Verfahrensplan - Utrecht University Repository

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INHALTSVERZEICHNIS
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Einführung
1.1
Überlieferung von Van den vos Reynaerde
1.2
Überlieferung von Reynaerts Historie:
die Zeit
1.2.1
Nach dem Jahr 1350
1.2.2
Zwischen den Jahren 1309-1387
1.3
Überlieferung von Reynaerts Historie:
Handschrift und Druck
1.3.1
Gheraert Leeu,
„Man van great kunnynge”
1.4
Überlieferung von Reynke de Vos
1.5
Reynke de Vos aus Reynaerts Historie
1.5.1
Vorwort
1.5.2
Andere Forschungen
1.6
Goossens’ Rekonstruktion
Problemstellung
Autoren
3.1
Der Autor von Van den vos Reynaerde
3.2
Die Weiterführung nach RH (1375-1470)
3.3
Die Weiterführung nach der gedruckten Edition
RH (1487)
3.4
Weiterführung nach RV
3.5
Schlussfolgerung
Publikum & Mäzenatentum
4.1
Publikum aus den Prologen
4.1.1.
Kein Prolog in RV
4.1.2
Mäzenatentum
4.2
Die letzte Belehrung
4.3
Der Epilog
4.4
Gheraert Leeu
4.4.1
Einteilung seiner Ausgaben
4.4.2
Leserpublikum
4.5
Schlussfolgerung Publikum
Die Vorworte
5.1
Das RH-Vorwort
5.2
Das RV-Vorwort
5.3
Analyse der Vorworte
5.4
Vorwort und Publikum
Raumbeschreibungen
6.1
Textanalyse
Zum Schluss
7.1
Lokalisierung
7.2
Toponyme
7.2.1
In der Nähe
7.2.2
Entfernt
7.2.3
Phantastische und reelle Orte
7.3
Gebäude
7.3.1
Elemare
7.3.2
Malperthuus
7.4
Konflikte: Dorf – Hof – Bau
Anhang
Quellenangabe
2–8
3
3–5
4
4–5
5
5
6
6–7
6–7
7
7–8
9 – 12
13 – 20
13 – 14
14 – 15
16
16 – 19
19 – 20
21 – 36
22 – 25
24
25
25 – 29
29 – 32
32 – 34
32 – 33
33 – 34
34 – 36
37 – 48
37 – 38
38 – 40
40 – 46
46 – 48
49 – 51
51 – 84
85 – 94
85 – 86
86 – 90
86 – 88
88 – 89
89 – 90
90
90
90
91 – 94
95 – 108
109 – 113
1.
EINFÜHRUNG
Maer leest met verstande ende siet tot wat eynde elck dinck geschreven is.1
Renart, Reynaert, Reynke, Reineke, Reynardus, Reinhart; all dies sind Namen für den schlauen
Fuchs. In den Niederlanden und in Deutschland sind Reynaert und Reynke bekannt. Fast jeder
Europäer kennt den Fuchs und seine Listigkeit. Zum Beispiel kennen die Franzosen ihn aus le
Roman de Renart, die Niederländer haben über ihn in Van den vos Reynaerde gelesen, die
Deutschen kennen ihn von Reynke de Vos.
Zwei Erzählungen, in denen er die Hauptrolle spielt, Reinaerts Historie bzw Reynke de Vos
sind Quellen für viele andere Geschichten gewesen, wie Goethes Reineke Fuchs, basierend auf
Reynke de Vos. Der Fuchs ist Gegenstand vieler Untersuchungen. Schon viele Male sind die
Ausgaben des Romans de Renart, wie auch der mittelniederländische Roman Van den vos
Reynaerde, Reynaerts Historie und der lateinische Reynardus Vulpes untersucht worden.
Auch existieren zahlreiche Analysen zwischen u.a. den französischen Ausgaben und der
mittelniederländischen Bearbeitung2, oder zwischen Van den vos Reynaerde und „de andere
Reinaert”, wie Heeroma3 Reinaerts Historie bezeichnet.
In viel geringerem Maße werden Analysen zwischen Reinaerts Historie (RH) und Reynke deme
Vosse (RV) ausgeführt, der niederdeutschen Fassung, die auf der mitterniederländischen
Geschichte basiert. Foerste bemerkt dazu:
„Obwohl die Literatur über den mittelalterlichen Reineke Fuchs sehr umfangreich ist,
hat man der Frage nach dem Verhältnis des 1498 in Lübeck gedruckten
mittelniederdeutschen Reinke de Vos (RV) zu seiner mittelniederländischen Vorlage
verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt.”4
Foerste selbst verändert diese Situation, indem er diese zwei Werke tatsächlich miteinander
vergleicht. Der Akzent liegt auf einem Vergleich zwischen den Narrengeschichten aus dem
Narrenschyp (1497), in welchen die Personen mit ihrem exzentrischen Lebensstil sich keine
Sorgen um ihr Seelenheil machen, mit den Personen in Reynke deme Vosse. Außerdem geht er
auf die moralischen Lehrmomente am Ende der Kapitel ein und auch auf die Erzähltechnik des
wahrscheinlichen Übersetzers des Narrenschyps5, Sebastian Brant. Jenes Werk erschien ein
1
Vorwort RH
Ich wähle hier “Bearbeitung”, weil der Autor der mittelniederländischen Version keine buchstäbliche
Übersetzung gemacht hat, sondern mit Hinzufügungen und Anpassungen andere Akzente gegeben hat. Zum
Beispiel: die Vergewaltigung der Wölfin, die im Mittelniederländischen einen anderen Akzent als im
Französischen hat.
3
K.H. Heeroma (1970)
4
W. Foerste ea. (1960)
5
W. Foerste (1960) S. 144.
2
2
Jahr vor dem RV, ebenfalls in Lübeck. Der Lübecker Übersetzer Sebastian Brant hat für den
RV dieselben Bibeltexte verwendet und auch gleich lautende Moralvorstellungen aus den
beiden Texten destilliert. Auch Cordes6 macht einen Vergleich zwischen den beiden Fassungen
Reinaert II, der Fassung von Van Alckmaer und der des Lübecker Übersetzers, den Cordes als
Übersetzer des Narrenschyps betrachtet.
1.1
ÜBERLIEFERUNG VON VAN DEN VOS REYNAERDE
Über die Erzählungen des schlauen Fuchses sind zahlreichen Umarbeitungen bekannt. Van den
vos Reynaerde ist so eine Umarbeitung der französischen Roman de Renart. Dieses Werk
basiert sehr stark auf der ersten Branche aus dem Roman de Renart, Le Plaid. Es ist ungefähr
1235 geschrieben worden, ungefähr 65 Jahre später als der Roman de Renart, der Vorlage Van
den vos Reynaerdes, erschien. Warum für das Verfassen des Van den vos Reynaerdes ungefähr
das Jahr 1235 festgestellt worden ist, darauf kann in dieser Masterarbeit nicht weiter
eingegangen werden.7
Van den vos Reynaerde ist in den Niederlanden ein sehr bekannter Text, der offensichtlich eine
(verlängerte) „Fortsetzung forderte“. Reynaerts Historie (RH) ist die Umarbeitung von Van den
vos Reynaerde8, dem in den nördlichen und südlichen Niederlanden bekannten Text, obwohl
RH später eine viel größere Rolle in Europa als Van den vos Reynaerde spielen wird. Hier (d.h.
in Europa) gibt es eine Jahrhunderte dauernde (vom 15.-19. Jahrhundert), weitverbreitete
Überlieferung von RH.9 Der zweite Teil RH’s basiert auf le Roman de Renart, le duel (1160):
Renart muss sich am Hof gegen den König und Ysengrin verteidigen, was in einem Duell
resultiert.10
Das Werk ist in zwei Handschriften vollständig erhalten: in der Comburgischen Handschrift
(A) und in der Dyckschen Handschrift (F). Daneben sind in der Darmstädter (E), Rotterdamer
(G) und Brüsseler Handschrift (J) noch Fragmente dieses Werks enthalten.
