Rede zum 100-jährigen Jubiläum des

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Es gilt das gesprochene Wort!
100jähriges Bestehen des Kreiskrankenhauses Friedberg
am 19. Juni 2010 in Friedberg
Rede Barbara Stamm, MdL
Präsidentin des Bayerischen Landtags
Sehr geehrter Herr Landrat Knauer,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Bergmair,
sehr geehrter Herr Dr. Stiebens (ärztl. Direktor),
sehr geehrter Herr Hasenbein (Geschäftsführer der
Bay. Krankenhausgesellschaft),
sehr geehrter Herr Heigl (Direktor der AOK Bayern),
100 Jahre Krankenhaus Friedberg – das ist wahrlich ein
Grund zur Freude und zugleich ein Anlass, vor dem
Hintergrund der Geschichte der Klinik auch einen Blick
auf Gegenwart und Zukunft zu richten.
Die Geschichte dieses Krankenhauses ist insgesamt
eine Erfolgsgeschichte im Spiegel ihrer Zeit, und sie ist
natürlich auch Teil der Geschichte der Region und damit der Bürgerinnen und Bürger. Was liegt näher,
diesen Ehrentag heute zum Anlass zu nehmen, etwas
genauer auf die anstehenden Herausforderungen für
unser Krankenhauswesen und unser Gesundheitswesen insgesamt nachzudenken.
Bei einem solch stolzen Geburtstag kommt man
zunächst natürlich nicht um einen kurzen Rückblick
umhin. Ein besonderes Jubiläum erhält immer dann erst
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ein „Gesicht“ und Konturen, wenn man sich bewusst
macht, in was für eine Zeit das damalige Ereignis
gefallen ist.
Wie war es damals um das Verhältnis der Menschen
zur Medizin bestellt? Wenn wir uns an die Erzählungen
unserer Großeltern zurückerinnern, dann müssen wir
zugeben, dass Medizin keine entscheidende Rolle,
zumindest nicht die Rolle von heute, spielte. Die Kinder
wurden meistens ohne den Arzt zur Welt gebracht –
und zum Sterben ging man auch nicht ins Krankenhaus, das tat man zu Hause. Die frühe Konsultierung
der Medizin galt eher als Schwäche; und viele kamen
nicht einmal auf die Idee, Medizin als Verbesserung des
Lebensgefühls anzusehen. Der Arzt wurde gerufen,
wenn ein Kind schwer krank war und man seinen Tod
befürchten musste oder wenn schwere Unfälle in Fabriken passierten.
Glücklicherweise hat sich diese Einstellung – nicht
zuletzt dank der enormen Fortschritte in der Medizin –
geändert.
Wie so oft bei sozialen Errungenschaften spielten
Frauen auch bei den Anfängen des Friedberger Krankenhauses eine wichtige Rolle.
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Es waren die Krankenschwestern des Klosters Maria
Stern, die damals im Distriktkrankenhaus in der
Jesuitengasse mit der Krankenpflege betraut wurden.
Der erste Neubau wurde dann 1910 fertig gestellt, der –
wie ich mit großer Freude der Chronik entnommen
habe
–
am
4.
Namenspatronin,
wurde.
Laut
Dezember,
offiziell
„Friedberger
am
eröffnet
Tag
und
Allgemeinen“
meiner
übergeben
hat
das
Gebäude nicht nur „sehr idyllisch“ ausgesehen, sondern
hier wurde auch ausgiebig Fasching gefeiert und
angrenzend ein Schweinestall samt Bewohner dank der
Küchenabfälle unterhalten. Das ist doch der beste
Beweis dafür, dass das Friedberger Krankenhaus fester
Bestandteil des Alltags der hier ansässigen Menschen
war.
Die zweite große bauliche Veränderung fand mit der
Erweiterung und Sanierung des Gebäudes statt und
endete mit einem wahren Ansturm der Bürgerinnen und
Bürger, als im September 2008 die rundum erneuerte
Klinik vorgestellt wurde.
