Drucksache 15/ 3046 09.08.2004 15. Wahlperiode Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Übernahme der Flicksammlung nach Berlin Drucksachen 15/1957, 15/2144, 15/2506, 15/2688 und 15/2907 - Schlussbericht - Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor: Das Abgeordnetenhaus hat in seiner 40. Sitzung am 13. November 2003 Folgendes beschlossen: „Das Abgeordnetenhaus von Berlin begrüßt die leihweise Übernahme der privaten Flick-Sammlung durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als eine wertvolle Ergänzung der Sammlungen moderner Kunst im Hamburger Bahnhof. Das Abgeordnetenhaus bittet den Senat, sich gegenüber der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dafür einzusetzen, dass sowohl im Vorfeld als auch im Verlauf der Ausstellung ein Forum für die Intentionen des Stifters und die Reflexion der gesellschaftlichen Diskussion über diese Sammlung sicher gestellt wird.“ Hierzu wird berichtet: Die Sammlung von Friedrich Christian Flick umfasst Werke von über 150 Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts. Vertreten sind alle Kunstgattungen, Malerei, Skulptur, Fotografie, Video, Installation. Dabei bildet die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Ausgangs- und Schwerpunkt der Sammlung mit bedeutsamen Positionen der klassischen Moderne. Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode Drucksache 15/ 3046 Die Sammlung schließt mit den rd. 2000 Werken u.a. zur Minimal Art und zur Concept-Art an das Konzept des Hamburger Bahnhofs an, die Kunst seit 1960, mit Hilfe großer Privatsammlungen, darzustellen. Dabei ergänzen sich sie Sammlungen Erich Marx, Egidio Marzona und Friedrich Christian Flick in idealer Weise. wird der Mäzen als Leitfigur demokratischer Urbanisierung und die Stadt als exemplarischer Begegnungsraum von Individuum, Gesellschaft und Kunst betrachtet. Andererseits wird die Rolle des Mäzens bei der Entstehung der Sammlungen der Staatlichen Museen und der Tradition des Zusammenwirkens zwischen Bürgersinn und Gemeinsinn, dem staatlichen Interesse und privater Leidenschaft hinterfragt. Und schließlich erhalten die Mäzene von heute Gelegenheit, einen Einblick in ein ‚Leben für die Kunst’ zu geben. Das Herzstück der Friedrich Christian Flick Sammlung ist der unvergleichlich reiche Bestand am Gesamtwerk von Bruce Nauman, als einem der in seiner existenziellen Fragestellung radikalsten Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Einen weiteren Schwerpunkt der Sammlung bildet die breite Darstellung dadaistischer Kunstströmungen durch das gesamte 20. Jahrhundert hindurch von Schwitters über Marcel Broodthaers und Dieter Roth bis in die aktuelle Gegenwart. Von September diesen Jahres bis zum Januar 2005 wird von der SPK in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung eine Veranstaltungsreihe angeboten, die den Themenkomplex „NS-Vergangenheit und ihre Bewältigung - Unzureichende Entnazifizierung nach 1945?“ behandelt. Weiterhin werden Themen der Kunst in der Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen mit Künstlern und Personen des öffentlichen Lebens in direkter Bezugnahme auf die Kunstwerke der Sammlung diskutiert. Diese hochkarätige Kunstsammlung in dieser Stadt ist vor dem Hintergrund der Familiengeschichte ihres Sammlers, Friedrich Christian Flick, in eine kontroverse öffentliche Diskussion geraten. Daher muss die Debatte um ihre Übernahme offen und in angemessener Weise reflektiert werden. Nur so kann die selbst diskursiv angelegte Kunst über ihren eigenen ästhetischen Kontext hinaus Wirkungen entfalten, die das historische Verständnis befördern. Die Debatte macht die historischen Brüche der Vergangenheit, mit denen Berlin und die ganze deutsche Gesellschaft lebt, zum Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung und wird zur Unterscheidung zwischen der persönlichen Schuld der Großeltern- und Elterngeneration und der Verantwortung der Nachgeborenen beitragen. Dazu hat der Senat frühzeitig und intensiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) an Konzeption einer entsprechenden Spiegelung gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Sammlung und ihren Hintergründen gearbeitet. Ein weiterer Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit den einzelnen Kunstwerken wird mit den sogenannten „Künstlerreden“ gesetzt. Hier werden die Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung über ihr Werk sprechen. Im gleichen Zeitraum werden öffentliche Seminare der kunsthistorischen Institute und der Kunsthochschulen Berlins in der Ausstellung stattfinden. „Arbeit und Alltag im 21. Jahrhundert. Ein Kunstwerk“ ist der Titel eines vom 4.