Werner Müller: - EWE

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Werner Müller:
"Mein Ossiloop"
Das Drama 4. Akt
Meine Geschichte des 32. Ossiloops vom Meer nach Leer
vom
23. April bis zum 10. Mai
im Jahre des Herrn 2013.
Nach drei geschriebenen Berichten über meine Erfahrungen und Erlebnisse der
Ossiläufe von 2010 bis 2012 wollte ich eigentlich nicht wieder zur Feder greifen, um
einen vierten Bericht zu verfassen, weil sich doch vieles wiederholt und irgendwann
abgegessen ist. Es gab aber auch Stimmen aus meinem Umfeld, die mir sagten, ich
solle doch auf jeden Fall auch, in diesem Jahr einen Bericht schreiben, weil doch
jeder Ossilauf wieder anders ist und man die Geschichten gut lesen könne. Auch
Helga, die "unsichtbare Frau" aus dem Ossilauf 2012, mit der ich nach dem Lauf
noch einige Male hin und her gemailt habe, weshalb wir uns während des Laufes
nicht gesehen haben, war der Meinung, ich solle mich wieder an den PC setzen.
Wenn man dann vor dem Computer sitzt und die 18 Tage Ossiloop noch einmal im
Geiste an einem vorüber ziehen, steckt man, ohne es wirklich zu merken, schon
wieder mitten drin im Bericht, der hoffentlich keinem zur Langeweile gereicht.
Nun soll er also losgehen, mein 4. Ossiloop, in diesem Jahr ca. zwei Wochen früher
als sonst, weil Ostern so früh liegt und Edzard sonst den weiteren Laufterminen des
Jahres ins Gehege kommt.
Dass der Ossiloop 2013 am 23. April beginnt, weiß ich seit gut einem Jahr.
Trotzdem hat er auch in diesem Jahr wieder etwas Weihnachtliches: Auch er steht
plötzlich vor der Tür.
Die Vorbereitung auf diesen Lauf, die bei mir das ganze Jahr dauert (auf was soll
man sich den Rest des Jahres auch sonst vorbereiten?), war gefühlt schwach.
Während unsere kleine Laufgruppe, bestehend überwiegend aus Frauke und mir im
Vorjahr noch einen Halbmarathon-Kurs mit Trainingsstreckenlängen von deutlich
über zehn Kilometern absolviert hat, sind es in diesem Jahr meistens lediglich die
sporadisch gelaufenen 5.2 Kilometer der Spendenlaufstrecke. Das soll nicht heißen,
dass ich ansonsten nicht gelaufen wäre. Die tausend Kilometer, die man braucht, um
sich neue Schuhe kaufen zu dürfen, habe ich schon absolviert, aber eben nur auf
relativ kurzen Strecken.
Den Logabirumer Winterlauf mit seinen 16.2 Kilometern habe ich mir in diesem Jahr
ohne große Vorbereitung angetan und war, nachdem ich das Ziel doch noch erreicht
habe, entsprechend fertig.
Der Tradition folgend haben wir Rennschnecken der zehnten Startgruppe, d. h.
Johnny der Pirat von Norderney mit seiner Frau, Sören mit seiner Frau Sabine, die
mittlerweile etwas lauffaule Anja nebst Gemahl und ich mit meiner Liebsten im
November beim Italiener getroffen um nicht zu vergessen, wie wir aussehen und um
uns wenigstens einmal außerhalb des Ossiloops zu sehen.
Dass meine Motivation für den Ossiloop in diesem Jahr nicht so hoch ist wie in den
Vorjahren, mag zum einen daran liegen, dass ich nach drei überstandenen Läufen
schon so etwas wie ein alter Hase bin und das Rennfieber nicht mehr ganz so hoch
ist, zum Anderen dauerte dieser Winter bis in den April hinein. Kein Blatt am Baum,
kein Grün in der Natur, man mochte an Frühjahr und Ossiloop gar nicht denken.
Der Ausschlag gebende Grund ist jedoch, dass ich den Ossiloop in diesem Jahr
vermutlich nicht zu Ende laufen kann, weil ich beim Einlauf in Leer Bratwürste für
Fortuna, unseren Sportverein, verkaufen muss und somit die letzte Etappe verpasse.
Zwar haben wir diese, für die Vereinskasse notwendige, Veranstaltung auch bereits
in den vergangenen Jahren durchgeführt und ich bin alle Etappen gelaufen, doch in
diesem Jahr fehlt uns Rolf. Rolf ist mein Vorgänger im Amt und bewährter
Ossiloophelfer. Er ist einer, der organisieren kann, der weiß wo was hingehört und
der den großen Überblick hat. Aber, Rolf ist nicht nur Fortune mit Leib und Seele,
Rolf ist auch Segler mit Leib und Seele und als solcher ist er zusammen mit anderen
Segelenthusiasten ausgerechnet zur Zeit des Ossiloops mit einem Segelboot auf
dem Weg von Bremerhaven über Brest in Frankreich, die Azoren und dann quer über
den Atlantik in die USA. Wer wollte ihm verdenken, dass er dieses Abenteuer dem
Bratwurstgrillen auf dem Denkmalsplatz, und sei es auch für Fortuna, vorzieht.
Wir allerdings sitzen nun ohne unser Organisationstalent da. Um sein Fehlen
auszugleichen, haben wir Freunde und Bekannte gefragt, ob sie beim Einlauf in Leer
helfen können. Viele wollen helfen. Als Vorsitzender kann ich aber nicht andere
fragen, ob sie helfen und selbst nicht dabei sein um statt dessen zu laufen.
Nun ja, jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, haben wir gerade die fünfte Etappe hinter
uns gebracht und ich habe immer noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass am
Freitag die Organisation so gut klappt, dass meine Anwesenheit nicht von Nöten sein
wird.
Schaun mer mal.
Dienstag, 23. April 2013
1. Etappe von Bensersiel nach Dunum
Arbeitstechnisch habe ich für den Ossiloop alles gut organisiert. An den Lauftagen
muss ich nur bis zum Mittag arbeiten und kann mich somit den ganzen Nachmittag
über auf den Lauf vorbereiten. Vorbereitet bei der Anmeldung habe ich auch meinen
Bustransfer zu den Etappenorten. Ein zufälliger Blick auf die Busliste, die wenige
Tage vor Beginn des Laufes auf der Ossiloop-Homepage veröffentlicht wird, lässt
mich jedoch zweifeln: Ich finde meinen Namen auf keiner der Listen. Also anrufen bei
Gerold, unserem Buskoordinator. Der mutmaßte bereits, dass ich zu den
Etappenorten laufen wollte, setzt mich aber, mit einem leichten Grinsen, dann doch
auf die Liste. So kommt es, dass ich meine Füße bis zum Lauf nach Dunum, dem
ersten Etappenziel, schonen kann, nicht zu Fuß gehen muss, sondern mit den
Anderen mitfahren darf.
So trifft sich an diesem 23. April 2013, der nach einem irre langen, kalten Winter
noch so gar nichts frühlingshaftes mit sich bringt, leicht fröstelnd, wie alljährlich, die
Leeraner Ossiloop-Bagage. Wenn ich auch beim Lauf immer einer der Letzten bin,
so bin ich doch beim Warten auf den Tourbus immer einer der Ersten. Wenigstens
etwas! So gegen ein Viertel vor Fünf trudeln sie dann alle ein, auf die man so
sehnsüchtig gewartet hat: Sören, Sabine, Frauke, H-D, Gerd - und Johnny! Johnny
ist auch so ein Thema für sich. Die Folgen seiner jahrelangen Raucherei haben ihn
eingeholt, er hat Probleme mit seiner Lunge. Er war lange krank, ist aber mittlerweile
einigermaßen wieder hergestellt. Die volle Leistungsfähigkeit seiner Lunge wird er
allerdings nicht wieder erlangen. Diesen Ossiloop aber will er unbedingt noch
mitmachen, es wird aber, nach eigenem Bekunden, sein letzter sein.
Schade, er war so ein guter "Feind"!
Seit eh und je fahren ab Logabirum zwei Busse. Immer haben wir gemeinsam in
einem Bus gesessen, ob es nun Zufall oder ein Zeichen ist, Johnny, Sabine und
Sören sitzen erstmalig nicht mit mir im gleichen Bus.
Mit Frauke meiner treuen Laufpartnerin an der Seite, voller Tatendrang und nach wie
vor Herzklopfen vor dem Beginn des Laufes, weil man ja nicht weiß, ob man intensiv
genug trainiert hat und ob die Fitness reicht, fahren wir mit dem Kok-Bus in Richtung
Küste.
Da zwischen Holtland und Hesel eine neue Fahrbahndecke auf die Bundesstraße
436 aufgetragen wird, können wir heute nicht auf direktem Weg bis Hesel fahren,
sondern biegen in Holtland rechts ab, fahren über die Dörfer bis zu einer
Ansammlung Häusern, die man Siebestock nennt. Hier fahren wir, nach einiger
Wartezeit, es herrscht Feierabendverkehr uns es ist für den Bus gar nicht so einfach,
auf die Bundesstraße aufzufahren, über die B 72 nach Hesel, d. h. bis kurz vor
Hesel. Dort, wo die 72 auf die 436 trifft ist Stau! Nur sehr langsam geht es voran.
Schuld ist wohl die Fußgänger-Druckampel, die den Verkehrsfluss immer wieder
unterbricht und dafür sorgt, dass in die Kreuzung eingefahrene Fahrzeuge nicht
weiter kommen und dem Querverkehr bei grüner Ampel nicht die Chance geben, die
Kreuzung zu durchfahren. So stehen wir und rollen ein bißchen und stehen wir und
rollen wir ein bißchen.
Auch die Zeit rollt! Wenn wir zum Start um Sieben in Bensersiel sein wollen, müssen
wir uns sputen, denn wir wissen auch, dass in Aurich der nächste Feierabendverkehr
auf uns wartet.