1.2
ÜBERLIEFERUNG VON REYNAERTS HISTORIE: DIE ZEIT
Wie für Van den vos Reynaerde gilt auch für RH, dass das Jahr, worin das Werk geschrieben
worden ist, nicht präzise abgegrenzt worden kann. Hierunter werden die Perioden des
Verfassens des Werks RH festgestellt.
6
G. Cordes (1939)
Siehe dafür B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002) .
8
Eine andere Umarbeitung von Van den vos Reynaerde ist die lateinische Übersetzung Reynaerdus Vulpus von
Balduinus (1267-1273).
9
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 409.
10
R. Schluseman & P. Wackers (2005)
7
3
1.2.1
NACH DEM JAHR 1350
Angenommen wird es, dass RH nach dem Jahr 1350 geschrieben worden ist. In den Verszeilen
3745 und 3803 werden nämlich Kanonen (donrebussen ende bombaerden) angeführt, die vor
dem Jahre 1350 noch nicht existierten.
ZWISCHEN DEN JAHREN 1309-138711
1.2.2
Eine zweite temporale Begrenzung kommt aus der Stelle hervor, wo der Erzähler, in
Handschrift C12, Avignon neben Rom erwähnt. Zwischen dem Jahre 1309 bis 1378 war der
päpstliche Hof nicht in Rom, sondern in Avignon. Nun könnte argumentiert werden, dass die
Geschichte zwischen dem Jahre 1350-1378 stattgefunden haben muss.
Ein Gegenargument ist, dass Mertijn nach Rom statt Avignon geht, um Reynaerts
Exkommunikation bei dem Papst zu bereinigen. Ein Grund dafür könnte sein, dass der
päpstliche Hof nicht mehr in Avignon thront. Die Geschichte würde sich dann nach dem Jahre
1378 abspielen. Freilich gibt es zwischen den Jahren 1378-1417 (das sogenannte westliche
Schisma) zwei, am Ende dieser Zeit sogar drei Päpste. Das Argument, dass die Erzählung nach
dem Jahre 1378 geschrieben worden ist, hält sich nicht, eben weil „Rom“ eine Andeutung für
den Sitz des Papstes sein könnte, ob es nun Rom oder Avignon sei. Auffallend ist es jedoch,
dass der Autor Kritik am Hof und an der Geistlichkeit übt und überhaupt nicht über das
Schisma spricht. Das würde dafür sprechen, dass die Geschichte nach dem Schisma
geschrieben worden ist, also nach dem Jahr 1417.
Eine andere temporale Begrenzung handelt von dem Amt soeverein baljuw. Dieses Amt wurde
1373 vom flämischen Grafen Lodewijk von Male eingestellt13 (womit gleichzeitig das
Entstehungsgebiet RH bestimmt ist; das Amt soeverein baljuw wurde nur in Flandern
ausgeübt). Dieser Beamte übte das Gnaderecht aus, wobei er sowohl Anklager als Richter war.
Dabei es nahe liegt, dass man seinen Freunden hilft und seine Feinde zugrunde richtet.
Reynaert wird vom König Nobel in dieses Amt beeidet und er bemerkt mit Recht, als der
König ihn zu seinem sovereyn ende baeliu (Vz. 7584) beruft:
„Ic mach mitter macht mijns heren mijn vriende helpen mijn viande deren ende mijns
willen veel bedriven.”14
Dieses Amt bestand bis zum sechzehnten Jahrhundert. Es braucht also nicht so zu sein, dass die
Erzählung direkt nachdem das Amt soeverein baljuw ins Leben gerufen ist, niedergeschrieben
worden ist.
Ein letztes Argument stammt von Berteloot15: er konstatiert, dass die Textüberlieferung von
Reynaerts Historie erst nach dem Jahre 1470 anfängt. Der Text wird dann in den Niederlanden
11
Basiert auf: R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 420, 421.
W.G. Hellinga (1952) „Fragment – Van Wijn”
13
R. Schluseman & P. Wackers (2005)
14
Vz. 7728-7730 (RH)
12
4
gedruckt und ins Niederländische, Niederdeutsche und Englische übersetzt. Es wäre unlogisch,
wenn Reynaerts Historie jahrzehntelang unbekannt geblieben war und erst danach ihre
Bekanntheit gewann und übersetzt wurde.
In Bezug auf RH sind alle Argumente höchstens logisch, freilich nicht zwingend.16 Das Jahr
der Niederschrift liegt, Wackers zufolge, also wenigstens zwischen 1373 und vor dem Jahre
1470.
1.3
ÜBERLIEFERUNG VON REYNAERTS HISTORIE: HANDSCHRIFT UND DRUCK
Von RH ist nur eine vollständige Handschrift erhalten, nämlich die Brüsseler Handschrift (B).
Daneben sind noch sieben Blätter im Fragment – Van Wijn (C) zu lesen.
Seit dem 15. Jahrhundert, um das Jahr 1487, existiert neben den Handschriften eine
Druckfassung von RH. Die Handschrift Reynaerts Historie ist für diese Druckfassung von
Hinrek von Alckmer bearbeitet worden. Der Verstext von RH ist praktisch ohne inhaltliche
Änderungen für die Druckfassung übernommen worden. Dazu sind moralisierende
Prosakommentare geschrieben und ist der Druck in Kapitel mit Überschriften eingeteilt.
Im Gegensatz zu Van den vos Reynaerde und der Handschrift RH hat die Druckfassung RH
den Zahn der Zeit fast nicht überlebt. Nur noch ein paar Bruchstücke sind erhalten: die
Culemannsche Bruchstücke / Cambridge Fragments (D), die aus sieben Blättern besteht.17
GHERAERT LEEU, „MAN VAN GREAT KUNNYNGE“18
1.3.1
Gheraert Leeu ist der Herausgeber von ua der Druckfassung RH. Leeu ist zwischen den Jahren
1445-1450 in Gouda geboren. Am 24. Mai 1477, als die Buchdruckkunst erst ungefähr dreißig
Jahre besteht, druckt er sein erstes Buch: Epistelen ende Ewangelien vanden gheheelen jaere.
1484 zieht Leeu, nach ungefähr sechs Jahren in Gouda eine Druckerei geleitet zu haben, nach
Antwerpen, wo er sehr erfolgreich noch acht Jahre eine Filiale im Besitz hat. (Mittlerweile war
1484 seine Druckerei in Gouda in Händen seines Bruders Claes Gerydsz Leeu.) Antwerpen
wird während Leeus Tätigkeiten eine richtige Druckerstadt; Leeu druckte 162 der 278 in
Antwerpen herausgegeben Titel bis zum Jahre 1493.
In Kapitel 4.4 wird mehr über Gheraert Leeu in Bezug auf sein Verlagsprogramm geschrieben.
15
A. Berteloot (1988), in: R. Schluseman & P. Wackers (2005)
Die Argumente in Bezug auf die Kanone und das Amt von soeverein baljuw sind jedoch schon zwingend.
17
Nicht nur ist von der Handschrift Reynaerts Historie Drucke in Verstext (D) gemacht, sondern auch in Prosa:
Die hystorie van reynaert die vos (Pg: 1479) und Die historie van reynaert die vos (Pd: 1485). Im 16.
Jahrhundert ist eine verharmloste, gekürzte Fassung mit Kapiteleinteilung und Prosamoralisationen
herausgegeben worden: Reynaert de vos (H: 1564), Reynaert de vos. Reynier le renard (H: 1566), Reynaert de
Vos (H: 1603).
18
Extrakt von: K. Goudriaan (1992)
16
5
1.4
ÜBERLIEFERUNG VON REYNKE DE VOS
Ungefähr elf Jahre nachdem der Druckfassung RH von Leeu herausgegeben worden ist, wird
eine niederdeutsche Übersetzung in vier Büchern mit zwei Vorreden, Kapiteleinteilung,
Überschriften und moralisierenden Prosa nach fast jedem Kapitel gedruckt. Dieser Reynke de
vos ist 1498 in der lübischen Inkunabel-Druckerei von Hans van Ghetelen (gest. 1528)19
gedruckt worden.
Von Reynke de vos sind mehrere Drucke erhalten. Beispiele sind: Reynke de vos (R: 1498), Van
Reyneken dem vosse (R: 1517) und Reynke Voß de olde (R: 1539).
