Standpunkte und Vorschläge zum Gesellschaftskundeunterricht Diskussionsangebot Beilage der Zeitschrift „Geschichte und Gesellschaftskunde'", Heft 4/1990 Zum Stand der Diskussion und zur weiteren Arbeit am Konzept des neuen Faches Die Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung des Konzepts für das neue Fach Gesellschaftskunde dankt für die zahlreichen Zuschriften. In den mehr als 200 Stellungnahmen und konstruktiven Vorschlägen, die uns aus allen Teilen der Republik und aus den verschiedensten Kreisen der Bevölkerung zugingen, wurde durchweg der radikale Bruch mit dem ehemaligen Staatsbürgerkundeunterricht gefordert, zu dessen Hauptaufgabe es gehört hatte, den Wahrheits- und Machtanspruch der SED zu begründen. In allen Zuschriften wird der hohe Anspruch an eine politische Bildung formuliert, die für alle annehmbar ist und einen Beitrag zur Heranbildung mündiger Bürger leisten soll. Nahezu alle Einsender sprechen sich für ein breites Inhaltsangebot aus und verlangen einen großen Entscheidungsspielraum für den Lehrer bei der Auswahl und Anordnung des Lehrstoffes. Besonders eindringlich wurde der konsequente und durchgängige Schülerbezug bei der Planung und Gestaltung des Unterrichts gefordert. Er soll u. a, darin zum Ausdruck und zur Wirkung kommen, dass konkrete Entscheidungen über Inhalte, Schwerpunkte und methodische Verfahren usw. die Interessen, Erfahrungen und Bedürfnisse der Schüler zum Ausgangsund Bezugspunkt haben, dass die Schüler an der Festlegung gemeinsamer Arbeitsprogramme aktiv beteiligt sind und dass sie Forschungs- und Erkundungsaufträge übernehmen, Diskussionen selber leiten und mitgestalten. In dieser aktiven Beteiligung der Schüler an der Planung und Gestaltung des Unterrichts, die über ein allgemeines Mitspracherecht in Einzelfragen hinausgeht, wird eine entscheidende Chance gesehen, die Schüler zur Bereitschaft und Fähigkeit zu erziehen, an demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen mitzuwirken. Alle Vorschläge zur Gestaltung einzelner Kurse und Themen sowie zur Auswahl und Anordnung der Lehrstoffe und zu stufenspezifischen Angeboten wurden gründlich ausgewertet und bei der Entwicklung des Programms berücksichtigt. Nur in wenigen Fällen mussten eingereichte Konzepte und Lösungsansätze unberücksichtigt bleiben und zurückgewiesen werden. Hier handelte es sich um Entwürfe, die zu stark auf Begriffe und Systeme orientieren und deren Realisierung eine Gefahr für die gewünschte und erforderliche Schülernähe und Lebensorientierung bedeuten könnte. Das hier unterbreitete Diskussionsangebot stellt ein Zwischenergebnis der Arbeiten am Konzept des neuen Faches Gesellschaftskunde dar. Es berücksichtigt noch nicht den Vorschlag, einen obligatorischen Kurs zur Gestaltung des persönlichen Lebens in das Fach Gesellschaftskunde aufzunehmen. Viele Kollegen sprechen sich dafür aus, dass ein solcher ausgesprochen lebenskundlicher Kurs an den Anfang des Gesellschaftskundeunterrichts gestellt werden sollte, um auf diese Weise zugleich einen wirk sameren Zugang zu politischen Gegenständen und Phänomenen herbeizuführen. Ein solches Kursangebot wurde inzwischen unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Borrmann und Frau Prof. Dr. Bastian erarbeitet. Es orientiert sich weitgehend an dem bereits erprobten und in der DLZ (1 und 2/I990) veröffentlichten Entwurf. Folgende Themen werden vorgeschlagen: 1. Die Gesellschaft und ich - Meine Wünsche und meine Möglichkeiten - Auch ich gestalte Lernen und Leben in der Schule mit - Mein Beitrag für eine schöne und lebenswerte Umwelt - Was gehen mich politische und soziale Probleme an? 2 2. Gesund leben - aber wie? - Persönliche Hygiene - Bekleidungshygiene - Wohnhygiene - Infektionsschutz - Genussmittel- und Drogenmissbrauch - Gesunde Ernährung - Körperliche Betätigung 3. Äußeres und Charakter - Gutes Benehmen und Ansehen - Selbsterkenntnis und Selbsterziehung - Temperamente im Umgang miteinander - Mein Charakter - dein Charakter - Ansehen gewinnen und Würde bewahren 4. Freundschaft, Liebe und Sexualität im Leben junger Menschen - Die Eltern und der erste Freund/die erste Freundin - Jugendliches Sexualverhalten - Empfängnisverhütung - Homosexualität - Äußeres, Interessen und Haltungen bei der Partnerwahl - Liebe als Einheit von Gefühl und Verstand 5. Meine Familie - was gibt sie mir - was gebe ich ihr? - Verteilung von Rechten und Pflichten in der Familie - Gemeinsame Planung und Gestaltung des Familienlebens - Konflikte im Familienalltag und ihre Lösung - Meine Großeltern - unser Verhältnis zueinander - Ehescheidung - Familienentscheidung - Familie ohne Ehe 6. Wie begegne ich anderen Menschen? - Gruppennormen als Element der Lebensgestaltung - Mein Verhältnis zu älteren Menschen - Akzeptanz und Toleranz im Umgang mit Andersdenkenden - Begegnung mit Kranken und Behinderten - Tod und Trauern heute 7. Was bedeuten mir Beruf, Arbeit und Freizeit? - Gute Berufe - schlechte Berufe? - Berufswunsch und Berufswünsche - Verbindung von Berufstätigkeit, gesellschaftlicher Tätigkeit, Familienleben und Hobby -Tages- und Wochenrhythmus - sinnvolle Nutzung der freien Zeit und Gestaltung von Feiern, Festen und Urlaub Offen ist noch die Frage nach dem Gewicht des Kurses „Wirtschaftliches Leben und Wirtschaftspolitik". Es wird nachdrücklich die Forderung erhoben, zumindest die Grundzüge der Marktwirtschaft in den obligatorischen Teil des Gesellschaftskundeunterrichts aufzunehmen. 3 Alle vorliegenden Entwürfe zu Grund- und wahlobligatorischen Kursen werden zur Zeit unter folgenden Gesichtspunkten weiter bearbeitet: - Erhöhung der Orientierungswirksamkeit der Aussagen in den Vorbemerkungen durch präzisere Zielformulierungen; - Überprüfung der Auswahl und Anordnung des Stoffes unter dem Aspekt, die gesellschaftliche Wirklichkeit mit ihren Problemen stärker ins Zentrum des Unterrichts zu rücken; - Sicherung der durchgängigen Schülerbezogenheit durch eine entsprechend orientierte Diktion der Ziel- und Stoffangaben; - bessere inhaltliche Abstimmung der Grundkurse mit den Wahlkursen sowie die noch konsequentere Beachtung der Vor- und Parallelleistungen anderer Fächer und Bereiche; - Profilierung des Tätigkeitskonzepts. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, die Rahmenprogramme nach der erforderlichen Bearbeitung und Vervollständigung am 1. September 1990 als Übergangslösung in Kraft zu setzen. Die weitere Ausgestaltung der einzelnen Kurse und insbesondere die Präzisierung der Lernziele sollten auf der Grundlage gezielter Erprobungen vorgenommen werden. Ziel, Inhalt und methodische Gestaltung des Gesellschaftskundeunterrichts Der Gesellschaftskundeunterricht soll einen Beitrag zur Heranbildung von mündigen Bürgern leisten, die sich durch humanistische Bildung, demokratische Gesinnung und durch die Fähigkeit und Bereitschaft auszeichnen, sich aktiv an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen in der Gesellschaft zu beteiligen und verantwortungsbewusst zu handeln. Auf der Grundlage politischer, ökonomischer, philosophischer, theologischer, ethisch-moralischer, soziologischer, psychologischer u. a. Kenntnisse und Einsichten sollen die Schüler dazu befähigt werden, gesellschaftliche und politische Ereignisse, Vorgänge, Prozesse und Handlungen kritisch zu beurteilen, sich mit den eigenen Interessen ins Verhältnis zu den Interessen anderer und zum Gemeinwohl zu setzen, Konflikte kulturvoll auszutragen und aus Auseinandersetzungen mit anderen Auffassungen und Handlungsweisen Konsequenzen für das eigene Verhalten und Handeln frei zu bestimmen. Der Unterricht in Gesellschaftskunde soll die Schüler dazu erziehen, Toleranz und Achtung gegenüber Personen mit unterschiedlichen politischen, weltanschaulichen und konfessionellen Auffassungen und Bindungen zu üben und unduldsam zu sein gegenüber allen Äußerungen und Erscheinungsformen von Kriegshetze, Rassismus, Faschismus sowie Bekundungen von Glaubens-, Fremden- und Völkerhass. In diesem Sinne versteht sich das Fach als Teil der Friedenserziehung. Dem Ziel des Faches entspricht ein breit gefächertes Inhaltsangebot, das sich in einem Gefüge von Grundkursen und wahlobligatorischen Kursen widerspiegelt. Den Gegenstand des Grundkurses in den Klassen 7 und 8 bilden die Beziehungen des Schülers, des Individuums überhaupt zu den verschiedenen Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die politische und soziale Stellung des Bürgers in Staat und Gesellschaft. Die Schüler gewinnen einen elementaren Einblick in die politische Organisation des gesellschaftlichen Lebens in ihrer Schule, in ihrem Ort, in ihrem Lande und in der Produktion, machen sich mit