Hintergrund 3 Ohne die Beteiligung und politische Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen gibt es keine Zukunft „Unsere Gesellschaft funktioniert wie ein Fahrrad. Da gibt's welche, auf denen kann man Material abladen, andere bremsen, wenn's den Berg hinab geht und wieder andere halten das ganze System mit allen Einzelteilen zusammen. Das ist ein tolles Beispiel, wenn ich nicht wieder stottern will, weil ein Alter sich darüber wunderlich erregt, warum ich in der Politik mitmische. Politik - das ist alles was wir tun - den ganzen Tag lang.“ Beteiligung von Kindern und Jugendlichen kann auf verschiedenen Wegen erfolgen: Politikergespräche. Kennzeichnend ist, dass diese Form keinen verbindlichen Rahmen hat. Jugendliche können ihre Meinung äußern, in der Regel hat dies aber keine Auswirkungen auf die Politik. Trotzdem sind z.B. Politikergespräche wichtig, da sie deutlich machen, dass auch Politiker nur Menschen aus Fleisch und Blut sind. Sie helfen also, Hemmschwellen abzubauen. Gerade wenn solche Kontakte von Seiten der Jugendlichen ausgehen haben sie trotz ihrer Unverbindlichkeit mehr Auswirkungen, als es den Anschein hat, zumal sie oft in Mitwirkung übergehen können. Bei einer direkten Mitwirkung hat die Stimme von Jugendlichen schon mehr Gewicht. Hier wird nicht nur nach ihrer Meinung gefragt, hier können sie selbst Ideen, Vorschläge, und Handlungsgrundlagen einbringen, die dann von den zuständigen Erwachsenengremien umgesetzt werden können. Mitbestimmung hat die weitreichendsten Folgen. Hier bestimmen Jugendliche direkt mit, wie Vorhaben umgesetzt werden, setzen eigene Schwerpunkte, initiieren eigene Projekte. Schon vor dem Erscheinen des Weißbuchs gab es bereits weitreichende gesetzliche Grundlagen für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen: Im Kinder- und Jugendhilferecht der Bundesrepublik Deutschland (§ 8 SGB VIII ) ist festgelegt, dass Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe beteiligt werden müssen. Die UN-Kinderrechtskonvention trat für Deutschland am 5. April 1992 in Kraft. Dort heißt es in Artikel 12, dass die Vertragsstaaten denjenigen Kindern, die sich eine eigene Meinung bilden können, das Recht zusichern, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern. Die Staaten berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife... Die Agenda 21 ist das Abschlussdokument der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen, zu der sich im Juni 1992 Vertretungen von 179 Staaten und andere Beteiligte in Rio de Janeiro trafen. Hier wird in Kapitel 25 betont, dass Jugendliche in umwelt- und entwicklungspolitische Entscheidungsprozesse einbezogen werden müssen, um einen langfristigen Erfolg der Agenda 21 zu gewährleisten. Die reale Beteiligung von Kindern und Jugendlichen muss auf verschiedene Weise gefördert werden. Schrittweise können die Kinder und Jugendlichen von einfacherer Mitbestimmung in der überschaubaren Nähe über etwas anspruchsvollere Beteiligung als Schülervertreter bis hin zu komplexeren Vertretungsaufgaben für eine demokratische Beteiligung herangeführt werden. Auf den verschiedenen Stufen müssen sie angemessen für ihre Aufgaben ausgebildet werden. Für Erfolge und damit Motivation zum Weitermachen entscheiden auch Erwachsene mit – Eltern, Lehrer und Politiker müssen die Jugendlichen in ihrem Engagement unterstützen und Sorge dafür tragen, dass möglichst viele Ideen in die Politik einfließen. Jugendliche wollen keine Spielwiesen, keine Nebenstrukturen und sie wollen nicht nur ein Schmuck als "nette Jugendliche" für die Profi- Politiker sein. „Nur, wenn wir Jugendlichen uns einbringen, mit unserer Kreativität, Energie und Vielfältigkeit lassen sich die Fragen der Zukunft beantworten und die Probleme lösen. Der beteiligte Bürger ist zufrieden, weil er sich endlich mal verwirklichen kann, sieht, dass er/sie nicht eine Nummer auf dem Bestellschein für die Zukunft ist. Der beteiligte Mensch ist verantwortlich. Alle Menschen können für gesamtgesellschaftliche Fehler zur Rechenschaft gezogen werden. Lasst uns aufräumen mit Sprüchen, wie: "Das klappt sowieso nicht." oder "Das darfst Du nicht." oder noch schlimmer: "Mach das lieber so und so."! Wir sagen Nein. Wir mischen mit. Es geht um unsere Zukunft." Auch wenn das Weißbuch Jugendpolitik in Europa als Zielgruppe die 15 bis 25-jährigen Jugendlichen im Blick hatte - effektive Kinder- und Jugendbeteiligung sollte schon früher beginnen. Während die Beteiligung in Schule und Universität bereits – wenn auch in zu geringem Maße – institutionalisiert ist, steckt die systematische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Politik noch in den Kinderschuhen. Dabei kann eine Stärkung der demokratischen Kultur, den Gefährdungen der Demokratie durch Rechtsextremismus, Gewalt und Desinteresse (auch) der Jugendlichen entgegenwirken. Wer tatsächlich mitentscheiden kann und Mitverantwortung übernimmt, muss nicht anderweitig auf sich aufmerksam machen. „Wenn die Alten uns wieder mal vorhalten wir würden nur Party machen, können wir ihnen einfach sagen: "das ist unsere Sprache". Nicht umsonst ist "Partyzipation" ein Synonym für Beteiligung. Wir wollen ein Teil des Gesellschaftsfahrrads sein und wir müssen das auch sein, sonst ist das Ding nur ein Haufen Schrott.“ Wichtig ist, dass die erfrischende Art und Weise, mit der Jugendliche an Problemlösungen gehen nicht dadurch unterbunden wird, dass nur völlig durchdachte und in sich konsistente "Beschlüsse und Forderungen" akzeptiert werden. Auch und gerade das Einbringen von offeneren "Fragestellungen und Vorlagen" kann gemeinsame Gestaltungsprozesse zu konstruktiven und manchmal völlig unerwarteten Ergebnissen bringen. __________ alle Zitate aus: „Leitfaden zur Jugendbeteiligung unter Einsatz Neuer Medien anhand des Beispiels Deutsche Jugendkonferenz“, Internet: www.u26.de JUGEND für Europa Deutsche Agentur für das EU-Aktionsprogramm JUGEND Hochkreuzallee 20 53175 Bonn www.webforum-jugend.de