Ich möchte jetzt nicht die vielen kleinen und großen
Meilensteine der Entwicklung des Krankenhauses passieren lassen – wichtig ist mir vor allem der Geist oder
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die Idee, die sich damals wie heute in dem Wirken
aller Beteiligten widerspiegelt.
Festgelegt ist es in der Präambel Ihrer Klinik: „Wir sind
ein Unternehmen im Dienst der Patienten. Unser Ziel ist
– unter Achtung der Würde des Menschen – Gesundheit wiederherzustellen, zu erhalten und zu fördern. …“
Der Mensch also steht im Mittelpunkt – diese Botschaft
vermittelt das Friedberger Krankenhaus. Besonders
beeindruckt hat mich eine Passage, in der sich das
Krankenhaus zu einem umfassenden Menschenbild
bekennt: „Der Mensch wird ganzheitlich gesehen als
physisches, psychosoziales und geistiges Wesen“ –
und das gilt für alle Menschen, die sich in diesem
„Mikrokosmos“ Krankenhaus Friedberg aufhalten.
So mancher Klinik“riese“ wird über die Anzahl von 180
Betten (zusammen mit dem Krankenhaus Aichach sind
es 300 Betten) mitleidig lächeln – andere kramen aus
ihrem Hinterkopf das längst überholte und auch längst
widerlegte Vorurteil heraus, kleinere Krankenhäuser
seien unwirtschaftlich.
Natürlich kann das Friedberger Krankenhaus zahlenmäßig nicht mit Universitätskliniken mithalten, will es
aber auch nicht.
Was ist wichtig? Hinter diesen Zahlen steht ein Team,
das nah am Patienten ist, das individuell auf Wünsche
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eingehen kann und nicht zu vergessen: Kleinere Kliniken in den Kreisen sind ein wichtiger, ein unverzichtbarer Bestandteil der Krankenhausversorgung.
Perspektiven der Krankenhausversorgung
Das ist für mich das Stichwort, einen Blick in die
Zukunft zu werfen. Die Krankenhaussituation und –versorgung von morgen – so kann man den Eindruck
gewinnen – sehen nicht besonders rosig aus. Das
Damokles-Schwert der Wirtschaftlichkeit scheint über
allem zu hängen, der Patient und der Arzt bleiben auf
der Strecke, den Pflegekräften gehen Energie und
Geduld aus.
So schwarz, wie manche Prognosen dargestellt sind,
sieht die Zukunft nicht aus. Allerdings ist es eine wirkliche Kraftanstrengung, und eines wird immer wieder
deutlich: Im Krankenhausbereich wächst das Spannungsfeld zwischen dem medizinisch Möglichen
und dem finanziell Machbaren. Dies ist nicht nur eine
Herausforderung für die Krankenhausstrukturen im Einzelfall. Es geht auch um grundsätzliche Fragen zur
Zukunft der Krankenhausversorgung und zum ordnungspolitischen Rahmen, der dafür gelten soll.
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Zur Zeit liegt – und das halte ich auch für richtig – die
Verantwortung für eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung bei den Ländern. Es gibt immer wieder
Anläufe und Diskussionen, diese Verantwortung dem
Bund bzw. einem Dritten, den Krankenkassen, zu übertragen.
Unabhängig
von
den
dazu
notwendigen
Rechtsänderungen stehen diese Vorschläge auch dem
Prinzip des Föderalismus entgegen. In anderen „Sanierungs“vorschlägen wird angeregt, ob nicht ein Verzicht
auf eine Krankenhausplanung oder zumindest eine
deutliche Beschränkung zugunsten von mehr Wettbewerb und größerer Vertragsfreiheit für Krankenkassen
und Krankenhäuser entscheidende Vorteile hätte und
insbesondere die Wirtschaftlichkeit in der stationären
Versorgung erhöhen könnte.