den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten vertraut und begreifen Bedeutung und Sinn von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für das eigene Wohl und das Wohl aller Bürger. In den Klassen 9 und 10 stehen globale Probleme der Existenz und Entwicklung der Menschheit im Mittelpunkt der unterrichtlichen Behandlung. Unter verschiedenen Aspekten werden die Herausforderungen an das verantwortliche Handeln der Menschen, der Völker 4 und Politiker, im nationalen und internationalen Maßstab herausgearbeitet. In wahlobligatorischen Aufbaukursen erhalten die Schüler Gelegenheit, ihre Einsichten auf bestimmten Gebieten zu erweitern und zu vertiefen. Zur Wahl stehen folgende Kurse: Wirtschaftliches Leben und Wirtschaftspolitik Politik und Moral in der Gesellschaft Massenmedien - ihre Macht und ihr Gebrauch Lebensweise und Lebensgestaltung Geistige Strömungen und Bewegungen in unserer Zeit Der Schüler wählt jeweils zwei der angebotenen Kurse aus, und der Lehrer entscheidet in Abstimmung mit den anderen Fachlehrern, ob der Unterricht wöchentlich oder 14tägig gehalten wird oder ob gegebenenfalls sogar eine wechselnde Regelung nach Art und Charakter der Themenkomplexe möglich ist. Die gesellschaftskundliche, politische Bildung wird in der Abiturstufe und im Rahmen der Berufsausbildung mit einem differenzierten Angebot an Lehrstoffen und unter spezifischen Zielstellungen weitergeführt. Die Ziele und Inhalte verlangen ein didaktisch-methodisches Konzept, dessen Kernstück durch einen demokratischen, kommunikations- und kooperations-fördernden Führungsstil des Lehrers, durch aktivierende Unterrichtsmethoden und durch die sozialisierende Rolle des Schülerkollektivs geprägt ist. Methoden im Gesellschaftskundeunterricht müssen sich am Ziel der Selbstbestimmung des mündigen Bürgers und an der Erweiterung seines Freiheitsspielraumes in Staat und Gesellschaft auf der Grundlage wachsender Demokratiefähigkeit orientieren. Das impliziert den Vorrang methodischer Verfahren, die selbständiges politisches Urteilen, forschendes Lernen, Kooperationsfähigkeit und kritische Sozialisation fördern. Intensives Lernen und die Anstrengung des Begriffes einerseits und reger geistiger Meinungs- und Gedankenaustausch sowie praktische Aneignungs- und Anwendungstätigkeit andererseits müssen die Qualität des Unterrichts in diesem Fach bestimmen. Besondere Aufmerksamkeit gebührt der dialogischen Kommunikation. Für das Fach Gesellschaftskunde ist der Dialog nicht eine von vielen Methoden, sondern ein die Methodik des Unterrichts im ganzen prägendes Prinzip und konstituierendes Element. Im Dialog lernt der Schüler seine Meinung zu vertreten, argumentierend zuzuhören und zuhörend zu argumentieren. Im Gespräch erhält er Gelegenheit, Toleranz zu üben und andere Tugenden auszubilden, die er als mündiger Staatsbürger braucht, um selber in der Gesellschaft etwas bewirken zu können und sich mit bestimmten Ansichten und Plänen durchzusetzen. Dem Anliegen, einen mündigen Bürger heranzubilden, der gesellschaftliche Zustände und politische Entscheidungen kritisch hinterfragt und aktiv eingreift, entspricht ein Unterricht mit ausgeprägt handlungsorientierten Zügen. Damit gewinnt die Projektmethode einen hohen Stellenwert. Ihr überlegter Einsatz fördert Aktivität und Kooperationsfähigkeit, schafft Bedingungen für die organische Verbindung von praktischer und geistiger Aneignung und lehrt die Schüler, eigene Verantwortung bewusst wahrzunehmen und den eigenen Lernweg zu planen und zu kontrollieren. Größere Bedeutung gewinnt das forschende Lernen. Quellenund Dokumentenanalyse, Erkundungsgänge und das Studieren von Fallbeispielen bilden methodisch-organisatorische Formen der Erkenntnisgewinnung, die in Kombination mit den anderen methodischen Grundformen den Weg zu solidem, anwendungsbereitem Wissen und Können steuern. Das Lernen in Gesellschaftskunde muss einsichtiges Lernen sein, das sich auf Denken, Verstehen und Problemlösen gründet. Zu dem neu zu entwickelnden Methodengefüge gehören sozialwissenschaftliche Methoden, u. a. die Ideologiekritik, die nach der Herkunft von politischen und weltanschaulichen Aussagen fragt, die Strukturanalyse, die die Verwobenheit politischer Phänomene aufdeckt und gesellschaftliche Bedingungen erkennbar macht, die verschiedenen analytischen Methoden der empirischen Sozialforschung in Gestalt von Beobachtung, Befragung usw., durch die Meinungen, Haltungen, Verhaltenstendenzen ermittelt werden. Rahmenlehrplan für 5 die Klassen 7 bis 10 (Entwurf) Grundkurs 1: Der Bürger in der demokratischen Gesellschaftsordnung (7./8. Klasse) Das Anliegen des Kurses besteht darin, bei den Schülern ein erstes, elementares Demokratieverständnis zu entwickeln und sie zu demokratischem Verhalten in der Gesellschaft zu befähigen. Zugänge zu diesem Demokratieverständnis erhalten sie durch Wissensgrundlagen, die ihnen über Demokratie in der Schule, im Ort, im Staat, im Alltag, in der Arbeitswelt sowie durch Demokratievorstellungen in Vergangenheit und Gegenwart vermittelt werden. Dabei geht es immer darum, Demokratie in unserer Gesellschaft als Entwicklungsprozess zu zeigen, der von Konflikten, gelösten und ungelösten Widersprüchen, fördernden und hemmenden Faktoren begleitet wird. In diesem Zusammenhang soll auch verdeutlicht werden, dass die Ausgestaltung von Demokratie das Einbringen individueller Positionen ebenso verlangt wie das Bemühen um Toleranz und Konsens mit anderen. Die im Rahmenprogramm vorgestellten Zugänge zum Thema sind gleichrangig zu sehen und didaktisch kombinierbar. Jeder Lehrer kann aus dem Angebot der Bezugsfelder seinen Zugang selbständig auswählen und seine Linienführung konzipieren. In diesem Rahmenlehrplan wird als eine Variante eine solche Anordnung gewählt, die von dem unmittelbaren, nahen Bezugsfeld des Schülers ausgeht (Schule, Ort), ihm weiterführend Einblicke in den „Demokratiemechanismus" unseres Landes vermittelt (politische Vereinigungen und Staatsaufbau) und ihm abschließend seine Stellung als Staatsbürger im Alltag und in künftiger beruflicher Tätigkeit vorbereitend und orientierend bewusst macht. Die Schüler sollen in diesen Bezugsfeldern und Bereichen über Demokratie nicht nur kundig werden, sondern durch eigenes Nachdenken über den Wert Demokratie, durch Auseinandersetzung mit Problemen und Konflikten, die bei der Durchsetzung von Demokratie entstehen, ein individuelles Verhältnis zur Demokratie gewinnen. Sie sollen verstehen und lernen, demokratisch miteinander umzugehen, dabei andere Auffassungen und Positionen zu tolerieren und zu akzeptieren. Inhalte Demokratie in meiner Schule und in meinem Ort • Demokratie in meiner Schule Die Durchsetzung des gemeinsamen gesellschaftlichen Anliegens in Bildung und Erziehung an der Schule durch Zusammenwirken von Lehrerschaft, Elternhaus und Schülern als Grundprinzip der Demokratie an der Schule (verfassungsrechtliche Grundlagen, Bildungsgesetz, Schulordnung). Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Interessen von Elternhaus, Schule und Schüler, Interessenkonflikte an der Schule - Auseinandersetzung und Suche nach Lösungswegen; Ausgestaltung der Demokratie an der Schule (der Direktor und der Pädagogische Rat, Elternvertretungen und ihre Einflussmöglichkeiten, Rechte und Pflichten der Lehrer, Rechte und Pflichten der Schüler, ihre Vertretungen in Schülerräten und Jugendorganisationen). Potenzen und Grenzen dieser demokratischen Gremien - Möglichkeiten ihrer weiteren Ausgestaltung. • Demokratie in meinem Ort Zusammensetzung und Arbeitsweise der örtlichen Volksvertretungen als Ausdruck örtlicher Demokratie (Verfassung, Gesetz über örtliche Volksvertretungen, Parteien und Vereinigungsgesetz - Auszüge); Aufgaben der Gemeindevertretung, des Rates der Gemeinde und des Bürgermeisters (in Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Territoriums); Parteien und politische Vereinigungen im Ort, die Kirchen 6 im Ort; aktuelle Vorhaben und Mitwirkungsmöglichkeiten der örtlichen Volksvertretungen, von Bürger- und Schülerinitiativen; Probleme bei der Durchsetzung spezifischer Interessen. • Die Vereinigung von Bürgern zur Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Interessen Parteien, Organisationen, Bürgerbewegungen - unverzichtbar für die Ausgestaltung der Demokratie (Verfassungsinhalte, Parteien- und Vereinigungsgesetz - Auswahl); politische Parteien - Überblick über bestehende Parteien, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Zielsetzungen, Programminhalte und Organisationsstrukturen von Parteien (ausgewählte Beispiele); gesellschaftliche Organisationen und Bürgerbewegungen Überblick über bestehende Organisationen und