Gender und Minne im Daniel des Strickers Proseminararbeit PS Sachen zum Lachen – Komik in mittelalterlicher Literatur. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Inhalt Einleitung .............................................................................................................................. 1 Forschungslage ..................................................................................................................... 1 Daniel emanzipiert die mittelalterliche Frau ..........................................................................10 Schluss ................................................................................................................................17 Bibliographie ........................................................................................................................18 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 ›polish up your middle=high=German‹! Arno Schmidt, Julia oder die Gemälde. BA IV/4, 99 Der wahre Adel fußt auf eigner Tugend. Für den, der mit Klugheit hofft, ist auch das fernste Ziel erreichbar. Felix Lope de la Vega (1562–1635) Einleitung Kurz und knapp gesagt, soll die Rezeption von Strickers Daniel um eine Lesart erweitert werden. Dies wird versucht in Form eines methodischen Experiments, das bewusst viele Einzelheiten aus dem Umfeld des Daniel, namentlich viele historische Details und die anderen Texte des Strickers, beiseite lässt. Nach einer, der Übersicht halber chronologisch, jedoch mit Querverweisen auf andere Forschungsliteratur aus allen Abschnitten der Auseinandersetzung mit dem Stricker und seinem Daniel versehenen, einleitenden Besprechung des Forschungsstandes und der – bis jetzt recht eintönigen – darin verwendeten methodischen Ansätze, unter besonderer Berücksichtigung der für diese Arbeit relevanten thematischen Bezüge, folgt das zentrale Gedankenspiel. Forschungslage Zum Thema gender ist die Forschungslage denkbar schlecht: Beim Bibliographieren fand ich nur einen einzigen Aufsatz, der sich explizit mit der Rolle von gender im strickerschen Daniel auseinandersetzt. Aus diesem Grund musste ich in meiner Beschäftigung von der allgemeinen Sekundärliteratur ausgehen, die im Folgenden zusamengefasst wird. Die über bloßes Aburteilen hinausgehende tieferschürfende Beschäftigung mit Strickers Daniel setzt im Vergleich zu anderen Texten derselben Zeit erst sehr spät ein: Nach den seltenen Erwähnungen in älteren Literaturgeschichten als sinngemäß „nicht gelungene, epigonale Dichtung“, „jenseits der hohen Tradition stehend“ 1 folgt 1890 mit Gustav Rosenhagens Dissertation „Untersuchungen über Daniel von dem Blühenden Tal von dem Stricker“ die erste längere kritische Würdigung des Textes, 1 Solches ergab eine Suche nach Erwähnungen in den Literaturgeschichten im Antiquariat der Buchhandlung Reichmann, Wien 4, der ich zu Dank verpflichtet bin: Zu beachten ist, das sich die unten noch zu beschreibenden Ergebnisse der Strickerforschung bis heute (!) noch nicht gänzlich und vor allem nicht in die hintersten Winkel der Literaturlexika verbreitet haben: „Weniger geglückt s. höf. Epen nach Vorbild Hartmanns, bes. der Artusroman ›Daniel vom 1 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 die jedoch von der bisherigen Lesart2 nur in Form der tiefergehenden Beachtung abweicht: [Das Gedicht] zeigt [...] auffällige Abweichungen von den andern Romanen aus dem Kreise der Tafelrunde, einmal gewisse Seltsamkeiten in den einzelnen Abenteuer, dann besonders den vollständigen Mangel aller Liebesgeschichte. 3 Wie manch vorhergehender Interpret4 geht Rosenhagen in seinen „Untersuchungen“ in genau diesem Punkt, der Minne, davon aus, dass der Stricker – er unternimmt hier zur Beweisführung mehrere Anläufe, darunter, dass der Stricker sich eben „Stricker“ (nhd. Seiler, Strickmacher) nannte5 – ein Bürgerlicher bzw. jedenfalls kein Adeliger gewesen sei: Es [das Rittertum] war ihm innerlich durchaus fremd, daher die Gleichgiltigkeit gegen seine äussere Erscheinung und Einrichtung; daher der Mangel an Verständnis für seine Sitten und Anschauungen.6 Aber absolut fehlt in seinem Gedicht, was doch eigentlich untrennbar davon ist, die Welt der Minne!7 Die Forschung zu des Strickers Daniel blieb jedoch über längere Zeit auf dem selben Standpunkt stehen – der Roman trat nach der editio princeps durch Rosenhagen 18948 in Bezug auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung wieder zurück in das Dunkel, in dem er vor Rosenhagen gestanden war. Die Literaturgeschichten perpetuierten die Auffassung vom Daniel als epigonalem Werk ohne literarische oder außerliterarische Qualität (einen Seitenhieb auf die (Ab-)Schreibepraxis von LiteraturgeschichtsherausgeberInnen möchte ich hier aussparen, auch muss bemerkt werden, dass aufgrund der Historizität der Literatur um die Wiederholung der „Fakten“ nicht herumzukommen ist). Einige Stimmen aus dieser Richtung wären in chronologischer Reihung der Belege: blühenden Tal‹ nach versch. Vorlagen.“ Wilpert, Gero von: Lexikon der Weltliteratur – Autoren (Bd. 2). München 1997, S. 1457. 2 „großen poetischen Wert kann man ihm nicht andichten“. Rosenhagen, Gustav: Untersuchungen über Daniel von dem Blühenden Tal von dem Stricker. Diss. Kiel 1890. S. 120. 3 Rosenhagen, S. 47. 4 Interpretin hatte sich noch keine gefunden. 5 Andere (spätere) Interpretationen nehmen ebenfalls auf den Namen des Strickers Bezug, ein weiterer möglicher Deutungsansatz geht von einem metaphorischen „Versestricken“ aus. 6 Rosenhagen, S. 104. 7 Rosenhagen, S. 105. 8 Dieser Ausgabe folgte erst 1983 mit der von Michael Resler besorgten eine weitere. In dieser Arbeit beziehe ich mich jeweils auf die 2. Auflage (1995) der Reslerschen Edition: Der Stricker: Daniel von dem Blühenden Tal. Hg. von Michael Resler. 2., neubearbeitete Auflage Tübingen 1995. (Altdeutsche Textbibliothek; Bd. 92). 