138 8.2 Invertierbare Matrizen Die Division ist als Umkehroperation der Multiplikation definiert. Das heisst, für reelle Zahlen a 6= 0 und b gilt b = a1 genau dann, wenn a · b = 1. Übertragen wir dies von den reellen Zahlen a 6= 0, b auf quadratische Matrizen A 6= 0, B, dann müssen wir feststellen, dass es nicht zu jeder quadratischen Matrix A 6= 0 eine quadratische Matrix B mit AB = E gibt (nach der 3. Eigenschaft, Seite 136, übernimmt ja die Einheitsmatrix E die Rolle der 1 ). Beispiel A= 1 0 0 0 Gesucht sind reelle Zahlen a, b, c, d, so dass die Matrix a b B= c d die Gleichung AB = E erfüllt. Für diese Matrix A gibt es also keine 2 × 2-Matrix B mit AB = E (analog auch keine Matrix B mit BA = E). Definition Sei A eine quadratische Matrix. Gibt es eine Matrix A−1 mit AA−1 = A−1 A = E so heisst A invertierbar und die Matrix A−1 nennt man Inverse von A (sie ist eindeutig bestimmt durch A). Beispiel Invertierbar ist die Matrix A= 3 5 1 2 mit A −1 = 2 −5 . −1 3 Für die Inverse einer invertierbaren 2 × 2-Matrix gibt es eine einfache Formel. Satz 8.1 Die Matrix a b A= c d ist invertierbar genau dann, wenn ad − bc 6= 0. In diesem Fall gilt 1 d −b −1 A = . ad − bc −c a 139 Beispiel Sind die Matrizen A= 4 2 1 −2 und B= 4 2 2 1 invertierbar? Bevor wir weitere Beispiele von Inversen betrachten, kehren wir nochmals zur Eigenschaft zurück, dass Matrizen im Allgemeinen nicht gekürzt werden dürfen. Es gilt nun nämlich das Folgende. Kürzungsregel: Für Matrizen A, B, C gilt: AB = AC und A invertierbar =⇒ B=C Diese Kürzungsregel gilt, da die Gleichung AB = AC von links mit A−1 multipliziert werden kann: Weiter gelten die folgenden zwei Eigenschaften für invertierbare Matrizen. Satz 8.2 Seien A und B zwei invertierbare Matrizen. Dann gilt (1) (A−1 )−1 = A (2) (AB)−1 = B −1 A−1 Warum wird bei der Eigenschaft (2) die Reihenfolge der Matrizen vertauscht? Nun, sei C die Inverse von AB. Dann gilt E = C(AB). Multiplizieren wir diese Gleichung von rechts mit B −1 , dann erhalten wir wegen BB −1 = E B −1 = EB −1 = C(AB)B −1 = CA(BB −1 ) = CAE = CA . Nun multiplizieren wir diese Gleichung von rechts mit A−1 und finden B −1 A−1 = CAA−1 = CE = C . 140 Bestimmung der Inversen Um die Inverse einer Matrix von beliebiger Grösse zu bestimmen, kann der Gaußsche Algorithmus (in leicht veränderter Form) benutzt werden. Wie dies funktioniert, soll an einem Beispiel erklärt werden. Beispiel Gegeben ist die 3 × 3-Matrix 4 0 5 A = 0 1 −6 . 