1.5
REYNKE DE VOS AUS REYNAERTS HISTORIE
In
dieser
Studie
wird
Reynke
de
Vos
auf
verschiedene
Aspekte20
mit
seiner
21
mittelniederländischen Quelle Reynaerts Historie verglichen . Erstens muss also dargestellt
werden, dass RV tatsächlich auf RH basiert. Dies zu tun, ist aber eine Formalität, denn es wird
im Allgemeinen angenommen, dass RH in der Tat die Grundlage für RV gewesen ist. Kurz
werden darum Argumente angebracht, die stammen aus zwei Quellen (Vorwort und von
anderen Reynaertforschern)
1.5.1
VORWORT
In den Vorworten von RV wird erklärt auf welche Quellen zurückgegriffen wird und es wird
auch ein Autor erwähnt.
Ick Hinrek van alckmer. Scholemester unde tuchtlerer des eddelen dogentliken vorsten
unde heren. hertogen van lotryngen. umme bede wyllen mynes gnedyghen heren. hebbe
dyt yeghenwerdyge boek uth walscher unde franszösescher sprake ghesocht unde umme
ghesath in dudesche sprake to dem loue unde to der ere godes. unde to heylsamer lere
der de hir ynne lesen. unde hebbe dyt sulue boek gehe deelet in veer part. unde hebbe by
yslyk capittel ghesath eyne korte uthlegginge unde meninge des [iii r*] sulfsten poeten
umme to vorstaen den rechten syn des capittels.22
Hier schreibt Hinrek van Alckmer, dass er die Geschichte in der französischen und
wallonischen Sprache gefunden hat und diese übersetzt hat, aus dem Französischen also.
Es erscheint in Widerspruch mit obenstehender Aussage zu sein, dass nur RH die Quelle für die
niederdeutsche Geschichte ist. In der deutschen Version spricht Hinrek van Alckmer allerdings
nicht selbst mehr, sondern ist dieses Vorwort mit ins Niederdeutsche übersetzt worden. Die
Quelle dieser Übersetzung ist also keine französische, sondern eine mittelniederländische.
19
www.dbnl.org/tekst/_jaa003191801_01/_jaa003191801_01_003.htm
Diese Aspekte werden in der Problemstellung auseinander gesetzt.
21
Obwohl im Prolog RV’s zu lesen ist, dass der Autor sich auch von walschen unde franszösescher Quellen hat
inspirieren lassen.
22
J. Goossens (1983), S. 5.
20
6
Außerdem ähnelt Hinreks ander vorrede der mittelniederländischen Vorrede sehr. In beiden
Vorreden werden die Stände der Menschen erklärt. Ein Fragment aus der RH:
„Onder den naem vanden beesten die in desen boeck ghenaemt sullen worden, worden
oock begrepen de staten vanden menschen.”23
Und aus RV:
„Yp dat eyn yslyk leser desses bokes van reynken deme vosse. wol moghe vorstaen. so is
to merken dat der mynschen state is gheledet an veer state. ”24
1.5.2
ANDERE FORSCHUNGEN
Von anderen Untersuchern wird allgemein angenommen, dass der deutsche Übersetzer die
niederländische Grundlage von Hinrek von Alckmer für seine Übersetzung verwendet hat und
nicht wie im Vorwort behauptet wird eine Wallonische und Französische.
McFarland schreibt in ihrer Masterthese:
„Reinke de Vos is a translation and adaptation of a Flemish version attributed to Hinrek
van Alckmer.”25
Zweitens schreibt Voretzsch in der Einleitung der Ausgabe Priens von Reynke de Vos:
„Das enge verhältnis, das den Niederdeutschen von jeher mit den tieren im hause wie in
feld und wald verbindet, von den vorliterarischen zeiten bis auf heutige tage, war
augenscheinlich der nährboden, auf welchem der nach niederländischer vorlage
gedichtete und durch diese schließlich auf französischen ursprung zurückgehende Reinke
de vos so rasch volkstümlich wurde.”26
Also, McFarland und Voretzsch (und ua auch Cordes27) sind davon überzeugt, dass die
mittelniederländische Version von Von Alckmer die Grundlage für die niederdeutsche gewesen
ist. Es scheint Wackers28 aber wahrscheinlich, dass RV auf mehrere Reimdrucke basiert; Leeus
Version sei dann einer davon.
GOOSSENS’ REKONSTRUKTION
1.6
„Reynke de Vos [ist] eine Übersetzung und Überarbeitung eines niederländischen
Gedichtes... ”29
23
J. Goossens(1983), S. 2.
J. Goossens (1983), S. 3.
25
M.K. Mc Farland (1979)
26
A. Leitzmann (1960), S. XI
27
G. Cordes (1939)
28
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 436.
29
J. Goossens (1983), Vorwort.
24
7
Aus diesem Zitat Goossens’ stellt sich heraus, dass nicht bekannt ist, welches niederländische
Werk die Vorlage für das niederdeutsche Werk gewesen ist. Dieses Problem kann leider nie
gelöst worden, weil die tatsächliche Vorlage nicht erhalten ist. Trotzdem hat Goossens eine
diplomatische Parallelausgabe von Reynke de Vos und seiner „Vorlage“ Reynaerts Historie
herausgegeben. Der niederländische Text der Parallelausgabe ist „das Ergebnis einer Reihe von
Operationen“, wie Goossens seine Arbeit selbst qualifiziert. Goossens erklärt seine
Verfahrensweise folgendermaßen:
„Im Paralleldruck der beiden Fassungen wurde versucht, die inhaltlich und formal
vergleichbaren Textpartien einander soweit wie möglich Vers für Vers optisch
gegenüberzustellen [...]. Erweiterungen und Kürzungen in RH bzw. RV sind in der Regel
am Durchschuss erkennbar der dann [....] an der Parallelstelle erscheint.“30
Goossens ist mit seiner Ausgabe von RV ausgegangen und hat dazu niederländische
Äquivalente gesucht. Als niederdeutschen Text von RV hat er die diplomatische Wiedergabe
eines Lübecker Drucks vom Jahre 1498 (R) gewählt. Eventuelle Fehler in dieser Wiedergabe
hat Goossens mit Hilfe der niederdeutschen Drucke der Jahre 1517 (R) und 1539 (R) korrigiert.
Goossens vermutet, dass der niederdeutsche Verfasser von R einen Druck wie D, also einen
gereimten Druck mit moralisierenden Kommentaren und Kapiteleinteilung, als Vorlage benutzt
hat. D ist freilich nur fragmentarisch erhalten, sodass eine Rekonstruktion mit Hilfe anderer
Texte notwendig ist. Für die Rekonstruktion ist erstens D benutzt. Wenn D nicht mehr
ausreichend ist, sind die Handschriften B und C angewendet. Da R mehr als nur Verse enthält
(Kapitelüberschriften, Prosamoralisationen), können hier die Handschriften nicht benutzt
werden und muss auf den gekürzen H-Druck ausgewichen werden. Nach Goossens ist H zu
verwenden, weil die Fragmente von D mit H übereinstimmen. H ist als Lösung für die
Überschriften, Kapiteleinteilung und moralisierenden Kommentare benutzt. Wenn H nicht
ausreicht, müssen die Prosadrucke Pg und Pd in Anspruch genommen werden.
Das Werk Goossens’ ist eine hilfreiche „Unterstützung“ meiner Masterarbeit. Goossens hat
sich sehr darum bemüht, die Vorlage von RV zu rekonstruieren und eine zuverlässige,
diplomatische Parallelausgabe von RV und RH herauszugeben. Diese eignet sich sehr für die
Analysen, die in dieser Masterarbeit in Bezug auf RH und RV gemacht werden. Ich gehe also
bezüglich meiner Analysen von dem von Goossens rekonstruierten Text RH’s aus. Goossens
Rekonstruktion soll den Fragmenten von Text D, dem Druck in Versen mit moralisierenden
Prosakommentaren und Kapitelüberschriften, ähneln.
30
J. Goossens (1983), S. LVI-LVII.
8
2.