2 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Der Verfall der Sitten, die Entartung des Rittertums und die drohende Macht der geknechteten Bauernschaft spiegeln sich auch [...] in den Werken [...] wieder [sic!], besonders in denen des Strickers.9 Der Artusroman mußte sich schließlich, wie alle zur Mode werdenden Schöpfungen der Kunst, in sich selbst vernichten, dadurch daß man immer wieder versuchte, dem abgebauten Felde neue, unerhörte Früchte zu entlocken. Es blieb nur noch übrig, gegen die in ihnen beschlossene Idee Artus mit seinem ganzen Hofe von unbesiegbaren Rittern durch riesenhafte Übermacht oder ritterlichen Zwang lahmzulegen. [...] Einen solchen erfanden wohl nicht zufällig die der ausgewählten ritterlichen Gesellschaft innerlich aufsässigen Fahrenden mit Berufungen auf literarische Quellen, denen man auf den ersten Blick ansieht, daß sie aus den Fingern gesogen sind.10 [Die frei erfundenen Romane des 13. Jahrhunderts haben] keine wertvollen Ergebnisse aufzuweisen, weil die Erfinder dieser Geschichten sich endlos zu wiederholen pflegen und keinen neuen, beherrschenden Leitgedanken mit dem Stoffe verbinden.11 Der [...] Stricker, ein Bürgerlicher, [...] verfasste auch einen Artusroman „Daniel von Blumenthal“, worin die Liebesabenteuer zurücktreten und die Kampfschilderungen überwiegen.12 Hier offenbaren sich die Schwächen der minderen höfischen Kunst: es ist reine Abenteuerdichtung, die uns hier entgegentritt, ungestaltetes, der idealen Zielsetzung enthobenes phantastisches Leben. So dichten manche in dieser Zeit: [...] so der Stricker, ein österreichischer Fahrender, seinen „Daniel von dem Blühenden Tal“. 13 Hanns Fischer lieferte 1953 einen Beitrag „Strickerstudien“ zur Strickerforschung, der hier leider nicht berücksichtigt werden konnte. Erst etwas später (1974) wird speziell dem Daniel mehr Aufmerksamkeit innerhalb des Wissenschaftsbetriebs gewidmet. Ausgelöst wahrscheinlich14 durch Wolfgang W. Moellekens Beschäftigung mit der 9 Biese, Alfred: Deutsche Literaturgeschichte. München 1916. Die ideologische Unschärfe dieser Aussage liegt in der Ambivalenz zwischen Klage über angeblichen Wertverfall und Klage über schwelende Konflikte und verdeckt den Standpunkt des Literaturgeschichtsschreibers. 10 Borinski, Karl: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zu Gegenwart. Stuttgart – Berlin – Leipzig 1921. Die Miteinbeziehung soziohistorischer Veränderungen ist in den meisten Literaturgeschichten der Zeit besonders stark bei der Auseinandersetzung mit mittelalterlichen Texten und AutorInnen zu bemerken. Eine nähere reflektierende Interpretation dieser Tatsache, die auch die Mythen, die diese Auseinandersetzung bestimmten und bestimmen, einbeziehen müsste, steht noch aus. 11 Golther, Wolfgang: Die deutsche Dichtung im Mittelalter. 2. Aufl. Stuttgart 1922. Generell lässt sich die Kritik an der als „epigonal“ bezeichneten Literatur pointiert als oszillierend zwischen den beiden Grundaussagen „schlecht, weil nicht so gut wie die klassischen Vorbilder/nicht klassisch“ und „schlecht, weil nicht neu“ zusammenfassen. 12 Scherer, Wilhelm: Geschichte der deutschen Literatur. 15. Aufl. Berlin 1922. Bezeichnenderweise stammt obiges Zitat aus dem Abschnitt „Epigonen“. Die hier angesprochenen Kampfschilderungen und ihr verhältnismäßig großer Anteil in der Narration wurden in der bisherigen Forschungsliteratur kaum beachtet. 13 Linden, Walther: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zu Gegenwart. Leipzig 1957. Auf das Entstehungsdatum 1957 sei nochmals hingewiesen. Die Beschäftigung mit der und die Sichtweise auf die postklassische mittelalterliche Epik scheint sich tatsächlich nicht weiterentwickelt zu haben. 14 Ich beziehe mich in dieser Annahme auf die Einleitung zu Pingel, Regina: Ritterliche Werte zwischen Tradition uns Transformation. Zur veränderten Konzeption von Artusheld und Artushof in 3 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 „Minne und Ehe in Strickers ‚Daniel von dem Blühenden Tal’“. Er käut bis zu seinem Aufsatz Erkanntes wieder, meint, minne sei „zentrifugales (sic!) Charakteristikum“15 des Artusromans16, erstellt eine brauchbare Strukturanalyse, in der er zwei Formen von Aventiurenketten herauspräpariert, die ihmzufolge parallellaufen: die Artuskette, in der Daniel in der ritterlichen Gesellschaft bestehen muss und die Danielkette, in der er als Individuum geprüft wird. Moelleken ertappt dann Daniel beim mehrmaligen Ausschlagen von Heiratsangeboten der von ihm geretteten vrouwen17 und kommt zu dem Schluss, dass im Daniel minne auch bei der den Roman beschließenden Heirat, die vom Artushof und den Beratern der Königin von Clûse keine Rolle spiele: Sein Held setzt sich mit der Minne auseinander und ordnet sie einem höheren, sittlicheren Erfahrungsbereich, der Ehe, unter. 18 Nach Angaben von Ingeborg Henderson ist Moelleken ihr Lehrer, was sich in Betrachtung ihres 2 Jahre später erschienenen Beitrags19 auch ohne diesen durchaus korrekten Hinweis erahnen ließe, veröffentlichte sie nicht 1973 mit Moelleken den Aufsatz „Zur Bedeutung der liste im ‚Daniel‘ des Strickers“ Strickers Daniel von dem Blühenden Tal. Frankfurt am Main – Berlin – Bern u.a.O. 1994 (Diss. Hamburg 1992), S. 5. 15 W. W. Moelleken: Minne und Ehe in Strickers ‚Daniel von dem Blühenden Tal’. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 93. Sonderheft 1974. S. 43. 16 wie er zu dem Wort kommt, entzieht sich meiner Kenntnis. „zentrifugal <Adj.> [zu ↑ Zentrum und lat. fugere = fliehen]: 1. (Physik) auf der Wirkung der Zentrifugalkraft beruhend: eine -e Bewegung; Ü (Bildungssprache:) die -en Kräfte in einem Bundesstaat. 2. (biol., med.) vom Zentrum zur Peripherie verlaufend (z.B. von den motorischen Nerven);“ [Duden „Deutsches Universalwörterbuch“. Mannheim; Wien; Zürich 1983] „zentrifugal 1. (phys.) auf der Zentrifugalkraft beruhend, sie betreffend 2. (med.) vom Zentrum zur Peripherie verlaufend (Nerven) 3. vom Zentrum einer Drehbewegung weggerichtet“ [Langenscheidts Fremdwörterbuch. zit. n. http://www.langenscheidt.aol.de/ am 27. Mai 2001 – 18:19] 17 Ein abscheulicher Wesenszug des Ritters, den ich leider nur einmal entdecken konnte: am Beginn und am Schluss der Episode Trüeber Berg: swer sô sælic wære daz er daz twerc erslüege und daz houpt für mich trüege, swie swache er wære geborn, der würde ze herren erkorn über mich und über mîn lant. (Dan. v. 1266–1271) bzw. ir mohtet hoeren unde sehen, hæte er nach lône deheinen muot, wolde er lîp unde guot, daz es ir fröude wære. [...] wolde er ir lîbes hân begert, als diu âventiure giht, sin hæte es im verseit niht. (Dan. v. 1754 ff.) 18 Auch Ehe als Erfahrungsbereich in Opposition zum gedachten Erfahrungsbereich der Minne erzeugt hier keinen kohärenten Sinnzusammenhang. Vielleicht wäre einfacher „Bereich“ hier besser gewählt. Moellekens Standpunkt (es handelt sich um den Schlusssatz seines Aufsatzes) wurde vor allem von Ragotzky kritisiert. Ragotzky, Hedda: Gattungserneuerung und Laienunterweisung in Texten des Strickers. Tübingen 1981. