Katholische Stiftungsfachhochschule München – Abteilung Benediktbeuern Der Wirschafts- und Sozialausschuß – eine Zusammenfassung über Funktion, Bedeutung und Struktur einer europäischen, politischen Hilfsinstitution. Von Andreas Berner Benediktbeuern, November 2000 1. Grober Abriß über die institutionelle Gliederung der EU Die Europäische Union ist in fünf große Institutionen untergliedert, die alle großen Einfluß auf die gemeinsame Politik der Europäischen Staaten haben. Zu nennen sind hier das Europäische Parlament, der Ministerrat, die Kommission, der Europäische Gerichtshof und der Europäische Rechnungshof. Hiermit sind alle Ebenen der Staatlichkeit vertreten, nämlich die Legislative (Europäisches Parlament, Ministerrat, Kommission), die Exekutive (Ministerrat, Kommission) und die Judikative (Europäischer Gerichtshof , Europäischer Rechnungshof). Die politische Zuständigkeit der Gemeinschaft betrifft 17 Bereiche: Freier Warenverkehr (Binnenmarkt) Landwirtschaft Freier Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr Verkehr Wettbewerb, Steuern und Angleichung der Rechtsvorschriften Wirtschafts- und Währungspolitik als Fundament der Wirtschafts- und Währungsunion Gemeinsame Handelspolitik Sozialpolitik, Bildung, Ausbildung und Jugendliche Kultur Volksgesundheit, Verbraucherschutz Transeuropäische Netze, Industrie, Zusammenhalt Forschung und technologische Entwicklung Umwelt Entwicklung 1.1 Das Europäische Parlament ( EP ) Das parlamentarische Organ, welches von der europäischen Bevölkerung in freien Wahlen ( die erste am 7. und 10. Juni 1979 ) direkt gewählt werden kann, ist die demokratische Vertretung von 375 Mio. EU-Bürgern. Das EP wird alle fünf Jahre gewählt und zählt zur Zeit 626 Abgeordnete in acht Fraktionen und dem Status der Fraktionslosen. Die Verteilung der Sitze auf die Mitgliedstaaten richtet sich nach der Bevölkerungszahl des Landes und nach der gewünschten politischen Ausgewogenheit in der Repräsentanz der Staaten. Demnach stellen die Staaten folgende Mitgliederzahlen: Belgien 25, Dänemark 16, Deutschland 99, Griechenland 25, Spanien 64, Frankreich 87, Irland 15, Italien 87, Luxemburg 6, Niederlande 31, Portugal 25, Vereinigtes Königreich 87, Österreich 21, Finnland 16, Schweden 22. Mitwirkungsrechte hat das Parlament bei der Gesetzgebung. Das EP ist aber nicht der Hauptgesetzgeber der Gemeinschaft und ist in unterschiedlichem Maße an der Ausarbeitung der gemeinsamen Rechtsakte beteiligt. Zudem hat es Budgetrechte, d. h. das Parlament hat gemeinsam mit dem Ministerrat das Recht, über den Haushalt der Union zu entscheiden. Unter anderem stellt es den Haushalt endgültig fest und kontrolliert seine Ausführung. Desweiteren kommen dem Europäischen Parlament Kontollrechte zu, die es befugen, die Komission unmittelbar zu kontrollieren und dem Ministerrat Informationen und Anhörungen abzuverlangen. Seit Jahren gibt es die Bestrebungen, dem Parlament weitreichendere Kompetenzen zuzuteilen, um die direkte Demokratie in der gemeinschaftlichen Regierung der Europäischen Union zu stärken. 1.1 Der Ministerrat ( Rat ) Der Ministerrat ist zu unterscheiden vom Europäischen Rat. Während sich im Europäischen Rat die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten treffen, um Grundsatzentscheidungen auszuhandeln ( „Instituionalisierung der Gipfeltreffen“ aus: Thiel, 1994 ), wird von den Mitgliedstaaten jeweils ein Minister in den Ministerrat ( eigentlich Rat der Europäischen Union / auch Rat genannt ) entsandt, hierbei handelt es sich um die für die einzelnen, behandelten Sachthemen, wie z. B. Finanzen, Umwelt und Verkehr, zuständigen Fachminister der einzelnen Regierungen, um die verschiedenen Aufgaben des Rates zu erfüllen. Im Rat gibt es einen Ratsvorsitz, der die Vorbereitung und Leitung aller Tagungen des Rates übernimmt, die Ausarbeitung von Kompromissen und