Bürgerbewegungen, Unterschiede zu politischen Parteien, die Rolle der Gewerkschaften; Vorhaben einzelner Parteien, Organisationen und Bürgerbewegungen; Meinungsbildungsprozesse bei unterschiedlichen Interessen (exemplarisch an einem Sachthema). Kirchen und Religionsgemeinschaften - Überblick, Grundanliegen und Wirken, Glaubensfreiheit, Verhältnis von Kirchen und Staat; Auseinandersetzung mit rassistischen, faschistischen, revanchistischen, terroristischen und stalinistischen Gruppierungen; zum Verhältnis von Parteien und Kirchen der DDR und der BRD zueinander; zur Kultur des politischen Umgangs und Streits zwischen Parteien, Organisationen und Bürgerbewegungen. • Aufbau, Arbeitsweise unseres demokratischen Staates Wahl und Kontrolle der Volksvertretungen und ihrer Organe durch den Bürger - unverzichtbare Merkmale der Demokratie (Verfassung, Wahlgesetz, gesetzliche Grundlagen für Kontrollorgane - Auswahl); Trennung von Legislative, Exekutive und Jurisprudenz im demokratischen Staatsaufbau als grundlegendes Prinzip - Parlament (Volkskammer, Bundestag), Regierung (Ministerrat, Bundesregierung), Staatsoberhaupt (Staatsratsvorsitzender, Bundespräsident), Verfassungsgerichtsbarkeit (Oberstes Verfassungsgericht, Bundesverfassungsgericht) in der DDR und BRD; Funktionsweise der Gewaltenteilung und Probleme ihrer Durchsetzung am Beispiel des Entstehens, der Durchführung und Kontrolle eines Gesetzes; Folgen der Nichtbeachtung dieses Prinzips - Probleme bei der Ausgestaltung dieses Prinzips; Verwaltungsstruktur in der DDR und BRD (Überblick), Wahlen und Wahlrecht - Vergleich mit anderen Wahlsystemen; die Entwicklung föderativer Strukturen im Staatsaufbau der deutschen Nation; Staatssysteme anderer Länder (Präsidialsystem, Zwei-Kammer-Parlament, konstitionelle Monarchie, Diktatur - Auswahl). • Umgang mit Rechten im Alltag Rechtsstaat als Grundlage der Demokratie (Merkmale eines Rechtsstaates, Verfassungsgrundsätze zu Rechten und Pflichten der Bürger, Zivil-, Arbeits- und Strafgesetzgebung u. a.); Ursachen und Folgen fehlender Rechtsstaatlichkeit, Grundlagen und Tendenzen zur Entwicklung des Rechtsstaates; zu ausgewählten Rechten und Freiheiten der Bürger, Bedingungen und Probleme ihrer Wahrnehmung (z. B. Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit, Recht auf zivilen Wehrersatzdienst, Recht auf Unterstützung im Alter und bei Invalidität, Recht auf Freizeit und Erholung); Wechselwirkungen von Rechten und Pflichten und deren Ausgestaltung; zu ausgewählten zivilrechtlichen, familienrechtlichen, arbeitsrechtlichen und strafrechtlichen Fragen des Lebens (z. B. Umgang mit Reisepass und Personalausweis, Rechte und Pflichten beim Kauf von Waren, rechtliche Fragen beim Abschluss von Lehrverträgen, Strafmündigkeit jugendlicher, Rechte und Pflichten von Eltern bzw. Kindern bei der Gestaltung des Familienalltages, Beschwerde- und Eingabenverfahren); Aufgaben, Arbeitsweise und Befugnisse von Rechtsschutz- und Rechtspflegeorganen, Formen der Ahndung von Gesetzesverstößen; demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten bei Rechtsschutz und Rechtsausübung; zum Umgang mit Randgruppen der Gesellschaft (z. B. Gefährdete, ehemalige Straftäter). 7 • Demokratische Mitwirkung des Bürgers in der Arbeitswelt Mitbestimmung im Arbeitsleben - unverzichtbarer Bestandteil der Demokratie (Verfassungsbestimmungen, Arbeitsgesetzgebung, Gewerkschaftsgesetz); demokratische Vertretungskörperschaften im Arbeitsleben (Gewerkschaft, Betriebsräte, Arbeitsräte, Berufsverbände, Studentenvertretungen, Schülerräte - Auswahl), wichtige Rechte und Pflichten, ihre Rolle in Konfliktsituationen; Ursachen und Folgen mangelnder Interessenvertretungen der Werktätigen; Durchsetzung von Interessen der Bürger in der Arbeit und im Beruf in demokratischen Formen (Aussprache, Eingabe, arbeitsgerichtliches Vorgehen, Kundgebung, Demonstration, Streik); Angemessenheit der Mittel als wichtiges Prinzip bei der Durchsetzung eigener Interessen unter Beachtung gesamtstaatlicher Interessen; Vergleich zu Formen der demokratischen Mitwirkung der Bürger in ausgewählten Nachbarstaaten. • Demokratievorstellungen in Vergangenheit und Gegenwart Demokratie als historisches Phänomen, historische Ideen zur Gestaltung demokratischer Gesellschaftssysteme (z. B. Morus, Campanella, Montesquieu); Mechanismen; Erscheinungsformen und „Spielregeln" der Demokratie, Gefahren für die Demokratie (historische und aktuelle Beispiele); Zusammenhang Demokratie - Rechtsstaat Menschenrechte. Mögliche Schülertätigkeiten Zu gestalten wären insbesondere - das Erschließen von Quellen zur Gewinnung von Wissensgrundlagen (z. B. Verfassungsauszüge, Gesetzestexte, Tagespresse); - das Sammeln, Ergründen und Vergleichen unterschiedlicher Positionen aus Quellen (z. B. Programme und Standpunkte unterschiedlicher politischer Parteien, Organisationen und Bewegungen); - die Analyse und Wertung praktizierter Politik und gesellschaftlicher Konfliktsituationen mit Hilfe erarbeiteter Kriterien; - Formulieren und Begründen eigener Standpunkte für den Dialog im Unterricht (z. B. individuelle Wertung von Problemen in mündlichen oder schriftlichen Argumentationen, im Rollenspiel, in Falldiskussionen); - Teilnahme an zu praktizierenden Formen der Demokratie (z. B. Aussprachen, Aufrufe und Vorschläge, Schülerräte, Meetings, Demonstrationen) und Auswertung im Unterricht; - Praktizierung methodischer Formen der unmittelbaren Lebensverbindung (z. B. Schüleraufträge, Beobachtung, Interview, Befragung, Einbeziehung von Vertretern des gesellschaftlichen Lebens in den Unterricht, Exkursionen); - Entwicklung von Normen und Grundlagen für rechtmäßiges Verhalten, die konsensfähig sind (Grundsätze für die Wahl von Schülervertretungen, bei Vorschlägen zur Hausordnung, Mitwirkung in Bürgerinitiativen). Grundkurs 2: Prozesse und Probleme der gesellschaftlichen Entwicklung in Europa und in der Welt (9./10. Klasse) 8 Mit diesem zweiten Grundkurs soll der Blick der Schüler über Fragen des gesellschaftlichen Lebens im eigenen Lande hinaus auf Probleme der Entwicklung in Europa und in der Welt gelenkt werden. Der Unterricht sollte Kenntnisse vor allem mit dem Ziel vermitteln, die Schüler in die Lage zu versetzen, weltpolitische Zusammenhänge zu erkennen und sie zu befähigen, politische Prozesse in Europa und in der Welt selbständig zu beurteilen. Dieser Grundkurs orientiert auf zwei eng miteinander verbundene Schwerpunkte. Er empfiehlt, den Prozess des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten in den gesamteuropäischen und weltpolitischen Rahmen zu stellen und - in Abstimmung mit den Fächern Geschichte und Geographie - hauptsächlich dem Handeln der Völker, Nationen und Staaten (einschließlich ihrer Politiker) zur Lösung der globalen Probleme der Menschheit nachzugehen. Dem Lehrer bleibt es überlassen, ob er zusammen mit den Schülern die globalen Probleme bzw. die Wege zu ihrer Lösung zum Ausgangspunkt für den Kurs bestimmt und von hier aus zu dem gesamteuropäischen Einigungsprozess und zur deutschen Frage gelangt oder ob er im Aufbau seines Unterrichts der inhaltlichen Anlage der nachfolgenden Stoffskizze folgt. Inhalte • Zwei deutsche Staaten im Zentrum Europas Die Stellung und Verantwortung der Deutschen in Europa; die deutsche Frage in Geschichte und Gegenwart und Konsequenzen für politische Entscheidungsvarianten; verschiedene Konzepte und ihre Praktikabilität für das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten; Konsequenzen für das Leben in einem vereinigten Deutschland. Die Lösung der deutschen Frage und die europäischen Nachbarvölker; neue Situation und das Problem der Bündnisverpflichtungen; Friedensvertrag und Grenzfragen; europäische Einigung und vereinigtes Deutschland. • Probleme und Prozesse des Zusammenwachsens der Völker Europas Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den nationalen Interessen, in den politischen Strukturen, in Lebensweise und Lebensniveau ausgewählter europäischer Länder und Völker; Konfliktstoffe und Lösungswege; Ergebnisse und Erfahrungen aus persönlichen Begegnungen mit Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern. Die EG - gemeinsamer Markt und Wege zur politischen Union; EG und RGW; das Europaparlament - Funktion, Zusammensetzung, Entscheidungsbefugnisse. Die Rolle der grundlegenden Veränderungen in der Sowjetunion für Entwicklungen in den Ländern des RGW und in ganz Europa; Probleme und Lösungswege bei der demokratischen Umgestaltung in osteuropäischen Ländern. Der KSZE-Prozess; Vorstellungen von einem zukünftigen gemeinsamen europäischen Haus. • Existenzfragen der Menschheit und verantwortungsbewusstes politisches