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur Bd. 1) 4 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 (Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 4, S. 187–201.)20 und übernimmt sie doch relativ kritiklos im hier zur Diskussion gestellten Beitrag viele Ergebnisse Moellekens. Henderson liefert zu Beginn ihrer Arbeit einen guten Überblick über die Geschichte der Forschung zu des Strickers Daniel. In Bezug auf die ältere Kritik am Daniel stellt sie fest, es sei eine Frage des Maßstabes, wie Literatur zu betrachten sei.21 Sie geht hauptsächlich von den ritterlichen Werten und deren Verwirklichung durch den Romanhelden aus, um die bis dahin recht dürftige Forschungslage in Bezug auf eine Gesamtinterpretation des Daniel zu erweitern: Der Dienst am Mitmenschen sei zentral, Daniel zögere aber vor der ersten Individualâventiure22; wobei jedoch gelte „vor allem aber sind nicht die Taten entscheidend, sondern Daniels grundsätzliche Bereitschaft, in jeder Situation der Überlegung die Handlung folgen zu lassen“ 23. Diese starke Koppelung jeglicher Handlung an vorhergehende Überlegung zeige sich nicht nur in Bezug auf Daniel allein, sondern auch bei den Beratungen der Artusritter zwischen den Schlachten um Clûse24. Der mütt als voluntatives (Wollen) und kontemplatives (Denken) Handlungsmovens sei die zentrale Kategorie und sei für alle im Roman „Guten“, d.h. dem göttlichen ordo entsprechenden Personen, von eminenter Wichtigkeit, „erst das Zusammenspiel aller Kräfte kann das Fortbestehen der Gesellschaft als Ganzes garantieren.“25 Die Vernunft bewirke letztendlich auch die Massenhochzeit in Clûse, die nicht durch minne, sondern durch reichspolitische Erwägungen Artus‘ und Daniels herbeigeführt werde26. Der Daniel sei überhaupt in der Gesamtstruktur eindeutig auf den Verstand hin ausgerichtet, alle Gegner Daniels (re)agieren vernunftlos und müssen Daniel 19 Henderson, Ingeborg: Strickers Daniel von dem Blühenden Tal: Werkstruktur und Interpretation unter Berücksichtigung der handschriftlichen Überlieferung. Amsterdam [u.a.] 1976. 20 Ich wurde erst kurz vor Fertigstellung der vorliegenden Arbeit auf diesen Aufsatz aufmerksam gemacht, dieser konnte daher nicht mehr berücksichtigt werden. Die Arbeit Ragotzkys geht jedoch in vielen Punkten gerade auf die Ergebnisse von Moelleken/Henderson ein und übt daran wesentliche Kritik. Daher hoffe ich nicht allzuviel versäumt zu haben. 21 Henderson, S. 15. 22 Henderson, S. 145f. 23 Henderson, S. 154. Die Passage geht auf die Konzeption der ritterlichen Werte im frühen 13. Jahrhundert ein: Ragotzky arbeitet einige Jahre später die Bedeutung der Ratio (list) für den Protagonisten heraus. Intertextuell gedacht erinnert die Einheit von Theorie (Überlegung) und Praxis (Handeln) stark an die marxistische Dialektik (vgl. Heines „Doktrin“ oder Brechts Ruderergedicht). 24 Henderson, S. 158. 25 Henderson, S. 170. Vgl. auch Henderson, S. 192, wo von der „Symbiose zwischen Individuum und Gemeinschaft“ die Rede ist. 26 Henderson, S. 175. 5 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 daher den Sieg überlassen27. Emotionen wie minne, zorn, Trauer und Rache stünden der Vernunft und Kontrolle des Protagonisten entgegen, die Ausgestaltung dieser Situation antizipiere spätere didaktische Dichtungen und deren Ratio-Gedanken28. Stark auf das Moment des Verstandes bzw. der list konzerntriert sich auch Hedda Ragotzky – sie meint gleich eingangs, was der Stricker betreibe, sei insgesamt ein „innovierender Umgang mit traditionellen Gattungen“29. List sei nicht nur für den Daniel zentral, sondern sei textübergreifend dem Stricker nachzuweisen, was Ragotzky an soziohistorische Veränderungen des frühen 13. Jahrhunderts anknüpft. Die Literaturgeschichte wird eng mit der außerliterarischen Geschichte zusammengeführt. Immer wieder stellt Ragotzky auch den Bezug zu einem wichtigen literarischen Vorbild des Daniel, Hartmanns Iwein, her, wobei auf die veränderten Voraussetzungen des Rittertums und Veränderungen in der literarischen Abbildung desselben eingegangen wird: Daniel handle als Subjekt, Iwein lasse dagegend die Situation auf sich zukommen30. Weiters sei die Regelhaftigkeit der hochmittelalterlichen Gesellschaft im Daniel als Bündel von Hindernissen repräsentiert: Einerseits sei die Institution Hof durch die eigene Regelgebundenheit geschwächt31, was den Artushof in der Riesenvaterepisode fast in die Krise führt; auch Clûses Hof sei von Regeln quasi zersetzt: Die idealen Regeln sind so steril geworden, daß sie sich widerspruchslos mit dem massiven Unrecht [Anm: gemeint ist die Herausforderung Artus‘ und damit des göttlichen ordo durch Matûr] des Königs verbinden.32 Andererseits seien auch die Gegner Daniels als regelgebundene Kreaturen berechenbar und damit besiegbar geworden33. 27 Lediglich der Riesenvater agiert ebenso vernunftgeleitet wie der Held des Romans, gibt also gegen Ende des Daniel eine ebenbürtige Figur ab, die ganz im Sinne der aristotelischen Konzeption eines Spannungsbogens ein letztes retardierendes Moment der Spannungserhöhung ermöglicht. Doch aufgrund seiner wysshait (Dan v. 7519) sieht er seine Fehler ein, lässt zorn (Dan v. 7761) und has (Dan v. 7772) fahren und erkennt die Unvernunft seiner Rachegelüste. Zur draMatûrgischen Durchführung des gesamten Romans sei noch bemerkt, dass der fehlende doppelte Kursus, von dem schon Rosenhagen sprach, in der Riesenvaterepisode am ehesten eine annähernde Entsprechung finden könnte – es gibt zwar keine totale Krise des Helden, der hier durch sein Festhalten an Denken und list die Notwendigkeit der Kooperation mit dem Alten erkennt, in seinem anfänglichen Drohen diesem gegenüber zeigt sich jedoch eine im Roman bis zu dieser Stelle unbekannte Ausweglosigkeit. Dass der „Überheld“ dennoch Artus retten kann, verdankt er einmal mehr seiner analytischen Fähigkeit, die den Helden früherer Artusromane, die vornehmlich als gute und physisch starke Kämpfer gezeichnet waren, nicht eignet. 