Die eigentlich recht kurze Ortsdurchfahrt, die nach dem Wegfall der Bundesstraße 75
kein großer Verkehrsknotenpunkt mehr ist, hat man mit vier Ampeln so bestückt,
dass bei etwas höherem Verkehrsaufkommen die ganze Sache fast
zusammenbricht. Aber eben nur fast. Es geht immer wieder ein Stückchen vorwärts,
wenn nicht gerade mittels besagter Fußgänger-Druckampel die Weiterfahrt bis zur
nächsten roten Ampel abrupt beendet wird.
An der Haltestelle von "Jan Klein", dem Auricher, mittlerweile, Busunternehmen, das
früher den heutigen Ostfriesland-Wanderweg als Bahnstrecke betrieben hat, warten
wieder bekannte Gesichter auf ihren Bus. Geda, Anton und die restlichen Ossiläufer
aus Potshausen lassen es sich auch in diesem Jahr nicht nehmen, Teil dieses
Kultlaufes zu sein.
Irgendwann liegt die letzte Ampel hinter uns, wir nehmen wieder Fahrt auf.
Thank you for travelling durch Hesel! Wir überholen sogar wieder Fußgänger.
Bis Aurich ist die Fahrt ein Klacks, dann aber wieder geht nichts mehr, weil alle
Auricher zur gleichen Zeit mit dem Auto in die gleiche Richtung fahren wollen und
uns die Straße verstopfen. Rushhour!
Als wir in Ogenbargen die Bundesstraße 210 verlassen und in Richtung Küste
abbiegen, ist es bereits deutlich nach 18.00 Uhr. Hoffentlich kommen wir noch
rechtzeitig zum Start.
Auch in Esens scheint sich alles gegen uns verschworen zu haben, wir stecken
abermals im Stau. Minute um Minute vergeht und die Ampel zeigt gefühltes
Dauerrot. Müssten wir nun auch noch den gesamten Ort Bensersiel durchfahren, so
würden wir sicherlich zu spät kommen. Die neue Ortsumgehung jedoch kommt uns
wie gerufen, wir biegen vor Bensersiel links ab und fahren nun ohne neuerliche
Stockung den Busparkplatz von Westen an. 18.40 Uhr, wir haben es geschafft!
Von der Brücke aus, über die wir den Startplatz erreichen, kann man bereits ein
geschäftiges Treiben sehen. Die meisten der, in diesem Jahr mit Rekordbeteiligung
von fast 2300 Startern, gemeldeten Läufer und Läuferinnen haben sich bereits
eingefunden. Ich für meinen Teil will zusehen, dass ich möglichst schnell Edzard
finde, da ich auch in diesem Jahr wieder etwas Wichtiges, für die Nachwelt
unverzichtbares über das Mikrofon zum Besten geben soll. Auch in diesem Jahr
fasse ich mich wieder, eingedenk der Tatsache, dass mich nicht wirklich irgendwer
hören will, sehr kurz und wünsche uns allen einen friedlichen Ossiloop. Einen
friedlichen deswegen, weil es vor wenigen Tagen beim Boston-Matathon in den USA
durch ein Bombenattentat viele Tote und Verletzte gegeben hat. Die Verrückten
werden nicht alle und es gibt sie auf der ganzen Welt.
Es bleibt mir nach meiner "Ansprache" kaum noch Zeit, mich in den letzten
Startblöcken umzusehen, um Bekannte zu begrüßen und Smalltalk zu halten.
Nach der Ansprache des Bürgermeisters, der sich auch sehr kurz fasst, ertönt, Punkt
Sieben, der Startschuss. Das erste Startfeld fliegt, wie immer unter hämmernden
Klängen aus überforderten Lautsprechern davon. In diesem Jahr allerdings ohne den
Seriensieger Stephan Immega, der aufgrund seiner Lauferfolge eine Einladung zu
einem Marathon in Japan erhalten hat, der fast zeitgleich mit dem Ossiloop
stattfindet. Die Frage ist natürlich, weshalb man zwei solch herausragende
Sportereignisse nicht besser koordiniert. Aber das müssen die Verantwortlichen
dieser Läufe untereinander klären.
Mit von der Partie ist aber wieder Georg Diettrich, der sich vor zwei Jahren mit
Stephan einen packenden Kampf um den Gesamtsieg geliefert hat. In diesem Jahr
wird er sich einen ebenso packenden Kampf mit einem völlig unbekannten Läufer
namens Meriton Hasanaj liefern. Toni, wie er allseits nur genannt wird, läuft erst seit
kurzer Zeit für die LG Harlingerland, für die auch Stephan läuft. Eine wahre
"Läuferschmiede".
Aber, das wissen wir hier hinten nur vom Hörensagen, wir laufen in einer anderen
Liga, aber wir laufen. Wir laufen unsere ersten Meter "Ossiloop 2013". Dunum, wir
kommen!
Als geübter Ossiläufer weiß ich ja, dass ich nicht zu schnell anlaufen darf, wenn ich
in Dunum ankommen will. Also fasse ich mich nach dem Start wieder einmal in
Geduld. Wie in den Vorjahren sind die ersten zweitausendzweihundertfünfzig Läufer
uns nach kurzer Zeit enteilt, es entsteht zwischen Ihnen und unserem Fähnlein der
letzten fünfzig Aufrechten sofort eine Lücke. Das macht uns aber nichts! Außerdem
könnten wir sowieso nichts daran ändern, denn schneller laufen können wir nicht.
Von hier hinten hat man allerdings einen wesentlich besseren Blick auf den
Läuferlindwurm, der sich auf dem Deich schon bis nach Esens hinein erstreckt. Es ist
jedes immer wieder ein atemberaubender Anblick, so viele Menschen in einer Reihe
auf dem Deich laufen zu sehen. Hier hat der Ossiloop etwas Gigantisches.
Der Ablauf dieser Etappe ist für mich zum dritten Mal der gleiche: In Bensersiel rauf
auf den Deich, in Esens runter vom Deich, rein in die Siedlung, parallel zur
Hauptstraße hinter den Häusern weiter, bis zum ehemaligen Bahnhof, weiter auf dem
Bürgersteig, nach einem guten weiteren Kilometer, gesichert durch die Polizei, die
Straße überqueren und die zweite Hälfte der Etappe auf dem Ostfriesland
Wanderweg bis Dunum zu Ende laufen.
Noch ist es allerdings nicht soweit, noch laufe ich auf dem Deich, bin mit meiner
Geschwindigkeit zufrieden und guten Mutes.
Nach dem Verlassen des Deiches und Durchqueren einer Neubau-Siedlung müssen
die ersten Läufer ihrem Tempo Tribut zollen und Gehpausen einlegen. Locker, wie
ich meine, laufe ich an ihnen vorbei und freue mich, vermeintlich besser trainiert zu
haben. Aber, die Etappe ist noch lang und ich sollte meinen Inneren Schweinehund
mittlerweile besser kennen. Der läuft schon wieder mit und denkt sich hinterlistige
Ferkeleien aus, verhält sich aber ansonsten noch ruhig.
Dort, wo früher der Bahnhof von Esens stand, befindet sich heute ein Supermarkt
und wo die Schranken den Zugverkehr regelten, regelt heute ein großer Kreisel den
Autoverkehr. An diesem Kreisel erreichen wir wieder die Hauptstraße, laufen und
laufen auf dem westlichen Bürgersteig weiter.
Nach einem guten Kilometer müssen wir die Straße queren, um wieder auf den
Wanderweg und die erste Verpflegungsstation zu gelangen. Da sich da Feld bis
hierher bereits stark auseinander gezogen hat, muss hier die Polizei den Verkehr
regeln, das heißt, wenn Läufer die Fahrbahn queren, müssen die Autos warten. Die
meisten Autofahrer fassen sich, da in kurzen Abständen immer noch Läufergruppen
und einzelne Läufer kommen und alles seine Zeit dauert, in Geduld, freuen sich
sogar, den Ossiloop vorbeiziehen zu sehen. Einige Ignoranten (ohne die geht es
wahrscheinlich nicht) jedoch, mosern und meckern herum, wann es denn hier nun
endlich weiter ginge. Den meisten dieser Meckerer könnte man ohne weiteres
Empfehlen, auch am Ossiloop teilzunehmen, da sich das Training hierfür
figurtechnisch sehr positiv auswirken würde.
Nach dem Überqueren der Straße, am Getränkestand, greift mein geliebter Innerer
Schweinehund, der ISH, erstmalig wieder ins Geschehen ein. "Du musst Wasser
trinken, bleib stehen, deine Beine werden lahm, ruh dich aus!" haucht er mir ins
Bewusstsein, und ich, was mache ich? Aus Schaden nicht klug werdend gebe ich
mich seinem Säuseln hin und trinke meinen Becher im Stehen aus. Die Zeiger der
Uhr laufen derweil weiter. Frisch gestärkt, wie mir mein ISH suggeriert, kann ich nun
den Rest der Etappe ablaufen, weit ist es ja nicht mehr, wir laufen ja schon wieder
auf dem Wanderweg. Unzählige Male habe ich mir den Streckenverlauf auf der Karte
angesehen und weiß genau, dass wir erst die Hälfte der Etappe zurückgelegt haben,
deshalb habe ich auch arge Bedenken, ob mir mein ISH wohl die Wahrheit gesagt
hat.
Einen guten Kilometer weiter merke ich, er hat gelogen, der ISH. Noch sind es fünf
Kilometer und meine Beine werden wirklich lahm, oder das was ich dafür halte. Nützt
nix, Gehpause! Mit Wut und Ärger über mich selbst im Bauch nehme ich alsbald den
Trab wieder auf, bis mein Schweinehund mich abermals zur Gehpause ruft. Der Kopf
ist auf dieser Etappe noch mehrfach schwächer, als das Fleisch. Mich ärgern diese
Pausen, die ich aus irgend einem Grunde nicht vermeiden kann, aber eigentlich nicht
nötig sind, da man mit seinen Kräften noch lange nicht am Ende ist, wenn der Kopf
es einem suggeriert. Es ist dies mein vierter Ossiloop, seit dreieinhalb Jahren laufe
ich mehr oder weniger regelmäßig. Da müsste es doch wohl möglich sein, gute elf
Kilometer am Stück zu laufen und die Zeit des Vorjahres zu unterbieten. Oder werde
ich zu alt für den Ossiloop? Papperlapapp! Weiterlaufen!