Anrede
Sicherlich eröffnet ein Mehr an Wettbewerb die Chancen für Ideen und Kreativität, aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Gesundheitsbereich und dabei vor
allem die Krankenhausversorgung kein „Markt“ wie
jeder andere Bereich ist, bei dem Angebot und Nachfrage im freien Spiel der Kräfte zu einer ausgewogenen
Versorgungsstruktur führen. Nehmen Sie als Beispiel
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einmal die ausreichende Notfallversorgung; eine Reduzierung in diesem Bereich auf reine Marktmechanismen
hätte wahrscheinlich zur Folge, dass sie mangels
hinreichender Erlöse überhaupt nicht oder nicht mehr
überall dort, wo Notwendigkeit besteht, angeboten
würde.
Deshalb steht für mich fest, dass wir bei allen Vorteilen,
den der Wettbewerbsgedanke auch im sozialen Bereich
mit sich bringt, eine Krankenhausplanung brauchen.
Zentrale Aufgabe muss dabei sein, eine medizinisch
leistungsfähige und ausreichend flächendeckende
Versorgung im bedarfsgerechten Umfang sicherzustellen.
Und meine Damen und Herren: Sicher könnten dies
auch Krankenkassen auf der Landesebene leisten, aber
das Land kann und darf sich aus seiner Letztverantwortung
für eine solch ausreichende Kranken-
hausversorgung nicht herausstehlen. Letztverantwortung heißt nämlich auch, dass selbst bei Abgabe der
Planungskompetenzen
ein
Eingriffsrecht
bestehen
bleibt.
Nun können wir nicht verhehlen, dass wir als Landespolitiker bei der Wahrnehmung unserer Aufgaben nicht
gerade auf gefüllte Geldtaschen zurückgreifen können
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– im Gegenteil; in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen sind deshalb mehr denn je Ideen gefragt, damit
diese begrenzten Mittel zum Wohle der Patienten so
effektiv wie möglich eingesetzt werden. Das Konzept
der Zukunft liegt in der Schaffung moderner Versorgungsstrukturen, d.h. Krankenhausstrukturen müssen
so gestaltet werden, dass in den einzelnen Regionen
insgesamt ein bedarfsgerechtes Versorgungsangebot
besteht. Das verlangt Abstimmung der Leistungsspektren und der Versorgungsangebote, und vor allem
Kooperation zwischen den Krankenhäusern. Die regionale Betrachtung hat Priorität gegenüber der krankenhausindividuellen Sichtweise. Oder anders ausgedrückt: Der Mensch bzw. der potentielle Patient mit
seinen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt, unabhängig von Landkreisgrenzen und Prestigekämpfen
zwischen den Krankenhäusern.
Übrigens verdient das Krankenhaus Friedberg auch in
diesem Bereich ein großes Lob: Die integrierte Versorgung, also die Vernetzung der unterschiedlichen
Versorgungsbereiche, wird perfekt erfüllt. Durch das
Belegarztwesen wird die ambulante Behandlung mit der
stationären Behandlung von Patienten – ganz auch im
Sinne des Patienten – verbunden; nur so kann eine reibungslose synergetische Versorgung funktionieren. Der
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Patient wird sowohl in der Praxis als auch im Krankenhaus von demselben Arzt behandelt. Das führt zu
einem unverzichtbaren Vertrauensverhältnis zwischen
Arzt und Patient und trägt darüber hinaus zu einer
Kostenminimierung bei, weil Doppeluntersuchungen
überflüssig werden.
Anrede
Entscheidend für die Zukunft unseres Krankenhauswesens wird sein, dass die gesundheitspolitisch Verantwortlichen bei notwendigen strukturellen Veränderungen an einem Strang ziehen, Offenheit für
neue Ideen zeigen und die Herausforderungen
annehmen. Wir brauchen handlungsfähige Akteure, die
ihre Interessen untereinander aushandeln und unter
staatlicher
Aufsicht
gemeinwohlbezogene
Aspekte
berücksichtigen sollen. Fehlende Transparenz, mangelnde Einbeziehung von Patienteninteressen und zum
Teil extrem langwierige Verhandlungsmarathone sind
kontraproduktiv und Dünger für wachsendes Misstrauen
bei den Menschen.