3 0 4 Gesucht ist A−1 x1 u1 v1 = x2 u2 v2 x3 u3 v3 mit AA−1 = E (falls A invertierbar ist). Wenn wir die Matrixmultiplikation AA−1 ausführen, erhalten wir aus der Matrixgleichung AA−1 = E das folgende lineare Gleichungssystem: 4x1 x2 + − + 5x3 6x3 4x3 = = = 1 0 0 u2 + − + 5u3 6u3 4u3 = = = 0 1 0 v2 + − + 5v3 6v3 4v3 = = = 0 0 1 3x1 4u1 3u1 4v1 3v1 Dies sind 9 Gleichungen in den 9 Unbekannten, doch die Gleichungen 1–3, 4–6 und 7–9 unterscheiden sich nur durch die Zahlen auf der rechten Seite. Wir haben also drei lineare Gleichungssysteme, die wir gleichzeitig mit Hilfe des Gauß-Algorithmus lösen können! Wir schreiben dazu die erweiterte Matrix der ersten drei Gleichungen hin und dahinter hängen wir die rechten Seiten der Gleichungen 4–6 und 7–9 an: 4 0 5 1 0 0 0 1 −6 0 1 0 = (A | E) 3 0 4 0 0 1 Nun führen wir den Gauß-Algorithmus durch, und zwar bis wir die Matrix A auf die reduzierte Zeilenstufenform gebracht haben, welches die Einheitsmatrix E ist, falls A invertierbar ist. Wir starten also mit (A | E), führen elementare Zeilenumformungen durch (eine Zeile besteht hier aus 6 Einträgen), bis wir die Form (E | B) erreichen. Die Matrix B ist dann die gesuchte Inverse A−1 = B ! 141 4 0 5 1 0 0 (A | E) = 0 1 −6 0 1 0 3 0 4 0 0 1 Wir erhalten also die Inverse A−1 4 0 −5 = −18 1 24 . −3 0 4 Bei diesem Verfahren muss man von einer gegebenen Matrix A nicht im Voraus wissen, ob sie invertierbar ist oder nicht. Ist A invertierbar, dann führt das eben beschriebene Vorgehen automatisch zur Inversen. Ist A jedoch nicht invertierbar, dann ist die reduzierte Zeilenstufenform von A nicht die Einheitsmatrix E; das heisst, es ist nicht möglich, durch Zeilenumformungen zur Matrix E zu gelangen. Beispiel Gegeben ist die Matrix A= 4 2 . 2 1 142 Dann gilt (A | E) = 4 2 1 0 2 1 0 1 −→ z1′ = 14 z1 1 21 2 1 1 4 0 0 1 −→ z2′ =z2 −2z1 1 1 12 4 0 0 − 12 0 1 Die Zeilenstufenform der Matrix A hat eine Nullzeile. Die reduzierte Zeilenstufenform von A kann also nicht E sein. Das heisst, dass A nicht invertierbar ist. Man kann dies auch mit Hilfe des Ranges ausdrücken. Satz 8.3 Sei A eine n × n-Matrix. Dann gilt ⇐⇒ A ist invertierbar 8.3 rg(A) = n Potenzen einer Matrix und die Transponierte Für eine quadratische Matrix A definiert man A0 = E An = AA · · · A} | {z und n Ist A ausserdem invertierbar, so ist für n ≥ 1 . Faktoren −1 A−n = (A−1 )n = |A−1 A−1 {z· · · A } . n Faktoren Es gelten die üblichen Potenzgesetze, das heisst für ganze Zahlen r und s gilt Ar As = Ar+s Für eine Diagonalmatrix Dr = Insbesondere ist dr1 .. . drn 0 D −1 = . 0 0 .. 0 d1 D= gilt (Ar )s = Ars . und 1 d1 0 dn für r in Z . 0 .. . 1 dn . Mit Diagonalmatrizen lässt es sich also sehr leicht rechnen. Wir werden im nächsten Semester sehen, wie man quadratische Matrizen “diagonalisiert”. 143 Sei weiter A eine m × n-Matrix, a11 a21 A= . .. ··· ··· ··· ··· am1 am2 · · · ··· a12 a22 .. . a1n a2n .. . . amn Dann ist die Transponierte AT von A die n × m-Matrix a11 a21 · · · am1 a12 a22 · · · am2 .. . . T . . . . A = , . .. .. .. . . . a1n a2n · · · amn das heisst, die Zeilen werden mit den Spalten vertauscht. Beispiele A= =⇒ 1 0 3 2 5 −1 1 2 AT = 0 5 , 3 −1 , B= T B = 1 3 2 6 , 1 2 , 3 6 1 C = 0 2 CT = 1 0 2 Man nennt eine (quadratische) Matrix A symmetrisch, wenn gilt AT = A . Beispiele Symmetrisch sind A= 1 3 3 6 und 1 0 3 B = 0 5 −1 . 