28 Vgl. Henderson, S. 190f. 29 Ragotzky, S. 1. Ragotzky unternimmt den Versuch, eine Gesamtdeutung aller Texte des Strickers vorzulegen. Die Interpretation des Daniel nimmt bei ihr die S. 45–82 in Anspruch. 30 Vgl. Ragotzky, S. 65. Es handle sich um eine „neue Qualität im Handeln des Protagonisten“. 31 Vgl. Ragotzky, S. 57. 6 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Die Frage, was niuwe-machen in Bezug auf den Daniel von dem Blühenden Tal bedeutet, beantwortet Ragotzky: es bedeute, „sehr bewußt“ die Gattungskonstituenden zu verändern34, die Typkonstanten bewusst zu verändern35. Erniuwen bedeutet keine Gattungskritik, es hat vielmehr das Ziel, das, was Minnesang und Artusroman als Selbstdeutungsmuster der höfischen Gesellschaft normativ geleistet haben, neu zur Geltung zu bringen.36 Spannend in Bezug auf die angestrebte Thematik dieser Arbeit scheint es mit dem Aufsatz Albrecht Classens37 in der von ihm herausgegebenen Anthologie feministischer Zugänge zur mittelhochdeutschen Literatur zu werden. Der Titel verspricht meiner Meinung nach zuviel – das feministische an Classens Arbeit beschränkt sich darauf, bereits in der Forschungsliteratur behandelte Einzelheiten neu aufzugreifen und verstärkt darauf hinzuweisen, dass Daniel in mehreren Episoden von Frauen Hilfe erfährt bzw. aus dem Dilemma um seine êre befreit wird (vgl. das Einschreiten vor dem selbstmörderischen Gefecht mit dem unverwundbaren Riesenbruder – Classen verweist zurecht darauf, dass es mit der list des Helden doch nicht so weit her sein kann, bricht er doch wissend um die Unbesiegbarkeit des Riesen ohne eine adäquate Waffe auf und reflektiert dies erst in dem Augenblick, als es eigentlich schon zu spät ist.38). Daniel beziehe alle seine der phantastischzauberischen Welt zugehörigen Waffen – das Zauberschwert Jurâns, das Medusenhaupt, das er allerdings ob seiner „Unritterlichkeit“ in die Tiefen eines Sees schleudert, zuletzt das unsichtbare Netz der Jungfrau von der Grüenen Ouwe von Frauen. „Female objects and devices pave the way for the hero to achieve his goals“39. Daniel sei siebenmal in Lebensgefahr und werde siebenmal durch die Unterstützung von Frauen gerettet40. Das Eingangspostulat Classens, seine list helfe dem Helden nicht immer, an neuralgischen Punkten des Epos müsse er sich auf die Hilfe von Frauen verlassen41, verifiziert Classen mit der Hinzunahme der richtigen und darauf passenden Stellen, um zu dem Schluss zu kommen, die Rationalität, das 32 Ragotzky, S. 62. Vgl. Ragotzky, S. 67. 34 Ragotzky, S. 77. 35 Vgl. Ragotzky, S. 242. 36 Ragotzky, S. 242. 37 Classen, Albrecht: The Role of Women in the Stricker’s Courtly Romance ‚Daniel von dem Blühenden Tal‘. In: Albrecht Classen [Hrsg.]: Women as protagonists and poets in the German Middle Ages: an anthology of feminist approaches to Middle High German literature – Göppingen 1991. (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 528) 38 Dies ließe sich in einer Deutung des Romans als „Artusposse“ erwähnen. 39 Classen, S. 96. 40 Vgl. Classen, S. 102. 41 Vgl. Classen, S. 89. 33 7 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Dasein des Protagonisten als normalem, nicht wie in früheren Artusromanen unbesiegbarem Menschen und der hohe Stellenwert von Frauen innerhalb der Handlung mache den Daniel zu einem „forerunner of the modern novel“42. Classen bleibt mit seinen Ausführungen am sicheren Boden und unterstreicht nur die Weiblichkeit der helfenden Personen in auch von anderen InterpretInnen bereits bedachten Episoden des Daniel, liefert jedoch keine radikalen und/oder feministischen Positionen. Regina Pingels Dissertation aus 1992 zum Daniel43 liefert (einmal mehr!) eine Synopsis der bis dahin erschienenen Sekundärliteratur. Sie bezieht den Roman stark auf das literarische Vorbild des Hartmannschen Erec, und unternimmt den Versuch einer „Gesamtdeutung“44 des Werks. Diese gelingt ihr wortreich45, wobei sie kaum mit ungesagten neuen Ergebnissen aufwarten kann – die Wiederholung älterer Ergebnisse, eingekleidet in neue und eigene Worte bietet jedoch immer wieder neue Aspekte, die in zumindest dieser Form noch nicht festgestellt wurden – und ihr darin begriffliche Unschärfen wie die synonyme Verwendung der Worte „Gesellschaft“ und „Gemeinschaft“46 unterlaufen. Die den Roman beschließende Massenhochzeit behandelt Pingel stärker als bisherige InterpretInnen und geht von folgender Prämisse aus: Dennoch hat er [der Stricker] sich zu ihrer Inszenierung entschieden, und das gewiss nicht, um die Idee der minne endgültig ad absurdum zu führen.47 Zentrale Bedeutung für die vorliegende Arbeit hat Pingels Aussage, dass bei der bereits von Rosenhagen festgestellten relativen Absenz von minne die Frage nach dem höfischen Minneideal wichtig sein muss: minne werde zwar immer nur in negativer Ausprägung – sei es der liebestolle Zwerg Jurân, sei es die Erwähnung des verligens aus dem Erec (vgl. Dan. v. 86) – diskutiert, es bleibe jedoch offen, ob das höfische Minneideal mitkritisiert werde48. 42 Classen, S. 102. Pingel, Regina: Ritterliche Werte zwischen Tradition und Transformation. Zur veränderten Konzeption von Artusheld und Artushof in Strickers Daniel von dem blühenden Tal. Frankfurt am Main – Berlin – Bern u.a. 1994 (Diss. Hamburg 1992) (=Mikrokosmos Bd. 40). 44 Pingel, S. 7. 45 Pingel scheint die begriffliche Überbestimmung von Einzelaussagen zum rhetorisch-stilistischen Mittel erhoben zu haben, sodass letztlich präzise Aussagen erst destilliert werden müssen. 46 Eine für das mediävistische Fach nicht formell wichtige Unterscheidung, die jedoch, beschäftigt frau sich wie Pingel mit der sozialen und politischen Interpretation eines Texts, auch in diesem Kontext vom politologisch-begrifflichen Standpunkt geklärt hätte werden müssen. 47 Pingel, S. 294. 48 Vgl. Pingel, S. 76. 