Claus-Dieter Rath: "Einfühlen" und "Erschließen" bei Freud Freud geht davon aus, daß "Einfühlung" "den größten Anteil an unserem Verständnis für das Ichfremde andrer Personen hat". Anders als man sich diesen – auch Empathie genannten – Vorgang gemeinhin vorstellt, ist er für Freud aber nicht die 'Einfühlung einer Person in eine andere Person'. Der "Mechanismus, durch den uns überhaupt eine Stellungnahme zu einem anderen Seelenleben ermöglicht wird", ist nämlich notwendigerweise über das Un-Heimliche vermittelt. Die spezifische Freudsche "Einfühlung" ist kein "Sich-Gleichmachen" mit dem Patienten, sondern ein "Erschließen" des immer unerkennbar bleibenden "Realen". Statt sich mit dem Analysanten zu identifizieren ('Ich empfinde, was Du meinst'), sorgt der Psychoanalytiker Freud für genügend Fremdheit, die jenem erst die Begegnung mit dem eigenen unbewussten Begehren ermöglicht. Aus den theoretischen Auffassungen der "Einfühlung" folgen also unterschiedliche technische Konzeptionen (bspw. auch hinsichtlich der "Gegenübertragung"). Texte: Sigmund Freud: "Massenpsychologie und Ich-Analyse", Kapitel VII (Die Identifizierung), Studienausgabe Bd. IX, bes. S. 100-101; ders.: Abriß der Psychoanalyse, Kapitel VIII, in: Gesammelte Werke, 17. Band, S. 127. Max Kleiner: "Die Bildungen des Unbewußten" Das Unbewusste zeigt sich in solch "alltäglichen" Gebilden wie dem Traum, dem Witz, in Fehlleistungen (Versprechern), aber auch im neurotischen Symptom ebenso wie in dessen psychoanalytischer Deutung, bis hin zu den Phänomenen der Psychose. All diesen Bildungen liegt eine gemeinsame Struktur zu Grunde, die das menschliche Dasein als solches bestimmt. Texte: Sigmund Freud: "Zur Psychopathologie des Alltagslebens", Kap. 1: "Vergessen von Eigennamen", GW IV, S. 5-12; evtl. auch: ders.: "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten", Kap. 2: "Die Technik des Witzes" (teilw.), GW VI, S. 14-23. Peter Müller: Was sagt das Symptom? Symptome werden diagnostiziert, definiert, eingeteilt. Man wird auf sie hingewiesen oder ihretwegen überwiesen. Das Reden über "Leiden" kann ebenso obszön sein wie abendfüllend. "Ärzterallye" oder Sextourismus? Keine Analyse ohne Symptom! Indem es Freud als Metapher zu Gehör kam, konnte er dessen sexuellen Sinn entdecken. Was bedeutet "sexueller Sinn"? Hat Sexualität Sinn? Wie artikuliert sich das Sexuelle im Symptom? Symptome sind in aller Munde, sie werden gehabt, gehegt, gepflegt und in einen der jeweiligen Epoche gemäßen Diskurs eingebunden. Man hat Mühe, sich von ihnen zu trennen. Um welchen Verlust geht es, wenn das Sprechen/Artikulieren des Symptoms unüberwindbar erscheint? Psychoanalyse ist Metaphorisierung. Nach Lacan ist das Symptom selbst eine Metapher des Vaters. Wie ist diese Metaphorisierung zu verstehen und wie stellt sie sich in der Praxis dar? Das Symptom führt zur Übertragung (griech. metaphorein). Sie schafft die Adresse und die Funktion des Analytikers. Was bleibt vom diesem übrig, wenn die Übertragung etwas vom Unbewussten hörbar macht und das Gehörte gedeutet werden kann? Texte: Annemarie Hamad: "Sag mir, was soll das bedeuten?", in: Jahrbuch für klinische Psychoanalyse, Das Symptom, Bd. 2, hrsg. von André Michels, Peter Müller, Achim Perner, Tübingen 2000; Marcel Ritter: Trauma und Phantasie bei Freud, in: ebd. 1 U. Oudée Dünkelsbühler: Hysterie: "...sagte ich mir, der Fall könne keine Hysterie sein" (Freud) In einer Fußnote zu Beginn der berühmten "Dora"-Fallgeschichte schreibt Freud über eine andere Patientin: "Als diese Erzählung trotz der merkwürdigen Begebenheiten, auf die sie anspielte, vollkommen klar und ordentlich ausfiel, sagte ich mir, der Fall könne keine Hysterie sein [...]