pragmatischen Lösungen für den Rat unterbreitete Probleme und die Sicherung der Kohärenz und Kontinuität der Entscheidungen trägt. Der Ratsvorsitz geht alle sechs Monate in einer bestimmten Reihenfolge von einem EU-Staat zum anderen über. Zu den Aufgaben des Rates gehört die Rechtsprechung, d. h. die Gesetzgebungsbefugnis für die Europäische Union in Form von Verordnungen und Richtlinien, die auf den Vorschlägen der Kommission basieren. Desweiteren die Feststellung des Haushaltes ( neben dem Europäischen Parlament s. o. ), die Abschließung von internationalen Abkommen der Union ( Außenpolitik ), die Koordination einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Innere Angelegenheiten, die Abstimmung der Wirschaftspolitik der Mitgliedstaaten und die Ernennung der Mitglieder des Rechnungshofes und des Wirtschafts- und Sozialausschusses. 1.2 Die Kommission Die Kommission ist wichtigster Teil der Exekutive, deren Aufgaben sich im wesentlichen auf Kontroll-, Initiativ- und Exekutivbefugnisse erstrecken. Im einzelnen wären dies unter anderem die Unterbreitung von Gesetzesvorschlägen (hier wiederum die Rolle der Legislative), die Kontrolle über die Einhaltung und richtige Anwendung der EU-Gemeinschaftsverträge, die Haushaltsführung der Gemeinschaft, Ergreifen der Initiative zur Entwicklung von EUGemeinschaftspolitiken in den verschiedenen Bereichen wie Binnenmarkt, Forschung Umwelt, soziale und regionale Probleme, Außenhandel usw., die wirtschaftliche Verwaltung der EU, die Durchführung und Überwachung der Gemeinschaftsvorschriften in den verschiedenen der Gemeinschaft zugehörigen Sektoren wie die Kernenergie, die Kohle und Stahl, der Agrarsektor, der Wettbewerb im Binnenmarkt. Dabei handelt es sich um exekutive Aufgaben wie die Kontrolle von Kernkraftwerken, Preiskontrollen im Kohle und Stahlmarkt, Koordinierung von Investititionen. Die Kommission umfaßt 20 Mitglieder, die von den jeweiligen Regierungen der EU-Mitglied-staaten vorgeschlagen werden. Das Europäische Parlament ernennt die Kommissare für jeweils 5 Jahre. 1.3 Der Europäische Gerichtshof ( EuGH ) Dieser Gerichtshof ist mit der „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung“ ( Art. 164 EGV aus: Europäisches Parlament, 1998) der EU-Verträge betraut. Dieses Organ besteht aus 15 Richtern und 8 Generalanwälten, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten für jeweils sechs Jahre einvernehmlich ernannt werden. In der Praxis stellt jedes Mitgliedsland einen Richter. Die Aufgaben und Zuständigkeiten des EuGH bestehen in der Schlichtung von Steitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten, zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, zwischen den Organen der EU und zwischen jedes einzelnen Bürgers und der EU. Desweiteren die Abgabe von Gutachten bei internationalen Abkommen sowie die Zuständigkeit bei Vorabentscheidungen der innerstaatlichen Gerichte, die dann aber dem EuGH unterbreitet werden. Urteile, wie die zum Schutz der Menschenrechte und dem freien Niederlassungsrecht, beweisen die bedeutende Stellung des EuGH im Europäischen Einigungsprozeß. 1.4 Der Europäische Rechnungshof ( EuRH ) Der Rechnunshof ist ein Kontrollorgan, das dazu gehalten ist, das EP und den Rat bei der Überwachung der Gemeinschaftshaushaltes, der ja von der Kommission geführt wird, zu unterstützen. Sämtliche Einnahmen und Ausgaben der EU werden vom Rechnungshof fortlaufend registriert und überprüft. Hierbei geht es um die Recht- und Ordnungsmäßigkeit sowie um die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung. Zusammengesetzt ist der Rechnungshof aus 15 Mitgliedern, die vom Rat nach Anhörung des EP einstimmig auf sechs Jahre ernannt werden. Wenn möglich, sollte jedes Mitgliedsland eine Person entsenden dürfen. Alljährlich legt der Rechnungshof seinen Jahresbericht dem EP und dem Rat vor. Hier wird der Haushalt der Kommission auf Mängel geprüft, die gegebenenfalls behoben werden müssen. Desweiteren verfaßt der Rechnungshof Sonderberichte und Beratende Stellungsnahmen. 2. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß ( WSA ) 2.1 Aufgaben des Wirtschafts- und Sozialausschußes Die Hauptaufgabe des WSA ist die Beratende Funktion. Dies ist vertraglich festgelegt. Der Ausschuß verfaßt ca. 170 beratende Arbeiten pro Jahr ( davon ca. 17 % auf eigene Initiative ) für die großen drei Institutionen EP, Rat, Kommission. Dies geschieht in Form von Stellungnahmen. Neben diesen Stellungnahmen hat der Ausschuß die Möglichkeit, durch die Veranstaltung von oder die Teilnahme an Konferenzen, Gesprächsrunden, Seminare und Anhörungen oder durch das Verfassen von Informationsberichten, Einfluß auf politische Entscheidungen und die Gesetzgebung zu nehmen und den zivilen Organisationen ein Forum zu bieten. Aber der WSA hat auch andere Aufgaben, wie z.B. die „des ‘institution building‘ (Beitrag zur Strukturierung und Stärkung der Organisationen der Zivilgesellschaft) in den Drittländern, angefangen bei den Beitrittsanwärterstaaten“( Präsentation WSA internet), und „die Rolle als Bindeglied zwischen Organisationen der Zivilgesellschaft auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten in Verbindung mit den nationalen Wirtschafts- und Sozialräten“(ebenda). Eine Kontrollfunktion läßt sich dem Ausschuß auch zuordnen. Zwar ist diese nicht explizit vertraglich festgehalten, trotzdem läßt sich aber eine solche gut erkennen. Eine Beratende Funktion beinhaltet automatische eine „weiche“ Kontrolle der Gemeinschaftsorgane. Desweiteren hat der Wirtschafts- und Sozialausschuß, und das primär, wenn man den Ausschuß nicht von der rein formalen, funktionalen und vertraglichen Warte aus betrachtet sondern die Bedeutung des WSA für die Bürger in den Vordergrund stellt, die Aufgabe, die Bürger der einzelnen europäischen Staaten direkt bei den EU-Regierungsorganen zu vertreten. Hier haben die Organisationen und Verbände, in denen sich die engagierten Bürger zusammenschließen, die Chance, ganz konkret ihre Anliegen zu vertreten und dadurch, in ihrem Sinne, Einfluß auf die Unionspolitik zu nehmen. Dabei sind im Ausschuß verschiedene Ver- bände und Organisationen vertreten wie zum Beispiel die Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Soziale Organisationen. Die französische Ratspräsidentschaft hat drei prioritäre Anliegen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt: die wirtschaftliche Modernisierung und die Stärkung des europäischen Sozialmodells in Einklang bringen Europa näher an seine Bürger heranrücken Die Erweiterung der Union vorbereiten und die Stellung Europas in der Welt festigen Der WSA hat sich mit seiner mittelfristigen Aktionslinie auf diesen Kurs eingestellt. Diese enthält die Richtlinien: Verstärkte Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in das Projekt Europa Förderung von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung Bemühung um eine verbesserte Lebensqualität Hiermit übernimmt der Ausschuß Aufgaben, die über seine rein vertraglichen Verpflichtungen hinausgehen. Er will versuchen, die europäische Basis, sprich Volkswirtschaften, Demokratien, Gesellschaften, gut auf die Erweiterung und die künftige, stärkere Rolle der Europäischen Union vorzubereiten. Daneben gehört das Engagement des Ausschusses auch den Themen wie Menschenrechtsfragen ( erst in diesem Jahr verabschiedete der WSA eine Initiativstellungnahme zum Thema „Für eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union“(CESinfo), in der er fordert, die Einklagbarkeit der europäischen Grundrechtscharta in die Verträge aufzunehmen ), die Förderung erneuerbarer Energieträger, die Justitielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen, die Währungsunion, die Beitrittskandidaten, usw. 2.2 