vergeben werden können, sind die Auswirkungen auf die allgemeine soziale Situation der
Künstler und Künstlerinnen natürlich kaum der Rede wert. Ausstellungshonorare in angemessener Höhe
hätten da schon ein anderes Gewicht. Es ist sowieso nicht einzusehen, warum Kunstmanager öffentlicher
Kulturprojekte honoriert werden, die Kunstschaffenden aber nicht.
Angesichts der schwierigen ökonomischen Bedingungen für die bildenden Künste ist es erstaunlich und
erfreulich zugleich, wie viel Anziehungskraft dennoch die Kunstszene Berlin für Künstlerinnen aus ganz
Deutschland und der ganzen Welt hat. An beiden Kunsthochschulen stellen die Frauen 50 % oder mehr der
Studierenden. Bei den Lehrenden sieht es allerdings weniger gut aus: Die letzten Zahlen von 1998 weisen
20,7 % an der Universität der Künste und 22,5 % an der Kunsthochschule Weißensee auf. Dass die Berliner
Hochschulen insgesamt in diesem Punkt besser dastehen als andere Bundesländer, haben diverse
Fördermaßnahmen doch bewirken können. Freilich bräuchte es bei dem jetzigen Tempo der Entwicklung
immer noch 25 Jahre, ehe die Studierenden der Berliner Kunsthochschulen unter den Lehrenden die
angemessene Zahl von Frauen finden würden.
Künstlerinnen spielen im Kunstbetrieb Berlins eine wesentlich größere Rolle als noch vor 10 Jahren. Mit
Hilfe des Künstlerinnenprogramms der Senatsverwaltung, durch das Engagement verschiedener Initiativen
wie
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z. B. Das verborgene Museum, Verein der Berliner Künstlerinnen, die GEDOK, Goldrausch, Inselgalerie
und FFBIZ haben Projekte mit Kunst von Frauen Öffentlichkeit und Anerkennung gefunden. Ich erinnere
auch an unsere Ausstellung im letzten August, die uns sehr viel Freude gemacht hat. Zahlreiche
Kulturinstitutionen wie z. B. die Kunst- und Kulturämter der Bezirke stellen ihrerseits häufiger die Werke
von Künstlerinnen aus. Diese Ausstellungsprojekte werden oft von der GEDOK initiiert und finanziell
unterstützt, was den Künstlerinnen nicht selten zur Beteiligung an Folgeprojekten verhilft. Inwieweit Frauen
auch von den kommerziellen Galerien vertreten werden, wäre zu untersuchen. Dazu liegen uns keine Zahlen
vor.
Es hängt jetzt alles davon ab, dass dieser für die Künstlerinnen positive Trend nicht unterbrochen wird und
dass die Förderung weitergeht, um das Erreichte zu stabilisieren und auszubauen. Nur dann waren die
öffentlichen Gelder – das hatten wir heute schon einmal auf der Tagesordnung – in der Vergangenheit
sinnvoll angelegt.
Fast unberührt von dieser Entwicklung zeigen sich die Ausstellungsprogramme der großen staatlichen
Häuser in dieser Stadt. Rebecca Horn, Jenny Holzer, VALIE EXPORT sind darin seltene Ausnahmen. Dass
im Jahr 2000 ein Großprojekt an fünf prominenten Ausstellungsorten zur Kunst des 20. Jahrhunderts
vorgestellt wurde, bei dem die Künstlerinnen nicht mehr als 10 % der Exponate beitragen konnten, hätte
einen Skandal hervorrufen müssen. Aber selbst die Betroffenen hielten sich an den coolen Zeitgeist und
protestierten nicht gegen diesen Missbrauch von öffentlichen Geldern.
Die Künstlerinnen brauchen hier die Unterstützung der Politiker und Politikerinnen, Ihre Unterstützung also.
Wenn die Kulturinstitutionen in unserem Land auch frei von staatlicher Gängelung sein sollten, so haben sie
doch die Gesetze zu beachten – in diesem Fall das Grundgesetz Artikel 3 –, sonst muss die Politik mit
geeigneten Mitteln nachhelfen. Dazu ist sie seit der Neufassung dieses Artikels Mitte der 90er Jahre
verpflichtet. Die Künstlerinnen in Berlin vertrauen darauf. An dieser Stelle kostet politisches Handeln nicht
einmal zusätzliches Geld, es muss nur anders und gerechter eingesetzt werden. – Vielen Dank!
Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Frau Niemann! – Jetzt möchte ich dem Vorsitzenden der Fachgruppe
bildende Kunst von Verdi, Herrn Ruckhaberle, das Wort geben. – Bitte schön!
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Herr Ruckhaberle (Landesfachgruppe Bildende Kunst, Verdi): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! Herr
Senator! Meine Damen und Herren! Liebe Mitarbeiter der Fraktionen! – Wir betrachten mehr die langen
Linien und schließen uns im Wesentlichen dem Berufsverband Bildender Künstler an. Da Sie alle aber auch
auf Grund der mangelnden Gelder in Berlin genug gefrustet sind, will ich einmal vier Punkte an den Anfang
setzen, wo es positiv vorangeht
Erstens: Die gesetzliche Regelung für Ausstellungshonorare ist auf der Bundesebene vorangekommen. Es
gibt noch einen Nachschlag, eine Novelle, die in der Koalitionsvereinbarung der derzeitigen Regierung steht.
Weiterhin ist es so, dass die Künstler ein Ausstellungshonorar bekommen sollten. Da das in der
Öffentlichkeit noch sehr auf Kritik stößt, will ich hier kurz etwas dazu sagen: Die Bezirke wie die
Zentralverwaltungen sträuben sich noch, dies in ihre Haushalte einzustellen. Sie sollten aber im Interesse der
Landeskinder an dieser Stelle einmal Geld für bildende Künstlerinnen und Künstler, gebunden an
Ausstellungshonorare, ausgeben. Die Musiker bekommen Geld, Theaterleute bekommen Geld, die bildende
Kunst hat überhaupt keine Einkommensmöglichkeit aus der Tatsache, dass Ausstellungen gemacht werden.
Das gesetzliche Ausstellungshonorar – ausgenommen sind die Galerien, aber die staatlichen Einrichtungen
sind gefragt – müsste jetzt langsam in die Etats eingestellt werden, damit das Geld an die Künstler gelangen
kann, soweit sie Ausstellungen haben. Die Verbände müssen sich untereinander noch über den richtigen Satz
verständigen. Es gibt noch keine direkte Einigung, aber das Grundprinzip ist erst einmal vorhanden.
Zweitens: Eine wichtige Sicherung, die wir auch sehr positiv empfinden, ist die Grundsicherung im
Rentensystem. Künstler über 65 Jahre – soweit sie Sozialhilfeempfänger wären – kommen in die
Grundsicherung und können nun mit dem Sozialamt bzw. mit der neuen Behörde, dem Grundsicherungsamt,
ihr Einkommen als Künstler in Rente klären und müssen nicht immer zum Sozialamt gehen – was sie
sowieso ungern tun. Sie haben alle eine gewisse Berufsehre, auch wenn sie über 65 sind – Sie sehen, wie viel
Geld unterwegs ist, nämlich fast nichts –, und möchten nicht mehr in den Sozialämtern herumsitzen müssen.
Aber der Punkt ist: Hier muss für Künstler noch etwas nachgearbeitet werden, denn oft haben die Künstler
einen relativ großen Besitz an Kunstwerken, die sie nicht verkaufen können, die aber vom Sozialamt
irgendwie angerechnet werden. D. h. hier muss eine Regelung getroffen werden, dass entweder eine zentrale
Nachlassverwaltung oder etwas Ähnliches eingerichtet wird. Jedenfalls kann es nicht sein, dass sie aus dieser
Hilfe, die im hohen Alter genehmigt wird, wieder herausfallen, weil sie noch auf ihren eigenen Kunstwerken
sitzen, die sie auf dem Markt nicht mehr loswerden.
Das dritte Positive – daran haben Verdi und auch der Berufsverband mitgearbeitet: Die 7 % Mehrwertsteuer
im kulturellen Bereich sind Gott sei Dank aus den Senkungsmaßnahmen herausgefallen, so dass sie im
Kulturbereich nach wie vor gelten.
Viertens ist ein positiver Punkt die dezentrale Kulturarbeit. Dass diese auch von Ihnen hier so verteidigt
wird, begrüßen wir, wobei wir uns wünschen, dass für Strukturmaßnahmen auf Bezirksebene das Geld
ebenfalls ausgegeben werden kann, nicht nur für Projektförderung. Wenn es für die Künstler gut ist, sollte
auch eine Strukturmaßnahme, die direkt den Künstlern zugute kommt, über diese Mittel gefördert werden
können, nicht immer nur einzelne Projekte. Wenn also eine Langfristigkeit hier möglich wäre, würden wir
das sehr begrüßen.
Ich wollte zunächst etwas Tröstliches für Sie sagen, was alles positiv ist, bei Ihrer Frustration, die Sie
sicherlich auch haben. Die negative Liste ist sehr viel länger, und dazu kann ich mich erst einmal dem
Berufsverband anschließen. Ich möchte es nicht sehr vertiefen, aber die soziale Lage der bildenden
Künstlerinnen und Künstler in Berlin war noch nie so schlecht wie heute. Das sollte man einfach einmal zur
Kenntnis nehmen. Ich fasse mich kurz, die Zahlen sind auf dem Tisch. Aber bedenken Sie auch: Jetzt – in
Kriegsvorbereitungszeiten – kaufen die Leute ohnedies kaum Kunst. Aber wenn der Krieg tatsächlich
kommen würde – was wir sehr bedauern würden –, dann sieht es für die bildende Kunst ganz furchtbar aus.