Jeder Weg hat ein Ende, so auch der Weg bis zum Etappenziel. Vorbei an dem
kleinen Schöpfwerk, noch ein Wäldchen durchquert und sie liegt vor mir, die letzte
Schleife, die Edzard uns vor dem Ziel in Dunum noch laufen lässt. Nun noch einmal
alle Kräfte zusammen genommen und Endspurt! Das sagt sich so leicht, ist aber für
mich in dem Augenblick ein Kraftakt. Doch das Ziel naht. Zweihundert Meter vor dem
Ziel steht eine Fotografin und grinst mich an. Das Gesicht kenne ich - allerdings nur
von Fotos. Es ist die unsichtbare Frau von meinem letzten Ossiloop, es ist EWEHelga, die in diesem Jahr aufgrund einer Schulter-Operation nicht mitlaufen kann.
Gesehen habe ich sie bis dahin lediglich auf Fotos auf ihrer Homepage, erkenne sie
aber sofort. Trotz meines atemlosen Zustandes kann ich noch ein "Moin Helga" über
die Lippen bringen. Sie guckt zunächst etwas verwirrt, welcher fremde Mann sie da
wohl grüßt, sieht aber dann meinen Vornamen auf der Startnummer, fängt an zu
lachen und grüßt freundlichst mit "Moin Werner" zurück, vergisst auch nicht, noch ein
Foto von dem trabenden Trauerspiel mit der Startnummer 2222 zu machen. Schon
bin ich an ihr vorbei und muss nur noch die letzten einhundert Meter bis zum Ziel
hinter mich bringen. Auf den letzten Metern wird man leicht euphorisch, vergisst den
ausgelaugten Körperzustand und holt noch einmal alles, was geht aus den müden
Knocher raus, bis es "Piep" macht und die Zielmatte überquert. Danach geht gar
nichts mehr. Atmen, atmen, atmen! Langsam wieder zu Verstand kommen. "Moin
Werner, da bist du ja auch schon, wie ist denn das Rennen aus deiner Sicht
gelaufen?" - Heino, ich bring dich um! Wieder einmal mach sich Heino, der OssiloopModerator, einen Spaß draus, mir zum falschen Zeitpunkt die richtige Frage zu
stellen. Minuten später bin ich auch zu diesen Späßen wieder in der Lege und
erzähle Heino, dass ich bei einsetzender Ebbe losgelaufen bin und gegen die
Strömung ankämpfen musste, ansonsten wäre ich ja bereits mit Georg Diettrich
zusammen über die Ziellinie gelaufen!???
So, nun erst einmal meine Mitstreiter Frauke, Thea, Sören und Sabine suchen, die
alle bereits das Ziel erreicht haben. Johnny ist noch unterwegs. Ich finde, es ist eine
tolle Leistung, dass er trotz seiner gesundheitlichen Probleme noch mitläuft und die
Etappe, wenn auch spät, so doch beendet. Wir freuen uns alle, dass wir es wieder
einmal geschafft haben, die erste Etappe des Ossiloops 2013 hinter uns zu bringen.
Tee, Apfelspalten und Bananenstückchen sind nun der Renner. Wieder zu Kräften
kommen, heißt die Devise. Brunos lauwarmer Tee schmeckt auch in diesem Jahr
köstlich und bringt verbrauchte Energie sofort zurück.
Da mich meine liebe Frau heute nicht, wie sonst immer, abholen kann, fahre ich mit
dem Bus zurück. Dass die Suche nach dem Bus eine eigene Ossiloop-Etappe
werden kann, wusste ich bis dato gar nicht. Um nicht lange suchen zu müssen, habe
ich beim Orga-Team nachgefragt, wo der KOK-Bus in etwa steht. "Wenn du auf die
Straße kommst links. Der Bus steht ziemlich vorne." Mit dieser Information mache ich
mich mit meinen müden Beinen auf den Weg in Richtung Ogenbargen. Allerdings
komme ich nicht weit. Auf dem Redweg kommen mir zwei Mitfahrer aus unserem
Bus entgegen. "Da vorne steht unser Bus nicht, wir waren schon fast bis zum
vordersten Bus, unser muss da hinten stehen" und deutet mit dem Finger in
Richtung Esens. Na, ja, wenn die beiden schon da vorne waren, dann muss ich den
Weg ja nicht vergebens machen und laufe mit ihnen in Richtung Norden.
Wir sind fast am letzten Bus angelangt, doch unser ist nicht dabei. Also: Kehrt
Marsch! Unsere fragenden Blicke müssen wohl einigen Busfahrern das Herz
erweicht haben, sie fragen uns, welchen Bus wir suchen und erklären uns, dass der
KOK-Bus ganz vorne steht, fast in Aurich. Es wird langsam dunkel, mir wird kalt und
ich will nach Hause. Das einzige, was mir jetzt einfällt ist das harte Wort für eine
weiche Maße. Nützt aber ja nix! Wir müssen den Bus finden. Also auf nach
Ogenbargen. Wenn man alle beim Ossiloop eingesetzten Busse abläuft, bekommt
man noch einmal einen nachhaltigen Eindruck von der Größe dieser
Laufveranstaltung.
Eine Viertelstunde später sitzen wir Gott-sei-Dank doch noch rechtzeitig in unserem
Bus. "Bis hierher sind wir natürlich nicht mehr gelaufen, wir dachten, da kommt nichts
mehr:" Das hätten mir meine beiden mitsuchenden Busfahrer aber auch gleich sagen
können, dass sie nicht richtig geguckt haben... Ab nach Hause, es ist spät genug!
Freitag, 26. April 2013
Die zweite Etappe von Dunum nach Plaggenburg
In diesem Jahr ganz bestimmt nicht "Durch den grünen Tunnel!"
Zwei Tage habe ich Zeit gehabt, mich über mich selbst zu ärgern: Fünf ganze
Minuten mehr, als im Vorjahr habe ich für die 11,2 Kilometer der ersten Etappe
gebraucht. Die Gehpausen will ich gar nicht zählen. Bei meinem ersten Lauf war ich
zwar auch nicht schneller, als in diesem Jahr, aber ich bin durchgelaufen!
Für heute nehme ich mir vor, dem ISH nicht wieder so schnell nachzugeben, der soll
mal sehen, wer hier Herr im Hause ist!
11.9 Kilometer stehen heute auf dem Programm. Sechs Kilometer geradeaus nach
Süden und knapp sechs Kilometer geradeaus nach Westen.
Die Fahrt nach Dunum unterscheidet sich von der am Dienstag dadurch, dass wir
nicht mehr den Umweg über Siebestock nehmen müssen. Die neue Fahrbahndecke
ist mittlerweile aufgetragen. Wir fahren nun also auf der nagelneuen B 436 gen
Hesel, bis zum Stau! Ab der ehemaligen Schnapsfabrik geht heute nichts mehr. Es
ist das gleiche Spielchen, wie am Dienstag, nur dass heute Freitag ist und der
Verkehr deutlich dichter, als zum Wochenanfang. Meter um Meter kämpft sich der
Bus voran. Nach gefühlten Stunden haben wir es dann doch noch einmal geschafft,
Hesel liegt hinter uns, muss ´ne Großstadt sein, bei soviel Stau!
Unser Busfahrer ist in diesem Jahr wieder so schlau, nicht über Ogenbargen nach
Dunum zu fahren, sondern vor Ogenbargen links abzubiegen und Dunum vom
Norden aus anzufahren. So muss er nicht in diesem ganzen Gewusel von Läufern,
Bussen und privaten Pkws auf der schmalen Straße auch noch wenden.
Bis kurz vor dem Start dürfen wir im Bus bleiben, denn draußen ist es doch
empfindlich kalt und wir sind lediglich mit unseren dünnen Laufhemdchen bekleidet.
Irgendwann wird es aber dann doch Zeit auszusteigen und zum Startplatz zu gehen.
Großes Hallo natürlich jedes Mal wieder, wenn man eines bekannten Gesichtes
ansichtig wird, kurzes Schwätzchen und ab in die Startbox.
Herr Diettrich und seine Gefolgsleute mögen wohl schon kurz vor Ogenbargen sein,
als es auch für unsere Trödeltruppe auf die Strecke geht. Wie immer begleitet uns
laute Musik auf den ersten Metern. Das hat etwas Martialisches. Man kommt sich so
ein wenig vor, wie der Held, der seine Heimat verlässt, um auf unbekannten Wegen
etwas Neues zu entdecken. Nun, so unbekannt sind unsere Wege heute nicht. Ich
laufe die Strecke in dieser Richtung nun zum dritten Mal und auch die meisten
Mitläufer sind Wiederholungstäter. Einige aber scheinen neu zu sein und sind zum
ersten Mal dabei, unter Anderem eine aus drei jungen Burschen bestehende
Laufgruppe der IGS Aurich West. Zwei von diesen Bengels machen einen sportlichen
Eindruck und laufen ganz locker. Der dritte im Bunde, der nicht ganz so sportlich
wirkt wie die beiden anderen, scheint wohl auch in der Schule der Klassenkasper zu
sein. Jannik klamaukt hinter mir rum, erzählt Witze und scheint den Lauf nicht so
ganz ernst zu nehmen. Mal überholt er uns alle, mal lässt er sich zurückfallen oder
muss sich seitwärts in die Büsche schlagen, weil er noch aus der Hose muss. Zum
guten Schluss allerdings ist von Jannik und seiner Truppe nichts mehr zu sehen und
zu hören. Der Weg nahm ihm vermutlich den Atem. Über allen Wipfeln herrscht Ruh´.
Um die heutige Etappe besser zu überstehen als die erste, habe ich mir einen
Laufplan zurecht gelegt und mir die Strecke in drei Abschnitte eingeteilt. Abschnitt
eins ist die Strecke von Dunum bis zur Querung der Bundesstraße in Ogenbargen,
das ist zwar schon fast die Hälfte der heutigen Distanz, ich glaube aber die ersten
sechs Kilometer ohne Ein- und Angriffe des ISH zu überstehen. Als zweites Drittel
habe ich mir die Strecke entlang der Bundesstraße bis zum Schornstein der
ehemaligen Molkerei ausgeguckt. Der Rest wären dann die letzten drei Kilometer bis
ins Ziel in Plaggenburg.
