IP/04/527 Brüssel, den 23. April 2004 Grünbuch über Unterhaltspflichten: Kommission will Meinung interessierter Parteien einholen Die Europäische Kommission hat ein Reflexionspapier (Grünbuch) über die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltspflichten (z.B. Unterhalt an ein Kind durch einen Elternteil, der nicht bei ihm lebt) erstellt. Sie möchte die Meinung aller interessierten Parteien zu den verschiedenen Fragen einholen, bevor am 2. Juni in Brüssel eine Anhörung und in der Woche danach die zweite Verhandlungsrunde im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht stattfindet. Die Kommission hat vor, bald einen Vorschlag für Gemeinschaftsnormen vorlegen, in denen festgelegt ist, welche Regeln zwischen den Mitgliedstaaten der Union gelten. Sie bereitet ferner ein Übereinkommen für die Haager Konferenz mit dem Ziel vor, die bestehenden Vorschriften (mehrere völkerrechtliche Übereinkommen und regionale oder bilaterale Abkommen) zu modernisieren. Dieses Übereinkommen könnte vor allem zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Drittstaaten Anwendung finden. Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen stößt auf zahlreiche Schwierigkeiten; in manchen Fällen werden innerhalb eines Staates beinahe 50 % der Ansprüche nicht geltend gemacht. Die Probleme sind umso größer, wenn die unterhaltspflichtige und die unterhaltsberechtigte Person nicht im selben Staat leben. Aufgrund der Entwicklung der familiären Strukturen in den letzten Jahren nimmt dieses Problem bereits bedeutende Ausmaße an. In Europa scheinen Tausende oder gar Zehntausende davon betroffen zu sein. Das Grünbuch der Europäischen Kommission über Unterhaltspflichten zeigt alle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Unterhaltspflichten auf: - Zuständiges Gericht: Die Frage, welches Gericht für die Entscheidung über die Gewährung oder Änderung von Unterhaltszahlungen zuständig ist, ist zwar auf Gemeinschaftsebene geregelt, bereitet aber auf internationaler Ebene Probleme. Da die einzelnen Staaten unterschiedliche Lösungen gefunden haben, kann es vorkommen, dass sich die Gerichte zweier Staaten für die Entscheidung über dieselbe Sache für zuständig erachten und einander widersprechende Entscheidungen erlassen. Es kann aber auch sein, dass sich kein Gericht für zuständig hält oder dass in bestimmten Systemen zwei Entscheidungen hintereinander getroffen werden müssen, einmal im Staat des Gläubigers, das zweite Mal im Staat des Schuldners, dass aber einer der beiden Staaten diese Lösung nicht zulässt. - Anerkennung der Urteile: Im europäischen Rechtsraum wird die Anerkennung der Urteile durch die Brüssel-I-Verordnung erleichtert. Auf internationaler Ebene ist die Situation jedoch schwieriger: Aufgrund der Besonderheiten bestimmter Rechtssysteme werden Entscheidungen im Ausland oft nicht anerkannt und vollstreckt. - Anwendbares Recht: Auch bei der Frage, welches Recht das erkennende Gericht anzuwenden hat, stößt man auf Schwierigkeiten: Sie ist derzeit nicht im Gemeinschaftsrecht geregelt, sondern richtet sich nach Haager Übereinkommen, die nur von wenigen Staaten ratifiziert wurden. Die Rechte nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen der einzelnen Staaten sind sehr unterschiedlich. In einigen Staaten haben nur Kinder Anspruch auf Unterhalt, in anderen wiederum können die Verwandten in aufsteigender Linie oder die Geschwister im Bedarfsfall Unterhaltsansprüche geltend machen. Um Unsicherheiten zu vermeiden, wäre es nützlich, Kriterien dafür festzulegen, welches Recht auf einen bestimmten Sachverhalt anzuwenden ist. - Zusammenarbeit der Staaten: Für die Bearbeitung der einzelnen Fälle ist eine Zusammenarbeit der Staaten erforderlich. Auch bei erleichterten Verfahren kann man nicht den bedürftigen Unterhaltsberechtigten die Pflicht auferlegen, im Ausland geeignete Schritte einzuleiten, um die ihnen zustehenden Beträge zu erlangen. Im Übereinkommen der Vereinten Nationen, dem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und zahlreiche Drittstaaten angehören, ist bereits Zusammenarbeit vorgesehen, doch bleibt es oft wirkungslos. Es ist erforderlich, den Staaten klare Pflichten aufzuerlegen: Ausforschung des Schuldners, wenn die antragstellende Person seine Adresse nicht kennt, Feststellung der finanziellen Situation des Schuldners, Einleitung der Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, Transfer von Mitteln usw. - Materielle Unterstützung der betreffenden Personen: Es sollte in der gesamten Gemeinschaft möglich sein, dass die betreffenden Personen, insbesondere Kinder, materielle Unterstützung erhalten, wenn sie keinen Unterhalt bekommen, weil der Schuldner nicht auffindbar oder zahlungsunfähig ist. Hintergrund: Der Europäische Rat von Tampere hatte 1999 eine Verbesserung der grenzüberschreitenden Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gefordert und empfohlen, die Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen, die bereits in der Brüssel-I-Verordnung vorgesehen sind, weiter zu vereinfachen. In dem Ende 2000 angenommene Programm zur gegenseitigen Anerkennung ist daher die Aufhebung der Exequatur, d.h. des Verfahrens vorgesehen, mit dem ein in einem Staat ergangenes Urteil in einem anderen Staat anerkannt und für vollstreckbar erklärt wird. Zur Erleichterung der Durchsetzung von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern oder anderen bedürftigen Personen, die die Zahlung zur Deckung ihrer wesentlichen Bedürfnisse benötigen, reicht es allerdings nicht aus, nur die gerichtlichen Verfahren im Aufenthaltsstaat des Schuldners zu vereinfachen. Für weitere Informationen siehe : http://europa.eu.int/comm/justice_home/news/consulting_public/news_consulting_public_en.htm Kontakt: [email protected] 2