Dependenzgrammatik

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Valenz, Rektion, Satzmodelle
Das Prinzip der Dependenz wurde vor allem von Lucien Tesniere in die moderne Grammatik
eingeführt. Tesniere ging es ausschließlich um die inneren Beziehungen der Einheiten, die dem
linearen Satz zu Grunde liegen. Diese Beziehungen werden in einer Dependenzgrammatik als
Abhängigkeiten beschrieben. Demnach wird der Satz als ein hierarchisch geordnetes Ganzes
aufgefasst, dass durch die Abhängigkeitsrelationen determiniert ist. Die Satzstruktur liegt für
Tesniere nicht in der eindimensionalen Ordnung der linearen Redekette, sondern sie ergibt sich
aus den Relationen zwischen den einzelnen Satzelementen. Diese Relationen nennt er
Konnexionen und fasst sie als Abhängigkeitsrelationen auf. Sie können durch eine Stemma
/Abhängigkeitsbaum/ verdeutlicht werden. Dabei entsprechen die Knoten des Stammbaums den
Wörtern, seine Kanten den Konnexionen.
Hans isst Äpfel. - dieser Satz besteht demnach aus fünf Elementen: Hans, Äpfel, isst und zwei
Konnexionen
isst
Hans
Äpfel
Jedes Stemma enthalt einen Zentralkonten als einzigen Ausgangspunkt. Im Satz ist es immer das
Verb.
Die Fähigkeit des Verbs eine bestimmte Zahl von Aktanten an sich zu binden, vergleicht Tesniere
mit der Wertigkeit eines Atoms und bezeichnet sie als Valenz.
Nach der Zahl der Aktanten unterscheidet er avalente, monovalente, divalente und trivalente
Verben.
Unmittelbar dem Verb untergeordnet, jedoch nicht durch seine Valenz gefordert, sind die sog.
Cirkumstanten (Adverbialbestimmungen). Ihre Zahl ist - im Gegensatz zur Zahl der Aktanten theoretisch unbegrenzt.
Die Konnexionen als grundlegende Beziehungen zwischen den Elementen eines Satzes ordnen
diese hierarchisch zu einer Struktur. Sie verbinden sich hinter der linearen Erscheinungsform der
Rede und es ist die eigentliche Aufgabe der strukturellen Syntax sie herauszuarbeiten, so dass die
mehrdimensionale strukturelle Ordnung sichtbar wird.
Neben der Konnexion bilden zwei andere Erscheinungen die Grundlage der Tesnierschen Syntax:
die Translation und die Junktion.
Die Translation führte Tesniere ein, um die Veränderung der syntaktischen Kategorie von
Wörtern in bestimmten Sätzen erklären zu können.
Die Translative /T/ sind Wörter, die die Funktion der Translation übernehmen. Sie bilden keine
eigenen Knoten im Stemma, sondern sie ermöglichen das Auftreten von anderen Wörtern oder
Syntagmen in verschiedenen syntaktischen Kategorien.
le bleu de Preusse - le ist ein Translativ, das das Adjektiv in ein Substantiv verwandelt /das
preußische Blau/ - de ist ein Translativ, das das Substantiv in ein Adjektiv
verwandelt
die Frau von Peter
Frau
die
von Peter
das von Frau abhängige Substantiv Peter erfüllt syntaktisch die Rolle eines Adjektivs - diese
Rollenübernahme wird durch das Translativ "von" ermöglicht. In diesem Fall handelt es sich um
eine Translation des ersten Grades. Translationen des zweiten Grades liegen z.B. in den
Nebensätzen vor, wo das Verb in die syntaktische Rolle eines Substantivs transferiert wird. Als
Translative dienen hier subordinierende Konjunktionen
→ die Translation ist also ein Verfahren, das die Ursprungsfunktion der Hauptwortarten
qualitativ verändert und weiter erweitert
Verb.- I
Substantiv - 0
Adjektiv - A
Adverb - E
/diese Bezeichnungen stammen aus Esperanto/
Dagegen stellt die Junktion eine rein quantitative Erweiterung dar. Sie bezieht sich auf das
Verhältnis der Nebenordnung von syntaktisch gleichwertigen Knoten und wird durch Junktive
geleistet.
Das Junktiv ist also koordinierende Konjunktion der traditionellen Grammatik. Die Junktive sind
ebenso wie die Translative "leere Wörter". Die Junktive unterscheiden sich von den Translativen
darin, dass die ersteren zwischen 2 Nuklei, die letzteren innerhalb eines Nukleus stehen.