PROBLEMSTELLUNG
In dessen vorghesechten capittelen is mannyghe gude lere. sunderlyken sesse.31
In dieser Masterarbeit werden die topographischen Realien in Reynaerts Historie bzw. Reynke
de Vos analysiert. Ich schreibe einen analytischen Vergleich zwischen RH und RV in Bezug
auf die räumlichen Realien, weil ich der Meinung bin, dass sich diesbezüglich in den
Literaturforschungen eine Lücke aufweist.
Die Analyse dieser Realien besteht darin, dass álle Raumbeschreibungen geordnet und
kommentiert werden. Im Kommentar wird eingegangen auf die Vorgehensweise des Autors/
Übersetzers von RV im Licht von RH in Bezug auf die Ortsdarstellungen. Dabei wird nicht
bloß das Endprodukt (RV) an sich betrachtet, sondern die Ziele, die der Verfasser sich mit
seinem Werk gesetzt und verfolgt hat, werden bei dieser Analyse mitgenommen. Diese Ziele
stellt der Autor sowohl explizit in dem Vorwort, Prolog, Epilog und den moralischen
Belehrungen als auch implizit, mittels seiner Erzählung an sich, dar. Diese werden darum in
dieser Studie alle analysiert. Folgt der Übersetzer einer bestimmten Übersetzungsstrategie?
Indem ja, welche? Anders gesagt: wie verhält sich seine Übersetzung zu RH und den
Erwartungen des intendierten Publikums? Vor allem für den zweiten Teil der vorigen Frage,
soll das intendierte Publikum determiniert werden. Sowohl aus textimmanenten Teilen RH’s
und RV’s, als auch dem Vorwort, dem Prolog, dem Epilog und den moralischen Belehrungen
werden Hinweise für ein bestimmtes Publikum destilliert. Dabei werden auch andere
Handschriften und textübersteigende Elemente, wie das Verlagsprogramm Gheraert Leeus
hinzugezogen. Auf diese Weise wird eine Lücke in der Forschung gefüllt.
Am Ende dieser Abschlussarbeit ist, mittels einer Literaturstudie, die nachfolgende Frage
beantwortet, auf welche Weise die räumlichen Realien in Reynke de Vos sich von Reinaerts
Historie unterscheiden. Wie und warum unterscheiden sich die topographischen Realien in der
Geschichte von Reynke deme Vosse von Reinaerts Historie in Bezug auf das intendierte
Publikum der beiden Werke?
Diese Frage kann gestellt werden, weil es unmöglich ist, eine hundertprozentige
übereinstimmende Übersetzung von diesen Realien zu schreiben. Dazu sind verschiedene
Beispiele zu geben. Ortsnamen werden verändert: tusschen Arkeloos ende Drongelen (RH) Van poytrow an. wente to luneborch (RV)32, oder weggelassen: Lomberdyen (RV)33 hat in RH
kein Äquivalent. Ortsnamen werden mit sprechenden Namen34 verändert: tusschen honthorst
31
Moralvorstellung nach dem zehnten Kapitel (RV)
Vz. 5339 (RH), Vz. 4880 (RV)
33
Vz. 3973 (RV)
34
„Sprechender Name”: literarisches Stilmittel, wobei der Name einer Person (oder eines Orts) durch eine
äußere Benennung dem inneren Wesen der Person nach charakterisieren.
32
9
ende everdingen (RH) – twysschen kackusz unde elverdyngen (RV)35, wie auch Namen von
Personen: der Abt von Baudelo (RH) – de abbet van slukup (RV)36. Dies sind so einige Punkte,
die weiter in dieser Masterarbeit behandelt werden.
Unterschiede oder gerade keine Unterschiede in den Raumbeschreibungen, sind beide spürbar.
Wenn die Raumbeschreibungen einem bestimmten Publikum angepasst sind und die
Geschichte sich hauptsächlich in Deutschland abspielt, unterscheiden diese Orte sich von RH.
Indem die Raumbeschreibungen äußerstenfalls überall unverändert übernommen worden sind,
würden sie uns, modernen Lesern, nicht so sehr auffallen, dem zeitgenössischen Publikum
desto mehr. Der Unterschied ist dann folgendermaßen, nämlich, dass beim Publikum eine
Verfremdung auftritt; es kennt die Orte nicht so wie das RH-Publikum sie kennt. Dazu muss
angemerkt werden, dass hier schon angenommen wird, dass die beschriebenen Räume in RH
sich im Allgemeinen in der Umwelt der RH-Leser befinden.
Um diese Hauptfrage beantworten und eine Schlussfolgerung treffen zu können, werden zuerst
fünf Unterfragen und Teilaspekte behandelt. Nach einer deskriptiven Studie, wobei RH und RV
auf textuellem Niveau mit einander verglichen werden, werden die Befunde erklärt.
Im ersten Kapitel ist die Überlieferung von Van den vos Reynaerde, Reynaerts Historie und
Reynke de vos dargestellt. Zweitens ist auf die Zeit eingegangen: die Zeit, in der die Werke
geschrieben worden sind (oder besser: geschrieben sein könnten), ist abgegrenzt. Zum Schluss
ist beschrieben worden, dass Reynke de Vos in der Tat auf Reynaerts Historie basiert; wenn es
darüber einige Zweifel gäbe, hätte diese Literaturforschung überhaupt keinen Wert.
Im dritten Kapitel und vierten Kapitel werden jeweils die Themen `Publikum` und `Autor`
behandelt. Wer könnten die Autoren sein (ist der Autor von RV derselbe als der, der das
Narrenschyp geschrieben hat, wie Foerste und Cordes behaupten?) und für welches Publikum
schrieben sie womöglich. Bei dem Versuch das Publikum zu beschreiben, dass der Autor beim
Schreiben primär im Kopf hatte, begibt man sich sehr leicht aufs Glatteis, weil über dieses
Thema das letzte Wort noch nicht geschrieben werden kann. Jedoch muss man das Thema
nicht aus dem Wege gehen. Beispielsweise spekuliert Van Oostrom37 in seiner Analyse in
Bezug auf Lantsloot und Lancelot en prose, wer die Autoren dieser Werke sein könnten und
was die Wünsche und Erwartungen vom Publikum sind; diesen Themen soll man also nicht aus
dem Weg gehen, sondern in Angriff nehmen und die Spekulation „akzeptieren“. Deswegen
möchte ich die Meinungen, worüber in der Literatur Übereinstimmung zu finden ist, in dieser
Studie aufnehmen und einen Vergleich zwischen den zwei intendierten primären Lesern
machen. Anzunehmen ist es, dass Anpassungen im Text notwendig sind, wenn für ein ganz
35
Vz. 3997 (RH), Vz. 3738 (RV)
Vz. 6779 (RH), Vz. 6168 (RV)
37
In: F. Van Oostrom (1981)
36
10
anderes Publikum geschrieben wird. Wie Wackers38 vorschlägt, können Episoden, Sätze und
Wortgebrauch in RH und RV miteinander verglichen werden, um den Beitrag des
niederdeutschen Übersetzers herausfiltern zu können. Unterschiede in Vorwort, Prolog, Epilog,
in der letzten Belehrung und Umstellungen einiger erzählten Fragmente, wie der Streit des
Katers mit der Pastorfamilie, können sehr wohl mit einer anderen Meinung des Autors zu tun
haben, mit dem Ziel, dass er mit der Geschichte vorhatte oder abhängig von seinem
intendierten Publikum sein. Wie der Autor zu seiner Meinung gekommen ist, kann mit den
Punkten zusammenhängen, die im vierten, fünften und Kapitel erwähnt werden.
Das fünfte Kapitel ist für die Vorworte von RH und RV reserviert. Im Vorwort erklärt der
Herausgeber (nicht der Autor) das Werk ausführlich für den Leser.
Im sechsten Kapitel wird eine Vergleichsanalyse von den Raumbeschreibungen in RH und RV
gemacht. Alle Textdaten in Bezug auf den Raum sind in zwei Kolumnen, wenn möglich,
paarweise untergebracht. Danach lassen die Raumdaten sich leicht auf Akzentverschiebungen
analysieren.
Nach dem sechsten Kapitel kann eine Antwort gegeben werden auf die Fragen:
1. Welche auffallende Anpassungen enthalten die Mitteilungen vom Verfasser in RV in Bezug
auf RH? Mit dichterischen Mitteilungen werden Vorwort, Prolog, Epilog und die letzte
Moralvorstellung gemeint.