." (Sigmund Freud, "Bruchstück einer Hysterie-Analyse" ["Dora"], (1905 [1901]), in: Hysterie und Angst, St.-Ausg. Bd. VI, S. 95 (Anm.), Herv. UD. Die für die "Hysterie" nach wie vor scheinbar konstitutive Unklarheit und mangelnde Logik bezieht Freud hier weder auf Krankheitsursache(n), Symptome oder das (Un-) Wissen des hysterischen Subjekts, sondern auf das Moment des Narrativen. In dieser Vorlesung wird der Frage nach dem Verhältnis nachgegangen, das Freuds Text, der seinen Fall ja wiederum mit narrativen Mitteln darstellt bzw. "erzählt", mit dem beschriebenen Gegenstand, der Hysterie, unterhält. Texte: Sigmund Freud: "Bruchstück einer Hysterie-Analyse" ["Dora"] (1905 [1901]), in: ders., Hysterie und Angst, St.-Ausg. Bd. VI, S. 83ff.; ders.: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, 18. Vorlesung "Die Fixierung an das Trauma, Das Unbewußte" (1916-17), Frankfurt/M.: Fischer (TB 6348) 1977, S.216ff. Edith Seifert: Zum Missverständnis der Sexualität bei Freud Sexualität, insbesondere die weibliche Sexualität, war stets eine der Problemzonen psychoanalytischer Theoriebildung. Die heftige Debatte der 70er und 80er Jahre um den Phallozentrismus ist mittlerweile zwar verebbt und das Thema Sexualität scheint seine Sprengkraft fast gänzlich verloren zu haben. Ebenso ist die Faszination am Schillern des Hysterischen, und d.h. auch am Psychischen, längst hinter der von biologischen Evidenzen zurückgetreten. Trotzdem sind wir weiterhin "alle ein bißchen hysterisch" und bleiben unwiderruflich sexuiert. Die Vorlesung soll darstellen, worauf das im Licht der FreudLacanschen Psychoanalyse hinausläuft. Johanna Naumann-Drobnig: Zur Übertragung – der Analytiker als Schatzkästlein Übertragung bedeutet in der Psychoanalyse die Annahme, dass jede Beziehung zu einem anderen Menschen strukturiert ist durch Prägungen, die wir in der frühen Kindheit erfahren haben. Diese Prägungen (Imagines der Elternfiguren, unbewusste Phantasien und Wünsche, Affekte, Beziehungsmodi, etc.) bestimmen uns unbewusst zu sich wiederholenden Verhaltens- und Erlebnisweisen. Solange sie unerkannt bleibt, dient sie beispielsweise der Suggestion oder kann zum Scheitern der analytischen Beziehung führen. Die Psychoanalyse konnte als Behandlungsmethode in dem Moment fruchtbar werden, in dem Freud die Suggestion ablehnte und die Übertragung als Wiederholung erkannte. "Die Übertragung, die das größte Hindernis für die Psychoanalyse zu werden bestimmt ist, wird zum mächtigsten Hilfsmittel derselben, wenn es gelingt, sie jedesmal zu erraten und dem Kranken zu übersetzen." Aus seinem Nachdenken über das Scheitern der Analyse mit Dora schürzte Freud jenen Knoten, den er 'Übertragung' nannte. Der "Übertragungsknoten" bezieht eine Vielzahl von Fäden aufeinander: Den Faden des Reflektierens über das, was in der psychoanalytischen Praxis geschieht, d.h. über das, was den