Ich kann nur appellieren, dass man bis ganz nach oben – wenn der G 8-Gipfel demnächst stattfindet – Mittel
einstellt – wenn die Etats ohnedies gesprengt werden müssen –, so dass auch die bildende Kunst daran
partizipieren kann. Wie Sie das machen, weiß ich im Moment noch nicht. Also die soziale Lage ist so
schlecht wie seit Jahrzehnten nicht.
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Sie wird noch schlechter, weil in dem Moment, in dem das Hartz-Konzept funktioniert, die Arbeitslosen
gezwungen werden, Jobs anzunehmen, in denen oft bildende Künstler sitzen. Die meisten von ihnen müssen
aus Nebentätigkeiten leben. Indem nun die Arbeitslosen dort hineingedrängt werden, entfällt ihr eigener Weg
auf diesem Grat. Die anderen verdrängen sie aus diesem Bereich.
„Kunst am Bau“ steht nächstes Mal auf der Tagesordnung, aber da das zur Kulturverwaltung gegangen ist,
möchte ich noch einen kleinen Satz dazu sagen: Die Demokratisierung, die wir in den 70er Jahren – glaube
ich – durchgesetzt haben, ist noch in der Bauverwaltung abgebaut worden, und wir bitten dringend, eine
transparente Lösung nach dem Delegationsprinzip und möglichst so wie die alte Lösung für Kunst im
öffentlichen Raum wiederherzustellen. Ich sage an dieser Stelle noch: Es gab einen nicht geldgebundenen
und nicht notwendigerweise vollzogenen Abbau von demokratischen Rechten. Die Kulturverwaltung beruft
Beiräte – vielleicht wird es bald wieder so sein –, ohne dass das Delegationsprinzip der Verbände eine Rolle
spielt. Diese brauchen nicht das Übergewicht, aber sie müssen mit Delegationen am Tisch sitzen, wo sie
dann auch wieder berichten müssen, was sie machen, um zu erreichen, dass Informationen über die soziale
Situation dorthin gelangen. Der Pluralismus ist im Zuge des Umzugs – und was weiß ich, was alles –
weitgehend abgebaut, und die Kulturverwaltung beruft selbst. Das bedeutet natürlich immer Eingriffe von
Staats wegen. Wir wollen ein transparentes System durch das Delegationsprinzip.
Ein weiterer Punkt, an dem Sie auch beitragen können, ist die Medienpräsenz. Die bildende Kunst ist aus den
Zeitungen fast völlig verschwunden. Ich erinnere mich sehr genau: Früher gab es auch Berichte über
Galerien im „Tagesspiegel“, in der „Berliner Zeitung“ usw. In den Boulevardblättern gab es sie sowieso
nicht, aber in den kulturell anspruchsvolleren Gazetten wird über Galerien, über Ausstellungen von einzelnen
Künstlern und so etwas praktisch nicht mehr berichtet, sondern über große Dinge, Ereignisse, Events. Früher
gab es das, und es ist keine Not und kostet auch nicht sehr viel mehr Geld, wenn die Kritiker wieder in die
Galerien gehen und darüber berichten würden.
SFB und die Fusion Berlin-Brandenburg: Auch in der Vergangenheit gab es in der „Abendschau“ so gut wie
keinen Kunstbericht. Wenn mal eine Kuh vom Dach fällt, dann ja, aber unter normalen Bedingungen gibt es
keine Berichterstattung über die Galerien, über das, was im kulturellen Bereich stattfindet. Selbst im dritten
Programm gibt es so gut wie keine Berichterstattung über bildende Kunst. Der offene Kanal: Das kostet Sie
nicht viel Geld, aber vielleicht könnte man an den Regeln etwas ändern, das muss vielleicht von unten
kommen. Auch im offenen Kanal haben Sie es so geregelt, dass dort kein Geld verdient werden darf von
außen. Vielleicht muss man einen Weg finden, wie das verbessert werden kann. Das wäre noch eine
Möglichkeit, wenn alle anderen Kanäle für die bildende Kunst verstopft sind.
Förderung der bildenden Kunst bedeutet, dass man eine Transparenz der Strukturen herstellt. Es müssen
dringend wieder die Offenheit, die Durchlässigkeit und das Delegationsprinzip hergestellt werden – nicht
dass der Staat immer beruft und dann zufrieden ist, wenn ihm die Leute positiv sagen, was sie alles haben
wollen, sondern in die Gremien muss auch die Kritik hinein und die Möglichkeit, aus der Struktur der
tatsächlich Produzierenden dann einen Vorschlag zu machen.
Dann schließen wir uns dem BBK an: Die Abschaffung der FBK war ein elementarer Fehler und gibt den
Berliner Künstlern gar keine Chance mehr, sich außerhalb des Systems zu präsentieren. Das ist ein schwerer
Verlust. Das muss wiederhergestellt werden. Wie Sie das finanzieren, müssen Sie selber noch einmal
überlegen. Wir können vielleicht einen Vorschlag machen.
Dann will ich noch etwas zur PISA-Studie sagen. In der PISA-Studie – so wichtig es ist, dass die Leute alle
lesen, schreiben und rechnen können – sind keine kulturellen Werte verankert. Was wir zurzeit haben, ist
eine Pseudokultur. Nach Kreuzworträtselmanier wird in den öffentlichen Rundfunkanstalten mal ein
künstlerischer Name abgefragt, aber die wirkliche, tiefe kulturelle Bildung verschwindet aus unserem
Bildungswesen, wenn Sie nicht darauf achten – auch durch die Dominanz der PISA-Studie, die keinesfalls
nachgefragt hat, ob die jungen Menschen, die in Zukunft die Gesellschaft tragen sollen, noch an Kulturellem
interessiert sind und vielleicht noch ein tieferes Wissen über Kultur haben als das, was in Kreuzworträtseln
abgefragt wird. Wichtig ist selbstverständlich auch, dass die Kultur nicht nur unter kommerziellen Aspekten
gesehen wird, sondern Kultur und Kunst haben einen eigenen Wert und gehören zur menschlichen Existenz.
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Man muss darauf achten, dass man nicht alles nur unter kommerziellen Aspekten betrachtet, sondern sich für
Kunst und Kultur wirklich öffnet. – Jetzt muss ich verschiedene Punkte kürzen.
Frau Vors. Ströver: Herr Ruckhaberle! Sie haben jetzt die Zeit erheblich überschritten. Es tut mir sehr Leid,
Sie zu unterbrechen, aber wir haben sonst keine Chance, noch über das Angehörte zu reden. Das kann nicht
in Ihrem Interesse sein. Wir wollen ja miteinander kommunizieren. Es ist auch unfair gegenüber den
Nächsten, weil die dann die Zeit nicht mehr haben. Wenn Nachfragen kommen, können Sie noch einmal
dazu Stellung nehmen. Okay? – [Herr Ruckhaberle: Ja!] – Danke schön! – Ich möchte jetzt Herrn Tammen
das Wort geben. – Bitte schön!
Herr Tammen (Landesverband Berliner Galerien e. V.): Danke schön! – Es wird sicherlich ein bisschen
kürzer. – Unsere Rolle als Galeristen in der Stadt wurde vorhin schon als sicherlich eine besondere
beschrieben, da wir quasi mit eigenem Geld und eigenem kräftigen Engagement dafür sorgen müssen, dass
Kunst und Künstler Verbreitung finden. Unser Verband – unter einem neuen Vorstand – hat
interessanterweise gerade eine eigene Umfrage auf den Weg gebracht. Das resultierte aus einem ersten
Gespräch, das wir vor zwei Monaten mit dem Kultursenator geführt haben, um auch dort Bewegung
hineinzubringen. Wir machen eine Umfrage zum Wirtschafts- und Kulturfaktor Berliner Galerien in dieser
Stadt. Interessant ist, dass wir den Fragebogen nach Prüfung standesrechtlicher Voraussetzungen an
insgesamt 350 Galerien in dieser Stadt versandt haben. Diese Zahl bedeutet: Berlin ist europaweit von der
Zahl
her
der
größte
Galerienstandort
überhaupt. Ich glaube, man muss sich Gedanken machen, ob man das gut findet. Vom Grundsatz her finden
wir das gut, und es belegt auch die Nachhaltigkeit vergangener Politik. Aber – die Vorredner haben darauf
hingewiesen – nicht nur die soziale Situation der Künstler, sondern in der Tendenz auch die der Galerien ist
sicherlich gefährdet. Es wird durch bestimmte öffentliche Politik wie Kürzung der Ankaufsmittel, wie
bestimmte Entscheidungen im Lottobeirat auch nicht vereinfacht, selbst wenn wir die Spitzen in Berlin mit
großen internationalen Erfolgen von Kollegen auf Messen und in großen Ausstellungen wahrnehmen und auf
die Entwicklung des Galerienstandorts Mitte hinweisen. Das hat maßgeblich mit der Aktivität von Kreativen
und damit auch von Galerien zu tun und entwickelt eine Nachhaltigkeit mit weiteren Engagements
wirtschaftlicher Gruppen, Medien, Kneipen, Restaurants etc. Aber das wirft nur ein kleines Schlaglicht auf
die Möglichkeiten kultureller Tätigkeit u. a. auch von Galerien. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir
das sichern und schützen können.