Handeln Entwicklungsprozesse in der Welt von heute: Internationalisierung der Entwicklung von Wissenschaft, Technik, Produktion, in Kommunikation und Verkehr; erstarkende Tendenzen wechselseitiger Abhängigkeit der Völker in der Bewältigung ökonomischer Fragen, sozialer und politischer Konflikte; Rüstung, Gefährdung der natürlichen Lebensbedingungen der Menschheit, Unterentwicklung, Hunger und Krankheiten als globale Probleme. Neues Herangehen an die Bewältigung der vor der Menschheit stehenden Fragen: Gestaltung einer modernen Gesellschaft; Bewältigung nationaler Probleme im Rahmen neu gestalteter politischer Beziehungen in der Welt; Wege zu einer stabilen Weltfriedensordnung, Entwicklungsprobleme und Weltwirtschaftsordnung - Prognosen, Vorschläge; Neugestaltung von Weltpolitik - internationale Beziehungen und wichtige Normen des Völkerrechts; Institutionen und Organisationen internationalen Charakters - 9 Möglichkeiten und Grenzen ihres Wirkens; Verantwortung der Politiker und wachsendes Gewicht der Stimmen der Völker in der internationalen Politik. Mögliche Schülertätigkeiten - Studium von Materialien zum Teil kontroversen Inhalts zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Kurses; Vergleiche, eigene Argumentationen und Entscheidungen; - Interviews mit Bürgern der DDR, der BRD und anderer europäischer Länder zum Problemkreis „Europa und ein vereinigtes Deutschland", - historische Aufarbeitungen (Spaltung Vereinigung, KSZE-Prozess); Deutschlands, Zusammenwachsen und - Dokumentationen und Reiseberichte der Schüler über das Leben anderer europäischer Völker, über politische Strukturen in europäischen Ländern, über das Zusammenleben mit Menschen anderer Nationalitäten; - konkrete Analysen politischer Konfliktherde auf der Erde (politische Kräfte und Interessen, Rolle der UNO, Wirkungen auf andere Regionen der Erde ...). Das Angebot an wahlweise-obligatorischen Kursen Wahlweise-obligatorische Kurse sollen den Schülern die Gelegenheit bieten, ihren Interessen und Neigungen entsprechend in ausgewählte Gegenstände der gesellschaftskundlichen Bildung tiefer einzudringen, ihr bisher erworbenes Wissen anzuwenden und ihr Urteilsvermögen weiter auszuprägen. Der Lehrer bietet mehrere Kurse an, von denen die Schüler in der Regel zwei auswählen. Gemeinsam mit den Schülern und in Abstimmung mit den anderen Fachlehrern wird das konkrete Arbeitsprogramm beraten. Beim Angebot von Kursen sind die spezifischen Bedingungen an der jeweiligen Schule zu berücksichtigen, insbesondere die personellen und schulorganisatorischen Voraussetzungen für die Durchführung der Kurse. Vor allem in den ersten Jahren der Einführung des neuen Faches sollte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, modifizierte und kombinierte Kurse zu gestalten. Die folgenden Kurse sind als Einstieg in ein Gefüge wahlweise-obligatorischer gesellschaftskundlicher Bildung zu betrachten. Sie bedürfen der inhaltlichen Ausgestaltung, der praktischen Erprobung und gegebenenfalls auch der Ergänzung oder des Austausches durch andere Rahmenthemen. 1 Wirtschaftliches Leben und Wirtschaftspolitik Im Zentrum des Kurses steht die Betrachtung grundlegender volkswirtschaftlicher Sachverhalte und Vorgänge in ihrem Zusammenhang mit Fragen der Lebensqualität, des sozialen und ökologischen Fortschritts. Die Schüler lernen Wechselbeziehungen zwischen Technischem, Ökonomischem, Sozialem und Ökologischem in der modernen Industriegesellschaft kennen und begreifen das ökonomische Handeln der Menschen als einen Kernprozess gesellschaftlicher Entwicklung. Sie gewinnen die Einsicht, dass und auf welche Weise die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Erhöhung der Effektivität in allen Bereichen entscheidenden Einfluss auf die Bewältigung der Probleme der Existenz und Weiterentwicklung der menschlichen Gesellschaft ausüben. Zugleich soll das Nachdenken der Schüler über die Herausforderungen der wissenschaftlich-technischen Revolution, über Probleme des wirtschaftlichen Wachstums und über unterschiedliche Ansätze zur Lösung widersprüchlicher Entwicklungstendenzen im nationalen und internationalen Maßstab angeregt werden. Die Schüler erhalten einen Einblick in Grundzüge einer nach Prinzipien sozialer Marktwirtschaft gestalteten Wirtschaftsordnung und erfassen Möglichkeiten, die mit dieser Wirtschaftsordnung gegeben sind, um aktuelle Probleme und perspektivische Aufgaben im wohlverstandenen Interesse des einzelnen und der 10 Gesamtgesellschaft zu lösen. Zugleich macht der Kurs auf systemimmanente Widersprüche aufmerksam und weist auf immer wieder entstehende Konflikte hin, die vor allem mit politischen Mitteln ausgetragen werden müssen. Der Kurs knüpft an geographische, Kenntnisse, an Wissen über historisch-ökonomische Entwicklungen sowie über das wirtschaftliche Geschehen in der Welt an. Er greift Erfahrungen der Schüler aus dem Alltag auf und verbindet Lebendigkeit der Vorstellungsbildung mit Anspruch auf geistige Durchdringung der zu behandelnden Sachverhalte. Inhalt • Produktion und Reproduktion (Kreislauf der Wirtschaft) Bedingungen des Produktionsprozesses; volkswirtschaftliches Produkt, Konsumtion und Akkumulation, einfache und erweiterte Reproduktion in der Industriegesellschaft; Arbeitsproduktivität, als einzig dauerhafte Quelle für die Erhöhung der Akkumulations- und Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft - Ökonomie der Zeit; intensiv erweiterte Reproduktion, ausgewogene volkswirtschaftliche Proportionen und Strukturen, Wachstum und Naturressourcen. Der Mensch als Produzent und Konsument; die Herausforderungen an die Politik und die Politiker, an den Staat, an die politischen Parteien und an die Gewerkschaften bei der Überwindung von Krisen und beim Austragen sozialer Konflikte. • Marktwirtschaft und Erhöhung der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Betriebe und Unternehmen aller Eigentumsformen als ökonomisch selbständige, voll für Entwicklung, Produktion und Absatz verantwortliche Wirtschaftseinheiten. Das Marktprinzip - Angebot und Nachfrage: Kosten und Erlös; Abhängigkeit des Betriebsergebnisses von der Beachtung der Nachfrage auf dem Markt, der Konkurrenzfähigkeit der Produkte, dem technologischen Niveau und dem wissenschaftlich-technischen und Produktionsvermögen. Konsequenzen für Entwicklung und rationellste ökonomische Verwertung von Wissenschaft, Technik und Arbeitsvermögen; ständige Modernisierung der Produktionsbasis und Innovationen; Umwälzung volkswirtschaftlicher Strukturen, Herstellung optimaler Betriebsgrößen zur Sicherung von Effektivität und Flexibilität; nationale und internationale wirtschaftliche Zusammenschlüsse auf dem Gebiet von Produktion und Markt, ihre Zwecke und Wirkungen; Risiko, Konjunktur, Möglichkeit von Krisen. Soziale Marktwirtschaft als ein wirtschaftspolitisches Konzept zur Verbindung von Leistungsorientiertheit, freier Unternehmerinitiative und staatlichen Regulierungsmaßnahmen zur Sicherung von sozialem Ausgleich und Fortschritt. Zu Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Einflussnahme bei der Nutzung der Chancen wirtschaftlicher Freiheit und bei der Einschränkung ihrer Risiken. • Ökonomische und gesetzliche Regulierung durch den Staat Förderung von Betrieben und Unternehmen; Probleme langfristiger Wachstums-, Strukturund Umweltpolitik; Absicherung von Aufgaben auf den Gebieten Wissenschaft, Forschung, Bildung und Sozialwesen; Ausgleich divergierender wirtschaftlicher Interessen und Eingrenzung der Zusammenballung von ökonomischer Macht. Wege der Mitbestimmung, Entscheidung und Kontrolle in der Wirtschaft durch die Werktätigen, durch Kommunen und Interessenverbände. 