Gestatten Sie mir zum Thema „Krankenhausversorgung“ noch eine kurze Bemerkung:
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Eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft
wird die Begleitung Sterbender sein. Palliativpflege
und –medizin, die ein würdiges und schmerzfreies
Leben bis zuletzt ermöglichen, müssen selbstverständlicher Bestandteil im letzten Abschnitt unseres Lebens
werden, wenn es notwendig ist.
Wenn wir über ein flächendeckendes Netz von Palliativmedizin und Hospizwesen in unserem Land
verfügen, dann sind wir gewappnet gegen die zwar
indiskutablen, aber immer wiederkehrenden Versuche, die aktive Sterbehilfe zu legalisieren.
Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen
Anrede
Lassen Sie mich noch kurz zu einem anderen Ansatz in
unserem Gesundheitswesen kommen, der aber nicht
weniger wichtig ist in dem Zusammenspiel der Akteure.
Wer heute die enormen Fortschritte in der Medizin
beobachtet, der kann kaum glauben, dass man in den
Operationssälen einmal ausschließlich mit Zangen,
Sägen, Scheren und Klistieren gearbeitet hat.
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Aber nicht nur im Krankenhausbereich hat sich Grundlegendes gewandelt. Auch die Gesundheitspolitik ist
mitten in einem Reformprozess, der notwendig, ja
längst überfällig ist. Wir brauchen für die Zukunft eine
grundlegende Reform, wobei das bisherige Spektrum
der Gesundheitspolitik erweitert werden muss, damit
aus dem heutigen Reparaturbetrieb Gesundheitswesen eine umfassende Politik für Gesundheit wird.
Die Diskussionen um die Veränderungen sind heftig
und werden zum Teil sehr emotional geführt – etwa
wenn es um den Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung
der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung geht.
Das liegt auch daran, dass die Komplexität der
Gesundheitspolitik an sich und die Entwicklung der
Altersstruktur in unserer Gesellschaft eine unübersichtliche Gemengelage schaffen. Diese muss in vernünftige
Bahnen gelenkt werden – von allen Beteiligten.
Es geht mir heute – bei diesem Anlass – vor allem um
den Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik:
eine grundlegende Neuorientierung, weg von der Reparatur hin zu mehr Prävention und Gesundheitsförderung. Das ist nicht die Aufgabe Einzelner oder einzelner
Institutionen,
sondern
eine
gesamtgesellschaftliche
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Herausforderung. Zwei Aspekte sind mir dabei besonders wichtig:
Erstens muss die Eigenverantwortung des Bürgers
für seine Gesundheit wieder stärker wahrgenommen
werden. Das heißt, die Bereitschaft zu gesunder
Lebensführung muss geweckt bzw. gestärkt werden.
Das hat nichts mit übertriebener Fitness oder einem
übersteigerten Körperkult zu tun (auch das gibt es),
sondern mit Pflege der Gesundheit und Bewegung im
Sinne der Gesundheitsprävention.
Dieses Bewusstsein sollte schon in jungen Jahren zum
Leben erweckt werden – im Elternhaus, in den Kindergärten, in den Schulen. Wenn Fastfood und Bewegungsmangel zu Standardkombination im Alltagsleben
von Kindern und Jugendlichen werden, dann werden
schon in diesem frühen Alter die Risikofaktoren für
spätere schwere oder chronische Erkrankungen gelegt.
Der zweite Aspekt ist die Unverzichtbarkeit des ganzheitlichen Ansatzes in der Medizin. Der Mensch wird
umfassend in Diagnostik und Therapie einbezogen. Es
geht nicht nur um das Körperliche, sondern auch um
die Psyche. Gerade in diesem Bereich steigt die Anzahl
der Neuerkrankungen dramatisch an. Es vergeht kaum
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ein Tag, an dem man in den Medien nicht etwas über
Depressionen hören oder lesen kann.