Unsere Initiativen gehen dahin, auch im Gespräch mit dem Kultursenat und dem Wirtschaftssenat Initiativen
zu entwickeln, die darauf reflektieren – das glauben wir auf Grund unserer Umfrage schon sagen zu
können –, dass der Großteil des Umsatzes mit Personen außerhalb Berlins erzielt wird. D. h. wir sind
vielfältig auf Messen u. a. aktiv, aber wir ziehen auch durch unsere Initiativen viele Leute in die Stadt und
erwirtschaften damit ein hohes Maß an Geld, das in der Stadt als Tourismusfaktor bleibt. Unsere
maßgebliche Forderung an den Senat – und dafür sind die Gespräche – ist, sich konzeptionell Gedanken
darüber zu machen, wie man diesen Faktor verstärken kann. Unser Ziel ist, in das Thema internationale
Messeförderung einzusteigen, das wir für wesentlich halten. Das ist auch kein Subventionsgeschrei, sondern
eine Milchmädchenrechnung, weil wir nach unseren Erfahrungen immer wieder Kunden mit in die Stadt
bringen und das über Steueraufkommen leicht rückerwirtschaften. Wir können und müssen aber das Image
verstärken, das Berlin weltweit hat und das substantiell erhalten bleiben muss.
Ich glaube, die Situation von Künstlern ist am besten auch dadurch zu verbessern und zu gewährleisten, dass
viele Galerien die Möglichkeiten haben, überhaupt ihr Programm zu fahren, sprich immer mindestens zehn,
fünfzehn Künstler z. B. im Programm zu haben und kontinuierlich zu betreuen. Es ist logischerweise auch im
Interesse der Interessenverbände, diese Tendenzen zu unterstützen.
Soweit zu diesem Fakt. Evtl. kann ich später noch auf das Thema eingehen – das möchte ich zeitlich nicht
verkürzen, weil ich es für relativ wichtig halte –: Wie sind die Perspektiven für die soziale
Künstlerförderung? – Vom Grundsatz her sind wir als Verband in sehr positive Gespräche mit der IBB
eingetreten. Das Problem ist nicht unkompliziert, aber wenn wir alle an dem Ziel festhalten, die
Künstlerförderung zu stützen und zu erhalten, dann muss man sich auch darüber sehr konkret und
phantasievoll Gedanken machen. In diesem Sinn möchte ich bitten, dass Frau Hendler das Wort ergreift und
wir direkt in dieses Thema einsteigen, weil da sehr viel eher Klärungsbedarf ist. – Danke!
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Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Tammen! – Bitte schön, Frau Hendler!
Frau Hendler (Direktorin der sozialen Künstlerförderung in der Investitionsbank): Vielen Dank für die
Möglichkeit, dass ich hier ein paar Worte zur Künstlerförderung sagen darf! – Ich möchte kurz auf die
Historie einschwenken. Ernst Reuter, der legendäre Oberbürgermeister, gründete vor 52 Jahren die
Künstlerförderung in Berlin. Damals hieß sie nicht „soziale Künstlerförderung“, sondern „Künstlernothilfe“.
Mit ihrem Start – das ist sehr wichtig, und das sollten wir uns alle merken – wurde der Grundstock für eine
einzigartige Artothek in dieser Stadt gelegt, eine Artothek, die in diesen 52 Jahren auf 14 000 Exponate
zeitgenössischer Kunst angewachsen ist. Daher gibt es nicht nur Rechte, sondern auch gewisse Pflichten aus
der Vergangenheit heraus, diese Artothek für diese Region zu erhalten.
Was war damals der Grund? – Zeitgenössische Berliner Künstler mit einer abgeschlossenen Ausbildung und
einem bestimmten minimalen Einkommen – daher ist es auch im Landesamt für Gesundheit und Soziales
angesiedelt – erhielten einen Werkvertrag zur Erstellung eines Exponates, der Künstler erhielt nach der
Fertigstellung Geld, nämlich die Förderung, und das Exponat wanderte in die Artothek oder per Leihvertrag
in öffentliche Räume zur Ansicht.
Fakten heute, Fakten im Jahr 2000: Mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales ist die IBB einen
Geschäftspartnerbesorgungsvertrag eingegangen, der eine Laufzeit vom 1. 1. 2000 bis zum 31. 12. 2003 hat.
D. h. in diesem Jahr wäre der Vertrag so – mit den Fördergeldern, die in die Künstlerförderung
hineingekommen sind – abgelaufen. Das Land gab 512 000 € Fördergelder hinein, die IBB 205 000 €, und
die IBB hat noch weitere 155 000 € Betriebskosten vorfinanziert. Die Mitarbeitergestellung kam vom Land
und von der IBB. Die Übernahme der Artothek mit 14 000 Exponaten durch die IBB stand zur Vermarktung
an – Vermarktung heißt Vermietung und Verkauf –, so dass die Künstlerförderung sich auch teilweise
selbständig ernähren kann, denn diese Ergebnisse und die Gelder daraus fließen in die Künstlerförderung
zurück, da die IBB nicht gewinnorientiert arbeitet. Die Künstlerförderung wird eine Abteilung der IBB und
partizipiert kostenlos an allen Dienstleistungen der IBB, die man sonst, wenn sie allein stünde, draußen teuer
einkaufen
müsste.
Zu den Fakten der Gegenwart: Die darstellende Kunst wurde 2002 eingestellt, die Fördergelder wurden vom
Land um 24 % und 2003 um 29 % reduziert. Bis heute hat die IBB ihre Fördergelder noch nicht reduziert.
Wie es ab 2004 aussehen wird, wenn die Fördergelder komplett versagen, müssten wir uns noch überlegen.
Einnahmen aus der Vermarktung haben wir im Jahr 2002 – nur aus Vermietung, verkauft wurde noch nicht –
65 000 €.
Die Ergebnisse, die wir bisher auf die Beine stellen konnten: Wir haben festgestellt, dass sehr bekannte
Künstler wie Baselitz, Grützke, Koeppel, Lüpertz und Schönebeck durch die Künstlerförderung gegangen
sind. Von diesen Künstlern sind reichlich Exponate in der Künstlerförderung, nicht mehr alle in der
Artothek, aber das wird durch eine Inventur, die wir vorhaben, noch festgestellt werden. Wir haben 150
Exponate bekannter Künstler, die durch die Künstlerförderung gegangen sind, im Tresor der IBB eingelagert
– zur Risikovorsorge, weil die Depots in der Gustav-Meyer-Allee, wo die Künstlerförderung angesiedelt ist,
mit der Brechstange zu öffnen sind und man abends oder nachts die Kunstwerke rausholen kann.
Die Verkürzung und Optimierung von Arbeitsabläufen musste durchgeführt werden, um dort auch
Mitarbeiter einzusparen, die dann in den Ruhestand gegangen sind. Die Förderung der bildenden Künstler
belief sich dann im Jahr 2002 auf weitere 350 000 €.
Wir haben vor, mit einigen Institutionen dieser Stadt die Freie Berliner Kunstausstellung in diesem Jahr
wieder zum Leben zu erwecken, weil wir alle zwei Jahre eine Werkschau für 30 Künstler mit 70 Exponaten
durchgeführt haben, die auch Geld gekostet hat. Dieses Geld wollen wir gemeinsam mit den anderen
Institutionen in die Freie Berliner Kunstausstellung stecken. Dazu sind wir schon in Verhandlungen mit
etlichen Institutionen.
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Wir haben vor, die Fortführung und den Erhalt der Artothek durch gezielte Vermarktung voranzutreiben und
die Künstlerförderung in eine weitgehende Selbständigkeit zu führen. Das kann gelingen, wenn man es
anders aufstellt, als es in der Vergangenheit gewesen ist. Schön wäre es, wenn die Fördergelder weiter
fließen könnten – schön für die Künstler, weil auch das mehr Künstler und weitere Künstler in den Genuss
dieser Sache bringen kann. Wir haben alle gehört, wie sozial wichtig dies für unsere Region ist. Die
Entwicklung und der Einsatz einer digitalen Artothek in virtuellen Räumen, zu sehen unter www.dieartberlin.de,
ist
am
25. 9. live gegangen. Wir haben seit Januar erhöhte Zahlen von 10 000 Zugriffen, und wir erwarten auch
durch Werbung einen Zugang zu den Objekten, die wir dann an potentielle Mieter weitergeben können.
Wir haben eine namhafte Jury einberufen, und dazu möchte ich noch zwei Sätze sagen: Wir waren per
Geschäftspartnerbesorgungsvertrag verpflichtet, die Jury alle drei bis fünf Jahre zu wechseln. Das hat seinen
Grund, um gewissen Richtungen keinen Vorschub zu leisten. Wir haben festgestellt, dass die jüngsten
Mitglieder dort 5 ½ Jahre und die längsten Mitglieder 22 Jahre anwesend waren. Es war an der Zeit, die Jury
zu wechseln. Wir haben allen sehr herzlich gedankt, sie haben alle eine große Leistung vollbracht, und wir
haben jetzt eine namhafte Jury einberufen, die aus bewährten Künstlern, jungen Künstlern und auch aus sehr
wichtigen Persönlichkeiten dieser Stadt resultiert.
Die Exponate in der Artothek haben alle einen Anschaffungswert, der durch eine Förderung durch die Jury
vergeben wird. Dieser Betrag wird zu einem Versicherungswert verdoppelt, um die Betriebskosten mit drin
zu haben, und die Exponate werden dann zu 5 % dieses Werts per anno an Private verliehen. Diese Sache
muss auf den Marktwert gebracht werden. Die Feststellung der Marktwerte für diese Exponate kostet richtig
Geld. Eine Vermarktung zu Anschaffungswerten würde bedeuten: Ein Schönebeck, der damals zu 100 DM
eingekauft wurde, ist heute 25 000 DM wert, und wir vermieten ihn zu 10 DM pro Jahr. Das wäre eine tolle
Sache, da würde ich auch gern einen Schönebeck mieten. Aber der Marktwert ist ein bisschen anders. Das
könnte der Künstlerförderung sehr zugute kommen. Wenn nach diesen Werten vermietet wird, könnte sie
sich auch weitgehend selbst ernähren. Die muss man natürlich feststellen.