2. Was für einen Effekt könnten diese Veränderungen auf das intendierte Publikum gehabt
haben? Oder aber, welche Anpassungen sind für ein besseres Verständnis der Geschichte für
das Publikum gemacht worden?
3. Hat das intendierte Publikum von RV ein anderes Bild und einen anderen Eindruck von der
Umgebung als das intendierte Publikum aus RH das hat?
Zum Schluss wird zusammenfassend gefolgert, wie, in Bezug auf das intendierte Publikum, die
topographischen Realien sich in Reynke de Vosse im Vergleich zu Reinaerts Historie verhalten.
Die Frage wird beantwortet, wieso der Autor diese Veränderungen gemacht hat. Hat der
Verfasser die Raumbeschreibungen übernommen oder verändert? Adaptiert er seinen Text
seinem Publikum? Wenn ja, auf welche Art und Weise hat er die topographischen Realien
umgestellt? Und aus welchen Gründen? Schätzt er ein, dass sein Publikum bei den
geschilderten Räumen nicht dieselben Denotationen hat, die das RH-Publikum hat, geschweige
denn, dass sie dieselbe Konnotationen bei den Orten haben.39
38
39
R. Schluseman & P. Wackers (2005)
D. Grit (1994), in: T. Naaijkens (2004)
11
In diesem Kapitel wird auch auf die Unterschiede zwischen Hof und Bau eingegangen, wie bei
Van Daele in „Ruimte en naamgeving in Van den vos Reynaerde40 für Van den Vos Reynaerde
gemacht hat; so werden in dieser Studie die Unterschiede zwischen Hof und Bau und Dorf von
RH und RV analysiert und beide Analysen nebeneinander gelegt.
40
R. van Daele (1994)
12
3.
AUTOREN
Diet boec screef, int voorgedicht. Suecten wel, ghi vijntten licht.41
In diesem Kapitel werden die Verfasser festgestellt, die RH und RV geschrieben haben.
Im Allgemeinen kann vom Autor RH’s behauptet werden, dass er das Werk Van den vos
Reynaerde bewunderte.42 Erstens weil er der Meinung war, dass genau dieses sich für eine
Umarbeitung lohnte. Zweitens, weil er große Teile seiner mittelniederländischen Quelle
übernommen hatte.
Eine Übersetzung ohne Anpassungen von RH ist RV allerdings nicht. Mithilfe kleiner
textuellen Veränderungen hat der niederdeutsche Dichter das Werk bearbeitet, mit welchen er,
nach Goossens, seine Persönlichkeit verrät:
„Häufig hat der nd. Bearbeiter den Text seiner Vorlage durch kleine Zutaten erweitert,
die Aspekte seiner Persönlichkeit verraten.“ 43
Es lohnt sich also, bevor der Autor von RH determiniert wird, zunächst den Autor von Van den
vos Reynaerde zu bestimmen. Vielleicht ist es möglich, aus den Charakteristiken seines
Vorgängers, den Autor von RH zu determinieren.
Anhand der textimmanten Teile, wie Vorwort, Epilog, Prolog, Akrostichen und dergleichen
werden nicht nur die Namen der Autoren, sondern auch ihre Charakteristiken untersucht.
3.1
DER AUTOR VON VAN DEN VOS REYNAERDE
Wie leicht in Van den vos Reynaerde der Autor sich wegen seines Prologs raten lässt, wo sich
in der ersten Zeile ein Willem die madocke maecte meldet, (obwohl ich hier nicht behaupte,
dass sich mit der Bekanntschaft dieses Namens sofort der Autor zu bestimmen ist), so
schwierig ist es aus dem leicht angepassten Prolog RH’s der Autor zu determinieren: auch hier
heißt es Willam die madock maecte und auch dieser Autor hat seinen Auftrag von einer Frau in
groter heuscheden bekommen, wodurch sich die Frage oder der scheinbare Gegensatz
aufdrängt, entweder hieße der Autor ebenfalls Willem oder er ist aus anderen textimmanenten
Hinweisen zu bestimmen.
Sowohl in Van den vos Reynaerde als auch in RH können die Reynaertforscher nur
spekulieren, wer hinter diesem Name steckt. Zuerst werden die Spekulationen über Willem,
Autor des Van den vos Reynaerdes aufgelistet, weil manche Argumente weitergeführt auch für
RH gelten können.
41
R. Schluseman & P. Wackers (2005), Vz. 7806-7809.
R. Schluseman & P. Wackers (2005)
43
J. Goossens (1983), S. LVII.
42
13
J.F. Willems44 hält den Aardenburger Priester, Willem Utenhove für den Dichter. Oder ist er
ein reisender Jongleur45, ein pessimistischer Hofkapelan46, oder identifiziert er sich mit seiner
Hauptperson Reynaert?47 Auf jeden Fall ist er ein selbstbewußter Autor, weil er sich mit
seinem (verlorengegangenen und heutzutage unbekannten) Werk Madocke introduziert.
Besamusca48 nach, könnte Willem ein Mönch sein. Grund dafür ist, dass er gebildet ist: er
kennt die französischen Tiergeschichten, spezifisch die Renart-zyklen und die neuesten
juridischen Prozeduren (letztens behauptet auch Arendt49). Bouwman kann das auch
unterschreiben: Außerdem verfügt er über Kenntnisse von politischen Problemen.
Einige Forscher meinen nämlich, dass Willem eine Spiegelgeschichte geschrieben hat. Von
einigen Reynaertforschern wird angenommen, dass der Reynaert eine Spiegelgeschichte
vorstellt, die mit dem Streitigkeiten zwischen den Avesnes und den Dampierres50
zusammenhängt.51 In dieser Arbeit wird nicht weiter auf diesen Konflikt eingegangen, nur
noch, dass in RH in der Tat einige Argumente dafür anzuzeigen sind, dass Van den vos
Reynaerde in der Tat eine Spiegelgeschichte ist und zweitens kann anhand dieser Wissenschaft
ein Autor determiniert werden, der in der Konfliktskizze passen würde; Willem, Abt von
Baudelo, der als rechtkundiger Kleriker beim Verkauf gräflicher Länder beteiligt war. In RH
selbst spielt dieser Abt von Baudelo auch eine Rolle, was nicht zwingend, jedoch aber für
diesen Willem von Baudelo spricht.
Das Ziel des Autors mit seinem Werk ist, Heeroma zufolge, Kritik an die geistlichen
Machthabern und Klostergeistlichen zu üben, wodurch er statt Kloster in der Umgebung seiner
Leser anzuführen, redet von Rom und Camerike.52 Auf diese Weise ist die Kritik für die
geistlichen Leser nicht unbedingt persönlich aufzufassen, weil die Missstände nicht in der Nähe
der Leser, sondern in anderen Ländern stattfinden.
DIE WEITERFÜHRUNG NACH RH (1373 – 1470)
3.2
Im Allgemeinen können die obigen Argumente in Bezug auf die Charakterskizze des Autors
RH’s bewertet werden. Offensichtlich bewundert der Autor Van den vos Reynaerde, weil er sie
größtenteils (zwar manchmal verändert) übernommen hat, wie er auch den Prolog fast
unverändert übernommen hat. Seine Meinung in Bezug auf den Ablauf der Geschichte stimmt
44
K. Heeroma (1970)
F. v. Oostrom (1), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999)
46
F. v. Oostrom (2), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999)
47
K. Heeroma, in: H. van Dijk & P. Wackers (1999). Heeroma untermauert seine Meinung nicht auf andere
Forschungen; er geht von seiner eigenen Intuition aus. Dass Heeroma Willems Schreibverfahren als Rache und
Unfrieden über seine Kollegen interpretiert, war damals wahrscheinlich auf Heeromas eigenes Leben
anwendbar, weil er viel Kommentar auf seine Gruuthuuse-Handschrift zu ertragen hatte.
48
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
49
H. van Dijk & P. Wackers (1999)
50
A. Bouwman (1991)
51
Ausführlicher wird über dieses Thema in A. Bouwman (1991) geschrieben.