Leider bin ich noch nicht so weit, dass mir der Wind Lautfetzen der Lautsprecher im
Zielbereich an die Ohren trägt, im Augenblick traktieren noch Janniks verbale Einund Ausfälle meinen Hörapparat. Nützt ja nichts! Voran! Nur nicht überpacen, der
Weg ist noch weit.
Nach knappen fünf Kilometern entfernt sich der Wanderweg, der um diese Jahreszeit
eigentlich schon ergrünt ist, dessen Begleitgrün in diesem Jahr aber, wegen des
langen, kalten Winters nur dürre, blattlose Äste und keine grünen Blätter in den
Himmel reckt, etwas von der Straße, ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir
unmittelbar vor Ogenbargen sind und gleich die Bundesstraße kreuzen. Die Polizei,
unser Freund und Helfer sichert, wie in den vergangenen Jahren auch, unseren Weg
über die Straße, auf der sich in beiden Richtungen bereits längere Autoschlangen
gebildet haben. Ich denke, einmal im Jahr müsste es wohl auszuhalten sein, sich in
Geduld zu fassen und den Ossiloop passieren zu lassen. Die meisten der Gesichter
hinter den Windschutzscheiben, die man im Vorbeilaufen erkennen kann, scheinen
uns denn auch recht freundlich gesinnt zu sein.
So, der erste Teil meines Planes ist aufgegangen, der ISH ist noch ruhig und ich bin
noch guten Mutes. Auf dem nächsten Kilometer des Weges wäre es auch fatel,
Gehpausen einzulegen, halb Middels ist auf den Beinen, um die Ossiläufer zu sehen,
da will man sich doch keine Blöße geben.
Auf einigen Zickzack-Wegen und durch ein Wäldchen geht es nun Plaggenburg
entgegen. Überall stehen Menschen und feuern uns an - oder ist es Mitgefühl, sehen
wir schon wieder so erbarmungswürdig aus, dass man uns aufmuntern muss:
"Werner, du schaffst es! Es ist nicht mehr weit!" Von wegen, nicht mehr weit. Über
fünf Kilometer sind noch zu bewältigen. Wenn ich an applaudierenden Zuschauern
vorbeigelaufen bin, zähle ich immer die Sekunden, bis wieder geklatscht wird, daran
kann ich ausmachen, wieviel Vorsprung ich noch vor dem Nächsten habe. Jede
hinter mir gelassene Läuferseele zählt. Ich will nicht Letzter werden!
"Ob du letzter werden willst, oder nicht, das interessiert mich überhaupt nicht! Du
kannst jetzt erst mal nicht mehr laufen, weil du völlig fertig bist und eine Gehpause
einlegen musst!" Da ist er wieder! Wie aus dem Nichts meldet sich der ISH zurück
und meint, auch noch ein gewichtiges Wörtchen über die Verteilung der letzten
Plätze mitreden zu müssen. Ich wehre mich so gut es geht gegen mein Innerstes,
weiß ich doch genau, wenn der ISH sagt, es ginge nicht mehr, dann geht es in
Wirklichkeit noch ein ganzes Stück.
Er lässt nicht locker, aber ich widerstehe ihm - bis zum nächsten Verpflegungspunkt.
Wasser trinken ist so wichtig hat Edzard gesagt, und wenn ich während des Laufens
versuche zu trinken, bekomme ich kaum etwas von dem köstlichen Nass auf die
Lippen. Also, um ordentlich trinken zu können, bleibe ich stehen und leere meinen
Becher bis zum letzten Tropfen, aber nicht zu hastig. Hastig trinken ist auch nicht gut,
sagt Edzard, und der weiß Bescheid! So holt sich mein ISH doch tatsächlich die
geforderte Pause und ich habe nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei.
So, frisch gestärkt muss es nun weitergehen. Während der Pause haben mich doch
noch einige Läufer überholt. Es gilt jetzt, den Abstand nicht größer werden zu lassen,
bzw., wenn möglich sogar zu verkürzen. Die Läufer um mich herum sind genauso
fertig wie ich und laufen dem entsprechend auch nicht schneller.
Langsam kommt nun auch der Schornstein in Sicht, mein zweiter Fixpunkt. Gute drei
Kilometer sind es nun noch bis zum Ziel. Sören und Sabine laufen immer noch in
Sichtweite vor mir, ich gebe mich im Augenblick der Illusion hin, sie noch einholen zu
können(...wovon sollen wir träumen, la la la la)? Frauke, Thea und Henning, der
Läufer mit dem Werder Bremen-Ganzkörperkondom, sind nun mit Sicherheit bereits
im Ziel und können sich erholen. Mir fallen die Schritte mittlerweile schwer, aber ich
laufe und komme so dem Ziel auch immer näher. Hin und wieder überhole ich Läufer,
die noch fertiger sind als ich und lange Gehpausen einlegen. Einen dieser Läufer
kenne ich bereits von meinem ersten Ossiloop, es ist Christian, der inzwischen für
die Läufer der Lebenshilfe startet. Im ersten Jahr waren wir am Ende gleichauf, im
zweiten Jahr war er sehr viel schneller, als ich, im dritten Jahr blieb er weit hinter mir
zurück und in diesem Jahr ist er eigentlich auch schneller, als ich, jedenfalls auf der
ersten Etappe. Er wäre in der letzten Zeit jeden Tag gelaufen und absolut topfit, hat
er mir erzählt. Und nun geht er die letzten Kilometer bis Plaggenburg völlig
entkräftet? Ich überhole ihn, was ihm sichtlich nicht gefällt, er aber nicht ändern kann.
Schon seit geraumer Zeit weht der Westwind unter Vorspiegelung falscher
Tatsachen die Geräuschkulisse des Zielbereiches zu mir herüber. Als erfahrener
Ossiläufer weiß ich aber inzwischen, dass 11,9 Kilometer nicht deswegen weniger
werden, nur weil der Wind einem Geräusche ans Ohr weht, die noch weit entfernt
sind. Also laufe ich unverdrossen weiter, wohl wissend, dass es nun wirklich nicht
mehr weit ist, was einem auch die entgegenkommenden Läufer, die, nachdem sie ins
Ziel gekommen sind, es sich noch einmal geben wollen und die Etappe zum Start
zurück laufen. Zum Kopfschütteln habe ich jetzt keine Kraft mehr, macht doch was ihr
wollt, lauft von mir aus bis Bensersiel.
Es werden auf den letzten Metern noch einmal Kräfte mobilisiert, die ich bis dahin gar
nicht kannte. Zwei Läuferinnen kann ich noch ein- bzw. überholen bevor ich die
Ziellinie überlaufe, das herrliche piepsen der Zeitnahme höre und so ganz nebenbei
auch noch Ossiloop-Moderator Heinos Kommentar zu Ohren bekomme. Heino macht
sich wieder einen Spaß draus, mich zu foppen, aber ich sage lieber erstmal gar
nichts, das heißt, selbst wenn ich wollte könnte ich nichts sagen, weil ich noch völlig
außer Atem bin. Das dauert die üblichen drei Minuten, dann bin ich wieder
ansprechbar und nehme die Welt draußen wieder wahr. Auch dass meine Eheliebste
mich in Plaggenburg wieder erwartet hat, um mich nach Hause zu fahren registriere
ich. Heino bekommt seinen üblichen Spruch und so sind wir wieder alle zufrieden.
Nachdem ich mich an Brunos Tee gelabt und die angebotenen Apfelspalten und
Bananenstücke zur Stärkung genossen habe, finde ich auch die Zeit, mich nach
meinen Mitläufern Frauke, Thea, Sabine und Sören umzusehen. Während Sabine
und Sören erst kurz vor mir eingelaufen sind, warten Frauke und Thea, unsere
Schnellläufer, bereits eine ganze Weile. Wir sind alle froh, diese Etappe hinter uns
gebracht zu haben. Noch nicht im Ziel angekommen ist Johnny. Auf ihn wollen wir
warten. Nach gut zehn Minuten sehen wir ihn kommen, mit seinem Piratentuch um
die Stirn gebunden. Johnny ist fix und fertig, das sieht man ihm an, aber er will den
Lauf noch mitmachen und auch beenden. Wir haben allergrößte Hochachtung vor
der Leistung, die er unter Berücksichtigung seines angegriffenen
Gesundheitszustandes hier erbringt.
Als letzter läuft, wie bei der ersten Etappe, Joachim von den Heizungslopern aus
Logabirum ein. Auch vor ihm ziehen wir unseren Hut. Joachim ist eigentlich das, was
man einen Nichtsportler nennen würde. Er hat Übergewicht, ist recht untrainiert und
er quält sich über die Stecke, aber er kommt an. Dabei vollbringt er eine Leistung, die
nicht einmal er selber von sich für möglich gehalten hätte und ist unbändig stolz in
dem Moment, in dem er die Ziellinie überquert. Auch das ist Ossiloop! Es sind nicht
nur die Immegas und Diettrichs, die den Ossiloop ausmachen, es sind manchmal
auch die Schwächeren und nicht ganz so sportlichen, die dem Lauf dieses ganz
besondere Flair geben.
Mich friert und es wird langsam dunkel, es wird Zeit, dass wir nach Hause kommen,
es warten noch Etappen auf uns. Also, ab nach Hause, unter die Dusche, ins Bett
und die geschundenen Muskeln regenerieren.
Dienstag, 30. April 2013
Die Karawane zieht weiter. Auf der Königsetappe durch Ostfrieslands
Hauptstadt Aurich
Die armen Menschen, die am heutigen späten Nachmittag noch mit der Fähre nach
Langeoog oder Spiekeroog übersetzen wollen und schon ein wenig spät dran sind,
weil in Hesel mal wieder gestaut wurde, diese armen Touristen werden wohl ihre
Fähren heute nicht pünktlich erreichen. Die in Hesel verlorene Zeit kann man wegen
der vielen aufgestellten Fotoapparate entlang der B 436 in der Auricher Gegend
durch erhöhte Geschwindigkeit nicht so einfach wieder hereinholen, ohne die
Urlaubskasse zu schmälern. Und wer bezahlt schon gerne so viel Geld für ein blödes
Schwarzweißfoto?