Wir haben eine SAP-Anbindung für den Zahlungsverkehr und die Klärung von Urheberrechten durchgeführt.
Wir haben einen Basisvertrag mit der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst abgeschlossen. Dort ist es so, dass
www.dieart-berlin.de einmal als Marketinginstrument anerkannt wird, weil wir nicht gewinnorientiert
arbeiten und es nur zur Förderung benutzen, um Mietverträge und potentielle Mieter, die uns noch nicht
kennen, aus der Ecke hervorzuholen. Und wir haben für die Exponate, die wir vermietet haben, vereinbart,
dass wir eine Inventur durchführen. Dazu benötigen wir die Marktwerte, denn die Urheberrechte werden
nicht auf die Anschaffungswerte, sondern auf die Marktwerte bezahlt, und diese stehen noch nicht fest.
Wenn wir Ende des Jahres die Inventur haben, dann einigen wir uns auf eine Pauschalsumme, denn die
Verwaltungskosten für das Zahlen der einzelnen Sachen würden mit 37 Cent oder 1,48 € für einen Künstler
so hoch liegen, dass wir uns auf eine Pauschalsumme einigen werden, die die Verwertungsgesellschaft BildKunst dann auf die entsprechenden Künstler verteilen wird. Sollten wir einmal verkaufen, werden wir den
Künstler über die 5 %, mit mindestens 7 %, daran beteiligen.
Die Fakten für die Zukunft sind: Wenn die Förderung der bildenden Kunst eingestellt wird, sollten wir die
Umwandlung der Künstlerförderung in eine weitgehend sich selbst tragende Einrichtung vornehmen. Dafür
haben wir Ihnen ein Papier in die Hand gedrückt, das wir bitten, vertraulich zu behandeln, weil es noch ein
Arbeitspapier ist. Darin sind vier Varianten. Wir präferieren die Variante 2, aber auch die Variante A hat
ihren Charme. Die Variante 3 ist aufgeführt, weil sie draußen auch diskutiert wird, und von der vierten
Variante raten wir dringend ab, weil – wie gesagt – die Marktwerte nicht festliegen, weil wir den Markt
überschwemmen würden und Galeristen in eine Insolvenz drücken könnten. Darin ist sehr viel Sprengstoff,
dazu sollten wir uns nicht entschließen. Wir fokussieren also die Variante B.
Unsere Ziele sind: Erhalt der Artothek und deren Mehrung, die anteilige Betriebskostenfinanzierung durch
das Land; die Vorfinanzierung wird die IBB weiterhin vornehmen. Wir werden eine Marktwertermittlung
durchführen, wir werden die Steigerung der Mieteinnahmen durch Vermietung haben, und wir werden auch
die Mitarbeitergestellung teilweise vom Land und von der IBB durchziehen. Die Künstlerförderung muss aus
den Räumen der Depoträume und aus den nicht vorhandenen Betriebsräumen – zu denen man sie allerdings
gemacht hat – heraus, damit sie sich dort neu aufstellen kann.
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Zum Schluss den Satz, den ich Ihnen nicht verhehlen möchte: Die IBB hat in den letzten Jahren die Weichen
zur positiven Entwicklung der Künstlerförderung in eine sich weitgehend selbst finanzierende Institution
gestellt. Wir würden uns über die Fördergelder freuen. Wir können uns aber auch vorstellen, die
Künstlerförderung für die Region zu erhalten, indem wir sie weitgehend selbständig vorbereiten. Dies betrifft
sowohl die qualitativen Leistungen der IBB, die wir weiterhin einbringen werden, als auch die finanziellen
Vorleistungen. Wir sind bereit, diese Vorleistungen zu erbringen, denn auch das dieART ist mit viel Geld
durch die IBB vorfinanziert worden, und die Refinanzierung durch zusätzliche Mieteinnahmen ist noch nicht
da.
Warum tut die IBB das? – fragen sich sehr viele. Dazu muss ich Ihnen ganz ehrlich meine eigene Meinung
und auch die Meinung unseres Hauses sagen: Mit der Künstlerförderung ist es wie mit der Liebe auf den
zweiten Blick. Erst wenn man sich die Mühe macht, ihre inneren Werte zu erkennen, dann entfaltet sich auch
ihre wahre Schönheit. Geben Sie der Künstlerförderung eine Chance! Glauben Sie mir: Sie ist es wert, sie hat
es verdient, und sie schafft es auch – mit der IBB an ihrer Seite. – Vielen Dank!
Frau Vors. Ströver: Schönen Dank, Frau Hendler! – Das leitet genau zu Herrn Allert, dem Präsidenten des
Landesamtes für Gesundheit und Soziales, und der Frage über: Wie sieht es von sozialer Seite hinsichtlich
der weiteren sozialen Künstlerförderung aus? – Bitte schön, Herr Allert!
Herr Allert (Präsident des Landesamts für Gesundheit und Soziales): Frau Vorsitzende! Meine Damen und
Herren! Als Letzter der Anzuhörenden habe ich die Aufgabe, mich besonders kurz zu fassen, damit noch
etwas Diskussionszeit bleibt. Zur Historie und den Aufgaben der Künstlerförderung, warum es in dem
Landesamt für Gesundheit und Soziales angesiedelt worden ist, ist genügend gesagt worden, so dass ich mir
diese Erläuterungen sparen kann. Die finanzielle Situation des Landes Berlin muss ich Ihnen auch nicht im
Einzelnen erläutern. Sie ist hinreichend bekannt. Das hat allerdings zur Folge, dass alle Verwaltungen sehr
intensiv darüber nachdenken und prüfen müssen, welche Aufgaben, die nicht gesetzlich gebunden sind, sie
auch künftig fortführen können. Dazu gehört auch die soziale Künstlerförderung.
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Es ist in diesen Zeiten, in denen sehr hohe Einsparleistungen auch für den Haushalt 2004/2005 erwartet
werden, notwendig, diese Leistungen – die durchaus ihren Sinn und ihren Zweck haben, die Erfolge in der
Vergangenheit gezeitigt haben, das ist völlig unbestritten und steht auch nicht zur Diskussion – zu
überprüfen, ob sie denn auch künftig vom Staat weiterhin finanziert werden müssen und dann auch können.
In diesem Zusammenhang prüft mein Landesamt zur Zeit, ob die Mittel, die noch als soziale
Künstlerförderung ausgereicht werden, zum Jahresende eingestellt werden können. Allerdings zusammen
mit der IBB im Hinblick auf die Ziele, die soziale Künstlerförderung als Förderung zu erhalten, d. h. also
auch, dieses Ziel „Abbau von Arbeitslosigkeit“ bei Künstlern zu verfolgen und weiterhin zu erhalten. Darauf
ist zu Beginn hingewiesen worden, da auch dies ein Stück Belebung der Berliner Kunstszene darstellt.
Im Gegensatz zu dem Vertreter der BBK bin ich nicht der Auffassung, dass es von vornherein
ausgeschlossen ist, anzunehmen, dass die soziale Künstlerförderung sich aus sich selbst heraus finanzieren
kann. Die hohe Anzahl von auch sicherlich sehr wertvollen Exponaten, die im Bestand der
Künstlerförderung vorhanden ist, kann durchaus zum einen als Grundlage für eine Vermarktung dienen, aber
auch für einen Grundstock, aus dem sich dann diese soziale Künstlerförderung künftig selbst tragen kann. Es
gibt eine Reihe von Vorschlägen, die Ihnen vorliegen. Diese Vorschläge sind noch sehr frisch, d. h. sie
müssen zunächst sowohl auf die Belastbarkeit der darin enthaltenen Zahlen geprüft werden als auch auf die
Frage, ob diese oder einer dieser Vorschläge auch realisierbar ist. Es scheint mir allerdings auf Grund der
ersten Prüfungen und der Gespräche, die ich auch mit Frau Hendler geführt habe, nicht ausgeschlossen zu
sein. Daher lohnt es sich, eine solche Variante zu prüfen, die zum einen einen Rückzug des Staates aus dieser
Künstlerförderung bewirken kann, zugleich allerdings die Sache selbst erhält.
Sie wissen, dass auch der Rechnungshof in seinem Jahresbericht 2002 dringend dazu geraten hat, die
staatliche Förderung einzustellen, da sich die Künstlerförderung von ihrem ursprünglichen Zweck, den sie in
den 50er Jahren hatte, doch etwas entfernt hat. Dieses ist bei dieser Prüfung ein für uns wichtiger
Rahmenpunkt, so dass eine Zielrichtung schon da ist, zu prüfen, ob eine solche Subventionierung aus dem
Haushalt der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz künftig entfallen kann,
wohlgemerkt aber bei Beibehaltung der Künstlerförderung. – So weit im Hinblick auf die noch notwendige
Diskussionszeit.
Frau Vors. Ströver: Schönen Dank! – Ich habe gerade dem Senator gesagt, dass ich darauf verzichten
möchte, ihn anzuhören, weil wir das Thema, wenn das Wortprotokoll vorliegt, die Auswertung sowieso
behandeln und dann den Senator ausführlich hören. – Ich möchte Sie bitten, nur zu Fragen an die
Anzuhörenden Stellung zu nehmen und diese Fragen kurz, knapp und konzentriert zu stellen, damit wir die
Anzuhörenden nicht noch einmal bitten müssen, zu kommen, und wir dann, wenn wir das Wortprotokoll
haben, eine Auswertung auf der Grundlage des Protokolles der heutigen Sitzung machen können. Können
wir so verfahren? – Frau Fugmann-Heesing, bitte!