43 8 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Eine Arbeit, die sich in noch weiterem Bogen mit Strickers Daniel auseinandersetzt, ist die der Sabine Böhm49. Obwohl die Arbeit ein Jahr nach der Pingels erschien, scheint kein Beleg dafür evident, dass Böhm die Arbeit Pingels gekannt haben könnte, auch im Literaturverzeichnis scheint kein diesbezüglicher Eintrag auf50. Böhm setzt sich wie Ragotzky mit des Strickers Gesamtwerk auseinander – hier soll lediglich auf die den Daniel von dem Blühenden Tal betreffenden Abschnitte51 eingegangen werden. Den mehrfachen Wechsel der Handlungsperspektiven zwischen Daniel- und Artusereignissen beschreibt Böhm, indem sie meint, die „âventiuren, die er „nebenher“ besteht“ wirkten sich „immer auf sein Handeln in der Hauptebene“52 aus. Im grafisch aufbereiteten Handlungsschema, das eine gute Übersicht über das Werk ermöglicht, fehlt eine Trennung der „puren“ list von der Kombination aus list und Waffengewalt – auch wenn in die Grafik dann noch eine zusätzliche, das leichte Verständnis nicht unbedingt begünstigende Symbolik hätte eingeführt werden müssen, würde ich prinzipiell eine solche Differenzierung (die auch in Böhms Text nicht vorhanden ist) in künftiger Forschung betonen. Böhm geht wie Pingel besonders auf das Verhältnis Artushof – Protagonist ein und verwendet wie sie „Gesellschaft“ und „Gemeinschaft“ synonym53. Im Gegensatz zu anderen InterpretInnen sieht Böhm keine so tiefgreifende Veränderung im Kontext von list: Das Mengenverhältnis der Textpassagen erlaubt m. E. nicht, auf eine Substitution des alten Kampfideals durch rein geistige, vernunftbetonte Lösungen zu schließen.54 Große Aufmerksamkeit widmet die Interpretin Rechtsfragen im Roman unter Beachtung des historischen Kontexts55. Das Matûrreich handle „keinesfalls Böhm, Sabine: Der Stricker – Ein Dichterprofil anhand seines Gesamtwerkes. Frankfurt am Main – Berlin – Bern u.a. 1995. (Diss. Freiburg 1995) (Europäische Hochschulschriften Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; Bd. 1530.) 50 Lediglich auf der Innenseite des hinteren Umschlags ist die Arbeit der Regina Pingel samt Abdruck des Titelblattes als Verlagswerbung aufgeführt. 51 Böhm, S. 173–204. 52 Böhm, S. 173. Ob die Wahl einer „Hauptebene“, der Artusebene – wohl unter Bezugnahme auf die Gattung eben des Artusromans gedacht – hier zulässig ist, ziehe ich in Zweifel. Hier erfolgt eine Interpretation, die fraglich ist – die Verschiebung der Handlung hin zu einer stärkeren Individualität des Helden stellt unter anderen auch Böhm selbst fest (vgl. Böhm, S. 181: „zu dem traditionellen Gottvertrauen des Ritters kommt auch eine vom Verstand gelenkte „Selbsthilfe“ hinzu.“), gerade die Hilflosigkeit des Artushofs durch seinen streng limitierten Handlungsspielraum aufgrund selbstauferlegter Regeln ist Böhm zufolge „eine Aufforderung, die ‚arturische‘ Werteordnung zu modifizieren“ (Böhm, S. 180.). Vor diesem Hintergrund de facto von einem Primat der Artushandlung zu sprechen, lehne ich ab. 53 Brisant wird es auf S. 183: Böhm stellt fest, im Daniel werde geselleschaft immer auf kraft gereimt. Dies stellt sie jedoch sechs Belegen „Gemeinschaft“ und drei „Gesellschaft“ auf derselben Seite gegenüber – wenn sogar der Stricker geselleschaft schreibt, plädiere ich hier nochmals auf differenzierteren Gebrauch der beiden Wörter! 54 Böhm, S. 184. Vgl. auch die Analyse Ingrid Hahns: Das Ethos der kraft. Zur Bedeutung der Massenschlachten in Strickers Daniel vom Blühenden Tal. In: DVJs 59 (1985), S. 173–194. 49 9 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 unhöfisch“56, Daniels âventiure-Gegner handelten unrechtmäßig, der Eid, den Daniel der Frau von der Grüenen Ouwe gibt, als sie ihn in ihrem Netz fängt, die mehrmalige Bezugnahme auf die Linde, die im Mittelalter als Rechtsbaum galt und andere Erkenntnisse, die auf rechtliche Implikationen des Strickerschen Romans schließen lassen, verdanken wir Böhm57. Die minne bzw. deren Absenz lässt auch diese Arbeit (bzw. der Abschnitt zum Daniel) stark beiseite, nur einmal folgert Böhm aus den Erkenntnissen ihrer VorgängerInnen: Der Stricker vertritt somit in dem ohnehin breit gefächerten Minnediskurs seiner Zeit [...] eine etwas eigenwillige und vielleicht auch einseitige Position.“ 58 Die abschnittweise Widersprüchlichkeit des Daniel lässt Böhm zum Abschluss ihrer Interpretation des Romans zu einer Erkenntnis kommen, die vielleicht als unausgesprochene Voraussetzung vieler anderer Arbeiten zum Text gewertet werden kann: Gerade dadurch, dass der DANIEL sich nicht glatt auflösen läßt, beschäftigt er die Geister seiner Rezipienten [ich ergänze -Innen] enorm und erreicht damit vielleicht bereits ein wichtiges Ziel.59 Daniel emanzipiert die mittelalterliche Frau Nach dieser – doch etwas länger als ursprünglich gedacht geratenen – einleitenden Synopsis der bisherigen Forschungsliteratur zum Stricker und seinem Daniel von dem Blühenden Tal soll nun gegen den Strich (paronomastisch vielleicht auch ‚gegen den Stricker‘) gelesen werden, wobei grundlegende Aspekte der oben angeführten Literatur Eingang finden und gender-Aspekte mitbedacht werden sollen60. Mit der programmatischen Abschnittsüberschrift möchte ich eine strategische Hypothese Hahn spricht von einem Fünftel des Gesamtumfangs des Daniel. 55 Zuvor bearbeitete vor allem Ragotzky diesem Komplex – sie geht davon aus, dass es sich bei der Befreiung Clûses von der Herrschaft Matûrs um ein „Erlösen“ als „Wiederherstellung von Recht“ handle (vgl. Ragotzky S. 62); auch die Argumentation des Helden gegenüber dem Riesenvater, nach der dieser sein Unrecht infolge von Matûrs Unrecht einsieht, sei eine rechtlichen Diskursen der Zeit entsprechende (vgl. Ragotzky S. 72). 56 Böhm, S. 189. Ich würde weiter gehen und behaupten, es handle „viel zu höfisch“, sodass auch Matûrs unrechtmäßige Herausforderung Artus‘ im sozialen höfischen Gefüge der Gesellschaft von Clûse nicht als Unrecht erkannt werden kann. (Vgl. s. o. Ragotzky S. 62.) 57 Böhm, S. 191f. 58 Böhm, S. 200. 59 Böhm, S. 204. 60 Schon allein aufgrund der Tatsache, die Daniela Hempen mit „gender is not widely employed“ in Germanistik umschreibt (Hempen, Daniela: The Negotiation of Gender and Power in Medieval German Writings (Thomasin von Zerclaere, Ulrich von Liechtenstein, Marquard vom Stein, Der Stricker). Diss. Tübingen 1991, S. 16). 