Der Grund für den Zeitverlust der Touristen ist heute das gleichzeitige Erreichen des
Etappenortes Plaggenburg durch etwa fünfundzwanzig Busse und ungezählte PrivatPkw, was, wie in jedem Jahr, ein fast unentwirrbares Verkehrschaos
heraufbeschwört. Es ist Ossiloop-Rushhour in Plaggenburg. Unser Busfahrer läßt
uns in verkehrsgünstiger Stauposition, in unmittelbarer Nähe des Startplatzes, alle
aussteigen und fährt "über die Dörfer" schon mal nach Holtrop, dem noch so weit
entfernten heutigen Etappenziel.
Gott sei Dank ist es heute nicht so kalt wie bei meinem ersten Ossiloop, gerade
einmal sechs Grad waren damals auf der Thermometersäule abzulesen. Heute ist es
doch deutlich wärmer, auch wenn wir vor dem Start nicht ins Schwitzen kommen
werden.
Nach dem Ossiloop kannst du die Uhr stellen! Pünktlichst um 19:00 Uhr erfolgt der
Startschuss zur dritten Etappe. Uns Schleicher interessiert das zunächst einmal gar
nicht, denn wir wissen ja, dass bis zu unserem Start sicherlich noch gute zwanzig
Minuten ins Feld gehen werden, da wieder in zwei Blöcken mit zehn Minuten Pause
in der Mitte gestartet wird. Die Regelung, nach der sechsten Startgruppe eine Pause
zu machen hat sich bewährt, der Verkehr in der Focken-Bollwerk-Straße in Aurich
kommt so nicht vollends durch den Ossiloop zum Erliegen und das vor der zweiten
Gruppe vorweg fahrende Fahrrad sorgt dafür, dass das auch so bleibt.
Irgendwann ist aber auch die schönste Wartezeit zu Ende, Gruppe zehn trabt an zur
Königsetappe. Zur Linken, ganz weit entfernt grüßt der Auricher Fernsehturm, als
wollte er sagen: wenn ihr auf meiner Höhe seid, ist es bis Holtrop immer noch eine
ganze Ecke. Solche Gedanken darf man eigentlich gar nicht an sich heran lassen,
vor allem nicht, wenn man noch nicht einmal einen Kilometer hinter sich hat. Also
wird unverdrossen gelaufen. Die verschiedenen Abschnitte dieser Etappe sind mir
mittlerweile geläufig. Zunächst gilt es, die Kleinbahnstrecke bis Aurich hinter sich zu
bringen, immer im leichten Linksbogen. Ich nehme mir vor, diesmal auf den
Ostfriesland-Äquator zu achten, der im Grunde nichts weiter ist, als ein über die
Strecke gebauter Bogen mit der Aufschrift: Ostfriesland-Äquator. Bevor ich drauf
achten kann, bin ich auch schon dran vorbei gelaufen und es geht nun in Richtung
Sandhorst, wo früher einmal die Eisenbahn die Straßenseite wechselte.
An diesen ersten Teil der Etappe schließt sich die berühmt-berüchtigte "SchewiMeile" an, der Umweg durch die Sandhorster Allee, der zwar schöner zu laufen, aber
über einen Kilometer länger ist, als die Streckenführung entlang der Hauptstraße.
Danach ist es nicht mehr weit bis zur Querung der Focken-Bollwerk-Straße im
Zentrum von Aurich. Vorbei am alten Ostbahnhof geht es dann weiter auf der
Kleinbahntrasse durch verschiedene Wohngebiete bis der gewaltige Bogen der
Brücke über den Ems-Jade-Kanal auf mich wartet und mir mit seiner Erhöhung von
sicherlich einem Meter die letzten Kräfte abverlangt.
Parallel zur Bundesstraße 72 geht es die nächsten Kilometer durch die neu
erschlossenen Gewerbegebiete von Schirum. Aurich boomt, das muss man sagen.
Nach mehreren kurzen, unvermeidlichen Gehpausen erreiche ich dann den letzten
Streckenabschnitt. Der Wanderweg macht einen scharfen Bogen nach links, weg von
der Bundesstraße, um sich Holtrop anzunähern. Eineinhalb Kilometer sind es nun
noch bis ins Ziel. In diesem Jahr lasse ich mich nicht wieder von einem für den
Zielturm gehaltenen Bettlaken verrückt machen, es ist in diesem Jahr auch gar
keines da - Holtrop grüßt aber trotzdem seine Ossiläufer.
Obwohl ich das Ziel schon fast vor Augen habe, sind die letzten Meter für mich eine
Qual. Eine letzte Gehpause fünfhundert Meter vor dem Ziel und dann noch einmal
alle Kräfte gesammelt, um die Etappe im Ziel auf dem Hof der ehemaligen Molkerei
erfolgreich zu beenden. Der Blick auf Garmin sagt mir, dass ich auch für die dritte
Etappe wieder gute fünf Minuten länger unterwegs war, als im vergangenen Jahr.
Fröhlich macht mich das nicht! Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, in jedem Jahr
etwas schneller zu werden. Also, war wohl nichts!
Nach fünf Minuten ist alles vergessen, ich habe meinen Tee bei Bruno getrunken,
Apfelspalten und Bananenstückchen gegessen, Heino sein "Interview" gegeben
(Werner, wo hest du´t seen, wo was de Etappe för di?) und meine Lauffreunde
gefunden. Jürgen, Fraukes Mann läßt es sich nicht nehmen, mir eine Bratwurst zu
spendieren, die ich mir dann auch gleich mit unglaublichem Appetit "auf die Hüften
tackere" (O -Ton Cordula vom Ossiloop 2012). Alle sind sie froh und zufrieden, dass
sie die Königsetappe hinter sich gebracht haben. Die Hälfte des Ossiloops 2013 ist
geschafft, Freitag nehmen wir den Rest des Laufes, von dem ich zu diesem Zeitpunkt
immer noch nicht weiss, ob ich ihn überhaupt zu Ende laufen kann, in Angriff.
Bevor die Dunkelheit sich nun vollends breitmacht, geselle ich mich zu meiner
Ehefrau, die es sich wieder einmal nicht hat nehmen lassen, mich erschöpften
Ossiläufer abzuholen und lasse mich nach Hause kutschieren. Dann nur noch
duschen und "eben van´t Been off" und in das Reich der Träume, bis Freitag.
Freitag, 3. Mai 2013
Imaginäre Mühlen zählen und es gibt immer noch kein Bier im Bahnhof
Strackholt.
Heute geht es hinein in Ostfrieslands Süden. Den Äquator, obwohl er nicht weiter
aufgefallen ist, haben wir hinter uns gelassen und nehmen heute die sogenannte
"Mühlenetappe" in Angriff. Edzard erzählt immer etwas von fünf Mühlen, die
zwischen Holtrop und Bagband zu sehen seien. Ich frage mich, wie er darauf kommt:
An der Mühle in Holtrop kommt man zwar nicht vorbei, man kann sie aber trotzdem
mitzählen. Die zweite Mühle ist die Steenblock´sche Mühle in Spetzerfehn, dann
kommt noch die Mühle in Bagband. Mehr habe ich auf all meinen Läufen nicht
gesehen. Zählt man natürlich die Windkraft-Anlagen dazu, dann kommt man auf eine
deutlich höhere Zahl.
Letztmalig müssen wir uns heute mit unserem Tourbus durch die Rushhour von
Hesel quälen. Es ist erstaunlich, wie viele Leute kein zuhause haben - was wollen die
alle in Hesel auf der Straße?
Natürlich haben wir vor Abfahrt des Busses noch zusammen gestanden und die
bisherigen Etappen revue passieren lassen. Johnny quält sich von Etappe zu
Etappe, hält aber mit eisernem Willen durch, obwohl er schon jetzt deutlich hinter uns
liegt. Sören und Sabine frozzeln natürlich, weil in Front liegend, gerne mit mir, ob ich
denn auch noch mitliefe, man sähe mich gar nicht während des Laufes...??! Frauke
ist auch noch gut drauf und freut sich auf die heutige Etappe - kein Wunder, bei ihrer
guten Platzierung. Lediglich ich hänge eine Viertelstunde hinter meinem Soll zurück
und sehe auch nicht, wie ich die Zeit aufholen könnte. Langsam komme ich mir vor,
wie der Läufer von der traurigen Gestalt. Wenn Joachim, "the last man running" mich
auch noch einholt, höre ich auf!
Aber, so weit ist es noch nicht!
Hinter Großefehn biegen wir irgendwann nach rechts von der B 70 ab und erreichen
Holtrop über fast einspurig Schleichpfade und eine entsprechend schlechte
Wegstrecke. Vielleicht will uns der Fahrer damit aber auch nur wachrütteln, um uns
zu sagen: Kinners, es geht gleich los, wach werden!
Auf dem Parkplatz des Supermarktes in der City von Holtrop ist bereits großer
Aufgalopp der 2000 Ossiläufer. Hier kann man wieder einmal Charakterstudien
treiben. Einige Läufer traben, als ginge es um den Titel des "Traber des Jahres"
schon mal hin und her, um die Muskeln warm und geschmeidig zu machen, andere
stehen in Grüppchen zusammen und halten noch ein Schwätzchen, wieder andere
lehnen einfach bequem an der Wand des Supermarktes und lassen sich die Sonne
auf den Pelz scheinen. Einige sind auch völlig in sich selbst versunken und laufen die
Strecke im Geiste schon mal ab. Ansonsten herrscht ein großes Gewusel, das sich
erst auflöst, nachdem Edzard die verbleibenden Minuten bis zum Start angekündigt
hat und die Läufer in die Startboxen bittet.
