Beitrittskandidaten 2010

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Zusatzthema zu Modul 1 Struktur der Europäischen Union
Beitritt zur EU
Der Beitritt zur Europäischen Union steht grundsätzlich allen Staaten Europas auf Antrag
offen (Art. 49 Abs. 1 EUV):
„Jeder europäische Staat, der die in Artikel 2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, kann beantragen, Mitglied der Union zu werden.“
In Art. 2 EUV werden die grundlegenden Werte benannt: „Die Werte, auf die sich die Union
gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen,
die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft
gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
Die Vertragsbestimmungen legen nur die geografische Lage fest, d. h. sie schließen außereuropäische Staaten (wie die südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeerraumes) aus. Auf
einer Tagung im Juni 1993 in Kopenhagen legte der Europäische Rat folgende Kriterien als
weitere Voraussetzung für den Beitritt fest (Kopenhagener Kriterien):
– eine institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung,
für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten
(„Politische Kriterien“);
– eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den
Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten („Wirtschaftliche Kriterien“);
– die Fähigkeit, die Verpflichtungen, die aus einer Mitgliedschaft erwachsen, zu übernehmen
und sich auch die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu
eigen zu machen („Rechtliche Kriterien“).
Aus der Erfüllung aller Voraussetzungen, zu denen außerdem gehört, dass die Beitrittskandidaten den vertraglichen Verpflichtungen nachkommen (können), ist jedoch kein Rechtsanspruch auf eine EU-Mitgliedschaft abzuleiten. Die Beitrittsentscheidung ist ein Akt politischen
Ermessens insbesondere des Rates und der Mitgliedstaaten.
Vor Aufnahme der Beitrittsverhandlungen läuft ein „Screening“ genanntes Verfahren ab, in
dem Mitglieder der Kommission zusammen mit Mitgliedern der Regierung des beitrittswilligen Staates dessen gesamtes nationales Recht durchforschen, um nach Vorschriften zu
suchen, die mit dem EU-Recht (dem acquis communautaire) nicht vereinbar sind und vor
dem Beitritt angepasst werden müssen.
Das Beitrittsverfahren
Das Beitrittsverfahren läuft in mehreren Phasen ab: Antragstellung eines beitrittsuchenden
europäischen Staates an den Rat, Erörterung der generellen Möglichkeiten und Probleme
des beantragten Beitritts durch die Kommission, einstimmiger Beschluss des Rats über die
Aufnahme von Verhandlungen, die im Namen der Mitgliedstaaten vom Präsidenten des Europäischen Rats geführt werden.
Bei den Verhandlungen geht es um die Übernahme und Anwendung des gemeinschaftlichen
Besitzstandes (acquis communautaire). Darüber wacht die Kommission. Der Besitzstand ist
in Kapitel gegliedert. Die Anzahl der Kapitel richtet sich nach der Anzahl der Bereiche, in
denen Fortschritte erzielt werden müssen. Diese Bereiche werden bei der Prüfung der einzelnen Teile des Besitzstandes („Screening“) ermittelt. Jedes Kapitel wird einzeln verhandelt,
und es werden messbare Referenzkriterien für seine Öffnung und seine Schließung festgelegt.
Die Verhandlungen finden im Rahmen von bilateralen Regierungskonferenzen zwischen den
Mitgliedstaaten und dem jeweiligen Beitrittskandidaten statt. Dabei werden für jedes in die
Zuständigkeit der Gemeinschaft fallende Kapitel gemeinsame Verhandlungspositionen festgelegt.
Die Verhandlungsergebnisse (einschließlich der Ergebnisse des politischen und wirtschaftlichen Dialogs) fließen in den Entwurf des Beitrittsvertrags ein, wenn die Verhandlungen über
alle Kapitel abgeschlossen sind. Ein System von Übergangsmaßnahmen ermöglicht gegebenenfalls den Abschluss der Verhandlungen, auch wenn die vollständige Übernahme des
Besitzstandes noch nicht abgeschlossen ist.
Nach Art. 49 Abs. 2 EUV folgt dann der Abschluss eines Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden Staat, das die konkreten Modalitäten des Beitritts
regelt und auch Übergangsregelungen und zeitlich begrenzte Abweichungen beinhaltet. In
der Abschlussphase holt der Rat zunächst die endgültige Stellungnahme der Kommission
(
d-
lungsphase über den Gang der Gespräche informiert wurde, muss mit absoluter Mehrheit
seiner Mitglieder der Aufnahme zustimmen. Erst danach entscheidet der Rat einstimmig über
den Beitrittsvertrag, der von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet wird, sobald das
EP und der Rat zugestimmt haben. Da der Beitrittsvertrag ein völkerrechtlicher Akt ist, muss
er von allen Mitgliedstaaten gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert werden. Die bisherigen Beitrittsverträge sehen längere Übergangsfristen vor, bis alle
Vertragsbestimmungen in einem Mitgliedsland wirksam werden, d. h. es gelten nicht überall
die gleichen Standards.
Quelle: Nach Udo Margedant, Beitritt zur EU, Beitrittsverhandlungen (Auszug), Burkhard Steppacher, Beitrittskriterien. In: Bergmann (Hg.), Handlexikon der Europäischen Union. Baden-Baden 2012
Originaltext unter Lexikon B
Beitrittskandidaten 2010
Offizielle Kandidatenländer sind: Kroatien (Beitritt voraussichtlich am 1. 7. 2013), Island, Makedonien (ehemalige jugoslawische Republik Makedonien), Montenegro, die Türkei und Serbien.
Potenzielle Kandidatenländer sind: Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo (gemäß UN-Resolution 1244).
Siehe auch Hintergrundinformation zu Modul 1: Beitritt, Austritt und Beitrittskandidaten
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