10 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 vorstellen, die nicht streng am ontischen orientiert ist, sondern – hoffentlich! – eine mögliche Lesart des Texts zu präsentieren imstande ist. Nehmen wir einmal an, der Stricker als progressiver „Bürgerlicher“ stellt sich in „bewusster Abänderung von Gattungskonstanten“ gegen die Konzeption von minne61 und damit auch gegen die Darstellung der Frau in älteren Artusromanen. Nach Classen wird der Protagonist immer wieder von Frauen gerettet, auch nachdem „he had been fettered and stunned by an object set up by a woman“62. Dies deutet auf eine veränderte Konzeption von Weiblichkeit hin63, auch wenn das vorhergegangene Fesseln des Helden eine ambivalente Wirkung – im Text!64 – erzeugen mag65. Die Rettung durch die Hilfe66 von weiblicher Seite geht über die bloße Zauberkraft älterer Stoffe hinaus, auch wenn Elemente dieser Art auch handlungsprägend sind (vgl. das Netz, das Zauberschwert, das nicht schwer als Medusa-Motiv antiker Mythen zu dechiffrierende Haupt des Bauchlosen67), Frauen ergreifen als denkende und Überlegung hervorrufende Subjekte68 die Initiative. Dies gilt vor allem für die scheinbar flehentliche Bitte der Tochter des Herzogs vom trüeben Berg, die zugegebenermaßen unter dem Zwang des Jurân, aber doch, genau die Gebundenheit des Daniel an die ritterlichen Normen kennend, an diese appelliert. Sie wirft sich ihm zu Füßen (Dan. v. 1123) und verstärkt dadurch noch den Ruf nach seiner Rittertugend. Letztendlich ist es auch sie, die um die Unverletzlichkeit und Unbesiegbarkeit des Riesenbruders noch besser Bescheid weiß als der Held selbst (vgl. Dan. v. 1300ff., 1343ff.), wobei sie es auch ist, die den Konnex zwischen dem Zauberschwert Jurâns und dem damit doch möglichen Sieg über den Riesen herstellt: 61 Vgl. Moelleken, S. 48. Classen, S. 95f. 63 Wiewohl beachtet werden muss, dass Frauen auch schon im antiken Sagengut eine ähnliche Rolle spielten – frau denke nur an den Faden der Ariadne, der von ebenso essentieller Bedeutung für den Helden ist wie z.B. das Netz der Meerfrau. 64 Read „in the text as a textual sign rather than a historical entity.“ Vgl. Hempen, S. 28. 65 Zuckerbrot und Peitsche im postklassischen Artusroman? „Wickle mich in dein Netz, ich werde dann versprechen, mich zu schlagen!“?! 66 generisches Femininum! 67 Das Medusenhaupt bleibt im Roman nur daz houbet, Geschlecht wird ihm keines zugeschrieben. Die Bekanntheit des Medusa-Motivs mitsamt der Weiblichkeit der Medusa dürfen für den Stricker und sein Publikum jedoch vorausgesetzt werden. Zu klären wäre daher, ob das Haupt hier absichtlich geschlechtslos ist oder ob Weiblichkeit mitgedacht wurde. 68 Der innerliterarischen Aufwertung der Frau zum Handlungssubjekt entspricht die von Dinzelbacher festgestellte gesellschaftliche Aufwertung des Individuums um 1200 im Gegensatz zum patriarchalen Wir-Gedanken des früheren Mittelalters. Dennoch ist der von Hempen referierte Ansatz Ardens 62 11 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Swen got des siges dâ gewert, dem wirt ein sô getanes swert dâmit er wol erslüege diese risen ungefüege, die alliu wâfen hânt vermiten daz sie nie wurden versniten. (Dan. v. 1301–1306) Daniel ordnet sich auch vor dem Kampf mit dem Zwerg im Gespräch mit demselben selbstverständlich der Frau vom trüeben Berg unter – er nennt sie „mîne vrouwe“ im Sinne von „meine Herrin“ (v. 1522, 1538, 1546, 1548, 1553). Nebenbei bemerkt ist diese auch die einzige Tochter – und damit vom materiell-ökonomischen Standpunkt her gesehen Erbin des Landes vom Trüeben Berg. Auch die Frau vom Liechten Brunnen, die sich selbst als ehemals rîchiu grævîn, / der gewalt was aller mîn / dâ zuo dem Liehten Brunnen (Dan. v. 1813–1817), was, wenn nicht auf matriarchale Herrschaftsstrukturen, so doch auf einen großen Einfluss dieser Frau schließen lässt, verlässt sich auf die Verpflichtung des Ritters auf Werte wie sælde und êre, wenn sie den Helden um Unterstützung (parallel zur Frau vom Trüeben Berge nach einem „normgemäßen“ Kniefall gemeinsam mit allen Frauen ihres Gefolges) bittet: [...] lât die rede sîn ich nim ez ûf die sêle mîn, irn muget niemer mere iuwer sælde und iuwer êre baz gemêren denne hie. (Dan. v. 1853–1857) Sie rechnet listig mit der Normgebundenheit, wie es bisher nur dem Helden im Umgang mit seinen âventiure-Gegnern attestiert wurde. Der tîfelsman ohne Bauch ist nackt69, interessant ist, dass „er“ trotz samt dem bûch fehlender primärer Geschlechtsorgane ein man ist bzw. als solcher bezeichnet wird. Ein Element, das uns später wieder begegnen wird und hier sozusagen bereits vorbereitend eingeführt wird, ist, dass die Gräfin sich vom (Medusen-)Haupt töten lassen will, wenn ihr Mann tot sein sollte. Die juncfrouwe von der Grüenen Ouwe hat gleich zu Beginn der betreffenden Episode einen ganz anderen Stand dem Protagonisten gegenüber – sie verstrickt ihn in das Netz der Meerfrau und damit ist Daniel ihr hilflos ausgeliefert. („[Literature] does not reflect social reality for the most part“) nicht zu übersehen, nach dem Literatur meist Stereotypen und festgefahrene Motive darstelle (vgl. Hempen, S. 26). 69 Dan. v. 1884ff. 12 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Dementsprechend ist sie für ihn gleich die hêriu frouwe70, die mit ihrem machtvollen Instrument der männlichen Welt schon einigen Schaden zugefügt hat: wande ez nieman ensiht, des ist ez manges mannes val. (Dan. v. 4186f.) Doch was sie im kleinen betreibt, indem sie Männer fängt, spiegelt auch die Gesamtsituation im Land der Grüenen Ouwe wider: Der Sieche tötet nur Männer, hie hât manic edel frouwe in disem jâr ir man verlorn (Dan. v. 4550f.). Die Machtposition, in der sich die Frau befindet, nachdem sie Daniel in ihrem Netz gefangen hat, verlängert sie durch die Forderung, ihr Gefolgschaft zu leisten, was dann Daniel mangels Alternative verspricht. Die „Netzlist“ geht sicher nicht vom höfisch-männlichen Bereich des Romans aus. Das Netz kommt aus der weiblichen Welt, die Übernahme weiblicher Strategien durch den Helden in der Riesenvaterepisode ist eine Konzession an die weibliche Welt und deren Leistungen für die Gesellschaft. Die dreifache Wahl, vor die die Jungfrau von der Grüenen Ouwe Daniel stellt, ist allerdings als Aufgabe ihrer totalen Macht ihm gegenüber zu sehen; auch sie will sich – wie bereits die Gräfin vom Liechten Brunnen – töten lassen, diesmal jedoch durch Daniels Hand oder, so