Kurz vor dem Start wird, wie vor jeder Etappe, außer natürlich der Ersten, die
Siegerehrung für die vorherige Etappe durchgeführt. Diese Regelung hat sich
bewährt, denn direkt nach der Etappe müsste die Siegerehrung entweder
durchgeführt werden, wenn noch nicht alle Läufer im Ziel sind, oder man müsste
warten, bis der letzte Läufer das Ziel erreicht hat - und das kann dauern! Das würde
dazu führen, dass zur Siegerehrung kein Sieger mehr anwesend ist. Siegerehrung
ohne Sieger - das hat nichts!
Danach hat noch der Ortsobere von Holtrop das Wort, begrüßt die vielen Ossiläufer
und gibt schließlich um Punkt Neunzehn Uhr den Startschuss zur vierten Etappe. Die
Startboxen sind so angeordnet, dass die langsamste Gruppe, unsere Gruppe, direkt
neben dem Start wartet, die neunte und anschließende Gruppen jeweils weiter vom
Start weg, so dass alle Läufer an uns vorbeilaufen müssen, bis wir an der Reihe sind.
Und das kann dauern!
Endlich dürfen auch wir unseren Trab aufnehmen, hören noch einmal ein letztes
"Piep" und sind auf der Strecke. Es ist das gleiche Spiel wie bei jedem Start, schon
nach wenigen Metern tut sich zwischen den langsameren Läufern der neunten
Gruppe, unserer Gruppe und dem Rest des Feldes eine Lücke auf, die bis zum Ziel
auch nicht mehr geschlossen wird. Wir sind also wieder unter uns! So laufen wir
denn unbekümmert und locker die ersten paar hundert Meter auf einer kleinen
öffentlichen Straße aus Holtrop heraus, bevor wir mit einem scharfen Linksknick auf
befestigten landwirtschaftlichen Wegen in den Hammrich hinein laufen.
Ich versuche mein Tempo zu finden und nicht zu überpacen, denn es sind noch
lockere zwölf Kilometer bis Bagband und die gilt es zu überstehen. Bereits nach
dieser kurzen Distanz meldet sich ISH wieder. Noch versucht er nicht, mich vom
Laufen abzuhalten, bringt mich aber darüber ins Grübeln, ob ich denn noch weiß, wie
lang der Weg durch den Hammrich, bis zum Wanderweg ist und welche gewaltige
Strecke nach dem Erreichen des Wanderweges dann noch vor mir liegt. Das sind im
Grunde Dinge, die ich im Augenblick gar nicht wissen will, denke aber trotzdem
daran, was meinen Lauf nicht unbedingt beflügelt. Aber, wie sagt der Ostfriese:
"Wieder mit Wark!"
So trotte ich dann mit denen, mit denen ich immer trotte. Sören und Sabine laufen
leicht vor mir, Henning, der grüne Frosch hält sich noch hinter mir, es ist aber nur
eine Frage der Zeit, wann er mich überholt und mich grinsend zum Mitlaufen
auffordert. Ich versuche, meinen Kopf zuzumachen und einfach zu laufen, was mir
auch leidlich gelingt.
Nach jeder Wegesbiegung meine ich, jetzt müssten wir den Wanderweg aber doch
bald erreicht haben, werde aber mannigfach enttäuscht. Weit ist der Weg, der Weg
ist so weit... Nach guten drei Kilometern ist es dann aber doch geschafft, mein erstes
Etappenziel habe ich erreicht, wir laufen wieder auf dem Wanderweg und erreichen
auch alsbald Ostgroßefehn mit der ersten Verpflegungsstation und dem
obligatorischen Großaufgebot an Zuschauern am ehemaligen Bahnhof. Wie in jedem
Jahr, so werden wir hier auch heute wieder mit Pauken und Trompeten, Beifall und
auch hämischen Sprüchen empfangen( die hämischen Sprüche am ehesten von
hypertonischen, adipösen, biersabbernden, halbgaren, spätpubertären
Hauptschulabbrechern).
Über die ganzen Zuschauer, ihren Beifall und ihre Sprüche habe ich meinen ISH
ganz vergessen. Jener meldet sich aber, kaum haben wir Ostgroßefehn hinter uns
gelassen, umso lautstarker zu Wort: "Eh, Alta, biste genug gelaufen, mach ma
Pause, schon dich!" Ich will ihn gar nicht hören, gebe aber widerwillig seinem
Drängen nach und verfalle in schnelles Gehen, was aber meinem Gewissen nicht gut
tut, denn dem wird sofort schlecht und sofort nehme ich wieder Fahrt auf. Eigentlich
laufe ich noch recht gut, es ist nur der Kopf, der einem immer wieder einen Streich
spielt. Das bisschen Brennen in den Beinmuskeln und der etwas schnellere Atem
zeigen einem noch lange nicht die eigenen Grenzen auf, die liegen ganz woanders es ist reine Bequemlichkeit, die einen auf den ISH hören lässt.
Unverdrossen setze ich einen Fuß vor den anderen und komme auch voran, nicht so
schnell, wie die Tausendneunhundertfünfzig vor mir, aber immerhin, ich bewege mich
auf das Ziel zu.
Die nächste Wasserstelle steht in Spetzerfehn kurz vor dem Kanal, an dem auch die
Mühle von Spetz liegt, mit den, die Brücke über den Kanal überquerenden
Ossiläufern, ein immer wieder gern genommenes Motiv für die Ossiloop-Fotografen.
Auch durch Spetzerfehn begleitet uns eine Welle von Wohlwollen und Freundlichkeit
von Seiten der Zuschauer, die nicht müde werden, auch uns Letzten anzufeuern.
Hinter Spetzerfehn wird das Terrain wieder heimisch, der Bahnhof Strackholt kommt
in Sicht - wie oft sind wir diese Strecke mit den holperigen Betonsteinen schon mit
dem Fahrrad abgeradelt, um uns in dem wunderbaren Biergarten mit einem frisch
gezapften, kühlen Pils (Weizen, alkoholfrei geht auch!) für die lange Radfahrt von
Logabirum zu belohnen. Natürlich stehen in Strackholt auch wieder einige Spöker,
die uns, mit dem Bierglas in der Hand, zur Eile antreiben wollen, selbst aber nach
nicht einmal einem Kilometer zusammenbrechen würden.
Wir verlassen den Wanderweg und laufen auf der, parallel zum Wanderweg
verlaufenden Straße nach Bagband weiter.
Nach einer leichten S-Kurve sehe ich auf der langen Geraden in, vermeintlich, weiter
Ferne ein Feuerwehrauto auf der Straße. Bis dahin noch, und dann auf die
Zielgerade nach Bagband zum Festlatz, weit ist es nun nicht mehr. Einige hundert
Meter vor mir meine ich, Sören ausmachen zu können, wäre ja zu schön, noch an ihn
herankommen zu können, aber darüber brauche ich mir nicht den Kopf zu
zerbrechen, das wird nicht geschehen. Hätte ich die Pausen nicht gemacht und wäre
nur etas schneller gewesen - ja, dann...Hätte, hätte...
Im Moment kommt es mir mal wieder so vor, als würde ich auf der Stelle treten, das
Feuerwehrfahrzeug scheint überhaupt nicht näher zu kommen. Kurzerhand lege ich
noch einmal eine Gehpause ein, in punkto "Sören" ist sowieso schon alles verloren,
um Johnny muss ich mir keine Gedanken machen und die Mädels sind schon lange
im Ziel. Ich sammle neue Kräfte für die letzten Meter. Zu lang darf ich aber die Pause
nicht machen, denn ich habe einen neuen "Feind" gefunden, Andreas von den
Läufern von Trauco/Scharff. Zwar kenne ich Andreas nicht persönlich, aber er läuft
Zeiten, die den meinen entsprechen. Bisher war Andreas meistens einige Meter vor
mir im Ziel, heute habe ich ihn aber noch nicht gesehen, also ist er noch hinter mir das gilt es auszunutzen! Ich nehme noch einmal alle meine Kräfte zusammen, laufe
die letzten Meter auf das Feuerwehrauto zu und biege mit den anderen Läufern nach
rechts in Richtung Bagbander Festplatz ab. Kurz vor dem Ziel kann ich sogar noch
zwei, drei Läufer überholen. Ich bin überglücklich, wie ich das "Piep" der Zeitnahme
höre und meinem Freund Heino fast in die Arme falle. Mann, war das heute ein
hartes Stück Arbeit!
Nach dem ersten Plausch mit Heino: "Wie waren Deine Eindrücke? Weshalb bist du
heute so spät?" - "Ich bin in Spezerfehn noch auf die Steenblock´sche Mühle
geklettert, um mir den Ossiloop von oben anzusehen, gigantischer Anblick! Heino,
das musst du im nächsten Jahr auch unbedingt sehen, ansonsten wäre ich sicherlich
mit Georg Diettrich zusammen eingelaufen!" - muss ich mich erst einmal stärken und
meine Mitstreiter aufsuchen. Frauke und Thea warten bereits völlig entspannt seit
geraumer Zeit darauf, dass ich auch endlich eintreffe. Sören kann sich ein
zufriedenes Grinsen nicht verkneifen, sagt aber weiter nichts. Er sieht wohl, wie ich
leide und will mich nicht auch noch ärgern.
Nachdem auch ich wieder auf "Normal" bin, beschließen wir, am Ziel auf Johnny zu
warten. Der Ärmste quält sich von Etappe zu Etappe, beißt sich aber durch und ist
immer noch dabei. Eine starke Leistung, die wirklich Respekt verdient.
Endlich wieder vereint, beschließen wir, den Abend für beendet zu erklären und uns
auf den Weg nach Hause zu machen, es warten noch zwei Etappen auf uns.
Dienstag, 7. Mai 2013
Auf Klaus Beyers Spuren mal eben vom Gut Stikelkamp nach Holtland
"sprinten"
Mein Ossiloop neigt sich so langsam dem Ende entgegen, vielleicht ist das heute ja
bereits meine letzte Etappe für dieses Jahr. Ich weiß immer noch nicht, ob ich am
Freitag laufen kann, oder ob ich Bratwürste wenden muss, oder Bier verkaufen.