Frau Abg. Dr. Fugmann-Heesing (SPD): Ich habe eine Nachfrage zu dem Papier, das uns zur
Atelierförderung übergeben worden ist. Sie verweisen in dem Papier auf Vergleichszahlen aus Paris und
London und erwähnen, dass in anderen deutschen Städten auch Atelierförderung praktiziert wird. Mich
würden die Zahlen interessieren, wie viele Ateliers in den einzelnen Städten in Deutschland finanziert
werden und mit welchem Volumen.
Eine zweite Frage – zur Zielgerichtetheit der eingesetzten Mittel: Die Atelierförderung läuft nicht nur über
das Ateliersofortprogramm, sondern auch über die Wohnungsbauförderung. Ich habe Ihre Aussagen hier in
diesem Text so verstanden, dass, wenn nur 10 % der Suchenden überhaupt in der Lage sind, ein so
finanziertes Programm zu nutzen aus finanziellen Gründen, sich die Frage stellt, wie zielgerichtet dieses
Programm ist. Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, ob Sie die Zahlen kennen, die in diesen
subventionierten Atelierbau geflossen sind und noch fließen.
Frau Vors. Ströver: Bitte schön, Herr Brauer!
Abg. Brauer (PDS): Das schließt sich gleich unmittelbar an. Ich hätte gerne eine Positionierung zu dem aus
meiner Sicht etwas merkwürdigen Argument: „Was schreien diese Menschen nach einem
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Ateliersonderförderprogramm, wenn 130 000 Wohnungseinheiten in Berlin leer stehen?“ Das liest man
häufiger.
Zweite Frage: Wie schätzen Sie die Situation auf dem Werkstättensektor in der Stadt ein? Besteht hier
Handlungsbedarf aus Ihrer Sicht in Richtung Land? Ich meine vor allen Dingen die Druckwerkstätten und
die Großwerkstätten für Bildhauerei, Stichwort auch „Künstlerhof Buch“.
Dritte Frage: Wie schätzen Sie die Produktivität kommunaler Galerien für die bildenden Künstlerinnen und
Künstler in der Stadt Berlin ein? Was wir bislang gehört haben in Richtung Galerie, ist doch stärker
kommerziell ausgerichtet. Mit kommunalen Galerien meine ich die in bezirklicher Verantwortung. – Danke
schön!
Frau Vors. Ströver: Herr Cramer, bitte!
Abg. Cramer (Grüne): Es ist erwähnt worden, dass Sozialhilfeempfänger den Staat teurer kommen als
künstlerische Förderung. Das müssten Sie unterlegen. Eigentlich wäre das für den Senat in dieser
finanziellen Situation ein toller Vorschlag. Ich weiß nicht, warum er dann nicht gleich aufgegriffen wird.
Aber vielleicht können das noch ein bisschen untermauern, dass man damit arbeiten kann.
Bei den Ateliers habe ich die Frage: Gibt es eine systematische Erfassung aller Ateliers, die in Berlin
vorhanden sind und wie werden sie genutzt, woran hapert es? Hier schließe ich mich ein bisschen an die
Frage von Herrn Brauer an: Wir haben 160 000 Wohnungen, die leer stehen. Macht sich das da auch
bemerkbar? Ist der Druck so groß?
Bei Honoraren für Ausstellungen hatte ich Sie so verstanden, dass Sie das nur auf staatliche Ausstellungen
beziehen. Das ist natürlich ein Problem, weil eine Ausstellung auch immer eine Werbung für den Künstler
ist. Wenn es dann an finanziellen Gründen scheitert, dass er noch nicht einmal ausgestellt werden kann, hat
er weder Verdienst noch Werbung für sich. Das ist ein bisschen widersprüchlich. Vielleicht können Sie
einmal darstellen, wie Sie das Problem lösen wollen. Oft sind Künstler froh über Werbung, auch wenn sie
dann noch kein Honorar erhalten. Ich hätte gerne gewusst, wie Sie diesen Widerspruch lösen wollen, denn
auch die privaten Galerien müssen ihre Kosten aufbringen und haben auch ihren finanziellen Rahmen. – Die
finanzielle Situation im Land Berlin ist bekannt, die wird sich so schnell auch nicht ändern, und insofern
finde ich Ihren Vorschlag toll, dass Sie gleich Vorschläge machen, wo Sie die finanzielle Situation auch
berücksichtigen. Was man dann damit machen kann, ist mir in einigen Redebeiträgen zu kurz gekommen.
Ich hätte gerne gewusst, wenn Sie all das im Hinterkopf haben, wie man den Weg aus der Misere finden
kann.
Frau Vors. Ströver: Herr Dr. Jungnickel!
Abg. Dr. Jungnickel (fraktionslos): Zu einer ausführlichen Diskussion kommt es heute nicht. Deswegen
werde ich eine ganz kurze Frage stellen, an Herrn Mondry und Herrn Schöttle. – Mir sind drei Sachen
aufgefallen, das Fehlen von Ausstellungsmöglichkeiten, das Atelierproblem und das Herstellen von
Öffentlichkeit. Das hat Herr Ruckhaberle noch erwähnt. Wie kann man das, ohne dass es heute zu Ende
diskutiert wird, so zusammenbringen, dass man sagt: „Gut, wir machen ein Konzept, wie man das herstellen
kann.“ Die sozialen Probleme, die daran hängen, lassen sich natürlich nur haushaltsrechtlich lösen. Denn
ohne dass die finanziellen Fragen gelöst werden, lässt sich auf diesem Gebiet sicherlich nichts anderes
erreichen. Aber wenn man diese drei Punkte auf einen Nenner bringt, würde ich gerne etwas dazu hören.
Frau Vors. Ströver: Frau Meister!
Frau Abg. Meister (FDP): Vielen Dank! – Ich versuche, mich möglichst kurz und knapp zu halten und die
Fragen in kurze Sätze zu formulieren. – An Herrn Mondry habe ich eine Frage zu den Ateliers: Auch in
Ihren Papieren weisen Sie immer wieder darauf hin, wie wichtig ist, dass die Ateliers in Mitte,
Charlottenburg, Schöneberg, Kreuzberg, Prenzlauer Berg liegen. Das wäre mir jetzt persönlich auch sehr
recht, wenn ich eine Wohnung suchen würde, aber mir ist nicht sehr einsichtig, warum ich nicht auch in
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Hohenschönhausen, Marzahn, Köpenick, Zehlendorf oder sonst wo mein Atelier haben kann. Da ist es
eigentlich auch ganz schön.
Dann habe ich nicht verstanden: Sie wiesen noch einmal darauf hin, dass die Ausstellungsräume in Berlin
knapp sind. Das wundert mich so ein bisschen, weil ich denke, es gibt auch im Bereich der privaten
Unternehmen durchaus eine Affinität dazu, einmal Künstler ausstellen zu lassen, also Banken oder Gewerbe,
die einfach viel Platz haben. Da habe ich eher ein bisschen das Gefühl, dass die eine Seite nicht zur anderen
Seite findet. Das ist auch eine Frage der Übermittlung und des miteinander Kommunizierens. Vielleicht kann
mir darauf noch einmal jemand eine Antwort geben.
Dann habe ich noch eine Frage an den immer wieder eingebrachten Betrag von 760 €, den der
durchschnittliche Künstler verdient. Ich kann das aus meinem Wissen heraus jetzt zwar ins Verhältnis zu
dem setzen, was eine Verkäuferin oder eine Krankenschwester oder andere verdienen, das fällt mir nicht so
schwer. Aber mich würde doch interessieren, ob Sie Vergleichszahlen im kulturellen Bereich haben: Was
verdient ein Musiker im Durchschnitt, der kein festes Engagement an einem Opernhaus hat? Oder was
verdient ein Autor, der nicht gerade bei Random House auf dem ersten Platz liegt, sondern z. B. Lyriker ist?
Wir haben auch in Berlin viele junge, neue Autoren, in welchen Gehaltsklassen bewegen die sich? Es fällt
mir jetzt aus der persönlichen Erfahrung schwer, das in ein Verhältnis zueinander zu setzen.
Eine kurze, knappe Frage noch an Herrn Tammen. Ich habe aufgehorcht, als Sie meinten, dass Sie bei den
Galerien sehr viele Künstler haben, die von außerhalb Berlins kommen. – [Herr Tammen: Kunden!] – Ach
so, Kunden, dann ist das schon geklärt. – Vielen Dank!
Frau Vors. Ströver: Frau Lange!
Frau Abg. Lange (SPD): Ich habe zwei Anmerkungen, eine zu Herrn Cramer in Bezug auf die
Ausstellungshonorare. Das Recht auf Ausstellungshonorar ist klar im neuen Urheberrecht definiert, das die
neue Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Dafür haben ganz Viele viele Jahre gekämpft. Ich glaube
nicht, dass man von einem Musiker verlangen könnte, weil er für sich Werbung machen will, dass er ohne
Honorar auftritt, und das Recht müssen auch die bildenden Künstler haben.
Dann habe ich noch eine Frage an Herrn Schöttle. Es gibt einen vielstimmigen Chor derer, die behaupten, es
gäbe viele Angebote an das Atelierbüro von Wohnungen, die Künstler kostenlos zur Verfügung gestellt
bekommen könnten, teilweise von ganzen Häusern, und die Künstler würden dies nicht in Anspruch nehmen
und säßen auf dem hohen Ross, wollten nicht nach Marzahn. Wie sehen Sie das? – Kann man eigentlich z. B.
von einem Bildhauer erwarten, dass er in einer Neubauwohnung sein Atelier einrichtet?