Als Nukleus wird ein Knoten mit semantischer Funktion bezeichnet. Mit dem Begriff des
Nukleus ist die Möglichkeit vorgesehen, dass die Knoten eines Stemmas auch mit Wortgruppen
belegt sein können.
Gerhardt Helbig
Unter Valenz wird die Fähigkeit der Verben verstanden, bestimmte Leerstellen im Satz zu
eröffnen, die besetzt werden müssen bzw. besetzt werden können. Sie werden besetzt durch
obligatorische Aktanten (die im Stellenplan des Verbs enthalten und in der Regel nicht
weglassbar sind) oder fakultative Aktanten (die auch im Stellenplan des Verbs enthalten, aber
unter bestimmten Kontextbedingungen weglassbar sind). Ausser den obligatorischen und
fakultativen Aktanten treten im Satz freie Angaben auf, die von der Valenz des Verbs nicht
determiniert sind und deshalb in den Satzmodellen nicht enthalten sind. Sie sind – syntaktisch
beliebig auftretende – Erweiterungen der Grundstrukturen.
Als Aktanten des Verbs werden aufgefasst das Subjekt, das Prädikativ (Subjekts- und
Objektsprädikativ), die Objekte und einige Adverbialbestimmungen, Nebensätze, Infinitive usw.
Dabei sind Subjekte und Prädikative in der Regel obligatorische Aktanten, die Objekte sind
entweder obligatorische oder fakultative Aktanten. Die Adverbialbestimmungen sind meist frei.
Frei sind immer die Ergänzungsangaben (darunter das prädikative Attribut, der dativus commodi,
der possessive Dativ) und die Attribute (als Satzgliedteile).
Ulrich Engel
Auch dieser Linguist hat in seinen Arbeiten versucht, den Begriff "Valenz" zu präzisieren. Er
fasst die Valenz in erster Linie als Konkomitanz /objevujici se soucasne/ auf. Die konkomitanten
Elemente kann man als einander bedingend auffassen. Die Bedingung ist dabei, an sich
prinzipiell nicht gerichtet, kann aber mittels einer Setzung gerichtet werden. Engel bezeichnet das
durch diese Setzung gestellte Element als Regens, das von diesem durch die Setzung für
abhängig erklärte Element als Dependens.
(Dependens, Pl. Dependentien = für abhängig erklärtes Element; Dependenz = Art der
Grammatik – Anmerkung Kopř)
Ein Dependens kann immer nur ein Regens haben, ein Regens hingegen kann mehrere
Dependentien haben. Engel unterscheidet vier Klassen von möglichen Elementen des Satzes /DKlassen/:
1. das satzkonstituierende Verb /verbal komplex/
2. unmittelbar verbabhängige Elemente
3. mittelbar verbabhängige Elemente /Attribute verschiedenen Grades und
Pertinenzelemente, Pertinenzdative, Pertinenzakkusative/
4. verbunabhängige Elemente /freie Angaben/
Ein fallender Ast hat meinem Bruder das linke Bein abgeschlagen. Es besteht z.B. offensichtlich
eine Konkomitanz zwischen dem Verb "abschlagen" und der Akkusativergänzung "das linke
Bein". Sollen wir nun sagen, das Verb bedinge die Akkusativergänzung oder die
Akkusativergänzung bedinge das Verb.
Es ist vorteilhaft, die Bedingung so zu richten, dass in möglichst vielen Fällen Therme, die
mehrere andere Therme zugleich bedingen, diesen vorgeordnet sind. Daher wird bestimmten
Elementen ein höherer, bzw. der höchste Platz zugewiesen, andere dürfen nur tiefer angesetzt
werden; solcher Art gerichtete Konkomitanz nennt man Abhängigkeit /Dependenz/,
Bei den voneinander abhängigen Klassen unterscheidet man das Regens /= das höher stehende,
das bedingende/ und das Dependens /das Abhängige/.
„Rektion (lat. rectio = Lenkung): Bestimmung, Festlegung des Kasus eines Wortes durch ein
syntaktisch übergeordnetes Wort, das den Kasus des abhängigen „regiert“; z. B.: schreibt den
Brief mit der Hand., Akk. Brief wird vom Verb verlang, Dat. Hand von Präp. mit.“
[Ulrich, W., S. 97]
Beziehung zwischen einem Regens, der regierenden Kategorie, und einer regierten Kategorie, in
der traditionellen Grammatik ohne prinzipielle Aussagen darüber meist auf die Beziehung
zwischen dem Verb und seinen Objekten beschränkt, soweit die vom Verb geforderte
Kasusmorphologie der Objekte gemeint war: lat. utor + Ablativ, aiuvo + Akkusativ; sich
erinnern früher in der Regel mit dem Genetiv, heute mit an + Akkusativ.