11 • Voraussetzungen und Sehritte zu einer sozialen Marktwirtschaft unter den spezifischen Bedingungen der DDR Problemangebote für vertiefende Betrachtungen (zur Wahl) - Produktion, Ökonomie und Ökologie Das Problem bedürfnisorientierter, effektiver und dynamischer, sozial gerechter und ökologisch verträglicher Gestaltung der Volkswirtschaft - neue Konzepte in der Energie-, Struktur- und Agrarpolitik sowie in der Territorialgestaltung; Veränderungen in den Verbrauchergewohnheiten, umweltbewusstes Handeln; globale Aspekte; rechtliche und ökonomische Regelungen. - Einbindung der nationalen Wirtschaft in die Weltwirtschaft Felder internationaler Arbeitsteilung, Spezialisierung und Kooperation (Waren-, Kapitalund Arbeitskräfteverkehr); internationale Wirtschaftsorganisationen und Institutionen, ihr Wirken, Möglichkeiten und Hemmnisse; Stärkung des außenwirtschaftlichen Potentials der DDR - Veränderungen in der Produktions- und Verkehrsstruktur, Erhöhung der ökonomischen Effizienz in den produktiven Bereichen, qualitative Verbesserungen der Außenhandelstätigkeit, Leistungsangebote; Wege der Kooperation - Kapitalinvestitionen, Gemeinschaftsunternehmen, Zusammenarbeit in Produktion und Vermarktung, Leasing, Mitwirkung in internationalen Wirtschaftskommissionen und Institutionen; ökonomische und gesetzliche Regelungen, währungspolitische Fragen, Subventionen und Staatsaufträge, rechtliche Regelungen auf dem Gebiet des Handels und des Zolls; soziale Absicherungen. - Marktwirtschaft und soziale Sicherheit Streben nach Wirtschaftlichkeit und Gewinn, damit verknüpfte wirtschaftliche und soziale Konfliktpotentiale in der Gesellschaft; Ausgestaltung eines Netzes politischer, ökonomischer und sozialer Absicherungen, das Bedürfnis nach Lebensqualität in Übereinstimmung mit dem Leistungsprinzip und Grundsätzen einer demokratisch verfassten Gesellschaft. Kollektive und individuelle, gesellschaftliche und staatliche Bemühungen auf dem Gebiet der Preis-, Subventions- und Einkommenspolitik, der Arbeits- Lind Sozialgesetzgebung, der Rechte der Frau, der Humanisierung der Arbeitsverhältnisse, der Bestimmung und Mitgestaltung bei Arbeits-, Lebens- und sozialen Fragen, der Bildungsförderung, des Gesundheits- und Versicherungswesens, des Mieter- und Verbraucherschutzes u. a. m. Mögliche Schülertätigkeiten Erheben bzw. Lesen sowie Auswerten und Vergleichen von Daten zu volkswirtschaftlichen Sachverhalten und Vorgängen; Erschließen volkswirtschaftlicher Verflechtungsbeziehungen, z. B. von Warenströmen; Analyse sozialer und ökologischer Bedingungen und Wirkungen von ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Vorgängen im Territorium; Erkunden von Formen demokratischer Mitwirkung und Kontrolle der Werktätigen bei der Lösung volkswirtschaftlicher Fragen in den Betrieben und Territorien (Beobachten, Protokollieren, Beschreiben); Erörterung von Entscheidungsspielräumen bei der Bewältigung volkswirtschaftlicher Probleme. 2 Politik und Moral in der Gesellschaft 12 Aus der Kenntnis der globalen Probleme der Existenz und Entwicklung der Menschheit, der vielen Widersprüche bei der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens im nationalen und internationalen Maßstab sowie aus der Einsicht in unterschiedliche Interessen und Meinungen der Menschen, der Klassen und Schichten, der Völker usw. leiten die Schüler die große Verantwortung für das politische Handeln ab. Sie erarbeiten sich einen Begriff von der Kultur des politischen Streits und begreifen, wie in konkreten Handlungssituationen Politik mit Moral verbunden ist. Zugleich gewinnen sie die Einsicht, dass politische Probleme nicht allein durch moralische Anstrengungen lösbar sind, sondern auch bestimmter rechtlicher Bestimmungen und Institutionen bedürfen. Das politische Urteilsvermögen der Schüler wird weiter ausgeprägt, indem Prinzipien und Kriterien für ein der Würde des Menschen und dem Wohle der Menschen verpflichtetes politisch-moralisches Handeln und Verhalten erörtert und an aktuellen politischen Vorgängen (z. B. an Wahlkämpfen und anderen politischen Auseinandersetzungen) geprüft werden. In Anknüpfung an das in den beiden Grundkursen vermittelte Wissen vertiefen die Schüler ihr Politikverständnis. Sie erkennen genauer, was Politik ist, weshalb Politik notwendig ist, was Politik bewirkt, wer die Träger des politischen Prozesses sind und wie sie sich selber in die Politik einbringen können. Inhalt • Das Wesen der Politik und der Stellenwert des Moralischen Politik als notwendige Bedingung der Regelung des Zusammenlebens der Menschen in sozialen Gemeinschaften (Territorien, Länder, Staaten, Staatengruppen); Politik als ein Mittel der Interessenrealisierung und des Ausgleichs von Interessen, als spezifische Art und Weise des sozialen Handelns; Politik als Kampf um die Macht mit dem Ziel, die weitere gesellschaftliche Entwicklung in allen Bereichen zu bestimmen. Ausgewählte Politikbereiche (Innen- und Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Umweltpolitik usw.) und ihre spezifische Bedeutung; Bewerten politischen Handelns und Verhaltens als ein prägendes und konstituierendes Element von Politik, von politischer Tätigkeit und politischer Bildung; Wechselbeziehungen von Politik und Moral. Träger des politischen Prozesses (Regierung und Parlament, Parteien und Verbände, Staatsmacht und Opposition, basisdemokratische Bewegungen und Initiativen); Möglichkeiten und Grenzen des Einflusses des einzelnen Bürgers auf den politischen Prozess. Politik als Normierung und Ausgleich von Interessen. Politik im Spannungsfeld von Herrschaft und Konsens. Politisches Diktat und persönliche Freiheit. • Merkmale für moralisches Handeln in der Politik Orientierung des politischen Handelns am Allgemeininteresse der Menschen und an den Normen friedlicher Konfliktregelung; Verhinderung von Gewalt; Schutz der Menschenwürde; Achtung des Menschen- und Völkerrechts, des Rechts auf Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung. Anforderungen an eine Kultur des politischen Streits und des Dialogs: gegenseitige Toleranz und Akzeptanz, gegenseitige Zubilligung von Kritik; Ausschluss aggressiver Äußerungen; Kompromissbereitschaft und -fähigkeit, Fairness im Umgang miteinander; einander zuhören usw. Behandlung der Kultur des politischen Streits an ausgewählten Beispielen - der internationalen Politik, - der Innenpolitik und des Kampfes der politischen Parteien und Bewegungen, 13 - des alltäglichen politischen Gesprächs und der Auseinandersetzung um die Durchsetzung von Interessen und um die einvernehmliche Regelung von Problemen des Zusammenlebens im Freundeskreis, in der Schulklasse, in der Jugendorganisation usw. • Rechtliche Normen als Ausgangspunkt, Maßstab und Ziel politischen Handelns Geregeltes Austragen von Konflikten mit Hilfe des Rechts und anderer sozialer Normen; von der Schwierigkeit, in bestimmten politischen Entscheidungssituationen zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden; die Unmöglichkeit, für alle Einzelfälle perfekte juristische Regelungen festzulegen; Rechtsstaatlichkeit als entscheidender Maßstab für politisches Handeln und Verhalten; Merkmale der Rechtsstaatlichkeit: Rechtsstaatlichkeit als Verfassungsprinzip, Freiheit des Menschen und Unantastbarkeit seiner Würde, Rechtsgleichheit, Gewaltenteilung und Kontrolle politischer Macht, rechtsstaatliche Verwaltung, Rechtsschutz und Rechtsprechung. Die Notwendigkeit der Gewaltanwendung und des Strafvollzugs gegen Gesetzesbrecher; Kampf gegen den individuellen Terror beim Durchsetzen von Interessen. Völkerrechtliche Normen und Konventionen als Orientierungsmaßstab für politisches Handeln; Völkerrecht als zwischenstaatliches Recht; zum Grad der Verbindlichkeit der internationalen Konventionen, Bedeutung einzelner Konventionen für die praktische Politik im nationalen und internationalen Maßstab. (Beispiele: KSZE-Schlussakte; menschenrechtliche Konventionen der UNÖ: über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, über die politischen Rechte der Frau, über die Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung, über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, über Bürgerrechte und politische Rechte, über die Nichtanwendung von Verjährungsbestimmungen auf Kriegsverbrechen und auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, über die Bekämpfung und Bestrafung des Apartheidverbrechens). Behandlung der Thematik an aktuellen und historischen Beispielen der Politik des Ringens um Recht und Gesetz, des Kampfes gegen Machtmissbrauch. Mögliche Schülertätigkeiten Unterrichtsdiskussion: „Geht es denn nicht ohne Politik?" „Ich halte mich lieber aus der Politik heraus!" „Politik ist die Mutter der Lüge", „Politisch Lied ist ein garstig Lied ..."; Analyse und Wertung politischer Handlungen und Entscheidungen; Unterrichtsdiskussion: „Sind Mehrheitsbeschlüsse immer bindend?", „Ist das Recht immer gerecht?"; Aussprache mit Politikern. 3 Massenmedien - ihre Macht und ihr Gebrauch Die Schüler sollen erkennen, dass Informiertheit über aktuelle Ereignisse, Prozesse, Entscheidungen usw. eine Grundbedingung für demokratisches Handeln darstellt. Anknüpfend an das im Grundkurs 1 behandelte Grundrecht der Informationsfreiheit, werden vertiefende Kenntnisse über die Rolle der Medien bei der Sicherung dieses Grundrechts vermittelt. Die Schüler lernen die wichtigsten massenmedialen Kommunikationsmittel kennen, erfassen deren Funktion und Verantwortung für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess und werden befähigt, sich selbständig in den Medien zu informieren und sich kritisch mit Medienangeboten und deren Nutzung auseinanderzusetzen. Indem die Schüler massenmediale Gestaltungselemente (Nachrichten, Kommentare, Berichte u. a.), Grundanforderungen an eine objektive Information in den Medien, Möglichkeiten der Manipulierung durch Medien sowie Wirkungen massenmedialer Information kennen lernen, leistet die Behandlung einen unmittelbaren Beitrag zu einer aktiven Medienerziehung. 