Palästina- Tourismus im Schatten der Mauer PNN - 21. September 2012 Palästina, die Wiege der Zivilisation, der Ort an dem der Westen auf den Osten und der Norden auf den Süden trifft, die Region, in der das Judentum, das Christentum und der Islam seine heutigen Formen annahmen. Palästina ist reich an kultureller Vielfalt, ein Land, mit einer bewegten Geschichte, das bekannt ist für seine Gastfreundschaft. So wirbt die offizielle Tourismusseite Palästinas im Internet (http://travelpalestine.ps/ ). Dennoch verirren sich nicht viele Touristen auf die andere Seite der Mauer. Während sich Israel am Tourismuskuchen satt essen kann, fallen für die Palästinenser nur ein paar Krümel ab. „Die Pilger geben ihr Geld in Israel aus und kommen dann mit einem israelischen Reiseführer nach Palästina, der sie lehrt, die Palästinenser zu hassen", kritisiert Andreas Kuntz, der als deutscher Lehrer an der Dar al Kalima Fachhochschule in Bethlehem palästinensische Touristenführer ausbildet. Ähnliches wird mir von einem Reiseführer vor der Geburtskirche in Bethlehem berichtet. „Es kommen kaum Individualtouristen nach Bethlehem. Das Geschäft läuft schlecht. Die Gruppen brauchen keine Reiseführer, denn sie kommen mit Israelischen. Für uns gibt es da kaum etwas zu holen", sagt er. Auch mir drängt sich dieser Eindruck auf. Während wir vor der Geburtskirche stehen und warten, kommen zwar einige Reisegruppen, die darauf warten in die Geburtskirche eingelassen zu werden, Kunden für die örtlichen Reiseführer jedoch finden sich kaum. „Das liegt an der Vereinbarung zwischen Israel und Palästina. Die palästinensische Autonomiebehörde erlaubt israelischen Reiseführern nach Palästina zu kommen", sagt Michael Manoli, ein 63-Jähriger palästinensischer Christ. Ich bin mit Michael in seinem Laden verabredet, der sich in unmittelbarer Nähe zur Geburtskirche befindet. Auch er sagt, dass die Geschäfte schlecht laufen, was sich nicht allein auf die abschreckende Wirkung der Checkpoints zurückführen lässt. „Die Reisegruppen können sich nicht frei bewegen. Im Durchschnitt halten sich die Touristen 30 Minuten in Bethlehem auf. Auf dem Programm steht ein Besuch in der Geburtskirche. Oft bleibt nicht einmal die Zeit, um die Altstadt Bethlehems mit ihrem Gewirr an kleinen Straßen und Läden zu besichtigen", berichtet Michael. Und tatsächlich sehe ich in den zweieinhalb Stunden, die ich im „St. George Gift Store" verbringe, nur ein Dutzend Touristen vorbeikommen. Darunter keine der Reisegruppen, die ich zuvor auf dem Krippenplatz gesehen habe. Ob das nur daran liegt, dass gerade keine Saison ist? Ein älterer Herr, der sich zu uns gesellt hat berichtet mir, dass in der Weihnachtszeit viele Besucher nach Bethlehem kommen, vor allem aus Italien. „Momentan kommen vor allem Besucher aus Osteuropa und Russland, im November werden die Deutschen kommen und im Dezember die Italiener", sagt er lächelnd. „Das Problem liege auch daran, dass die Touristen von den Israelis davor gewarnt werden alleine in die Westbank zu reisen, da es gefährlich sei und man als ausländischer Besucher um sein Leben fürchten müsse", sagt ein weiterer Herr, der sich nun an unserem Gespräch beteiligt. „Unsinn" wirft Michael verärgert ein. "Hier kann man nachts alleine auf die Straße gehen ohne Angst zu haben. Kann man das auch in Jaffa? Dort regiert die Mafia. Sagen sie wirklich hier sei es gefährlich?". Ich lasse dies unkommentiert und versuche unser Gespräch wieder zurück auf den Tourismus in Palästina zu lenken. Bei einem Kaffee erzählt mir Michael nun, was das eigentliche Problem für Ladenbesitzer wie ihn darstellt. „Es gibt Vereinbarungen zwischen den großen Geschäften in der Manger Street, der Hauptstraße Bethlehems und den israelischen Reiseunternehmen. Reisegruppen werden nur in spezielle Geschäfte geführt. Dafür erhalten die Reiseführer oder Taxifahrer eine Gewinnbeteiligung, die bis zu 40% des Verkaufspreises entspricht", sagt Michael. Und weiter „wenn ein Fahrer Kunden in meinen Laden bringt, bin ich gezwungen die Gegenstände viel teurer zu verkaufen, als ich es tun würde, wenn der Kunde alleine käme. Ich fühle mich schlecht dabei, aber was soll ich machen?". Dies hat zur Folge, dass die Preise in den Geschäften der Hauptstraße viel höher sind, als in den Geschäften abseits der Manger Street. „Sie verkaufen dort ein Tuch für 25 $, das man bei mir für 5$ bekommen kann", sagt Michael verärgert. Nun überrascht es mich nicht mehr, dass so wenig Kundschaft während meines Besuches in Michaels Geschäft kamen. Durch das Internet und den arabischen Frühling rückt die Region wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen und gerade junge Leute, so scheint es, sind am Schicksal der Menschen interessiert. Eine Auswahl palästinensischer und israelischer Organisationen bedient diesen wachsenden Markt und zeigt den Alltag der Palästinenser zwischen Checkpoints und Flüchtlingslagern. Einer, der alternative Touren nach Palästina anbietet ist Abu Hasan. Er organisiert politische Touren nach Hebron oder Nablus, Orte an die sich normalerweise keine Reisegruppe hin verirrt. „Jeder weiß um die schwierige Situation in der sich die palästinensischen Gebiete befinden. Daher ist es unsere Aufgabe der Welt zu zeigen, was wirklich vor sich geht in Palästina" sagt Abu Hasan.