52
K. Heeroma (1970)
45
14
nicht mit der des Verfassers Van den vos Reynaerde überein.53 Reynaert soll am Hof bleiben;
die Höflinge und Herren können ihn nicht vermissen. In RH flieht Reynaert nicht und wird er
zu souveränem Bailli promoviert.
Der Autor passt im Typus des pessimistischen Hofkapelans54, weil in der Geschichte die
Missstände der Geistlichkeit und weltlichen Machthaber angeprangert werden. Obwohl es hier
auch um einen Mönch handeln kann55, denn er hat die Kenntnisse von französischen Fabeln,
von der lateinischen Sprache (der Bibel) und den aktuellen juridischen Prozeduren und Ämter.
Über diese Kenntnisse verfügen durchschnittlich auch hohe Beamte, wie der Verfasser
außerdem noch über Kenntnisse der lateinischen Sprache und Geschichten (u.A. Romulus,
Seneca) verfügt; er ist ein gebildeter Mann, er kennt den Esopet, das Parisurteil, die
Lapidaristradition und die Kreuzlegende.56
Ebenfalls passt er in der Charakterskizze vom selbstbewußten Autor, weil auch er seinen
Namen in einem Akrostichon hinterlässt. Zwei möglichen Dichter lassen sich im Epilog des
Werkes in Akrostichen aufführen: Von Dismuude und Claes van Aken.
Das Patriziergeschlecht Van Diksmuide kommt aus der südflämischen Stadt Ieper. Deswegen
und wegen des Dialekts und Gebrauchs von Toponymen aus der Region von Ieper, nehmen
Berteloot und Wackers57 an, dass Van Diksmuide der Autor ist. Die Von Diksmuides gehören
zum Geschlecht Van Beveren. Sie haben Besitz im Maasland, hielten sich aber oft in Gent auf.
Es existiert ein Autor, Olivier van Diksmuide genannt (gestorben 1443), der eine Chronik über
die Periode aus der Geschichte der Grafschaft Flandern verfasst hat. Jan van Diksmuide wird
auch als Chronikschreiber, aber nun als Pseudonym von Olivier, gesehen, was aber
unkontrollierbar ist, weil die Archive von Ieper nach dem Ersten Weltkrieg verloren gegangen
sind. Wenn es sich herausstellt, dass Van Diksmuide nicht der Autor von RH ist, ist wenigstens
festzustellen, dass der Auftraggeber und/ oder Leserkreis, wie die Diksmuide-Familie, aus dem
adligen Kreis und/ oder in der Nähe von der Stadt Ieper stammt.58
Mit Claes van Aken ist Nikolaas van Aken gemeint. Dieser satirische Dichter lebte im
vierzehnten Jahrhundert. Wackers59 nach, ist Van Aken der Kopist von Handschrift B.
53
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 414
F. v. Oostrom (2), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999)
55
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
56
P. Wackers (1986)
57
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 441.
58
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 418-419.
59
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 407.
54
15
3.3
DIE WEITERFÜHRUNG NACH DER GEDRUCKTEN EDITION RH (1487)
Wie der Autor von der handgeschriebenen RH sich erst im Prolog mittels eines Akrostichons
vorstellt, so wird der Autor der gedruckten Edition im Vorwort vorgestellt: Hinreck von
Alckmaer, ein prominenter Jurist und hoher Beamte im Dienste des Utrechtsen Bisschofs
David von Burgund (die Niederlande werden zu der Zeit von Burgundern regiert).60 Deutet das
Herantragen von Hinreck von Alckmaer als Autor nun darauf, dass die Geschichte, obwohl im
ersten Kapitel das Gegenteil argumentiert wird, sich in den nördlichen Niederländen abspielen
lässt? Nein, wahrscheinlich hat David von Burgund, als Flame eine Handschrift mitgenommen
und kennt er die flämischen Weiler, Dörfer und Städte, sodass Hinreck sie übernehmen konnte,
ohne sie an die niederländische Umgebung anpassen zu müssen.
3.4
DIE WEITERFÜHRUNG NACH RV
Wie der RH-Autor Willems Prolog von seiner Vorlage übernommen hat, so hat der RV-Autor
diesen weggelassen. Von einem Willem soll in diesem Fall sehr wahrscheinlich nicht die Rede
sein. Auch die Akrostichen von Dismuude und Claes van Aken sind in RV nicht
zurückzufinden.
Dann bleibt es nur noch übrig einen Versuch zu machen, den Autor aus (anderen)
textimmanenten Hinweisen oder Eigenarten zu bestimmen. Dazu eignen sich die letzte
bereimte Moralvorstellung, der Epilog und die moralischen Lehren am Ende der Kapitel.61 An
diesen Stellen schreibt der Verfasser seine Belehrungen. Hier gibt er einige Teile seiner
Persönlichkeit preis, wie auch Goossens behauptet.62 Welche Kenntnisse hat er und versucht er
zu übertragen? Welche Person passt zu diesen Merkmalen?
Im Epilog stellt der Dichter sein Ziel:
„Eyn yslys schal syk tor weyszheyt keren, dat quade to myden unde de dögede leren. Dar
umme is dyt boek ghedycht. Dyt is de syn unde anders nicht.”63
In seiner letzten bereimten Moralvorstellung lehrt er, dass es immer noch Reynkes gibt, die mit
Listigkeit und Geld stets mächtiger werden. In RV wird der Geldaspekt viel stärker als in RH
betont, da hier uA die Aspekte Untreue, Unwahrheit, Unrechtfertigkeit weggelassen worden
sind. In RH bekommt durch diese Eigenschaften das Geld eine viel geringere Position, was mir
logischer scheint, da der Fuchs sich in den Geschichten überhaupt nicht mit Geld profiliert,
sondern mit Lügen und Unwahrheiten. Der Autor selbst schätzt den Geldaspekt als eine
60
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 428.
Obwohl diese möglicherweise auch vom Bearbeiter des niederdeutschen Textes geschrieben sein könnten.
Wenn die moralisierenden Kommentare von Von Alckmer sind, dann müssen sie in Text D zurückzufinden
sein. D enthält allerdings nur zwei Kommentare. Text H, die hauptsächlich als Vorlage für die moralisierenden
Kommentare dient, ähnelt D ziemlich stark. Deswegen gehe ich trotzdem davon aus, dass die Belehrungen von
Von Alckmer geschrieben worden sind. Das Argument (H ähnelt D) wegen der engen Basis (D enthält nur
sieben Blätter) aber nicht zwingend ist.
62
J. Goossens (1983), S. LVII & S. LIX.
63
J. Goossens (1983), Vz.. 6831-6834 (RV)
61
16
wichtige reynaerdie ein. Geld ist sowohl am Hof als auch in der Kirche ein wichtiges Mittel,
Ansehen zu gewinnen.
Aus welchem Stand der Autor stammt, bleibt unerklärt, weil er sowohl den geistlichen als auch
den weltlichen Stand der Korruption bezichtigt. In RH wird die Geistlichkeit allerdings in
Bezug auf die Korruption ausführlicher unter die Lupe genommen als in RV. In Bezug darauf,
könnte geschlossen werden, dass der Autor in RV die Geistlichkeit ein wenig gegen Kritik
schützt.
Ausführlicher wird in RH auch auseinandergesetzt, warum der Autor zu kritisieren aufhört; er
ist auch an seiner eigenen Kritik schuldig. In RV wird bloß gemeldet, dass er hierüber
weiterschreibt, obwohl in den übrigen, prosaischen Belehrungen gerade sehr ausführlich die
christlichen Lehrungen (in Bezug auf Splitter, Balken und Seelenheil) erklärt werden. Dadurch
fällt es auf, dass er seine Überzeugung in der letzten Moralvorstellung ungeschrieben lässt.
In der moralistischen Vorstellung nämlich ist der Verfasser als ein richtiger Kritiker zu
betrachten. Kritik wird auffallend viel aus einer geistlichen Perspektive geliefert. Reynke wird
als Symbol des Teufels betrachtet64, der weiß, was man sich am meisten wünchst und der den
Menschen damit zu verführen versucht. Wer dem Teufel folgt, soll sich mithilfe des Heiligen
Geistes gegen ihn schützen, sonst verfällt man in Verdammnis.