14 Inhalt Das Recht auf Freiheit der Information. Das Mediengesetz der DDR. Die Rolle der Medien im öffentlichen und individuellen Meinungsbildungsprozess. Presse und elektronische Medien als hauptsächliche Formen massenmedialer Informationen. • Das Wesen der Massenkommunikation und der Massenmedien Massenmedien als institutionalisierte und industrialisierte Produzenten und Vermittler von Unterhaltungs- und Informationsangeboten; ihr globales (internationalisiertes) und komplexes Wirken in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur und auf der Grundlage der Verbindung mit Informationstechnologien (Computernetze, Kabel usw.). Wichtige Funktionen: Information, Unterhaltung, Mitwirkung an der politischen Meinungsbildung, Kontrolle und Kritik staatlicher Institutionen und Träger politischer Macht. Probleme, die sich aus dem Wesen der Massenmedien ergeben: Einseitigkeit der Kommunikation; keine unmittelbare Rückkoppelung bzw. kein Rollenwechsel; kein Kontakt zwischen den Adressaten, die untereinander und zum Kommunikator in großer räumlicher und zeitlicher Distanz stehen; die Möglichkeiten zur Manipulation und Unterdrückung von Informationen; die Notwendigkeit der Kontrolle der Information. • Die Nutzung der Massenmedien Die spezifischen Möglichkeiten und Wirkungen von Presse, Funk und Fernsehen; kritische Auseinandersetzung mit den Medienangeboten für Jugendliche; Informationsgewohnheiten von jugendlichen; Nutzung der Massenmedien als Quelle der persönlichen Information und Meinungsbildung; Wirkungen des Fernsehens; Fernsehen und Wirklichkeit; kritische Aufnahme von Sendungen; Meinungsaustausch %V über Sendungen des Funks und Fernsehens. • Analyse und Wertung ausgewählter Sendungen des Rundfunks und des Fernsehens zu aktuell-politischen Problemen Selbstbeobachtung: Über welche Kommunikationsmittel verfügen wir zu Hause? Zu welchem Zweck und wann verwenden wir sie? Welche benutzen wir am häufigsten? Was lesen, hören und sehen wir am häufigsten? Inwiefern sind meine Fernsehgewohnheiten meiner Persönlichkeitsentwicklung förderlich oder abträglich? Untersuchung: Wie entsteht eine Nachricht? Wie wird sie verfasst und verbreitet? Vergleich: Meldungen in verschiedenen Medien zu einem bestimmten Sachverhalt; Gemeinsames und Unterschiedliches, Vereinbares und Unvereinbares in den Meldungen; woraus erklären sich die festgestellten Unterschiede? Unterrichtsdiskussion zu ausgewählten Sendungen, zu Fernseh- und Rundfunkprogrammen, zu Artikeln in Tageszeitungen; Anfertigen von Materialsammlungen nach thematischen Vorgaben, Zusammenstellung von Medienverzeichnissen zu einem Thema; Gestaltung von Wandzeitungen in der Klasse, in der Schule und im Territorium sowie Entwicklung und Vertrieb von Schülerzeitungen. Gestaltung von Schulfunksendungen; Gewinnung von Partnern; aktive Beteiligung an Mediendiskussionen durch Zuschriften in Form von Zustimmungserklärungen, Gegendarstellungen oder durch Einbringen von Vorschlägen zur Programmgestaltung und Abfassen eigener Beiträge. 4 Lebensweise/Lebensgestaltung Dieser Kurs knüpft an Kenntnisse an, die die Schüler in unterschiedlichen Zusammenhängen ihres Lebens und in verschiedenen Bereichen gewonnen haben, 15 insbesondere im Kurs „Gestaltung des persönlichen Lebens" in den Klassenstufen 7 und 8. Er sollte mit den Schülern gemeinsam inhaltlich ausgestaltet werden, damit ihre Interessen und Bedürfnisse gebührend zur Geltung kommen und unproduktive Wiederholungen vermieden werden. Der Schüler soll sich seiner Stellung, seiner wachsenden Verantwortung sich selbst und der Gesellschaft gegenüber bewusst werden, die wechselseitigen Beziehungen zwischen Individuum und Gesellschaft vertieft erfassen und daraus Schlussfolgerungen für die Gestaltung des persönlichen Lebens ableiten. In diesem Sinne ist die Fähigkeit der Teilnehmer weiter auszuprägen, - persönliche Probleme richtig einzuordnen und selbständig zu bewältigen, - Konflikte im Zusammenleben mit anderen friedlich auszutragen und bei auftretenden Problemen stets nach einvernehmlicher Regelung zu suchen. Die Schüler sollen erkennen, dass einerseits die gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen den Rahmen für die Selbstverwirklichung des Individuums abstecken und dass andererseits gesellschaftliche Bedingungen durch die Individuen geschaffen und verändert werden. Der Kurs soll zur Selbstfindung und Selbstverwirklichung des Schülers beitragen. Dabei ist die Herausbildung moralischer Einstellungen und Fähigkeiten zu fördern, die von Toleranz und Humanismus getragen sind, ebenso von Fleiß, Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein. Es gilt, die Bereitschaft der Schüler zu wecken, sich als Individuum verantwortungsbewusst in die Gesellschaft einzubringen, Verantwortung gegenüber dem eigenen Leben und dem Leben anderer zu tragen. In Absprache mit den Schülern entscheidet der Lehrer, auf welchen Bereich bezogen Fragen der aktiven Lebensgestaltung und Lebensbewältigung vertieft erörtert werden. Je nach den Interessen und Bedürfnissen der Schüler kann sich der Kurs auf die Bereiche Ausbildung, Arbeit oder Familie konzentrieren. Ein Schwerpunkt des Unterrichts und der Diskussion soll auf der Behandlung von Kultur und Kunst als Quellen für die Bereicherung des persönlichen Lebens liegen. Inhalt • Vom Sinn und Wert des Lebens Das Leben als Erleben, als tägliches Ereignis und als das eigene Ich. Der andere neben mir, seine Bedeutung für mich, mein DA-SEIN für ihn. Unterschiedliche Antworten nach dem Wesen und Sinn des Lebens und nach der Herkunft des Lebens. Menschenwürdige Gestaltung des Lebens auf der Erde als gemeinsame Sinndeutung durch große Philosophen. Auffassungen von Religion und Religionsgemeinschaften zum Sinn des Lebens. Die Sicherung des Überlebens der Menschheit als Verantwortung der heute Lebenden. Die kritische Beurteilung des eigenen Lebensweges und der persönlichen Lebensgestaltung als wesentlicher Ausdruck menschlicher Freiheit und Individualität. • Lebenssinn und Glück Glück als emotional positiver Zustand des Einsseins mit sich selbst und der Welt. Glücklichsein und Unglücklichsein im persönlichen Leben - Glücksanspruch; Genuss und Genussfähigkeit, Vorstellungen vom eigenen Glück; Bedingungen für persönliches Glück. Die Bedeutung der Familie; der Anteil von Freunden am eigenen Glück; Liebe, Ehe, Mutterschaft; Sexualität; Partnerschaft. Der Einsatz für den anderen und das Gefühl, helfen zu können, als Komponente des Glücklichseins. Weitere Indikatoren des Wohlbefindens. Lebensfreude - Leistungsfreude. Die Bedeutung der Arbeit, der Erfolg beruflicher Tätigkeit, Misserfolge im Lernen und im Beruf und wie man damit fertig wird. Der Wert und Sinn geschädigten Lebens; der Geschädigte - kein passives Objekt von Mitleid und Wohltätigkeit, sondern ein Mensch, dem auf eine Art und Weise zu helfen ist, die nicht seine Würde verletzt. Das Wesen und der Wert vorgeburtlichen Lebens. 16 Die Grenzen des Lebens: Leben und Tod. • Lebensqualität - was darunter zu verstehen ist und was sie für den einzelnen bedeutet Unterschiedliche Auffassungen und Deutungen. Werte des individuellen Lebens in ihrer Vielgestaltigkeit und in ihrem unterschiedlichen Bedeutungsinhalt für den einzelnen. Freundeskreis und Geselligkeit, Beschäftigung mit Literatur, Kunst, Wissenschaft oder Technik; moderne Kleidung; Reisen und Touristik; gesunde Ernährung; interessante berufliche Tätigkeit; guter Verdienst; Wohnkomfort; harmonische Ehe und Partnerschaft usw. • Möglichkeiten von Kultur und Kunst bei der Ausprägung der individuellen Lebensweise und Selbstverwirklichung Kunst als Lebens- und Orientierungshilfe, als Mittel der Erkenntnis und des Genusses. Der geistige Nutzen des poetisch Schönen; die „spezifisch eigentümliche Nützlichkeit' von Kunst". Die Fähigkeit, Kunst und gestaltete Umwelt zu genießen, als eine erstrebenswerte Persönlichkeitseigenschaft, die das individuelle Leben und die persönliche Lebensgestaltung reicher machen kann. Die Bedeutung ästhetisch-praktischer Aktivität für die Ausprägung der individuellen Lebensweise und als Mittel der Selbstbestätigung. Ästhetik des Alltags und das Wohlbefinden der Menschen. Ästhetisches im alltäglichen Leben, beim Lernen, in der beruflichen Tätigkeit, im Familienleben, im Umgang miteinander usw. Möglichkeiten, auf