dieser ihr dies verwehre, als Mann verkleidet vom Siechen! Bei bloßem Abschneiden der Haare und dem Anziehen von Männerkleidung gleich von einem Transgender-Topos zu sprechen, ist vielleicht ein wenig übertrieben71, aber die Anwendung eines solchen Motivs nötigt im Zusammenhang mit der hier behandelten Thematik zumindest zur verstärkten Hinwendung daran: Daniel unterbindet solches „gender-hopping“, auch wenn es nicht von Dauer wäre, mit einer Betonung eines weiblichen Attributs der Jungfrau: ihr Haar sei lieht unde val [...,] daz sult ir niht absniden (Dan. v. 4715–4717). Durch diese Indizien lässt sich die These der modifizierten und erhöhten Stellung der Frau im Text untermauern – Frauen sind zumindest, wie eine Conclusio aus Classens Aufsatz lauten könnte, wichtig für die Handlung und den Erfolg des 70 Dan. v. 4174. Die Durchführbarkeit ihres Plans gerät vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Sieche die von ihm hypnotisierten und zum Bad-Bereiten anstehenden Männer auszieht (vgl. Dan. v. 4785ff.), in einen fragwürdigen Bereich, da diese Möglichkeit jedoch nicht gewählt wird und sie somit keine narrative Funktion mehr hat, ist sie nicht besonders ausgestaltet und „wasserdichter“ formuliert. 71 13 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Protagonisten und insofern gleichberechtigt72, als sie zwar der Hilfe des Helden bedürfen, diesem jedoch auch selbst in Tat und Rat73 beistehen müssen. Der relativ kurze Auftritt der Meerfrau im Text – er ist durch die einleitende Begründung, der Herr von der Grüenen Ouwe sei so hövesch, narrativ nur wenig verankert, spielt jedoch ob der Schenkung des Netzes an denselben eine kausale Rolle für die finale74 âventiure mit dem Riesenvater – beinhaltet folgende Verse: mit der sach man rîten unde gân ein vil wunderlîchez here. Sie was küniginne in dem mere über diu merwunder, diu dienten ir alle besunder. (Dan. v. 4282–4286), die Classen eine Andeutung alter matriarchalischer Ordnung vermuten lassen75. Diese Argumentation ist nur unter der Prämisse, dass es im Daniel um genau die Infragestellung jenes Matriarchats ginge, schlüssig, und zwar in zweierlei Hinsicht: Warum verschenkt die juncfrouwe von der Grüenen Ouwe das matriarchale Artefakt Netz, das zudem im Kampf gegen die männliche Ritterwelt (sie sammelt ja Opfer für den Siechen) nützlich wäre, überhaupt, und warum gerade an einen männlichen – dann doch zu dieser bekehrten – Repräsentanten der höfisch-ritterlichen Gesellschaft? Und: Warum zollt das durch das merwîp vertretene Matriarchat der höfisch-maskulinen patriarchalen Ordnung des Landes von der Grüenen Ouwe so viel Achtung und beschenkt dessen Herrscher mit einer Zauberwaffe76 auch noch? Die obengenannte Prämisse sieht Classen folgendermaßen, was mit der Annahme Hendersons und Pingels, der Stricker sei dem Rittertum inhaltlich und formal verbunden77, in Übereinstimmung wäre: A male dominated world rises and sets aside all women who had, however, paved the way towards victory over the monster.78 Classen verwendet selbst den Begriff der „cooperation“ (S. 99). Die Eingangsthese Classens (S. 89), dass list nicht immer ausreiche und der Protagonist sich auf die – bei Classen vorrangig materielle, d.h. die Zauberwaffen betreffende – Unterstützung von Frauen verlassen müsse, ist zu verdeutlichen: Auch weibliche list spielt eine Rolle, die des Helden allein wäre zu beschränkt. Nicht nur „female objects and devices“ helfen, sondern die Hilfeleistung besteht auch in Strategie und Rationalität. 74 Zur strukturellen Bedeutung dieser Episode vgl. Anm. 27. 75 Vgl. Classen, S. 99. 76 Wenn das Netz einmal als Eigentum des Herren und einmal als Eigentum seiner Tochter bezeichnet wird, ist dies als Beweis für die Ambivalenz der gesamten Episode „Grüene Ouwe“ zu sehen. 77 „Der Stricker fühlt wich noch weitgehend dem ritterlichen Weltbild verhaftet, was sich einmal in der Wahl der Gattung, vor allem aber in dem Gehalt seines Werkes äußert.“ Henderson, S. 189. „[...] ohne jedoch das Ritterbild im ganzen grundsätzlich in Frage zu stellen.“ Pingel, S. 143. 78 Classen, S. 101f. 72 73 14 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Zumindest eine Auseinandersetzung mit dem Stellenwert von Frauen in der Gesellschaft – im Gegensatz zu früheren epischen Texten sind Frauen keinesfalls nur mehr schön!79 – kann dem Roman nicht abgesprochen werden! Das in der Rezeption von Anfang an mit großer Aufmerksamkeit bedachte Faktum, dass minne im Daniel keine (der Gattungsnorm entsprechende) Rolle spielt, verdient auch hier Beachtung: Duby geht in völliger Deckung mit dem, was Henderson in Bezug auf die Massenhochzeit in Clûse „reichspolitische Erwägungen“ (vgl. Anm. 26, wobei Duby nicht von der herrschaftlichen Seite ausgeht und primär lehenspolitische Fragen, die die unteren Stände betrafen, berücksichtigt) nennt, von der mittelalterlichen Ehe als – ökonomischem und sozialem – Reproduktionsfaktor aus und zieht die Bedeutung von Liebe in der realen Ehekonzeption in der Gesellschaft jener Zeit eher in Zweifel80. Für den Protagonisten Daniel steht minne im Bereich der verwerflichen, weil irrationalen Emotionen einerseits, wie Henderson (vgl. Anm. 28) gezeigt hat, andererseits im Umfeld eines Gegenmodells zum Heldentum: minne als Widerspruch zur âventiure81, wobei der Roman hier auch auf das „schlechte Beispiel“ der archetypischen Artusritter rekurriert: Lanzelet82 und Erec („die exemplarischen Minneritter“83) sind nicht bei der Bewährungsprobe Daniels vor seiner Aufnahme in die Tafelrunde zugegen; sie sind auch auf âventiure84, als das Artusheer gegen Matûrs Reich gesammelt werden soll: sîner gesellen was ein teil nach âventiure geriten, der hæte er gerne gebiten oder nâch in gesant. dô wâren sie gewant mangen unkunden wec, Lanzelet und Erec 79 Obwohl es auch hiefür reichlich Belege gibt: Dan. v. 533ff., 4648, 4856, 6529ff., 8283ff., um nur einige zu nennen. 80 Duby, Georges: Die Frau ohne Stimme. Liebe und Ehe im Mittelalter. Dt. Berlin 1989. S. 7. Duby bezieht sich jedoch vor allem auf die Zeit vom 10. bis zum 12. Jh. Mit Blick auf die in dieser Zeit entstandene französische Literatur meint er: „[Man muß berücksichtigen,] daß die Gedichte, Lieder und Romane, die in der Sprache der höfischen Gesellschaft verfaßt wurden, immer nur den Rahmen für ein gesellschaftliches Spiel bildeten“ (ebda. S. 28). 