Frau Vors. Ströver: Herr Sayan!
Abg. Sayan (PDS): Vielen Dank! – In Berlin leben sehr viele Künstlerinnen und Künstler nichtdeutscher
Herkunft, entweder als Arbeitsmigranten oder als politische Flüchtlinge aus diktatorischen Ländern, und ich
weiß, dass sie sehr viele Probleme haben. Wie weit sind diese Künstlerinnen und Künstler, die so viele
Probleme haben – Berlin ist wirklich voll von diesen Künstlerinnen und Künstler –, in Ihre Organisationen
einbezogen?
Frau Vors. Ströver: Vielen Dank, Herr Sayan! – Frau Grütters!
Frau Abg. Grütters (CDU): Die Museen haben, das hat Herr Tammen erwähnt, keinen Ausstellungsetat, sie
haben keinen Ankaufetat, und Berlin selbst, das ist auch mehrfach angeklungen, leidet darunter, dass es
keine Kunsthalle mehr gibt. Deshalb an einige von Ihnen die Frage: Kein Ausstellungsetat bedeutet, dass die
langen Schlangen vor den großen Ausstellungen zwischen den Jahren in Paris stehen und leider Gottes nicht
in Berlin, obwohl das auch für das Stadtmarketing und auch als Aspekt der Wirtschaftsförderung sehr
wichtig wäre. Diese mittelbaren Effekte der Künstlerförderung sind hier noch viel zu wenig angeklungen.
Aber die Frage: Wenn schon Notstand besteht, wie sind die Kontakte der einzelnen Verbände, die die
Künstler vertreten, zu den Museen, in denen Ausstellungsflächen auch zwischendurch leer bleiben, also
schlichtweg nicht mit Wechselausstellungen bespielt sind? Können Sie die nutzen? Wie geht z. B. die Neue
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Nationalgalerie mit ihren Räumen um? Ich weiß, wie schwer das für den DAAD immer ist, dort etwas
unterzubringen, der nur die kleine Einstein-Galerie hat. Gibt es dort engere Kontakte im Interesse der
Künstler und der vorhandenen Potentiale, wenn schon Missstand, dies dann zu nutzen?
Das Zweite ist: Kein Ankaufetat. Da hat die Lotto-Stiftung bisher immerhin noch einmal in einem Einzelfall
geholfen. Es gibt in schöner Regelmäßigkeit von den Finanzsenatoren den Wunsch, die Lottomittel in den
Landeshaushalt einzustellen. Gibt es Erkenntnisse Ihrerseits, was in den vergangenen Jahren die LottoStiftung für den Bereich „bildende Kunst“ getan hat, z. B. durch Ankäufe oder durch Finanzierung von
Ausstellungen? Da die Antworten später kommen, können Sie es vielleicht noch einmal auflisten, damit auch
klar ist, was uns verloren ginge, wenn das jetzt auch noch passierte.
Dann habe ich noch eine Frage an der Verband. Es gibt Initiativen, zwei waren sehr weit gediehen, eine
Kunsthalle fast ohne Landesmittel wieder zu errichten. NBK, DAAD und Bethanien wollten sie gemeinsam
bespielen. Es hätte kaum institutioneller Mittel durch das Land bedurft. Warum ist das eingeschlafen? Oder
gibt es andere Initiativen? Es würde Ihnen allen nutzen.
An die soziale Künstlerförderung habe ich die Frage: Solange wir hier im Parlament sind, wissen wir, dass
das Stiefkind der Sozialverwaltung die soziale Künstlerförderung war. Es hat immer Interessen gegeben, sie
zur Kulturverwaltung hinüberzubringen, was nur mit den Mitteln und dem Personal gegangen wäre und
deshalb am Ende nicht geklappt hat. Dass es immer noch da war und ist, hat aber den einzigen Grund, Herr
Allert, dass es nämlich doch noch zumindest an die ursprünglich Aufgabe erinnert und dass es nicht zur
reinen Selbstverwaltung der Artothek werden sollte und u. E. auch nicht werden darf. Deshalb ist es bei der
Sozialverwaltung geblieben, auch wenn Sie es nicht mögen. – Deshalb die Frage: Sie haben gesagt, die
Künstlerförderung hat sich von ihrer eigenen Aufgabe entfernt. Ich behaupte, die Sozialverwaltung hat sie
davon entfernt.
Wenn das weiter passieren sollte, muss man sich in der Tat fragen, ob eine kommerzielle Vermarktung, das
ist jetzt eine Frage an Frau Hendler, der wirklich wertvollen Bestände sinnvoll ist. Je besser Sie das machen,
desto schneller erledigt sich das Programm dann ganz von alleine. Es ist dann in der Tat nicht mehr Aufgabe
des Parlaments. Jetzt haben Sie schon die Förderung der darstellenden Kunst eingestellt. Wir haben lange
darum gekämpft, dass das nicht passieren muss. Sie haben vor allem die Artothek dargestellt. Wo liegt der
soziale Aspekt, außer dass Sie Bilder an die Verwaltung verleihen? Wo wird etwas für andere
Sozialeinrichtungen, das war bei der darstellenden Kunst nämlich der Hauptzweck der ganzen Veranstaltung,
getan? Wo gibt es diese Zielrichtung nicht nur zu Gunsten der Künstler, die Arbeiten herstellen, sondern
auch der empfangenden Seite? Denn dann hätten wir zwei Bereiche in der Gesellschaft, die dafür kämpfen
würden, dass es so bleibt.
Dann habe ich noch eine letzte Frage: Warum mussten Sie auf das KPM-Gelände umziehen? Das steht
einfach nur so in den Papieren. Mir ist das nicht einleuchtend. Das kann ja gut sein. Aber da, wo Sie bisher
waren, war das sehr professionell in diesen Fabriketagen im Wedding angesiedelt. Das kostet auch immer
alles Geld. Muss das sein? Wer drängt Sie dazu? Und was macht das für einen Sinn?
Die letzte Frage: Es hat immer mal Verlustsituationen gegeben, Baselitz usw. Da gab es sehr wertvolle
Arbeiten. Sind Sie da inzwischen fündig geworden? – Ich hoffe, jetzt habe ich alle Fragen gestellt. – Danke!
Frau Vors. Ströver: Ich kann Ihnen jetzt pro Fachbereich 1 ½ Minuten geben, ich möchte Sie bitten, bei
komplexeren Fragezusammenhängen uns die Antwort schriftlich nachzureichen. Manches wird sich auch aus
den schriftlichen Tischvorlagen erschließen, die wir im Detail noch nicht zur Kenntnis nehmen konnten. –
Weil wir gerade mit der Frage soziale Künstlerförderung auch den darstellenden Kunstbereich behandelt
hatten, möchte ich jetzt mit Herrn Allert beginnen. – Bitte schön!
Herr Allert (Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales): Frau Vorsitzende! Frau Abgeordnete
Grütters! Es ist so, es ist keinesfalls das Stiefkind. Das sollten Sie mir dabei auch gar nicht unterstellen,
sondern es geht darum, eine zeitgemäße Fortführung zu finden. Das bedeutet auch, eine Fortführung, die
nicht mehr zu Lasten des Landes Berlin geht. Darum sind wir bemüht. Diese Fortführung, das hatte ich
vorhin gesagt, werden wir zusammen mit der IBB versuchen zu erarbeiten auf der Grundlage der Ihnen
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vorliegenden Papiere. Die gibt es seit Ende letzter Woche. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich
Ihnen dazu noch keine fundierte Auskunft geben kann, sondern diese Daten dort müssen geprüft werden. Es
liegt auch noch nicht der Abschluss 2002 vor. Auch das wird noch eine Grundlage sein. Wir haben bis Mitte
des Jahres Zeit, zum Haushalt 2004/2005, nicht für diesen Haushalt, weil Sie vorhin die Diskussion von
Freitag ins Spiel gebracht haben. Da geht es um den Nachtragshaushalt 2003. Da wollen wir nicht irgendwie
allein machen, sondern es geht um 2004/2005. Dafür wollen wir gemeinsam ein Konzept entwickeln, das
auch die Förderung weiter beinhaltet. Das ist der soziale Aspekt dabei, die Förderung.
Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! – Frau Hendler, bitte schön!
Frau Hendler (Direktorin der sozialen Künstlerförderung in der Investitionsförderbank): Zur Frage: Soziale
Komponente, Komplettverkauf. Natürlich haben wir nicht den Komplettverkauf der Artothek vor. Das wäre
ja fatal. Wir haben von Anfang an hier – und auch ich – ganz deutlich gemacht, dass wir diese Lösung
überhaupt nicht präferieren, ganz und gar nicht. Es wäre jammerschade, so etwas zu tun. Wir raten dringend
davon ab wegen der Gründe, die wir genannt haben. – Natürlich wollen wir aus einer Teilvermarktung
heraus, das heißt vor allem Vermietung, Fördergelder resultieren lassen, die dann in die Förderung
zurückfließen, um die Förderung, wenn alles irgendwann aufhört, wirklich erwirtschaftet zu haben. Das ist
der Grund.