Ansonsten ist heute alles, wie immer: Kurze Busfahrt, ankommen ohne sich zu
Verfahren, zielgenau nach Stikelkamp, letzte Meter zu Fuß durch den Wald gehen,
Rundumblick, ob denn auch alle da sind und warten auf neunzehn Uhr.
Alle sind sie wieder da, Gerda und Anton aus Potshausen, Sören und Sabine,
Frauke und Thea, H.-D. und all die mittlerweile bekannten Gesichter aus den
Startgruppen 9 und 10. Ich glaube, man kann so viele Ossiloop-Etappen laufen, wie
man will, die Nervosität vor dem Start ist immer die Gleiche, vergleichbar vielleicht
mit dem Lampenfieber des Schauspielers vor seinem Auftritt.
Edzard hat gesagt, dass wir Hesel heute anders durchqueren als sonst, wir werden
auf direktem Wege, am Restaurant "Kloster Barthe" vorbei über den neugestalteten
Wohnmobil-Stellplatz laufen, das war wohl ein Wunsch der Samtgemeinde. Und, er
hätte heute aus der Etappe gute zehn Kilometer gemacht, hat Edzard gesagt. Woher
bekommt er aber die an zehn Kilometern fehlenden vierhundert Meter? Wie gesagt,
Spannung liegt in der Luft, jedenfalls in meiner.
Schuss, 19:00 Uhr, laute Musik, es geht los. Auf zum Sprint nach Holtland. Dann
Ossiloop-business as usual: Durch den Wald, zunächst mal Richtung Hesel, dann
nach wenigen hundert Metern links in Richtung Bagband, um widerum nach einigen
hundert Metern nach rechts in Richtung Heseler Hörn abzubiegen.
Schade, dass ich in diesem Jahr konditionell nicht so gut drauf bin wie im Vorjahr, zu
gerne hätte ich auch heute wieder die vor mir laufende Sabine heimlich, still und leise
überholt und ihr im Ziel eine lange Nase gemacht. Heute ist daran überhaupt nicht zu
denken, ich kann mich freuen, wenn ich nicht allzu spät nach ihr ins Ziel komme.
In Heselhörn ist in jedem Jahr fix was los. Zum Ossiloop legen sich die Einwohner
immer ordentlich ins Zeug und schmücken ihren Ort mit Fahnen und bunten
Bändern. Natürlich steht das ganze Dorf an der Strecke und beklatscht uns - auch
uns letzte Läufer, wir dürfen es genießen.
Hinter Heselhörn laufen wir einen großen Bogen, wieder in nördliche Richtung, um
dann wieder zum Wanderweg zu gelangen und nach Süden hin Hesel zu erreichen.
Wie schon beschrieben geht es in diesem Jahr nicht in der Siedlung nördlich der
Stikelkamper Straße rechts ab und dann westlich an Hesel vorbei. Wir bleiben auf
dem Wanderweg, vorbei an der wieder aufgebauten Haltestelle, oder sollte man
sagen Bahnhof, Hesel und laufen geradeaus, soweit es die ehemalige Bahntrasse
zulässt. Dort, wo sich die Trasse der Bundesstraße 436, die auch schon einmal
Bundesstraße 75 hieß, als es die Autobahn noch nicht gab, nähert und früher dort
die Bundesstraße überquert hat, geht es nicht mehr weiter geradeaus. Wir müssen
uns hier rechts halten "Am Wassergraben" heißt der Schlackenweg, der uns an
einem sehr gepflegten Pferdehof vorbeiführt, für dessen prächtige, auf der Weide
stehenden Vollblüter wir aber am heutigen Tag keinen Blick haben.
Wir schlagen einige linke und rechte Haken, unterqueren den Autobahnzubringer von
Hesel zur A 31 in Veenhusen, biegen scharf rechts ab und umlaufen dann auf einem
landwirtschaftlichen Weg mit zwei schmalen Betonstreifen das Gewerbegebiet
Wehrden in Hesel. Hier, hinter dem Gewerbegebiet stehen schon wieder etliche
Zuschauer, es wäre ja auch nur noch ein guter Kilometer bis zum Sportplatz in
Holtland zu laufen - wenn Edzard nicht der Erfinder der Umwege wäre! Genau, wie
im vergangenen Jahr biegen wir, nachdem der landwirtschaftliche Weg auf eine
schmale, befestigte Straße mündet, nicht links ab und schlängeln uns zum Sportplatz
- nein, rechts ab heißt die Marschrichtung!
Natürlich kenne ich die Streckenführung, bin diese Etappe ja auch schon gelaufen
und weiß auch, wie viele Kilometer an zehn noch fehlen. Aber, dieser Umweg um
das fast schon sichtbare Ziel gibt dem ISH noch einmal Gelegenheit, sich zu Wort zu
melden. "Werner, ruh dich aus, schinde dich nicht so, es ist noch so weit bis zum
Ziel....!" Papperlapapp! Es wird gelaufen! Eine ganz kurze Pause lege ich aber
trotzdem noch ein. Auf dem letzten Stück, bevor es auf die Zuwegung zum Sportplatz
geht, kommen mir schon wieder Heerscharen von Zuschauern entgegen, die wohl
alle der Meinung sind, der Ossilauf wäre schon beendet. Dass wir Letzten auch
gerne noch auf geradem Weg ins Ziel kommen möchten und uns nicht den Weg
durch die Zuschauer bahnen möchten, interessiert die abwandernden Menschen
nicht. Kreuz und quer, zu viert nebeneinander, nicht auf Läufer achtend schlendern
sie gemütlich zu ihren Autos, die sie natürlich möglichst nah am Sportplatz geparkt
haben. Ich gerade dabei, mich so richtig schön über diese Ignoranten zu ärgern, als
ich, am Ende meiner Kräfte, die letzten Meter vor dem Sportplatztor unter die Füße
nehme. "Jetzt hast Du's gleich geschafft, nur noch wenige Meter bis ins Ziel!" Ich
mache mir Mut, bin aber immer noch nicht ganz im Reinen mit dem Spruch von
Edzard:" Ich habe heute gute Zehn draus gemacht!" Es fehlen noch etwa 400 Meter
an Zehn Kilometern. Durch das Tor kann ich bereits auf den Sportplatz sehen, da
verlässt mich der Mut! Auf der Gegengerade sehe ich Läufer! Muss ich jetzt vielleicht
noch eine ganze Stadionrunde von genau diesen 400 Metern absolvieren bevor ich
ins Ziel komme? Mich verlässt jeglicher Mut und ich stelle die Lauferei ein. Ich bin
völlig frustriert noch nicht am Ziel zu sein. "Du musst noch zehn Meter bis zum Ziel"
ruft mir ein Zuschauer zu. Auf diesen Zuruf hin sehe ich mir das Geschehen noch
einmal an und stelle fest, dass die Läufer auf der Gegengeraden sich nur auslaufen
und sich das Ziel in nicht einmal zwanzig Metern Entfernung unmittelbar vor mir
befindet.
Ich schelte mich einen "Dummbeutel" und sehe zu, dass ich über die Zielmatten
komme. Geschafft - meine Güte, es gehört was dazu, mich durch den Ossiloop zu
bringen! Apropos: Ossiloop – war's das jetzt, oder laufe ich am Freitag doch noch die
letzten endlos langen, nie enden wollenden 13,6 Kilometer bis auf den
Denkmalsplatz? Diese Frage wird sich wohl erst am Freitag klären. Für den Moment
sorge ich nur dafür, meinen Durst mit köstlichem Tee und den Hunger (Salzstangen
sind leider keine mehr da) mit Apfelspalten und Bananenstückchen zu stillen und,
zusammen mit den anderen, auf Johnnys Ankunft zu warten. Nach guten zehn
Minuten kommt der Pirat völlig entkräftet ins Ziel. Ich frage mich, ob das, was Johnny
hier seinem Körper abverlangt noch gesund ist, andererseits kann ich ihn verstehen
und bewundere sein Durchhaltevermögen. Wer den Ossiloop angefangen ist, der will
ihn auch erfolgreich zu Ende bringen, nicht nur Johnny, ich auch!
Schaun mer mal!
Freitag, 10. Mai 2013
"Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei!
Die letzte Etappe:
Bratwurst braten oder nach Leer einlaufen, das ist hier die Frage.
Heute startet der Ossiloop zu seiner letzten Etappe vom Sportplatz in Holtland zum
Denkmalsplatz in der Innenstadt von Leer. Für den Vorstand und die Helfer von
Fortuna Logabirum gibt es heute jede Menge zu tun. Die Bierwagen werden gebracht
und müssen platziert und angeschlossen werden, die Grillstände müssen geholt und
aufgebaut werden, die Ware und alles, was dazu gehört muss besorgt werden.
Für mich ist um 13.00 Uhr mein Arbeitstag beendet, ich fahre nach Hause, ziehe
mich um und fahre zum Denkmalsplatz, um aufzubauen. Aufgrund des Neubaues
des Geldbunkers der Sparkasse steht uns auf dem Denkmalsplatz in diesem Jahr
wesentlich weniger Platz zur Verfügung, als sonst. Sehr hilfreich ist hier natürlich
Edzards handgemalte Skizze mit den ungefähren Stellflächen vom Vorjahr. Ausser
unseren zwei Bier- und Grillständen muss noch Platz sein für die Bühne, für die
Werbezelte einiger Sponsoren, für die Ausgabe der Dörloper-Shirts und für den
Auslauf hinter dem Ziel.
Irgendwie regelt sich, wenn auch vielleicht nicht in jedem Falle optimal, die Verteilung
der Stände am Ende dann doch noch.
Was unsererseits für die Durchführung einer solchen Veranstaltung alles zu
bedenken ist, ist immens. Es müssen Tische herbei geschafft werden für die Stände,
Müllsäcke für den Abfall, Pappen und Senf für die Bratwürste müssen da sein, die
Hygienevorschriften des Landkreises, weil wir doch mit Lebensmitteln umgehen,
müssen erfüllt sein, Wasser- und Stromanschlüsse müssen gelegt werden,
Bierfässer angeschlossen und Gläser gespült werden...usw.