Mithilfe mancher Bibeltexte unterstützt er seine Belehrungen, wie er auch hier macht: aus Hiob
zitiert er, dass das gegenwärtige, irdische Leben ein Kampf und Widerstand ist. Wer hiergegen
nicht kämpft, darf keine Krone (also ein seliges Leben) erwarten.65 Wenn man in Versuchung
kommt, soll man beten und der Wahrsagerei, Zauberei und dergleiche keinen Glauben
schenken, sonst fällt man wie Saul in Unglauben.
Andere biblischen Zitate stammen aus den Psalmen, zum Beispiel Psalm 62, wo über das letzte
Urteil und dazugehörige höllische Strafen für böse Menschen, die das Eigeninteresse
nachstreben, geschrieben wird (obwohl inhaltlich nicht der 62., sondern der 63. Psalm damit
korrespondiert). Die Menschen sollen sich nicht mit schlechten Menschen einlassen, denn das
Benehmen desjenigen, mit dem man umgeht, übernimmt man, wie David gezeigt hat. Das
betont er mehrmals. Neben Personen, muss man auch Wege und Orte meiden, die einen
verführen lassen könnten.
Außerdem muss man einen nicht ohne (sich) zu überlegen glauben. Die Geschichten von
Adam und Eva, Herodes und seiner Frau (Markus 6), König Achab und seiner Gattin beweisen
was mit jemandem passiert, wenn man leichtgläubig ist.
Sonst soll man um ein gutes, christliches Leben zu führen, die manchmal harte Führung der
Machthaber dulden (wie Gott seine Kinder manchmal straft) und seine eigenen Sünden alle
64
Über die Vorstellung vom Fuchs als Teufel wird im 6. Kapitel bei den Verszeilen 3559-3560 bzw. 3351 mehr
geschrieben.
65
Belehrung nach dem 7. Kapitel.
17
beichten und büßen, wie David im 31. Psalm (inhaltlich wahrscheinlich im 32.) sagt, eine
Sache, die er ebenfalls mehrmals betont. Man soll nicht glauben, dass die eigenen Sünden
leichter als die des Bruders sind.
Destomehr gilt dies alles für die Kirchenlehrer, die eine Vorbildfunktion bekleiden, wodurch
ihr schlechtes Benehmen ihnen schwerer angerechnet wird, denn „je höher die Position, je
tiefer der Fall ist“. Die Geistlichen als Sünder aufzuführen und ihre Sünden viel schwerer als
die der Laien, zu kategorisieren, kann ja doch nur von einem „Genosse“ behauptet werden...?
Der Verfasser behauptet, dass die Geistlichen oft tun, was für den Fürsten verboten ist. Die
Geistlichen sind Räuber und Diebe, weil sie sich nicht standesgemäß benehmen. Die Laien
aber, sollen die guten Werke der Kirchlehrer nachfolgen, davon lernen und sie sicherlich nicht
auf ihr schlechtes Benehmen ansprechen. Das lehrt uns Sankt Hieronymus: das Urteil ist Gottes
(und auch der Geistlichen), weil sein Evangelium lehrt, dass die Menschen geduldig sein
müssen.
Ob diese evangelische Aussage nun die Neigung über seinen Nächsten zu urteilen bestreitet, ist
zwar die Frage. Die Laien lieferen offensichtlich schon Kommentar auf die Werke der
geistlichen Führer, weil der Verfasser meint, diese Kritik sei eine sehr schlimme Sünde, die
darin resultiert, dass das Volk es verdient von schlechten Herren regiert zu werden; guter
Herren seien sie nicht würdig.
Die Herren aber versagen offensichtlich, die Räuber zurechtweisen. Das Hauptthema des
Werkes ist es, diesen Missstand anzuprangern; der arme Sünder wird viel öfter verurteilt als der
mächtige, weil die Richter selbst Vorteile von den mächtigen, sündigen Herren erwarten. Die
Richter, so scheint es, sind die Geistlichen; sie sollen das Recht bewahren, obwohl in der
kirchlichen Welt als auch in der weltlichen das Geld machtbestimmend ist.
Für die Richter selbst entfaltet der Verfasser noch einige Belehrungen. Ein Herr oder Richter
muss einen Verdächtigen nicht sofort aburteilen, sondern mit seinen vernünftigen Ratgebern
(oder sogar Rechtsanwälten), die nicht aus Eigeninteresse handeln und dem Verdächtigen kein
Schnippchen schlagen wollen, und mit aufrechten Augenzeugen zu einem Urteil kommen.
Indem keine Augenzeugen vorhanden sind, dann wird das Recht von jeher mittels eines Duells
festgestellt.
Der Verfasser ist davon überzeugt, dass es am Hofe einerseits die Geizigen und andererseits die
Listigen gibt, wobei er in diesem Buch versucht mithilfe einer ausfühlichen Darstellung des
Zweikampfs und macherlei Fabel und Belehrungen zu zeigen, wie die Schlauheit die
Geizigkeit besiegt. Hier stellen der Fuchs und der Wolf, der Listige und der Geizige vor, die in
einem Duell kämpfen, obwohl Wackers66 meint, dass mit dem Duell und dem Gewinnen
Reynaerts Kritik an das Rechtsystem geliefert wird, statt zu verdeutlichen, dass die Listigen die
Geizigen besiegen. Sie kämpfen wegen des Unvermögens Ehebruch mit tatsächlichen Zeugen
66
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 244-245.
18
zu beweisen. Diese Annahme illustriert der Verfasser mit dem Leben Davids und einem
lateinischen Text des Heiligen Augustinus, der beinhaltet, dass der Ehebrecher arm wird, einen
sehr schlimmen Tod stirbt, zu Schande gemacht wird oder an ihm eins seiner Glieder
verwundet.
Weiterhin soll der Angeklagte einmal die Möglichkeit haben, sich zu verteidigen. Diese
Verteidigung des Angeklagten sollen die Herren nicht ohne weiteres glauben, denn indem der
Verteidiger spürt, er kann sich besser als der Anklager äußern, dann wird er immer stärker. Die
Richter sollen sich nicht von dem Weg der Gerechtigkeit führen lassen, weder wegen schöner
Wörter noch wegen Geld noch wegen mangelhaftes Beweismaterials, wodurch es besser ist,
dem Autor zufolge, den Angeklagte frei ausgehen zu lassen als ihn festzusetzen. Andererseits
rät der Verfasser dem Angeklagten, den Herrn oder Richter Ehre zu beweisen, was meiner
Meinung nach auch eine Art von heuchlerischem Schmeicheln sein kann.
Neben der verführenden Wirkung von Geld und Wörtern warnt der Verfasser vor der Angst für
wegziehende Untertanen: von ihnen muss der Richter sich ebenfalls nicht führen lassen.
Insbesondere der Fürst soll keine Angst vor Verbrechern und ihren Verwandten haben; er soll
alle aburteilen, sonst werden sie das Ansehen des Volkes verlieren und eskaliert die Situation.
Der Verfasser schreibt, dass solche Situationen in anderen Ländern schon zu erfahren sind.
In den Ratschlägen ist zu lesen, dass die Belehrungen sowohl im richterlichen als auch im
geistlichen Spektrum zu finden sind.
Wer aber der Mann sein könnte, der damit begabt ist, seine Meinung ausführlich und deutlich
argumentiert auseinander zu setzen, ist nicht hundertprozentig bekannt. Foerste67 und Cordes68
sehen im Stil des Werkes den Lübecker Autor des Narrenschyps Sebastian Brant. Daneben sind
sowohl Das Narrenschyp als auch RH sind beim Lübecker Drucker Hans von Ghetelen
gedruckt worden. Darum scheint es mir wahrscheinlich, dass Brant in der Tat der Autor von
RH ist.
3.5
SCHLUSSFOLGERUNG
Eine Charakterskizze des RH-Autors ist es, dass er sich mit seinem Vorgänger (von Van den
vos Reynaerde) identifizieren kann; die Reynaert-Geschichte spricht ihn an, er nimmt sie ja als
Ausgangspunkt.