Warum Umzug: Die Depoträume sind heute so unzureichend, Sie können vorne hinein, hinten hinein,
seitlich hinein. Wenn einer geschickt ist, holt er alles da heraus. Dann sind wir es ganz schnell los. Das muss
dringend geändert werden. Deswegen haben wir die letzten 150 Exponate von bekannten Künstlern, die wir
im Depot festgestellt haben, die nicht verliehen oder vermietet sind, in die Tresorräume der IBB gebracht,
einschließlich der Vermögensbücher, in denen nachzuweisen ist, wo auch die anderen Exponate berühmter
und bekannter Künstler in den Leihverträgen und in den Mietverträgen stecken. Da heißt es, eine Inventur zu
machen und festzustellen, ob sie tatsächlich noch alle vorhanden sind; wenn ja, sie zu inventarisieren und zu
erhalten, deren Marktwert zu kennen und sie dann auch potentiell zu vermieten, um wieder Fördergelder
herauszuziehen. Das zum Thema Umzug. Wir müssen dort heraus. Das sind keine Büroräume, in denen die
Leute sind. Wir brauchen auch nicht so viel Geld für eine so große Galerie auszugeben, die kann etwas
kleiner sein, und die Depoträume müssen sicher gemacht werden. Sonst ist diese Artothek, die seit 52 Jahren
entstanden ist, nicht mehr da. Wenn einer dahinterkommt, dass da Räumlichkeiten sind, wo man von hinten
dagegen fahren kann und mit dem Lastwagen einladen kann – – Glauben Sie mir, aus der Recherche heraus
ist dieses mehrfach passiert. Wir haben 69 Schönebecks – müssten wir haben. In den 60er Jahren sind 61
vermietet worden. Wir haben heute noch 8 Stück. 3 hängen in der Berlinischen Galerie, und 5 habe ich hinter
dem Schrank hervorgeholt, die jetzt in dem Tresor der IBB sind. Die anderen hoffen wir in Leihverträgen zu
finden. Ich habe eine Recherche gemacht über 20 % der bekannten Künstler, der Verlust ist ein Drittel aus
den 60er und 70er Jahren. Ich möchte nicht, dass noch ein weiterer Verlust entsteht und das Restliche in der
so schön gewachsenen Artothek auch noch den Bach hinuntergeht. Das ist der Grund, warum wir umziehen
müssen und warum wir zusammenkommen müssen und darauf ein Auge haben müssen. – Danke!
Frau Vors. Ströver: Danke schön! – Herr Tammen, bitte!
Herr Tammen (Landesverband Berliner Galerien e. V): Ganz kurz: Frau Grütters, ein wirklich nicht
erfreulicher Umstand z. B. bei der Lotto-Stiftung ist, dass die Statuten vorschreiben, dass nicht bei Galeristen
gekauft werden kann. Wenn man sich gleichzeitig vorstellt, wie schwer das auch hier in der Stadt ist, sein
Auskommen als Galerist zu haben, seine Arbeit wirklich leisten zu können, und dann mit solchen Dingen
konfrontiert wird, passt das natürlich in ein Gesamtszenario „Mittelkürzung auf allen Ebenen“. Das ist
letztendlich auch für die kontinuierliche, langfristige Arbeit der Kollegen notwendig und wichtig. Meine
Anregung, auch an Ihre Fraktion, bzw. wir wären dankbar, auch da ins Gespräch zu gehen, tatsächlich die
Veränderung dieser Statuten aufzugreifen.
Kunsthalleninitiative: Wir sind immer wieder in unterschiedlichen Diskussionen – ich unterstelle einmal im
Moment, dass Frau Horn als gute Szenekennerin besser informiert ist als ich –, nach wie vor besteht die
absolute Notwendigkeit, ein Forum für zeitgenössiche Kunst hier in der Stadt wieder entstehen zu lassen. Ich
glaube, dass es ein paar gute Initiativen und Gedanken gibt, die man nur vernünftig bündeln und gemeinsam
an einen Tisch bringen muss. Dann könnte man etwas auf die Beine stellen.
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– bc/ger –
Zum Thema soziale Künstlerförderung: Wir haben auch seitens des Verbandes gesagt, weil man an uns
herangetreten war und weil wir natürlich auch die Problemlage gesehen haben bei dem Konvolut von nahezu
fast 17 000 Arbeiten: Die Vorstellung, dass diese auf den Markt geschwemmt werden, kann nicht im
Interesse des Verbandes und der Galerien sein. Aber die Gespräche waren sehr positiv, und wir glauben,
wenn wir mit unserem Sachverstand und Ratschlag auch mit der IBB – das ist verabredet – ins Gespräch
kommen, positiv für das Gesamtthema tätig werden zu können. – Danke!
Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! – Herr Ruckhaberle!
Herr Ruckhaberle (Fachgruppe Bildende Kunst, Verdi): Ich will an das anschließen, was Herr Tammen
gesagt hat. Wir haben die allergrößten Bedenken, wenn jetzt die 17 000 Werke aus der sozialen
Künstlerförderung auf den Markt geworfen werden. Das zerstört den Markt total für die Galerien, aber auch
für die Künstler. Es ist ein großer Berg von Werken, die bisher nicht als Artothek gehandelt worden sind. Sie
sind nur im öffentlichen Bereich, in den Rathäusern und in den Behörden, verteilt worden, manchmal nicht
zurückgekommen, aber immerhin, dort – außerhalb des öffentlichen Markts – haben sie funktioniert. Jetzt
kommt ein Marktangebot, das total überschwemmen wird und das die Chancen für die freischaffenden
Künstler und für die Galerien auf Null treiben wird, wenn das wirklich mit diesen Möglichkeiten geschieht.
Also, wir warnen dringend davor. In Wirklichkeit war das, wie die „Kunst am Bau“, eine Möglichkeit, die
Künstler an etwas anzubinden, womit sie Geld verdienen könnten. Die Berlinische Galerie darf aus dem
Fonds abziehen, was sie möchte. Wenn Sie nun anfangen, 10 000 Werke auf den Markt zu werfen, haben wir
die größten Bedenken, und wir sind der Meinung, so sympathisch das vorgetragen wird, dass dieses nun so
erfolgt. Wenn die Bauern so etwas machen würden, würde man ihre Vorsitzenden alle abwählen. Das gibt es
überhaupt nicht, dass man einen solchen aus öffentlichen Mitteln angesammelten Fundus einfach auf den
Markt wirft. Das geht nicht. Das verstopft den ganzen Markt. Wir sind also total dagegen. Vielleicht ist es
nicht so, aber Sie haben deutlich vorgetragen, Sie wollen dies als Artothek haben. Dies ist aber nicht als
Artothek aufgebaut worden. Sie benutzen jetzt diesen Namen. Eine Artothek leiht in erster Linie an die
Bürger aus, während sie bisher nur an den Staat ausgeliehen haben. Das wäre eigentlich eine sinnvolle
Tätigkeit, um da auch mehr die Kunstfreudigkeit zu heben. Wir haben schwerste Bedenken.
Nun zur Frage von Herrn Cramer, Ausstellungshonorar: Die Musiker haben selbstverständlich das Recht,
wenn ein Stück von ihnen aufgeführt wird, bekommen sie dafür GEMA-Gebühren für das Hören. Die
Künstler möchten nun, wenn ihre Werke ausgestellt werden, wir sagen, nicht in privaten Galerien, denn die
sind schon mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz genug belastet, sondern in öffentlichen Bereichen – –
Und es ist für den öffentlichen Bereich auf allen Ebenen eine Chance, an die Landeskinder mal mit Geld
heranzukommen. Sehen Sie das einmal so herum: Das ist eine Form der Künstlerförderung, wobei das mit
ihren Aktivitäten verbunden wird. Es sind noch die Banken, die Arztpraxen usw., die auch Gott sei Dank
gelegentlich einmal Werke ausstellen. Das hat einen tiefen Sinn, und das ist gesetzlich verankert. Es muss
angemessen bezahlt werden. In Zukunft wird das noch, wenn die Verbände sich geeinigt haben, richtig
geregelt. Es sind unterschiedliche Tarife in Arbeit. Aber hier sollten Sie auch die Chance sehen, Ihren
Landeskindern auf legale Art und Weise Gelder zukommen zu lassen, damit sie leben können. – [Abg.
Cramer (Grüne): Ich wollte ja nur wissen, wie die Risiken dabei sind!] – Die Risiken sind groß. Wenn man
aber bei der GEMA verzichtet hätte, hätten die Musiker auch keine Chance. Die bildenden Künstler gehen
bisher leer aus.
Dann will ich noch eine Anmerkung machen. Der Boom, wo man die Künstler sozusagen auch von Staats
wegen, aus den Parlamenten heraus auf die neuen Medien orientiert hat, ist nun durch das Zusammenbrechen
des Nemax weitgehend gestoppt. Da muss auch eine Alternative her. Die Medienwerkstatt des BBK kommt
viel zu spät. In der Richtung muss irgendetwas geschehen.
Noch eine letzte Anmerkung, zur FDP auch: Die Leute, die Arbeit haben und vielleicht damit auch viel Geld
verdienen, haben keine Zeit mehr, in Galerien zu gehen, und die, die Zeit haben, in Galerien und
Ausstellungen zu gehen, haben kein Geld. Das ist eine ganz wichtige Schere, die Sie einfach begreifen
müssen. Da muss der Staat versuchen, auch wenn er wenig Geld hat, strukturell einzuwirken. – Danke
schön!
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Frau Vors. Ströver: Vielen Dank! – Frau Wankel, bitte schön!
Frau Wankel (GEDOK): Zur Frage nach den ausländischen Künstlerinnen und Künstlern: Sie sind natürlich
in den Verbänden selbstverständlich Mitglieder, wie alle anderen.
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Sie werden auch gezielt angesprochen. Die GEDOK hat also von Anfang an immer Kontakte zu
ausländischen Künstlerinnen gehalten und sie vorwiegend, wenn sie noch nicht Mitglied waren, als Gäste
eingeladen. Das ist Tradition, das bleibt so und ist in diesem Jahr für jedes Projekt vorgesehen. Und wir
haben weitgehend Verbindungen vor allen Dingen nach Osteuropa zwecks Kooperation mit den
Künstlerinnen dort, auch zu Verbänden, und helfen, Künstlerverbände aufzubauen. Das spielt sich hier in
Berlin ab, als Zentrale, wenn Sie so wollen. – Danke!