Ich muss mich wundern, was zu dieser Zeit am Nachmittag in der Leeraner
Innenstadt los ist. Ungezählte Menschen hetzen über den Denkmalsplatz, fast jeder
zweite ein Tourist. Was hier auf dem Platz denn passieren würde fragen sie,
angesichts des Bühnenaufbaus und der Bierwagen, was auf eine größere
Veranstaltung schließen lässt. Der Einlauf des Ossiloops scheint nicht auf
Prospekten und Flyern über Veranstaltungen in Leer verzeichnet zu sein. Bereitwillig
geben wir jedem Touri Auskunft über das zu erwartende Spektakel.
Gegen 16.00 Uhr ist dann alles abgeschlossen, alles steht, die Show könnte
beginnen.
Über Handy ruft mich meine "Vizepräsidentin" an und eröffnet mir, dass sie sich mit
den anderen Kollegen aus dem Vorstand kurzgeschlossen hätte, um zu überlegen,
ob die am Lauf teilnehmenden Vorständler wohl doch mitlaufen könnten. Einhellig sei
man der Meinung, dass, wenn alles steht und für den Abend genügend Helfer
anwesend sind, einem Start von Henning, dem Werderphantom und mir nichts im
Wege stünde.
Das heißt also, ich darf laufen!
Später erfahre ich auch, dass die Diskussion um unsere Laufteilnahme von außen
angestoßen wurde. Es gäbe für einen Ossiläufer nichts schlimmeres, als nicht zu
Ende laufen zu können, hat jemand zu bedenken gegeben, daran solle man auch
denken. Bei aller Anstrengung und Kämpfen mit dem Innerem Schweinehund kann
ich nur sagen: Das stimmt!
Glücklich darüber, mich heute noch einmal richtig quälen zu dürfen fahre ich nach
Hause und bereite mich auf den Lauf vor. Es ist noch Zeit genug, um alles in Ruhe
anzugehen.
Es herrscht eitel Freude über mein Eintreffen im Laufdress am Sammelpunkt bei der
Ostfriesenzeitung. Meinen Mitläufern hatte ich natürlich auch von meinem Dilemma
mit der Schlussetappe erzählt, umso mehr freuen sie sich jetzt mit mir, dass es doch
noch geklappt hat.
Rein in den Bus, raus aus dem Bus - wir sind in Holtland! Kein Hesel, kein Stau,
lediglich einige Meter Fußweg durch die Holtlander Siedlung vor dem Sportplatz, die
für die Busfahrer eine wahre Herausforderung darstellt, die man durch den kurzen
Fußmarsch aber umgehen kann.
Zwanzig Minuten vor dem Start, bevor noch einmal Klaus Beyers, des Vaters des
Ossiloops, gedacht wird und die Meute auf die letzte Runde gehetzt wird, werden
Matthias und Johnny und noch ein, zwei weitere Läufer, die hoffnungslos
zurückliegen und auch heute sicherlich erst 30 bis 40 Minuten nach allen anderen
ankommen würden, auf den Weg geschickt, um mit dem Rest der Truppe
einzulaufen.
Edzard mahnt noch einmal zur Vorsicht, nicht überpacen ist die Devise. "Geht die
erste Hälfte der Strecke bis Onkel Heini ruhig an, wenn dann noch Reserven da sind,
dann ruft sie ab!"
Neunzehn Uhr, ein Schuss, ein Knall: Jetzt geht's lohos!
Auf der Strecke denke ich ständig an Edzards Worte und daran, wie es mir im
Vorjahr auf dieser Etappe ergangen ist, wieviele Laufpausen ich einlegen musste.
Das soll mir in diesem Jahr möglichst nicht passieren.
Alles läuft gut. Über Holtland-Nücke laufen wir an Brinkum vorbei nach Meerhausen
und weiter nach Siebenbergen. Bevor wir Logabirum erreichen, gerät die Lauferei zur
Bergetappe mit Erhöhungen höchster Kategorie, wir müssen die supersteile und
superhohe Autobahnbrücke überwinden! Nachdem das, unter Aufbietung aller Kräfte,
gelungen ist, laufen wir durch die Zoostraße am ehemaligen "Ostfriesischen Waldzoo
Onkel Heini" vorbei und erreichen, erstmalig auf dieser Etappe, wieder die frühere
Trasse der Eisenbahn "Jan Klein".
Gefühlt ist man bereits in Leer und das Ende ist nah! Gefühle können täuschen!
Gerade einmal gut die Hälfte der Strecke ist geschafft. Kilometer "7" wird bei "Onkel
Heini" angezeigt. Auf der nicht enden wollenden Gerade des ehemaligen
Gleiskörpers gilt es, noch einmal allen Mut und alle Kraft zusammen zu nehmen, um
die restlichen 6,5 Kilometer, samt der 32 Stufen an der Umgehungsstraße zu
meistern. Hier, in meinem heimatlichen Gefilde, stehen natürlich an jeder Ecke
bekannte Gesichter, die von: "Toll, Werner, bist du auch wieder dabei", bis "Na los,
Werner, die meisten sind schon im Ziel, pass auf, dass du nicht Letzter wirst."
Hier gilt es, dem ISH, der sich natürlich wieder einmal zu Worte meldet, auch wenn
ich mir mein Rennen so ökonomisch, wie möglich eingeteilt habe, Paroli zu bieten,
denn wer möchte denn zum Gespött der Leute werden, weil er während des
Ossiloops spazieren geht?
Die letzte Wasserstelle vor dem Ziel, bei Franz und Richard Hartema, nutze ich aber
doch wieder, um mir von Hilke (wir haben zusammen bei Edzard das Laufen erlernt)
das Wasser reichen zu lassen, im Stehen zu trinken und ein sehr kleines
Pläuschchen zu halten.
Mittelweg, Weidenweg, Eichendorffstaße, Frisia Loga Sportanlage, Böcklinweg, die
Wegekreuzungen des Wanderweges bis zu seinem Ende nehmen kein Selbiges.
Endlos kommt mir die Strecke vor, immer wieder unterbrochen von kurzen
Gehpausen. Irgendwann erreiche aber auch ich das Tor des Wanderweges, zu dem
man auch gute zwei Meter herauf laufen muss, um hinter dem Übergang der
Oldenburger Bahn den Logaer Weg zu kreuzen. Das härteste Stück wartet jetzt auf
mich: völlig entkräftet, so komme ich mir jedenfalls vor, biege ich hinter MazdaSchröder nach links auf die Straße "Zwischen den Bahnen" ab, eigentlich eine
Sackgasse, aber für uns der Beginn einer großen Herausforderung. Um die Emder
Bahn schrankenlos überwinden zu können, müssen wir sie überqueren. Die einzige
Chance, hinüber zu kommen, ist es, 32 Treppenstufen zur Umgehungsstraße zu
erklimmen und über die Brücke zu laufen. "Tragt mich rauf!" möchte ich rufen, aber
außer ein paar Sanitätern, die darauf aufpassen, dass an dieser neuralgischen Stelle
nichts passiert, ist keiner da, der mich tragen könnte, also muss ich aus eigener Kraft
hinauf, was den Puls noch einmal richtig in die Höhe treibt. Auf der treppenlosen
Schleife bergab versuche ich locker zu laufen und Kräfte zu sammeln für den
Endspurt. Auf einem Fußpad gelange ich von der Großen Roßbergstraße zur
Großstraße. Noch gute 1000 Meter bis zum Leffers-Eck am Anfang der
Mühlenstraße liegen jetzt noch vor mir. Vielleicht habe ich mir die Strecke ja doch
besser eingeteilt, als im Vorjahr, jedenfalls kann ich diesen Kilometer ohne Pause
durchlaufen. Am Leffers-Eck , an dem ich EWE-Helga wieder fotografieren sehe, wie
zum Ende fast jeder Etappe, wird noch einmal ordentlich Adrenalin ausgeschüttet:
Immer noch zahlreiche Zuschauer säumen die letzten Meter und klatschen, das Ziel
liegt vor mir, und vor mir läuft auch noch mein "neuer Feind" Andreas, den ich zwar
im Gesamtklassement hinter mir lassen konnte, aber gerne auch heute noch
schlagen würde. Hundert Meter vor dem Ziel werden die Beine noch einmal schnell,
ich komme Andreas immer näher und kann ihn quasi im Ziel noch abfangen und bin
auf der letzten Etappe genau eine Sekunde schneller, als er.
Sich freuen, wieder zu Atem kommen, Hände schütteln, sich umarmen, gratulieren,
für all das ist jetzt die richtige Zeit, und natürlich für Heino. "Warum kommst Du so
spät, Werner, was war los?" will er wissen. Natürlich habe ich für ihn die richtige
Antwort parat: "Heino, in Holtland habe ich gesehen, dass bei Saathoff der Spargel
so günstig ist, da konnte ich nicht widerstehen und habe mir erst einmal ein Pfund
besorgt!" Damit haben wir wieder die Lacher auf unserer Seite.
Der Rest des Abends ist Routine: Dörlopershirt besorgen, endlich, nach Wochen, mit
den Freunden das erste Bier genießen und bei Fortuna nach dem Rechten schauen.
Der Bier- und Bratwurstverkauf für den Verein läuft, ich brauche im Augenblick nicht
zu helfen.
Gegen Mitternacht leert sich der Platz, auch die Letzten gehen nach Hause. Für uns
fängt nun das Aufräumen an. Die Bierwagen müssen aufgeräumt und verschlossen
werden, sie werden am nächsten Tag vom Bierverlag wieder abgeholt. Die beiden
Grills und die Stände müssen wir aber komplett abbauen und, soweit wie möglich,
reinigen, aufladen, wieder zur Sporthalle bringen und dort auch noch abladen und
verstauen, auch die nicht verkauften Würste müssen noch in die Truhe.
Es ist 2:30 Uhr, der Ossiloop 2013 ist nun auch für mich zu Ende.
Im nächsten Jahr geht ´s wieder von Leer ans Meer, mal sehen, ob
ich ´s packe?
Bis denne!
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