Ortung des Wirtschafts- und Sozialausschußes Der Wirtschafts- und Sozialausschuß, mit seinem Sitz in Brüssel, ist im Vergleich zu den vorher genannten Einrichtungen der EU kein politisches Organ, sondern eine politische Hilfsorganisation. Sie hat ausschließlich beratende Funktion. Sie ist anzusiedeln im Gefüge der Organe nahe der Kommission und des Rates. Von dort aus bekommt der WSA seine Aufgaben übermittelt, die „Befassung“, und an diese beiden Organe richten sich in erster Linie auch die beratenden Stellungnahmen des WSA. Der Amsterdamer Vertrag hat die Konsultationsbereiche erweitert und sieht jetzt auch die Konsultation des WSA durch das europäische Parlament vor. Der WSA kann aber auch von sich aus tätig werden und aus eigener Initiative Stellungnahmen zu den Politiken der EU geben. Diese Stellungnahmen werden den Gemeinschaftsorganen übermittelt und anschließend im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Zusätzlich unterhält der WSA regelmäßige Kontakte zu den regionalen und nationalen Wirtschats- und Sozialräten der Europäischen Union durch ständigen Informationsaustausch und einem jährlichen Beratungstreffen zu bestimmten Themen. Ebenso unterhält der WSA Kontakte zu den Wirtschafts- und Sozialräten dritter Länder, im Rahmen von “internationalen Zusammenkünften“, die alle zwei Jahre stattfinden. Zu den Drittländern oder Drittländergruppen zählt man die Mittelmeerländer, die AKP-Staaten, Mittel- und Osteuropa, Lateinamerika usw. Da sich der WSA aus Vertretern der “ einfachen Bürger “ und den Nichtregierungsorganisationen zusammensetzt, ist der WSA als „Brücke zwischen Europa und der Bürgergesellschaft“( Präsentation des WSA ) anzusehen, ein Mittler zwischen Politik und Bevölkerung, das „Sprachrohr der organisierten Bürgergesellschaft auf europäischer Ebene“(ebenda). Der WSA kann auch als Bindeglied zwischen den Organisationen der Zivilgesellschaft auf europäischer Ebene nützliche Dienste erweisen. So kann der WSA als „Haus der organisierten Zivilgesellschaft“ und als Ort für Konferenzen und Anhörungen angesehen werden. 2.3 Aufbau des Wirschafts- und Sozialausschußes Der WSA ist aus 222 Mitglieder zusammengesetzt die für 4 Jahre in den Ausschuß entsandt werden. Die Mitglieder können sich nach den vier Jahren für weitere Perioden aufstellen lassen. Sie werden nicht bezahlt, können aber ihre Auslagen und Reisekosten erstatten lassen. Die Mitgliedstaaten sind wie folgt vertreten: Deutschland, Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich: 24, Spanien: 21, Belgien, Griechenland, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden: 12, Dänemark, Irland, Finnland:9, Luxemburg:6 Diese Aufteilung der Mitglieder richtet sich nach der politischen Gewichtigkeit und der Bevölkerungszahl der einzelnen Staaten. So hat Deutschland aufgrund seiner politischen Bedeutung 24 Personen in den Ausschuß entsendet, ebenso wie das die drei anderen großen Staaten dürfen, aber es müßte aufgrund seiner wesentlich höheren Bevölkerungszahl eine größere Zahl von Mitgliedern zugestanden bekommen. Dies ist aber im Interesse des politischen Ausgleiches innerhalb der Union nicht möglich. Dieses Problem ist des öfteren Gegenstand von Diskussionen. Noch bis 1995 war Deutschland ebenso wie Frankreich und England mit nur 81 Abgeordneten im Parlament vertreten, ehe die im Juni 1992 getroffene Entschließung, ein System für die zahlenmäßige Aufteilung seiner Mitglieder einzuführen, umgesetzt wurde, in dem auch die Demographie der Staaten berücksichtigt ist. Damit entsprach man der geographischen und institutionellen Entwicklung der Union und vergrößerte die Abgeordnetenzahl von 518 auf 626 Mitglieder. Die Mitglieder des WSA ordnen sich in drei Gruppen: die Arbeitgeber (Gruppe 1), die Arbeitnehmer (Gruppe 2) und Verschiedene Interessen (Gruppe 3). Es handelt sich hierbei um Interessensvertreter