Deshalb brauchen wir ein interdisziplinäres Zusammenwirken – auch im Sinne hoch qualitativer medizinischer Versorgung mit einer vorbildlichen Vor- und
Nachsorge, mit einem fließenden Übergang von stationärer zu ambulanter Behandlung.
Unverzichtbar beim ganzheitlichen Ansatz ist auch die
Einbeziehung der Familie eines Kranken – besonders
wenn es sich um Kinder und Jugendliche handelt – und
der aktive Part des Patienten an seinem eigenen
Behandlungsprozess. Viele Krankheiten beginnen nicht
mit den ersten spürbaren Schmerzen. Ebenso wenig
endet der Genesungsprozess am Entlassungstag.
Medizinische Versorgung und Pflege sind und bleiben
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie sind eines
der zentralen sozial- und gesellschaftspolitischen
Handlungsfelder, um das wir uns auch von Seiten der
Politik kümmern müssen.
Dass sich in der Gesundheitspolitik etwas ändert und
ändern muss, liegt nicht nur daran, dass das medizinische Leistungsniveau gestiegen ist; parallel dazu haben
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auch die Kosten im Gesundheitsbereich Ausmaße
angenommen, die kaum noch zu überblicken sind.
Die Gründe hierfür sind bekannt: Die Lebenserwartung
steigt und mit ihr der Aufwand für die Gesundheitsfürsorge. Hinzu kommt, dass die Erwartungen an die
Leistungsfähigkeit
unseres
Medizinwesens
ständig
gewachsen sind und weiter wachsen. Während die
Krankenversicherung vor zwanzig, dreißig Jahren
hauptsächlich für die Akut- und Notbehandlung von
Menschen eingetreten ist, ist sie inzwischen zunehmend zu einem Auffangbecken für alle möglichen
gesellschaftspolitischen Entwicklungen geworden. All
das hat mit dazu geführt, dass unser Gesundheitssystem heute kaum noch bezahlbar ist.
Reines Bewahren von Besitzständen würde den Sozialstaat noch tiefer in die Krise führen und letztlich zerstören. Aber genauso hätte „Kürzen auf Teufel komm raus“
verhängnisvolle Folgen. Es kann nur darum gehen, das
Geld dorthin zu leiten, wo es wirklich benötigt wird.
Deshalb muss man ehrlicherweise hinzufügen:
Ja, wir sind den kranken Menschen gegenüber verpflichtet, dass medizinischer Fortschritt für alle auch in
Zukunft finanzierbar ist. Das hat aber zur Konsequenz,
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dass nicht alles an medizinischer Versorgung überall
zur Verfügung stehen kann und muss.
Beispielsweise kann nicht jedes städtische Krankenhaus jede Fachabteilung vorhalten.
Hochleistungsmedizin muss sich auf hochinnovative
Zentren, z.B. an Universitätskliniken, konzentrieren –
und muss dort allerdings für jeden Patienten, der qualitativ hochwertige Versorgung benötigt, zur Verfügung
stehen. Auf der anderen Seite können sich gerade die
kleineren Krankenhäuser auf Bereiche spezialisieren, in
denen wir eine flächendeckende Versorgung brauchen.
Der Bayerische Landtag und die Staatsregierung wissen sich in ihrer Politik dem christlichen Menschenbild
mit den Eckpfeilern Solidarität, Subsidiarität und
Eigenverantwortung verpflichtet.
Eine
an
diesem
Menschenbild
orientierte
Politik
bedeutet, unseren kranken, pflegebedürftigen und
behinderten Mitbürgern aller Altersstufen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Deshalb gilt: Trotz der allgemein bekannten finanziell
schwierigen Lage bleiben wir in der Gesundheitsund Sozialpolitik nicht stehen.