In der Dependenzgrammatik heißt Regens jener übergeordnete Knoten in einem
Dependenzstemma, der eine Menge von „abhängigen“ Knoten „regiert“. Jede Kombination von
Regens und abhängigen Knoten definiert eine bestimmte Strukturbeziehung. In der Gruppe auf
den Wagen wird Wagen von auf regiert und den von Wagen.“
Satzmodelle sind Grundstrukturen des deutschen Satzes. Die Struktur des Satzes hat ihr
Zentrum im Verb. Das Verb legt durch seine Valenz einen Stellenplan für den Satz fest.
Die Listen der deutschen Satzmodelle sind abstrakte Strukturmodelle, für die die verwendeten
Verben nur als Illustrationsbeispiele dienen. Zahlreiche Verben gehören oft zu mehreren
Satzmodellen, dann nämlich, wenn sie mehrere Varianten (a) haben (die sich in der Valenz
unterscheiden) oder eine alternative Valenz mit Bedeutungsunterschied (b) aufweisen:
(a)
(b)
Die Suppe kocht.
Die Mutter kocht (die Suppe)
Er schreibt (das Buch).
Er schreibt (an dem Buch).
Eine andere Art von Alternativität liegt vor, wenn ein Satzglied durch einen Nebensatz oder
durch eine Infinitivkonstruktion ersetzt werden kann:
(c)
Er hofft auf ein baldiges Wiedersehen
Er hofft (darauf), dass er ihn bald wiedersieht.
Er hofft (darauf), ihn bald wiederzusehen.
Satmodelle nach Helbig, Buscha
1. Verben ohne Aktanten
Es blitzt.
2. Verben mit keinem obl. und 1 fak. Aktanten
Es regnet (Blüten)
3. Verben mit 1 obl. Aktanten
Mich friert.
4. Verben mit 1 obl. und 1 fak. Aktanten
Die Mutter kauft (Milch) ein.
5. Verben mit 1 obl. und 2 fak. Aktanten
Die Mutter erzählt (den Kinder) (eine
Geschichte).
Der Schriftsteller übersetzt (das Buch) (aus
dem Russischen) (in das Deutsche)
6. Verben mit 1 obl. und 3 fak. Aktanten
7. Verben mit 2 obl. Aktanten
Der Direktor erwartet seine Gäste.
8. Verben mit 2 obl. und 1 fak. Aktanten
Der Schüler beantwortet (dem Lehrer) die
Fragen.
9. Verben mit 2 obl. und 2 fak. Aktanten
Der Arzt hat viele Patienten (im
Wartezimmer) (sitzen).
10. Verben mit 3 obl. Aktanten
Der Lehrer legt das Buch auf den Tisch.
Die Duden-Grammatik führt 36 Satzbaupläne auf (23 Hauptpläne, 13 Nebenpläne). Sie führt die
Satzbaupläne über funktionale Kategorien ein (Subjekt, Prädikat, Objekt, Zeitergänzung etc.)
Der Duden unterscheidet zwischen „konstitutiven“ und „freien“ Satzgliedern. Konstitutive
Satzglieder können nicht weggelassen werden. Dazu gehören Subjekt und Prädikat und je nach
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der Valenz des Verbs verschiedene „Ergänzungen 1. Grades“ . Da aber auch Ergänzungen des
Verbs selbst neue Leerstellen für andere Satzglieder eröffnen können, werden diese Ergänzungen
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„Ergänzungen 2. Grades“ genannt und mit der Ergänzung 1. Grades, die die Leerstellen
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eröffnet hat, zum sog. „Ergänzungsverband“ zusammengefasst.
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Auch der sog. „Pertinenzdativ“ (Der Regen tropft mir auf den Hut.) wird als Ergänzung 2.
Grades angesehen.
Der DUDEN teilt nun die möglichen Satzbaupläne danach ein, ob sie nur Ergänzungen 1. Grades
(sog. Hauptpläne) oder auch Ergänzungen 2. Grades (sog. Nebenpläne) enthalten, wobei bei
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letzteren Pläne mit Pertinenzdativ noch gesondert aufgeführt werden. Es gibt laut DUDEN 23
Haupt- und 14 Nebenpläne (siehe Anhang).
Im DUDEN wird danach jeder Bauplan gesondert beschrieben und jeweils eine Liste der
relevanten Verben und Konstruktionen angegeben, die teilweise danach eingeteilt wird, ob die
einzelnen Ergänzungen „persönlich“ oder „sachlich“ sind, d.h. ob die Ergänzungen belebt oder
unbelebt sind.
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