des wirtschaftlichen und sozialen Lebens der Mitgliedstaaten. Man könnte sie auch als Vertreter der “organisierten Bürgergesellschaft“ bezeichnen. Das Präsidium des WSA hat die Aufgabe die Tätigkeit der Ausschüsse zu regeln und zu koordinieren. Zusätzlich legt es die politischen Leitlinien fest. Es setzt sich aus 36 Mitgliedern zusammen ( 12 jeder Gruppe ), die für zwei Jahre ernannt werden. Dem Präsidium vorgesetzt ist der/die PräsidentInn, in diesem Jahr ist es die Vertreterin der italienischen Verbraucherverbände, Beatrice Rangoni-Machiavelli, und der/die VizepräsidentInn. Dem Präsidenten obliegt die Wahrnehmung der Außenbeziehungen des Ausschusses. Das Präsidium und der Präsident des Ausschusses sind gemeinsam für Beziehungen zur EFTA, zu den AKP-Staaten, den mittel- und osteuropäischen Staaten, der Union des arabischen Maghreb, Lateinamerika und den übrigen Drittländern sowie für den Themenkomplex „Europa der Bürger“ zuständig. Der Ausschuß umfaßt folgende sechs Fachgruppen: Landwirtschaft, längliche Entwicklung, Umweltschutz Wirtschafts- und Währungsunion, Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft Außenbeziehungen Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft In diesen Fachgruppen findet die hauptsächliche Arbeit des Ausschusses statt. Die Mitglieder verfügen über spezielles Know-how und decken damit sämtliche Bereiche der legislativen Arbeit der EU-Institutionen ab. Neben den Fachgruppen gibt es die Studiengruppen. Diese werden von den Fachgruppen mit der Vorbereitung ihrer Stellungnahmen betraut. Sie setzen sich meist aus zwölf Mitgliedern ( auch Berichterstatter ) zusammen und werden von Sachverständigen unterstützt. Der WSA kann zur Behandlung von bestimmten Fragen einen Unterausschuß einsetzen, der sich dann mit diesem gefragten Gegenstand auseinandersetzt und ähnlich wie eine Fachgruppe arbeitet. Der Ausschuß kann auf die Mitarbeit von Experten zurückgreifen. In der Regel 10 mal pro Jahr tritt der WSA als Plenum zusammen. Im Rahmen von Plenartagungen verabschiedet der Ausschuß mit einfacher Mehrheit von den Fachgruppen ausgearbeitete Stellungnahmen, die den Organen weitergeleitet und im Amtsblatt veröffentlicht werden. 2.2 Bedeutung des Wirschafts- und Sozialausschußes Die Bedeutung des WSA für die Bürger besteht nicht nur in der funktionalen Pflicht, die politischen Abläufe zu unterstützen, sondern sie liegt auch jenseits der vertraglichen Aufgaben des WSA. Sie ist vor allem in den Köpfen der Leute zu suchen. In den Köpfen der Bürger und der im Ausschuß arbeitenden. Wenn man den Ausschuß von hier aus betrachtet, ist eindeutig festzustellen, daß der Ausschuß eigentlich eine ideelle, imaginäre Bedeutung besitzt. Wenn hier von WSA als „Sprachrohr der organisierten Zivilgesellschaft“ (ebenda) die Rede ist, darf man sich auch fragen, was denn hierbei herauskommt. Zwar ist der Beraterstatus des Ausschusses vertraglich geregelt und auch die Ausführung dieser Aufgabe (z.B.durch Stellungnahmen) ist konkret beschrieben. Aber was sagt der WSA? Welche Inhalte werden hier vermittelt? Ganz klar sind die Arbeitsergebnisse der kreativen Arbeit der Mitglieder entsprungen. Aber dadurch sind sie imaginärer Art. Stellungnahmen haben den Charakter von Proklamationen und sind von rein ideeller, geistiger Natur. Nicht immer ziehen die Stellungnahmen und Ratschläge des Ausschusses konkrete Handlungsschritte nach sich. Diese werden dann ja natürlich von anderen Institution ausgeführt. So ist zum Beispiel die „Charta der Grundrechte“ (ebenda) vom WSA proklamiert worden. Aber die Umsetzung in einklagbares Recht bleibt den Regierungsorganen der EU vorbehalten. Die Bürger haben dem Ausschuß das Recht zur Vertretung ihrer Interessen und Rechte verliehen. Auch dies sind Inhalte, die den Köpfen der Menschen entspringen und in diesem Falle nicht definitiv in Schriften und