3 −1 2 Satz 8.4 Für Matrizen entsprechender Grössen gilt: (1) (AT )T = A (2) (A + B)T = AT + B T (3) (AB)T = B T AT (4) Ist A invertierbar, so auch AT und (AT )−1 = (A−1 )T . 144 8.4 Determinanten Die Determinante ordnet jeder n×n-Matrix A eine bestimmte reelle Zahl zu. Man bezeichnet sie mit det(A) . Erledigen wir als erstes den Spezialfall n = 1: Eine 1 × 1-Matrix A besteht nur aus einem Eintrag a, das heisst, A = (a) und es gilt det(A) = a. n=2 A= a11 a12 a21 a22 det(A) = a11 a22 − a12 a21 Diesen Ausdruck haben wir schon bei der Inversen von A angetroffen (Satz 8.1). Das heisst, die Matrix A ist invertierbar, genau dann wenn det(A) 6= 0. n=3 a11 a12 a13 A = a21 a22 a23 a31 a32 a33 det(A) = a11 a22 a33 + a12 a23 a31 + a13 a21 a32 −a13 a22 a31 − a11 a23 a32 − a12 a21 a33 Beispiel 1 −1 2 A= 3 1 0 −2 0 2 n≥2 A= a11 a21 .. . an1 a12 . . . a1n a22 . . . a2n .. .. . ... . an2 . . . ann Für allgemeines n ≥ 2 kann det(A) rekursiv definiert werden. Sei Aij diejenige (n − 1) × (n − 1)-Matrix, die man aus A durch Streichen der i-ten Zeile und j-ten Spalte erhält. Entwicklung nach der ersten Zeile: det(A) = a11 det(A11 ) − a12 det(A12 ) + · · · + (−1)n+1 a1n det(A1n ) 145 Die Determinante kann nach einer beliebigen Zeile oder Spalte entwickelt werden. Entwicklung nach der i-ten Zeile: n X (−1)i+j aij det(Aij ) det(A) = j=1 Entwicklung nach der j-ten Spalte: n X (−1)i+j aij det(Aij ) det(A) = i=1 Die reelle Zahl (−1)i+j det(Aij ) heisst Kofaktor von aij . Das Vorzeichen (−1)i+j des Kofaktors kann sich mit Hilfe des folgenden Schemas gemerkt werden: + − + − ··· − + − + · · · + − + .. .. .. . . . Beispiele 1. Entwickeln wir eine 3× 3-Matrix nach der ersten Zeile, so erhalten wir die obige Definition: a11 a12 a13 a21 a22 a21 a23 a22 a23 a21 a22 a23 + a13 det det − a12 det = a11 det a31 a32 a31 a33 a32 a33 a31 a32 a33 = a11 a22 a33 − a11 a23 a32 − a12 a21 a33 + a12 a23 a31 +a13 a21 a32 − a13 a22 a31 2. Sei 1 2 0 A = −1 1 3 4 1 0 Da die letzte Spalte zwei Nullen enthält, entwickeln wir nach dieser Spalte und erhalten 3. Sei 4 0 B= 0 0 Entwicklung nach der ersten Spalte ergibt 6 7 0 0 4 9 3 5 8 −7 0 9 146 Satz 8.5 Seien A und B zwei n × n-Matrizen. Dann gilt (a) det(AB) = det(A) det(B) (b) A invertierbar ⇐⇒ det(A) 6= 0 (c) det(A−1 ) = 1 det(A) , falls A invertierbar ist (d) det(AT ) = det(A) Beim Berechnen von Determinanten sind weiter die folgenden Regeln nützlich: 1. Vertauscht man in einer Matrix zwei Zeilen (oder zwei Spalten), so ändert die Determinante das Vorzeichen. 2. Sind zwei Zeilen (oder zwei Spalten) einer Matrix gleich, so ist die Determinante gleich 0. 3. Multipliziert man eine Zeile (oder Spalte) einer Matrix mit einer reellen Zahl λ, so multipliziert sich auch die Determinante mit λ. 4. Addiert man in einer Matrix ein Vielfaches einer Zeile (oder Spalte) zu einer anderen, so ändert sich die Determinante nicht. 