die Ästhetik des Alltags Einfluss auszuüben. Der ästhetische Aspekt ökologisch bewusster Gestaltung der Umwelt. • Methoden der Bewältigung persönlicher Probleme Das vertrauliche Gespräch mit Eltern, Geschwistern, Freunden und Bekannten, mit dem Lehrer und Klassenkameraden; das Besinnen auf die Zeitlichkeit und Endlichkeit allen Geschehens im menschlichen Dasein; die Überwindung persönlicher Probleme durch Sorge um andere; die verstärkte Hinwendung zu Kunst und Literatur; die „Flucht" in die Arbeit. Drogen (Alkohol, Rauschgift) als untaugliche Mittel, um Probleme des persönlichen Lebens zu meistern. Die Lebenszerstörende Kraft solcher Mittel. Zu unterschiedlichen Lebenshilfen, die aus dem religiösen Glauben und aus weltanschaulichen Überzeugungen erwachsen. Mögliche Schülertätigkeiten Erörtern von Lebensläufen anhand von Memoirenliteratur; Entwickeln eigener Lebenspläne, das Abwägen von Alternativen. Untersuchungen zur Verwendung der Freizeit (Freizeitbudgets) bei Familienangehörigen, Freunden und Bekannten: Analyse und Wertung. Übungen zum kulturvollen Meinungsstreit, zum Austragen von Konflikten und zum sozialen Verhalten. Auswerten von Statistiken über Drogensucht und Kriminalität Jugendlicher. Erfassen und Analysieren von Daten aus der Presse, aus Jugendzeitschriften usw. 5 Geistige Strömungen und Bewegungen in unserer Zeit (1. Variante) Mit diesem Kurs erwerben die Schüler Kenntnisse darüber, daß es zu Problemen, die besonders im Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft entstehen, verschiedene Standpunkte und Lösungsansätze gibt. Aus der Vielzahl geistiger Strömungen rückt dieses Thema exemplarisch marxistisches und christlich-religiöses Gedankengut in das Zentrum der Betrachtung. Es soll den Schülern als Angebot eigener Standortfindung und als Ausdruck geistigen Reichtums der Menschheit erschlossen werden. Sie lernen, dass und wie die Fähigkeit zur Toleranz im Umgang mit Menschen anderer Meinung erworben werden kann. 17 Humanistischer Gebrauch und antihumaner Missbrauch von Errungenschaften menschlichen Geistes sind den Schülern als Wirklichkeit und als permanent gegebene Möglichkeit nahe zu bringen. Inhalt • Fragen der Kultur des Zusammenlebens in unserem Lande Mündigkeit, Selbstbestimmtheit, Kompetenz als wichtige Momente, die den Bürger charakterisieren und das Zusammenleben der Menschen im demokratischen Gemeinwesen bestimmen. Die Maxime, dass eigene Freiheit als Freiheit des Andersdenkenden zu sehen ist. Die Auseinandersetzung mit Denkweisen und politischen Strukturen, die „Uniformierung", Verfügbarkeit über den einzelnen, Regulierung individuellen Entscheidens von außen hervorbringen oder begünstigen. Absolutheitsansprüche geistiger Strömungen; ideologischer und religiöser Fanatismus als Quellen der Deformierung des Menschen. Die Gefahr von „Jugendreligionen". Das Wesen des Antisemitismus und Wege zu seiner Überwindung. Antifaschismus als eine der vielen Gemeinsamkeiten pluraler Denkweisen und Handlungsmaximen in unserem Lande. Wege zur Bewältigung von Defiziten in den zwischenmenschlichen Beziehungen und in den Beziehungen von Individuum und Gesellschaft. Das christliche Ethos und seine Begründung. Leistungen der Kirchen. Toleranzverhalten, Gewaltfreiheit und Friedenserziehung, Gerechtigkeit bei der Lösung gesellschaftlicher zwischenmenschlicher Konflikte. • Marxismus, Religionen und Politik Der Marxismus als einflussreiche geistige Bewegung der Gegenwart; wichtige Traditionen, inhaltliche Positionen und Ursachen für seine Anziehungskraft. Marxismus und das Menschheitsideal des Kommunismus. Verteidiger und Kritiker des Marxismus. Gebrauch und Missbrauch des Marxismus als geistige und theoretische Grundlage für Politik. Gemeinsames und Unterschiedenes im Marxismus und im Christentum in Bezug auf Fragen gesellschaftlicher Entwicklung und Handlungsgrundsätze der Menschen. Wichtige Kennzeichen anderer Religionen. Gebrauch und Missbrauch religiösen Glaubens und religiöser Gefühle für die Durchsetzung politischer Interessen und Ziele (Ausgewähltes aus Geschichte und Gegenwart, aus Christentum, Islam und Judentum, aus dem Problemkomplex „christliche Parteien" und Machtausübung; Befreiungstheologie auf dem südamerikanischen Kontinent). Nationale Konflikte und die Rolle von Religionen (z. B. Nordirland, UdSSR - Iran, Naher Osten). Politischer Terrorismus im Zeichen religiösen Fanatismus. Mögliche Schülertätigkeiten Dieses wahlobligatorische Thema eröffnet in besonderer Weise Bewährungs- und Übungsfelder für selbständiges Finden des geistigen Standpunktes in Bezug auf ausgewählte gesellschaftliche Probleme, für Toleranzverhalten und die Kultur des Meinungsstreites. Dominierende Tätigkeiten sind daher: Kennenlernen von unterschiedlichen Standpunkten und Begründungen zu ausgewählten Inhalten aus dem Problemkreis Individuum und Gesellschaft durch Literaturstudium, Vorträge usw. (auch unter Verwendung schöngeistiger Literatur, z. B. „Jesus von Pilatus", in: Aitmatow: Die Richtstatt; Bezug zu Lessings „Nathan der Weise" u. a.); Suchen und Auffinden des eigenen Standpunktes durch Vergleich, seine Begründung und Verteidigung im Meinungsstreit; Anfertigen von Dokumentationen z. B. zur Rolle der Kirche in gesellschaftlichen Konflikten, bei der Humanisierung zwischenmenschlicher Beziehungen u. a. 18 5 Geistige Strömungen und Bewegungen in unserer Zeit (2. Variante) Mit der Behandlung dieses Themas sollen die Schüler befähigt werden, mit den Menschen in ihrer Umwelt tolerant umgehen zu lernen, indem sie Einblick in unterschiedliche Religionen und andere Weltanschauungen in Grundzügen erhalten. An Beispielen erfahren sie, welche Grundideen hinter den voneinander verschiedenen Weltanschauungen stehen und welche Motive damit die Handlungsweisen ihrer jeweiligen Anhänger bestimmen. Sie erfahren, wie und wo sie sich umfassender mit den Weltanschauungen auseinandersetzen können, um sich für die eine oder andere zu entscheiden. Unter dieser Zielstellung können die Schüler Grundkenntnisse über die christlichen Kirchen als bedeutende gesellschaftliche Kraft in der DDR erwerben und sich über die Unterschiede zwischen Kirchen und Sekten informieren. Sie gewinnen am Beispiel des Marxismus erste Einblicke in atheistische Weltanschauungen und werden mit den Bemühungen um eine Welterklärung ohne höheres Wesen bekannt gemacht. Am Beispiel des Judentums und des Islam können sie in weitere Weltreligionen eingeführt werden. Sie sollen sich mit dem Antisemitismus auseinandersetzen, das Geschehen in islamischen Ländern besser kennenlernen und zu der Einsicht gelangen, dass jeder Fanatismus, gleich welcher Weltanschauung, zu negativen Folgen führt. Inhalt • Römisch-katholische und evangelische Kirche Ursprünge und Geschichtliches. Hauptbestandteile der Glaubenslehre. Überblick über die Rolle, die die Kirche in der Geschichte Mitteleuropas spielte; Reformation. Motive für bestimmte Verhaltensweisen wie Toleranz, Frieden, Caritas, Schöpfung ... Das Verhältnis Staat-Kirche. Die Rolle der Kirche in unserem Lande. • Jugendreligionen und ihre Anliegen Sekten und wie sie sich von Kirchen und Freikirchen unterscheiden. Jugendreligionen Beispiele für Handlungsweisen ihrer Gründer und Anhänger. Tendenzen offener Kriegshetze, des Antikommunismus und der Menschenverachtung. Hinweise auf psychologische Folgen für Mitglieder dieser Jugendreligionen. • Marxismus-Leninismus - eine atheistische Weltanschauung Ideengeschichtliches zu Erklärungs- und unterschiedlichen Interpretationsversuchen der Welt und der Lebensvorgänge durch Religionen und verschiedenartige Philosophien. Zur Entstehung des Marxismus; seine Grundideen. Weiterentwicklung des Marxismus durch Lenin. Zum Schicksal der Lehren von Marx, Engels und Lenin. Philosophische Strömungen des 20. Jahrhunderts (Überblick). • Weltreligionen Weltreligionen im Überblick. - Juden - das Volk ohne Heimat? Ursprünge des jüdischen Volkes; Hauptinhalte ihres Glaubens. Hinweise auf die Epoche friedlichen Zusammenlebens dreier Weltreligionen in Spanien. Konstruktionen, um die Verfolgung der Juden zu rechtfertigen. Ursachen des Antisemitismus und Judenverfolgung im faschistischen Deutschland. Die Verantwortung beider deutscher Staaten; Handlungsnotwendigkeiten in der Gegenwart. - Der Islam als jüngere Weltreligion. Wichtige Inhalte, seine Verbreitung. Islam und politische Konflikte in der Welt von heute. Möglichkeiten des Missbrauchs von Weltanschauungen (vgl. Variante 1). 