Mir liegt persönlich sehr daran, das hier besonders zu
betonen. Die notwendigen Sparmaßnahmen dürfen
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nicht bei den Schwächsten unserer Gemeinschaft
ansetzen!
Der Gedanke der Solidarität darf nicht unter ökonomischen Zwängen, die zweifelsohne bestehen, leiden.
Denn es ist die Solidarität, die den Kranken, den Pflegebedürftigen und auch den Behinderten in unserer
Gemeinschaft Wärme bietet und ihnen ihr Schicksal
erträglicher gestaltet.
Denn genauso wie in der Vergangenheit wird auch in
Zukunft der einzelne Mensch, der zu versorgende Patient, die Hauptrolle im Gesundheits- bzw. Krankenhauswesen spielen – nicht nur als Empfänger der besten medizintechnischen, ärztlichen und pflegerischen
Leistungen, sondern vor allem als Mensch, der
menschliche Hilfe und Zuwendung, Trost und Zuspruch
braucht.
Bei allen Fortschritten: Keine Maschine, kein Apparat
kann heute und in Zukunft einen Händedruck, ein
Lächeln oder aufmunternde Worte ersetzen.
Der ehemalige, leider bereits verstorbene Bundespräsident Johannes Rau hat die Beziehung zwischen
Mensch und Medizin in einer seiner Reden einmal sehr
schön formuliert: „Ich halte es für ein Glück, dass wir in
der Medizin immer mehr und immer bessere technische
Möglichkeiten haben, kranken Menschen zu helfen. Je
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besser aber die Medizintechnik, umso weniger dürfen
wir vergessen, dass Menschen eben keine Maschinen
sind, die zur Reparatur in die Werkstatt kommen.“
Gestatten Sie mir zum Schluss noch einen Gedanken
ganz im Sinne der Prinzipien dieses Krankenhauses,
gemäß derer es um das Wohlbefinden aller Menschen
hier geht:
Moderne Medizin ist nur dann gut, wenn sie mit
Menschlichkeit betrieben wird. Das gilt übrigens nicht
nur für die Medizin, sondern überall dort, wo wir mit und
für Menschen arbeiten. Für den medizinischen Bereich
heißt das, die Leistungsbereitschaft und das Fachwissen zu kombinieren mit einer Grundeinstellung, die von
der Achtung des Menschen ausgeht. Sie umfasst das
Verständnis für den Menschen in seiner Gesamtheit mit
seinen Sorgen und Ängsten und das Bemühen, diese
zu lindern. Damit Ärzte und Pflegende dies leisten können, haben wir für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen, auch dies sind wir aus Respekt vor
den Menschen schuldig. Ärzte und Pflegende verpflichten sich zur Hilfe, aber nicht zur Selbstaufgabe und zur Selbstaufopferung.
Menschlichkeit ist ein vielschichtiges und unverzichtbares Element im medizinischen Bereich – insbesondere
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in der Hochleistungsmedizin. Menschlichkeit darf aber
nicht zur Unmenschlichkeit mutieren – bei niemandem, der in dem Verhältnis Pflegekraft-Arzt-Patient
eingebunden ist. Dafür tragen wir – Politik und
Gesellschaft - die Verantwortung.
Meine Damen und Herren,
aus den zarten Wurzeln des Friedberger Krankenhauses damals in der Jesuitengasse ist in den zurückliegenden 100 Jahren viel Gutes erwachsen. Dass das
auch in den kommenden Jahrzehnten so bleibt, sind
meine Hoffnung und mein Wunsch an diesem Jubiläumstag.
Zu ihrem 100-jährigen Bestehen spreche ich dem Krankenhaus Friedberg die Gratulation des Bayerischen
Landtags und meine persönlichen guten Wünsche aus.
Allen, die dazu beigetragen haben, dass wir eine so
gute Klinik in dieser Region haben, danke ich sehr
herzlich!
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