Verträgen festgehalten werden können. Denn Interessen und Rechte, die keinen grundsätzlichen (wie die Menschenrechte, Recht auf freien Handel, das Grundgesetz der BRD) Charakter haben, sind dem Zeitgeist unterworfen und daher ein sehr veränderliches Gut und ständig im Wandel begriffen (z.B. wirtschaftl. Interessen). Aufgabe des WSA ist es, diesen Zeitgeist aufzuspüren und sichtbar zu machen. Auch obliegt dem WSA in seinem eigenen Interesse die Aufgabe, für die Weiterentwicklung der bestehenden Werteordnung und der Rechte zu sorgen, um sie der modernen Gesellschaft anzupassen und die gesellschaftliche Weiterentwicklung zu gewährleisten. Eine weitere Bedeutung des WSA liegt in der Verbesserung der Lebensbedingungen in der EU, damit die Weiterentwicklung der Gesellschaft gewährleistet werden kann und die Bedingungen dem modernen Menschen angepaßt werden. Auch dies geschieht durch die Interessensvertretung der organisierten Zivilgesellschaft, denn durch die Artikulation der Bedürfnisse und durch die Einflußnahme auf die Steuerung der EU-Politik kann ebendies erreicht werden. Die Bedeutung des WSA liegt in seiner Funktion, als Plattform für die Formulierung der Bürgerinteressen zu dienen. Hierin liegt der Schlüssel für die Arbeit des WSA, hieraus bezieht er sein Selbstverständniss und seine Existenzberechtigung. Des weiteren ist die Sicherheit, die der Ausschuß durch seine Kontrollfunktion ausübt, eine weitere wichtige Bedeutung für die Bürger. Denn Sicherheit ist ein ganz menschliches Bedürfnis, das beachtet werden will. Hier kommt dem WSA also auch eine Wächterfunktion zu, die ein Einschreiten seitens des WSA bei politischen Fehlentwicklungen beinhaltet. 2.3 Zukunft des Wirtschafts- und Sozialausschußes Der WSA hat sehr konkrete Vorstellungen von seiner zukünftigen Entwicklung. Er soll innerhalb der EU ein größeres Gewicht bekommen. Auch in der Zukunft sieht er seine Rolle als Bürgervertretung als sehr gefragt und wichtig an. Für die Konferenz in Nizza hat sich der WSA einige Anliegen auf die Fahnen geschrieben. Der WSA möchte, daß Verbesserungen an seiner Aufgabenstellung vorgenommen werden, damit er auch in Zukunft zur europäischen Integration beitragen und dem Wandel und den Anliegen der Zivilgesellschaft gerecht zu werden. Dazu aus dem Anzeiger des WSA (CES-Info, März 2000): „ Damit der Ausschuß für die übrigen Institutionen einen wirklichen Mehrwert erbringen und als Sprachrohr für die organisierte Zivilgesellschaft fungieren kann, sollte seine beratende Funktion ausgebaut werden. Dies könnte auf unterschiedliche Weise geschehen: Einführung der Möglichkeit einer „Vorabbefassung“ des Ausschusses durch die Kommission vor Beginn des eigentlichen Rechtsetzugsverfahrens; Betrauung des Ausschusses mit einer Organisations- oder Koordinierungsaufgabe bei bestimmten Befassungen zu komplexen Fragen; Einsetzung des Ausschusses als das Forum für den Bürgerdialog zwischen den verschiedenen Organisationen der Zivilgesellschaft; Stärkung der Rolle des Ausschusses als Gremium für die Konzertierung zwischen den Wirtschafts- und Sozialpartnern“ Auch in Zukunft wird der Ausschuß eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, Europa den Bürgern näher zu bringen. Hierfür sieht der Ausschuß die Schaffung von Grundlagen für eine Zusammenarbeit mit sämtlichen Organisationen, die auf europäischer Ebene die Zivilgesellschaft vertreten. Dabei wird es auch darum gehen, die Organisationen, die bisher dem Ausschuß eher fern standen, ebenfalls in die Gemeinschaft einzubeziehen. Zu diesem Zwecke sollen verstärkt Anhörungen, Konferenzen und Seminare zu „bürgernahen“ Themen veranstaltet werden. Zweitens möchte der WSA Beiträge leisten, wenn es darum geht, die Staaten außerhalb der Gemeinschaft auf dem Weg zur organisierten Zivilgesellschaft zu unterstützen. Dazu leistet der WSA ein verstärktes Engagement durch