5. Es gilt a11 a12 · · · 0 a22 det .. .. .. . . . 0 ··· 0 a1n a11 0 · · · .. .. . . = det a21 a22 .. .. . . .. .. . . ann an1 · · · · · · 0 .. . = a11 a22 · · · ann . 0 ann Die Regeln 1, 3 und 4 zeigen uns, wie sich die Determinante einer Matrix bei einer elementaren Zeilenumformung verändert. Zur Berechnung der Determinante können wir also elementare Zeilenumformungen durchführen (wie beim Gauß-Algorithmus), um eine obere oder untere Dreiecksmatrix zu erhalten. Mit der Regel 5 ist dann die Berechnung der Determinante einfach. Beispiel 1 1 0 3 2 0 1 −1 = det 0 2 −1 4 −1 −1 2 1 147 Die Determinante hat eine geometrische Bedeutung. Satz 8.6 Sei A eine n × n-Matrix. Dann ist | det(A)| gleich dem Volumen des von den Spaltenvektoren von A aufgespannten Parallelepipeds. Beispiel Welchen Flächeninhalt hat das Parallelogramm in R2 aufgespannt von den Vektoren ~u = ( 31 ) und ~v = ( 24 ) ? Schliesslich bleibt noch zu erwähnen, dass die Determinante einer n × n-Matrix mit Hilfe von Permutationen, das heisst, bijektiven Abbildungen σ : {1, 2, . . . , n} −→ {1, 2, . . . , n}, definiert werden kann. Die Determinante ist damit eine Summe von n! Summanden (man summiert über alle Permutationen σ). Diese Definition hat aber nur einen theoretischen Nutzen. Deshalb verzichten wir hier auf die genaue Definition. 8.5 Zwei weitere Lösungsmethoden für lineare Gleichungssysteme Wir betrachten noch einmal ein lineares Gleichungssystem a11 x1 + · · · + a1n xn = b1 a21 x1 + · · · + a2n xn = b2 .. . (G) am1 x1 + · · · + amn xn = bm Seien a11 a21 A= . .. a12 a22 .. . ··· ··· am1 am2 · · · a1n a2n .. , . amn x1 x2 ~x = . in Rn , .. xn b1 b2 ~b = .. in Rm . . bm Dann können wir das System (G) schreiben als A~x = ~b . Lösung mit Hilfe der Inversen Hat das lineare System gleich viele Gleichungen wie Unbekannte, sagen wir n, und ist die zugehörige Koeffizientenmatrix A invertierbar, so gilt rg(A) = rg(A | ~b ) = n. Es gibt also genau eine Lösung. Diese kann mit Hilfe der Inversen von A direkt angegeben werden. 148 Multiplizieren wir nämlich die Gleichung A~x = ~b von links mit A−1 , dann ist ~x = A−1~b die eindeutige Lösung des Systems. Beispiel Gegeben sei das lineare System 3x + y = 1 5x + 2y = 1 Cramersche Regel Auch die Cramersche Regel, benannt nach dem Schweizer Mathematiker Gabriel Cramer (1704 – 1752), ist nur anwendbar für lineare Systeme mit invertierbarer Koeffizientenmatrix. Ist A~x = ~b das lineare System, dann ist die Lösung ~x = (x1 , . . . , xn )T gegeben durch x1 = det(A1 ) , det(A) x2 = det(A2 ) , det(A) ... , xn = det(An ) det(A) wobei die Matrix Aj dadurch entsteht, dass die j-te Spalte von A durch den Spaltenvektor ~b ersetzt wird. Beispiel Gegeben sei das lineare System 3x + y = 1 5x + 2y = 1 Wie im vorhergehenden Beispiel ist 3 1 A= mit 5 2 det(A) = 1 und ~b = 1 . 1