-7. November 2005 geplanten Symposions, das in Kooperation mit den Münchner culturalaffairs geplant ist. mit der der der Weitere Veranstaltungen mit externen Partnern sind in der Planung. Die Staatlichen Museen werden darüber hinaus für jede/n Besucherin / Besucher der Ausstellung im Hamburger Bahnhof eine kostenlose Zeitung bereit halten, die ein ausführliches Gespräch, geführt von dem Kurator der Ausstellung, Eugen Blume, mit Friedrich Christian Flick, dokumentiert und die Fragen beantwortet, die die Diskussion um die Sammlung begleiten: die Sozialisation Flicks, seine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit seines Großvaters, seine Potsdamer Stiftung. Damit ist sichergestellt, dass sich jeder den Kontext, in dem auch diese Sammlung zu sehen ist, bewusst machen und sein eigenes Urteil bilden kann. Parallel zur Eröffnung der Ausstellung wird ein Auftaktsymposion unter dem Thema „Die Macht der Sammler und die Verantwortung der Museen“ stattfinden. An dieser international besetzten Veranstaltung werden Vertreter aus der Schweiz, aus Spanien, aus Großbritannien und den USA teilnehmen. Durch die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der großen Museen mit ihren Sammlern wird der Versuch unternommen, objektivierbare Maßstäbe für die Diskussion zu gewinnen. Daneben wird das Thema im Rahmen des 175jährigen Bestehens der Staatlichen Museen zu Berlin durch eine Vortragsreihe in Kooperation mit den Fördervereinen (November 2004- Juni 2005) vertieft. Hier werden die vielfältigen sozial- und kulturhistorischen Facetten des Mäzenatentums aus verschiedenen Perspektiven diskutiert. Einerseits Auf Veranlassung der Stiftung wird das Institut für Zeitgeschichte in München die Familiengeschichte Flick und deren Rolle im Nationalsozialismus untersuchen. Friedrich Christian Flick hat seine Bereitschaft erklärt, alle erforderlichen Unterlagen 2 Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode Drucksache 15/ 3046 zur Verfügung zu stellen und die für die Studie anfallenden Kosten zu übernehmen. Das Ergebnis dieser Forschungsarbeit des eigens für die NSAufarbeitung gegründeten renommierten unabhängigen Instituts wird dem öffentlichen Diskurs zugänglich gemacht. Mit den dargestellten Aktivitäten bzw. Veranstaltungen wird die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus eigenen Mitteln bzw. in Kooperation mit Dritten die Präsentation der Friedrich Christian Flick Collection im Kontext der öffentlichen Diskussion um die Sammlung umfassend reflektieren. Eine unmittelbare Verknüpfung der Familiengeschichte mit der Kunstausstellung entspricht nicht Auftrag und Profil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Für eine angemessene Aufarbeitung dieses zentralen Kapitels der deutschen Geschichte gibt es berufene Institutionen, wie z.B. das Institut für Zeitgeschichte oder der Stiftung Topographie des Terrors. Ausschuss-Kennung : Kultgcxzqsq Der Senat von Berlin konzentriert seine weiteren Anstrengungen auf eine nachhaltige Behandlung dieses Themas mit der Errichtung eines „Dokumentations- und Begegnungszentrums zur NS-Zwangsarbeit in Berlin Schöneweide“, als erste deutsche Einrichtung dieser Art an authentischem Ort, sofern deren Finanzierung gesichert ist. Zur Zwangsarbeit speziell in Berlin wird am 16. September 2004 die Ausstellung „Zwangsarbeit in Betrieben des Flick-Konzerns in Berlin und Umland" vom Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen in den Räumlichkeiten des Prenzlauer Berg Museums eröffnet. Ich bitte den Beschluss damit als erledigt anzusehen. Berlin, den 4. August 2004 Dr. Thomas F l i e r l Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur 3