Initiativen zu Konferenzen, durch Kovorsitze bei entsprechend themenbezogenen Gesprächsrunden. Der WSA strebt auch in naher Zukunft die Verbesserung der Beziehungen zur Kommission und zum Europäischen Parlament an. Dazu heißt es in der Präsentation des WSA im Internet: „Eine Reihe von Bereichen können sowohl methodisch als auch inhaltlich im allgemeinen Interesse verbessert und reformiert werden. Einige Möglichkeiten seien hier dargestellt: a.) Verbesserung der Beziehungen zur Kommission Mehr Stellungnahmen mit Sondierungscharakter, die von der Kommission zu Themen, die für sie politisch wichtig sind, angefordert werden Schrittweise Aufstellung eines mehrjährigen Programms für die Zusammenarbeit zwischen einigen Generaldirektionen der Kommission und den entsprechenden Fachgruppen des Ausschusses Bessere Nutzung der beratenden Funktion des Ausschusses und seines breiten Mitgliederspektrums durch Übernahme von Konsultationsaufgaben (Anhörungen, Umfragen, Workshops usw.) und/oder Koordinierung der Konsultation b) Verbesserung der Beziehungen zum Europäischen Parlament Ausschöpfung der Möglichkeiten des Vertrages von Amsterdam, der künftig die Konsultation des Ausschusses durch das Parlament vorsieht Begründung enger Beziehungen zwischen den Fachgruppen des Ausschusses und den entsprechenden Ausschüssen des Parlaments Bessere Nutzung der beratenden Funktion des Ausschusses und seines breiten Mitgliederspektrums durch Übernahme von Konsultationsaufgaben (Anhörungen, Umfragen, Workshops usw.) und/oder Koordinierung der Konsultation c) Verbesserung der Beziehungen zum Rat und den EU-Ratsvorstitzenden Förderung von Begegnungen zwischen den Berichterstattern des WSA und den amtierenden Vorsitzenden der Arbeitsgruppen des Rates Ausarbeitung von Beiträgen zu bestimmten Themen im Rahmen des Ratsvorsitzes, ggf. in Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Sozialrat oder einer vergleichbaren Einrichtung des Mitgliedstaats, das den Ratsvorsitz innehat. Wenn man sich fragen will, ob der WSA in die Bedeutungslosigkeit absackt ( Hier soll auf die Ähnlichkeit des Ausschusses in seiner Aufgabenstellung, die organisierten Verbände zu vertreten, mit dem Bayerischen Senat hingewiesen werden, der ja ob seiner Bedeutungslosigkeit und Ineffektivität abgeschafft wurde.) oder ob er es schafft, auch weiterhin seine wirklich großartige Rolle in der Gemeinschaft zu spielen, so soll man nicht die demokratische Idee außer Acht lassen, auf die sich der Ausschuß gründet. Der WSA stellt dadurch, daß er ausschließlich mit Bürgervertretern der organisierten Zivilgesellschaft besetzt ist, den Garanten für eine gute, ausgewogene Politik der EU zu Gunsten des Bürgers dar. Im Zuge der zunehmenden Demokratisierung Europas und der angestrebten lebendigen Bürgernähe der EU läßt sich keine Schwächung des WSA erkennen, vielmehr scheint daraus eine Aufwertung dieser Hilfsorganisation zu resultieren. „ Der Ausschuß verfügt über ein großes Potential, das noch nicht ausreichend genutzt wird. Das muß sich ändern. Dies ist eine der Herausforderungen, die sich im Rahmen der Erneuerung aller europäischen Institutionen stellt.“ ( Präsentation des WSA) Literaturverzeichnis Thiel, Elke: Die Europäische Union; Hrsg. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1994, 2. Auflage Generaldirektion Wissenschaft, Europäisches Parlament (Hrsg.): Leitfaden der Europäischen Union, EG 1998 Hrbek, Rudolf: Wirtschafts- und Sozialausschuß; in: Lexikon der Politik 5 – Die Europäische Union, C. H. Beck Verlag, München 1996 CES-Info: Monatliche Veröffentlichung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses Nr. 2/2000 März 2000, Nr. 7/2000 September 2000 Präsentation des WSA im Internet: http://www.ces.eu.int/pres_ces_d.htm Der Wirtschafts- und Sozialausschuß der Europäischen Gemeinschaften: http://europa.eu.int/inst/de/esc.htm