psychoanalytischen Prozess voran kommen lässt und was ihn hemmt; dann den des intensiven Nachdenkens über das Besondere der singulären Beziehung, die sich zwischen Analysant/in und Analytiker/in entspinnt. Die jeweilige Auffassung des Analytikers bestimmt seine Praxis, sein Hören wie auch sein Intervenieren wird also unterschiedlich strukturiert und ausgerichtet. Hineinverwickelt ist daher auch der 2 Faden der analytischen Theoriegeschichte, in deren Laufe unterschiedliche Konzeptionen der Übertragung entstanden sind. Diesen Faden der langen und lebhaften, noch immer aktuellen Diskussion um das Konzept und die Handhabung der Übertragung werde ich vor allem im Blick auf Freuds Erfindung der Übertragung und auf Lacans strukturelle Auffassung der Übertragung aufgreifen. Jeder Analysant, so Lacan, nimmt an, dass der Analytiker einen kleinen Schatz in sich berge, ein Objekt, an das sich sein Begehren knüpft. Texte: Dylan Evans: Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse, Wien 1997/2002. Sigmund Freud: "Bruchstück einer Hysterie-Analyse", in: ders.: St.A. Bd. VI, F/M. 1971, darin v.a.: Nachwort; ders.: Zur Dynamik der Übertragung, in: ders., St.A. Ergänzungsband Behandlungstechnik, F./M. 1975, S. 157ff.; ders.: Bemerkungen über die Übertragungsliebe, ebd., S. 217ff.; ders.: Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten, ebd., S 205ff. Jahrbuch für klinische Psychoanalyse, Übertragung, Bd. 4, hrsg. von André Michels, Peter Müller, Achim Perner, Claus-Dieter Rath, Tübingen 2002. Jacques Lacan: Le Séminaire. Livre XI. Les quatre concepts fondamentaux de la psychanalyse (1964), Paris 1973; deutsch: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, darin bes. die Kapitel XVI-XX, Seminar XI, Olten 1978; ders.: Le Séminaire. Livre VIII. Le transfert, Paris 1991. Jean Laplanche und JeanBertrand Pontalis: Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt/M. 1972. Michel Neyraut: Die Übertragung, hrsg. von A. Mitscherlich, Frankfurt/M. 1976. Moustafa Safouan: Die Übertragung und das Begehren des Analytikers, Würzburg 1997. Günther Frank: Perversion: Savoir-faire und Monotonie. Versuch einer Strukturanalyse Ausgehend von einigen für die Fragestellung zentralen Texten Sigmund Freuds, im Wesentlichen: - Fetischismus, GW XIV, S. 311ff. - Die Ichspaltung im Abwehrvorgang, GW XVII, S. 59ff. - Ein Kind wird geschlagen. Beitrag zur Kenntnis der Entstehung sexueller Perversionen, GW XII, S. 197 ff - Das ökonomische Problem des Masochismus, GW XIII, S. 371ff. werde ich unter Einbeziehung einiger Texte Jacques Lacans, v. a.: - Das Seminar, Buch IV. Die Objektbeziehung - Kant mit Sade, Schriften II, S. 133ff. versuchen, eine Strukturanalyse der Perversion zu entwickeln. Dabei ist ein Scheitern dieser Bemühung möglich, ein mögliches Ergebnis könnte sein, dass es sich um ein zu heterogenes Feld handelt, um eine Struktur zu finden. In jedem Fall wird es ein Bemühen geben, den Begriff der Perversion in einer Weise zu entwickeln, welche dem Einführungscharakter der Vorlesungsreihe Rechnung trägt. Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Ankündigung ist die Arbeit noch so wenig entwickelt, dass sich noch nicht mehr sagen lässt. Auch die Auswahl der Texte, mit denen gearbeitet werden wird, könnte sich noch verschieben. 3