81 Vgl. Pingel, S. 73. 82 Schon im „Lanzelet“ Ulrich von Zatzikhofens wird das gegensätzliche Verhältnis von minne und êre thematisiert. 83 Pingel, S. 55. 84 „Als deren ‚klassisches‘ Motiv minne zu vermuten ist“ (Pingel, S. 55). Der Zusammenhang von êre (Dan. v. 986) und der laut Pingel motivierenden minne wäre noch genauer zu untersuchen. 15 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 unde noch der genuoc, die ir muot nâch êren truoc. (Dan. v. 978–986) Nach dem Sieg des Artusheeres auch ohne diese Ritter über die von Clûse macht sich Artus rührende Gedanken um die Königin des soeben eroberten Landes: Der künic begunde kêren alle sîne sinne daz der unminne zwischen im und der künigîn schiere ein ende müeze sîn. (Dan. v. 5808–5812, Hervorhebung S.K.) In dieser antithetischen Variation zur minne muss, wenn Lexers Taschenwörterbuch85 „feindschaft“ ebenso anführt wie „unrechte liebe“, ein dementsprechendes minne-Konzept vorausgesetzt werden: wenn unminne Feindschaft ist, ist minne Verbündetsein. Eine solche Opposition begünstigt die von vielen InterpretInnen favorisierte Auffassung, minne spiele im Daniel keine Rolle. Ich meine dagegen, dass das Fehlen der herkömmlichen minne des Artusromans programmatischen Charakter hat. Das Konzept keiner minne ist auch ein Minnekonzept, das dementsprechend beachtet werden muss. Der Stricker steht – mit seiner Minneidee im Daniel – als Beispiel für das Diktum Peter Dinzelbachers, der meint, das Wert- und Normensystem der eigenen Zeit und der eigenen Gruppe sei im Frühmittelalter kaum hinterfragt, sondern meist aktualisiert worden und dies habe sich jedoch in der Zeit um 1200 verändert 86. Gattungskonstituierende Merkmale werden verschoben, dem Oszillieren zwischen der Hochstilisierung der hehren vrouwe in der höfischen Literatur mit ungefähr zur selben Zeit (nach Zeitdokumenten) aktuellen Abwertungsmechanismen dem „schwachen Geschlecht“ gegenüber87 entzieht sich der Stricker, indem er die hohe Minne gänzlich aus seinem Werk herauslässt und auf die niedere Minne nur in der negativen Ausprägung und Auswirkung, die sie auf den geilen Zwerg Jurân hat, zu sprechen kommt. Ob mit dieser Veränderung eine Verherrlichung der männlichLexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. – 37. Auflage Stuttgart 1986. Vgl. Dinzelbacher, Peter: Gefühl und Gesellschaft im Mittelalter. Vorschläge zu einer emotionsgeschichtlichen Darstellung des hochmittelalterlichen Umbruchs. In: Gert Kaiser/Jan-Dirk Müller (Hgg.): Höfische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen um 1200. Düsseldorf 1986. (Studia humaniora; Bd. 6), S. 217. 87 Vgl. dazu besonders Duby, S. 29: Es komme mit einer Aufwertung der ehelichen Liebe zu „frauenfeindlichen Akzenten“ aus der Angst der Männer vor Raub, Unzucht oder gar Hexerei der Frau. oder auch den von Dinzelbacher, S. 225ff. referierten Umgang mit nicht-adeligen Frauen: Ein „Praxisratgeber“ des Andreas Capellanus an einen Freund gebe an, Bäuerinnen könne man ruhig vergewaltigen. 85 86 16 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 ritterlichen, höfischen Werte zuht und mâze bezweckt ist, ziehe ich aufgrund des Stellenwertes, der Frauen wie oben dargelegt, im Daniel zukommt, in Zweifel und stelle nochmals die eingangs provokative erwähnte strategische Hypothese, der Stricker wolle mit seinem Daniel die Frau emanzipieren, zur Diskussion. Schluss Das ist alles halbseiden. Es ging mir vorrangig darum, den Umgang mit mittelalterlichen Texten zu überprüfen und die Wissenschaftspraxis zu hinterfragen. Die Kategorie gender spielt in der deutschsprachigen älteren Germanistik eine äußerst marginale Rolle, von daher sehe ich den zweiten Teil dieser Arbeit auch als Versuch, eine radikalere als der in der bisherigen Forschung praktizierten Herangehensweise an einen konventionellen Text zu üben. Ohne das politische Anliegen, das hinter der gesamten Genderforschung zweifellos steht, ins Lächerliche ziehen zu wollen, schließe ich (wissend um die „humorlose“ mhd. Bedeutung des Wortes witz) mit einem nachgestellten Motto, das auch dem Thema der Lehrveranstaltung Rechnung tragen soll: er wolde deheiner witze pflegen, darumbe ist der tôt gelegen. (Dan. v. 6057f.) 17 Gender und Minne im Daniel des Strickers Sachen zum Lachen. SoSe 2001 Stephan Kurz 9903140 Bibliographie Biese, Alfred: Deutsche Literaturgeschichte. München 1916. Böhm, Sabine: Der Stricker – Ein Dichterprofil anhand seines Gesamtwerkes. Frankfurt am Main – Berlin – Bern u.a. 1995. (Diss. Freiburg 1995) (Europäische Hochschulschriften Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; Bd. 1530). Borinski, Karl: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zu Gegenwart. Stuttgart – Berlin – Leipzig 1921. Classen, Albrecht: The Role of Women in the Stricker’s Courtly Romance ‚Daniel von dem Blühenden Tal‘. In: Albrecht Classen [Hrsg.]: Women as protagonists and poets in the German Middle Ages: an anthology of feminist approaches to Middle High German literature – Göppingen 1991. (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 528) Der Stricker: Daniel von dem Blühenden Tal. Hg. von Michael Resler. 2., neubearbeitete Auflage Tübingen 1995. (Altdeutsche Textbibliothek; Bd. 92). Duby, Georges: Die Frau ohne Stimme. Liebe und Ehe im Mittelalter. Dt. Berlin 1989. Golther, Wolfgang: Die deutsche Dichtung im Mittelalter. 2. Aufl. Stuttgart 1922. Hempen, Daniela: The Negotiation of Gender and Power in Medieval German Writings (Thomasin von Zerclaere, Ulrich von Liechtenstein, Marquard vom Stein, Der Stricker). Diss. Tübingen 1991. Henderson, Ingeborg: Strickers Daniel von dem Blühenden Tal: Werkstruktur und Interpretation unter Berücksichtigung der handschriftlichen Überlieferung. Amsterdam [u.a.] 1976. Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. – 37. Auflage Stuttgart 1986. Linden, Walther: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zu Gegenwart. Leipzig 1957. Moelleken, Wolfgang W.: Minne und Ehe in Strickers ‚Daniel von dem Blühenden Tal’. 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Wilpert, Gero von: Lexikon der Weltliteratur – Autoren (Bd. 2). München 1997. 18