19 Mögliche Schülertätigkeiten - Quellenstudium (historische und aktuelle Quellen) zu den Religionen und zum Marxismus; - Anlegen von Materialsammlungen zu wichtigen Inhalten der Religionen, Ideen des Marxismus, zum Brauchtum von Religionsgemeinschaften; - Aussprachen über Ausstellungen, Filme und4 andere Kunstwerke zum Thema Toleranz. Diskussionsrunden und Rollenspiele u. a. Vorschläge zur Gestaltung des Gesellschaftskundeunterrichts im Rahmen der Abiturausbildung Die Gestaltung der Gesellschaftskunde in der Abiturstufe ist in besonderer Weise abhängig von generellen Entscheidungen zur Abiturschule, die im Rahmen der Schulreform entstehen. Aus Fachsicht werden folgende Vorschläge unterbreitet: 1 Der Unterricht in den Klassen 9 und 10 erfolgt ab 1. September 1990 auf der Grundlage der Rahmenprogramme der Regelschule. Der höhere Leistungsanspruch der Abiturschule lässt sich - entsprechend dem Charakter dieser Rahmenprogramme - durch Erweiterung und Vertiefung der Ziele und Inhalte, durch anspruchsvollere Arbeitsmethoden, möglicherweise auch durch eine größere Anzahl wahlobligatorischer Kurse realisieren, die unterrichtet werden. Diese Lösung erfordert allerdings spezifische Maßnahmen (Kommentare, Interpretationen, methodische Handreichungen, Schülerarbeitsmaterialien). In den Klassen 11 und 12 wird der Unterricht nach einem zeitweiligen Rahmenprogramm zu ausgewählten philosophischen Problemen erteilt. Dieser Unterricht soll den jugendlichen helfen, sich philosophische Ideen als wesentliche Elemente der Menschheitskultur zu erschließen, sie nachvollziehen zu können, die Welt und sich selbst zu verstehen, eigene Auffassungen auszubilden, sich zu prüfen, auch kritisch in Frage zu stellen, Dialog- und Konsensfähigkeit zu entwickeln. 2 Für die Zeit ab 1992/93 wird in Übereinstimmung mit der Gesamtentwicklung der Abiturschule ein differenziertes Angebot obligatorischer, wahlweise obligatorischer und fakultativer Lehrgänge angestrebt, das an bis dahin gewonnene Erfahrungen und konzeptionelle Überlegungen anknüpft. Es ist an philosophiehistorische, ethische, erkenntnistheoretische, politische, ökonomische Inhalte und Probleme des Rechts gedacht. 3 Inhaltsvorschläge für den Kurs „Ausgewählte philosophische (Philosophie Propädeutik) - Startprogramm ab 1. September 1990: Probleme" Grundkurs 1: Mensch: Individuum, Gesellschaft, Staat • Entwürfe des Menschseins Arbeit - das ganze oder das halbe Leben? - Bedeutung der Arbeit für das menschliche Leben - verschiedene Auffassungen (Antike, Christentum, neuzeitliche Auffassungen), Arbeit als Selbstverwirklichung, Menschwerdung durch Arbeit, Entfremdung, Arbeit und Freizeit; 20 - Arbeit und Reichtum; Problem des Rechts auf Arbeit; - begriffliche Klärungen (z. B. Arbeiten und Herstellen). Religiöse und nichtreligiöse Entwürfe des Menschseins - Entwürfe des Menschseins im Sinne verschiedener Religionen; - philosophische Auffassungen vom Menschsein. Die Menschenrechte - Geschichte und heutiger Anspruch - die Erklärung der Menschenrechte, Vorgeschichte (Grotius, Hobbes, Kant), UNOErklärung; - Menschenrechte - was sind unveräußerliche Rechte - Ungleichheit der Individuen. • Was kann der Mensch, was ist der Mensch? Anthropologische Fragen im Grenzbereich zur Biologie • Die Frage nach der Zukunft - philosophische Fragen künftiger Existenz der Menschheit Neubewertungen zum Verhältnis Mensch - Natur, Ökonomie-Ökologie; Kriterien gesellschaftlichen Fortschritt; globale Umbruchsituation in der Gegenwart. Grundkurs 2: Überlebensfragen der Menschheit • Wirtschaftliche Verarmung und Bemühungen um Gerechtigkeit Fakten zur Armut, Ungerechtigkeit der Weltwirtschaftsstruktur als wesentliche Ursache; Rassismus, Unterdrückung der Frauen; - Gerechtigkeit als philosophisches Problem, Nord-Süd-Gegensatz und Ost-WestKonflikt, Rolle von Ideologien bei der Unterdrückung: z. B. Rassismus, Sexismus; Rolle von Ideologien bei der Suche nach Gerechtigkeit: Christentum und anderer Religionen, Marxismus, soziale Utopien, Wertvorstellungen aus der „Charta der Menschenrechte"; - die Bedeutung von Besitz und Eigentum in Weltreligionen und philosophischen Systemen; - Armut als Ideal in Weltreligionen und philosophischen Systemen; - die Bewertung von Arbeit in Weltreligionen und philosophischen Systemen. • Militärische Bedrohung und Bemühungen um Frieden - Fakten zu Kriegshandlungen in der Gegenwart, zu Kriegen in der Geschichte, Rüstungsausgaben und Waffengeschäfte, Alternativen zum Wettrüsten, Frage der Arbeitsplätze; - Friedensordnung als Reichsordnung, gewaltlose Beilegung internationaler Konflikte, nukleare Abschreckung - vertrauensbildende Maßnahmen, Feindbilder, Friedensfähigkeit, Pazifismus - Friedensdienst, Rolle der Ideologien bei der Herstellung von Friedenswilligkeit und Friedensunfähigkeit; - Weltreligionen und philosophische Auffassungen zu Krieg und Frieden, Harmonie und Konflikt, Utopie und Realität, Mensch und Mitmensch. 21 • Umweltzerstörende Belastungen und Bemühungen um Bewahrung der Natur - Fakten zu Rohstoffen und ihrer Verschwendung; - Entwicklungsmodelle gegen die Armut als Feldzug gegen die Natur, Wachstum Fortschritt - Natur; - Gedankengut zum Umgang mit der Natur: christliche Religion, philosophische Auffassungen, politische Richtungen; - Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft; - Weltreligionen und philosophische Auffassungen zu Mensch und Natur, zur Unvollkommenheit des Menschen, zur Entstehung und Vergänglichkeit des Lebens, des Menschen; Geheimnisse des Lebens. Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung im Fach Gesellschaftskunde Der Fachlehrer für Gesellschaftskunde muss den Stoff beherrschen und die Methoden kennen, die zur Bearbeitung der Informationsfülle und zur Führung und Anregung des politischen Dialogs im Unterricht notwendig sind. Politische Bildung muss aktivierend wirken. Deshalb muss der Lehrer für die Schüler ein interessanter und toleranter Gesprächspartner sein, weltoffen und zugleich dem eigenen Lande verbunden. Es sollte ihn auszeichnen, dass er erlebnisfähig für Politik und für geistige Auseinandersetzungen in unserer Zeit ist und dass er politische Phänomene und weltanschauliche Positionen analysieren und das politische und geistige Leben mitgestalten kann. Ausbildungsbestandteile sollten nicht vordergründig die Systeme der dem Lehrstoffangebot des Gesellschaftskundeunterrichts zugrunde liegenden Fachwissenschaften sein, sondern Problembereiche aus diesen Bezugswissenschaften, deren Beherrschung für die Berufspraxis des Lehrers notwendig ist. Es handelt sich hier um Problembereiche aus den politischen und ökonomischen Wissenschaften, aus der Geschichtswissenschaft und Ethik, aus der Staats- und Rechtstheorie, aus der Medienwissenschaft, aus Soziologie, Sozialpsychologie, Philosophie, Theologie und nicht zuletzt aus den Erziehungswissenschaften, der Theorie der politischen Bildung einschließlich der zu entwickelnden Methodik des Gesellschaftskundeunterrichts. Im Zusammenhang damit ist die Ausprägung solcher Fähigkeiten erforderlich, wie - innerhalb eines breiten wissenschaftlichen Spektrums ständig zu arbeiten bzw. sich zu informieren und unterrichtsfachspezifisch zu verarbeiten, - die Fähigkeit bzw. Fertigkeit, Quellen, Sekundärliteratur und empirische Daten zu analysieren und für die Vorbereitung und Gestaltung des Schulunterrichts zu nutzen, - fachspezifische Probleme der Bezugswissenschaften der Gesellschaftskunde selbständig zu bearbeiten, - interdisziplinär zu arbeiten und die Ergebnisse anderer wissenschaftlicher Disziplinen sinnvoll zu verwenden, - unterschiedliche Theorien und Methoden auf ihre gesellschaftliche Relevanz und Fruchtbarkeit zu prüfen, - theoretische Erkenntnisse auf die Praxis zu beziehen und in der Praxis gewonnene Erfahrungen theoretisch zu reflektieren, 22 - aus der Erkenntnis der fachspezifischen Probleme und Sachverhalte angemessene Konsequenzen für den Schulunterricht abzuleiten, - aus der Erkenntnis der Interessenlage der Schüler, der politischen, sozialen und fachwissenschaftlichen Relevanz sowie aus dem Bildungsauftrag heraus den Unterricht zu planen, zu gestalten und auszuwerten. Um den dringenden Bedarf an Fachlehrern mit der Lehrbefähigung für Gesellschaftskunde schneller zu befriedigen, ist die Einrichtung eines postgradualen Studiums erforderlich. Es sollte in zwei Grundformen erfolgen: als zweijähriges Fern- und als einjähriges Direktstudium. Für unbedingt erforderlich halten wir den konsequenten Bruch mit dem bisherigen Weiterbildungssystem. Das Material spiegelt den Stand der Arbeiten vom Ende Februar 1990 wider. Meinungsäußerungen bitten wir zu richten an: Pädagogische Hochschule „Clara Zetkin" Sektion Gesellschaftswissenschaften, Stichwort„ Gesellschaftskunde" Karl-Heine-Str. 22b, Leipzig, 7031. Prof. Dr. Wolfgang Feige, Leiter der AG Dora Wilhelm, Sekretärin der AG