Frau Vors. Ströver: Danke schön! – Herr Schöttle!
Herr Schöttle (Atelierbeauftragter): Auf die Frage von Frau Fugmann-Hessing nach der Atelierförderung in
Paris und in London: In Paris werden 1 900 Atelierwohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zur
Verfügung gestellt, zu dort üblichen Sozialmieten. In London führt man insgesamt 800 Atelierwohnungen
und Ateliers – das zum Vergleich.
Auf die Frage der Zielrichtung des Atelierprogramms im Programmteil Atelierwohnungen in der Förderung
durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung muss ich anmerken: 10 % können wir aus den
Einkommensverhältnissen heraus erreichen. Diese 10 % haben wir natürlich in den 280 Atelierwohnungen
untergebracht, das ist klar. Das ist ja auch nicht schlecht, wenn die in diese schmale Brücke zwischen
Förderungen mit ihren genuin hohen Mietpreisen passen. Daran krankt ja das gesamte System des sozialen
Wohnungsbaus bundesweit. Sie haben eine jährliche Einkommenshöchstgrenze von 18 000 € und eine Miete
von fast 1 000 € monatlich im sozialen Wohnungsbau für eine normale Familie. Da sind die Künstler in der
Systematik natürlich genauso Opfer einer insgesamt schlecht designten Wohnungsbauförderung. Natürlich
mussten wir auf diese 280 Wohnungen zurückgreifen und sie für die nächsten 25 Jahre sichern. Denn wie
unsicher die Kulturfonds tatsächlich sind, das sehen wir ja heute. Diese 280 Atelierwohnungen werden
diesen 10 % der Nachfrager wenigstens die nächsten 25 Jahre zur Verfügung stehen. – Das Atelierbüro hat
übrigens die Belegrechte dafür. Wir üben praktisch die hoheitliche Funktion durch trilaterale Verhältnisse
mit Bezirk und Senatsverwaltung, den Wohnungsämtern, für die Atelierwohnungen aus, so dass es auch
sichergestellt sein wird, dass diese Wohnungen – die durchaus die schönsten Wohnungen sind, die im
sozialen Wohnungsbau gebaut worden sind – den Künstlern auch die nächsten 25 Jahre zur Verfügung
stehen.
Natürlich arbeiten wir – dies auf die Frage eines anderen Kollegen – an der systematischen Erfassung von
Ateliers. Wir haben unsere selbst zu belegenden 600 Ateliers in der Datenbank erfasst – mit allen
Möglichkeiten, die wir haben, auch die Nutzer zu erreichen –, und wir stehen in Verbindung mit den acht
oder zehn freien Atelierhäusern, die immer wieder unsere Hilfe benötigen, wenn sie mal wieder existenziell
angegriffen sind. Was sonst in Fabriketagen, Hinterhöfen und vor allem in behelfsmäßigen Flächen an
Ateliers zur Verfügung steht, bleibt weitestgehend im Dunkeln und ist schwer zu erfassen.
Zu dem Vorwurf, wir hätten Umsonst-Angebote von leerstehenden Wohnungen nicht berücksichtigt: Mir ist
kein einziges Angebot bekannt – und ich wäre natürlich angenehm überrascht, wenn mir mal jemand eine
Fläche für umsonst anbieten würde. Aber es gab Angebote aus den Plattenbaugebieten, für drei Monate
Zwischennutzungszeit zu Betriebskosten Läden zu nutzen. – Dafür brauchen wir keine Atelierförderung, und
dafür brauchen wir auch keine systematisierende Hand des Atelierbüros. So ein Drei-Monats-Angebot ist
schlechterdings für einen Künstler – der, wie ich vorhin ausgeführt habe, ungefähr ein halbes bis ein Jahr
braucht, bis er sich in seinem neuen Atelier richtig eingerichtet hat, bis er da richtig professionell arbeiten
kann – lächerlich und professionell nicht nutzbar.
Wir haben uns dem Thema Ateliers in den Plattenbaugebieten, weil wir auch in vielen anderen
städtebaulichen Entwicklungsgebieten eng mit den Entwicklungsbeauftragten zusammenarbeiten, sehr
intensiv genähert. Wir haben gemeinsam mit dem Abgeordneten Dr. Zotl in Hohenschönhausen und mit
Künstlern eine Arbeitsgruppe gebildet, die vor Ort die Flächenangebote in den so genannten
Dienstleistungswürfeln überprüft hat. Wir haben uns diese Angebote im Einzelnen ganz genau angeschaut
und haben feststellen müssen, dass selbst in den ehemaligen Gewerbeflächen, die an sich von den
Flächenaufteilungen her noch ein bisschen großzügiger sind als die einzelnen Plattenbauwohnungen, die
Belichtung durch vorgelagerte Terrassen und Balkons viel zu schlecht ist, dass eine Raumhöhe von 2,80 m,
wie man sie im Plattenbau durchgängig vorfindet, schlechterdings viel zu gering ist, um dort professionell
Abgeordnetenhaus von Berlin
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künstlerisch zu arbeiten. Wir benötigen Raumhöhen von 3,60 m aufwärts, um professionell arbeiten zu
können. Die Anordnung der Plattenbauanlagen ist so, dass diese Dienstleistungswürfel immer ein Karree von
Bebauung abschließen. Dadurch würde durch Freiarbeitsplätze, die zum Beispiel Bildhauer dringend
benötigen,
und
auch
durch
die
Arbeit
indoors die anfallende Lärmbelästigung dort potenziert, und Nutzungskonflikte mit der Anwohnerschaft
wären programmiert.
Frau Vors. Ströver: Das ist jetzt mein Recht, das Prioritätsmikrofon zu nehmen, Herr Schöttle! Liefern Sie
es bitte schriftlich nach, wenn Sie jetzt nicht ausreichend Antwort geben konnten. – Herr Mondry, möchten
Sie dazu noch ergänzen? – Bitte schön!
Herr Mondry (BKK Berlin e. V.): Ich hatte vorhin gesagt, die soziale Künstlerförderung war eine
Verhinderung von Sozialhilfe, und dass dieses billiger ist als Sozialhilfe. Wir müssen uns vorstellen: Bei den
schwankenden Einkommen der Künstler kommt es sehr häufig vor, dass sie ein halbes oder ein Jahr lang
ganz fürchterlich dran sind. Und dann war immer die Möglichkeit, bei der sozialen Künstlerförderung einen
Auftrag zu erhalten – für 1 500 oder 3 000 €, jetzt mal umgerechnet in €. Dann ist er aufgefangen, er kann
seine Miete zahlen, es kommt der Gerichtsvollzieher nicht usw., Sie wissen das – er überlebt also, ohne in
die Sozialhilfe zu gehen. Geht er in die Sozialhilfe, dann kostet das allein für ein halbes Jahr 4 000 € bis
5 000 €, und wir wissen, dass dann die Künstler überwiegend länger oder ganz in der Sozialhilfe bleiben,
weil die weiteren Arbeitsmöglichkeiten dann ja nicht mehr gegeben sind. Deswegen war dieses Programm
ideal und ist ein Modell überhaupt für den Umgang mit Menschen, die in eine ganz schwierige Situation
absacken und sich nicht mehr allein fangen können.
Noch ein Wort – das ist auch gefragt worden: Im freien Bereich, also in der freien Szene, bei den Tänzern,
bei den Musikern, bei den Schauspielern, bei all denen, die nicht festangestellt sind, sondern eben diese
prekären Arbeitsverhältnisse oder oftmals überhaupt nichts haben, finden wir natürlich ganz ähnliche
Situationen wie in der bildenden Kunst – das noch zu diesem Punkt.
Frau Vors. Ströver: Recht schönen Dank! – Damit ist die Anhörung und die Besprechung der vorgelegten
Punkte bis auf den vertagten, denke ich, so weit erledigt. Ich schlage vor, dass wir einen gemeinsamen
Besprechungspunkt neu aufnehmen: „Auswertung der Anhörung“ – ich bediene mich jetzt des SPDAntrags – „der Gesamtsituation der bildenden Künstlerinnen und Künstler in Berlin unter besonderer
Berücksichtigung ihrer sozialen Situation“ – damit ist alles umfasst, was wir heute andiskutiert haben:
Atelierfragen wie soziale Künstlerförderung – und sobald das Wortprotokoll vorliegt, dann auch unter
Einschluss natürlich der Stellungnahme des Kultursenators, die Diskussion weiterführen und die Auswertung
dieser Anhörung vornehmen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Angehörten für Ihre Stellungnahmen.
Wie gesagt, wenn Sie noch weitere schriftliche Vorlagen nachreichen wollen, freuen wir uns darauf
ebenfalls.
Punkt 5 der Tagesordnung
Finanzielle Planungen für eine neu zu ordnende Ufer GmbH
hier:
a) Besprechung gem. § 21 Abs. 5 GO Abghs (0974)
(auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)
in der 7. Sitzung UA Theater vom 20.1.03
(THE 21)
b) Schreiben SenWissKult - K (IV B) - vom 13.1.2003
(THE 29)
Haupt 1198
(Auf Vorschlag des UA THE von Haupt an den Ausschuss Kult
m.d.B. um Stellungnahme weitergegeben.)
Vertagt.
0098
Abgeordnetenhaus von Berlin
15. Wahlperiode
Punkt 6 der Tagesordnung
Verschiedenes
Siehe Beschlussprotokoll.
Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq
Seite 26
Wortprotokoll Kult 15 / 18
17. Februar 2003
– bc/sch –
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