Daneben ist er ein (geistlicher) litteratus. Beschriebene Tatsachen in RH sind in Der naturen
bloeme69, ein Werk für den gebildeten Menschen, zurückzufinden.70 Aus seiner Geschichte
67
W. Foerste (1960)
G. Cordes (1939)
69
J. v. Maerlant (1266)
70
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 354.
68
19
stellt sich heraus, dass er über ausführliche Kenntnisse der französischen Sprache verfügt,
Kenntnisse von anderen Reynaert- und Tiergeschichten, von Recht und Politik.
Weiter „erfordern“ die Toponyme einen flämischen Verfasser, weil die Dörfer manchmal so
klein sind, dass ein durchschnittlicher Nordniederländer sie nicht kennen würde.
Zwei Akrostichen sind im Text zu lesen: Claes van Aken und DISMWDE. Erster wird als
Kopist betrachtet und Zweiter als Verfasser des Textes. Der Von Dismuudespross lässt die
Geschichte in seiner Umgebung, in der Nähe von Dismuude, abspielen.
Für die gedruckte Version von RH gilt, dass Hinreckt von Alckmaer sich als Autor präsentiert.
Sein Auftraggeber, David von Burgund, ist flämisch und darum mit den Toponymen bekannt.
Die Belehrungen und Ratschläge des Verfassers von RV lassen ihn im Kreis der höheren
Geistlichkeit finden. Er schreibt eine lange Abhandlung bezüglich des tugendhaften Lebens,
illustriert
mit
vielerlei,
manchmal
lateinischen,
Bibelpassagen.
Er
weiß,
welche
Seelenregungen die Laien so haben, wobei ich vermute, dass er diese Kenntnisse aus Beichten
vernommen hat (wobei der Beichtvater trosten und belehren soll und hier der Autor seinem
eigenen Rat nachfolgt). Sowieso hat er eine ausgesprochene Meinung über die Notwendigkeit
der Beichte, Bußübung und des Gebets. Der Autor scheint zu wissen, was bei den Laien
bezüglich ihres Glaubens „falsch“ ist; sie folgen anderen in ihren Sünden, sowohl Brüdern als
geistlichen Führern. Eine Randbemerkung: eine der Sünden der Geistlichkeit, das nicht
Befolgen des Zölibats, verniedlicht er, denn er schreibt, dass im Alten Testament und zu seiner
Zeit bei den Russen, Juden und Griechen das nicht-zölibatäre Leben keine Sünde war. Der
Verfasser hat also Kenntnisse von Bräuchen, wie er auch zu melden weiß, dass ein Pilger einen
Pilgerstab und den Segen des Priesters auf der Reise mitbekam.
Außerdem stellt sich in einer seiner Belehrungen heraus, dass der Richter ein Geistlicher ist:
Dat veerde is andrepende der gheystlicheyt, de myt deme rechte ummeghan, de he nomet
Symon unde her Lozevunt unde Johannes Partie et cetera71. Die Kombination der predigenden
Moralvorstellungen in sowohl deutschen als lateinischen Texten, Ratschläge für die
richterlichen Prozesse und Kenntnisse der (ehemaligen) juristischen Prozeduren plädiert für die
oben stehende Aussage, dass der Verfasser Geistlicher und Richter zugleich sei. Er ist ein
begabter Autor, denn aus vielen Quellen argumentiert er seine Meinung und stellt diese aus
verschiedenen Gesichtspunkten zusammen.
71
Letzte Belehrung des zweiten Buches.
20
4.
PUBLIKUM & MÄZENATENTUM
Mijn gedicht wair gebleven stil en hads mij niet en gebeden.72
Diese Studie beantwortet die Frage, ob und wie sich der Autor RV’s von dem des RH’s
unterscheidet. Um mögliche Antworten oder Hinweise auf diese Frage finden zu können,
bieten sich die textimmanenten Elemente der beiden Werke an. In dieser Arbeit werden dazu
die Prologe (des Verfassers)73, letzten moralischen Lehrungen (idem) und Epiloge (idem)
analysiert. Ein anderer, textimmanenter Teil sind die Vorworte (des Herausgebers Gheraert
Leeu). Die werden separat im fünften Kapitel behandelt.
Gerade in seinem Prolog legt der Autor seine Gründe für sein Werk dar, sowie sein
beabsichtigtes Ziel mit dazugehörigen Gründen. In seinem Epilog und seiner letzten
Moralvorstellung74 wiederholt und resümiert er seine Ziele. In seinem Vorwort spornt der
Herausgeber mit einer kurzen Darstellung der Erzählung, Figuren, Belehrungen und Freude am
Lesen, den potentiellen Kaufer oder den Leser auf, das Buch zu kaufen beziehungsweise zu
lesen.
Mit dieser Analyse der textimmanenten Ausschnitte kann auch das Zielpublikum RV’s und
RH’s ermittelt werden; die Ziele und sonstigen Äusserungen sind auf ein bestimmtes,
intendiertes Publikum konzentriert.
Neben diesen textimmanenten Fragmenten, worin der Herausgeber seinem (potentiellen)
Publikum anredet, wird ebenfalls Leeus Verlagsprogramm und dazugehöriger Rezipientenkreis
herausgegriffen, denn es scheint mir wahrscheinlich, dass der Herausgeber sich auf einen
bestimmten Kreis konzentriert, oder wenigstens nicht aufs Geratewohl Bücher veröffentlicht.
Für welches Publikum der Autor in erster Instanz vor hat zu schreiben, lässt sich nur schwierig
erraten. Häufig lässt der niederdeutsche Bearbeiter sich im Text sehen, weil er seinen Text mit
kleinen Zufügungen, Auslassungen und sonstigen Veränderungen erweitert und damit Aspekte
seiner Persönlichkeit verrät.75 Goossens stellt fest, und ich bin sehr mit ihm einverstanden, dass
der Autor mit Anpassungen seine Identität verrät, wie Foerste und Cordes der Meinung sind,
dass der Autor wegen seines Schreibstils derselbe als der des Narrenschyps ist.
Mit Anpassungen gibt der Autor Auskunft über seine Identität, allerdings auch über die
Identität seines Auftraggebers? Wer die Gönner oder Auftraggeber der höfischen Dichtung
sind, ist allein den Mitteilungen zu entnehmen, die die Dichter selbst darüber gemacht haben,
72
Vz. 28-29 (RH, Handschrift B)
Weiter wird in dieser Masterarbeit von „Vorwort” verwendet, wenn es das Vorwort des Herausgebers
anbetrifft und „Prolog”, wenn es das Vorwort des Autors anbetrifft.
74
Es gibt vor allem in RV mehrere belehrerischen Zusammenfassungen am Ende fast jedes Kapitels. Diese
werden nicht gesondert behandelt.
75
J. Goossens (1983), S. LVII & S. LIX.
73
21
Bumke76 nach. Ob diese Mitteilungen sich nur im Prolog befinden können, darüber lässt
Bumke sich nicht aus.
Ich bin der Meinung, dass man sowohl im Prolog und Vorwort, wo sich der Autor bzw
Herausgeber in sowohl RH als auch RV explizit über seinen Gönner auslässt, als auch im
Epilog, in den moralistischen Darstellungen und in der eigentlichen Erzählung nach Hinweisen
auf den Autor suchen und finden kann. Der Dichter braucht sich nämlich nicht unbedingt
explizit über seinen Gönner auszulassen, zumindest lässt Bumke sich darüber nicht aus.
Deshalb sehe ich nicht ein, warum ja nicht mittels impliziter Aussagen der Auftraggeber oder
das Publikum identifiziert werden können. Jedoch liegt nicht jedem Text ein Arbeitsauftrag
zugrunde77. Sicherlich soll in dem Fall, dass das Werk einem Herrscher gewidmet sei, dieses
nicht wörtlich genommen werden,
„dass sich darin ein unmittelbares Gönnerverhältnis bezeugt”, denn solche Widmungen
waren zu der Zeit Formen des Hofprotokolls.“78
Wie sich diese Wissenschaft zu RH und RV verhalten, soll sich in den folgenden Kapiteln
verdeutlichen.
4.1
PUBLIKUM AUS DEN PROLOGEN
Die beiden Bücher werden von dem Verfasser mit einem oder zwei Vorrede(-n) eingeführt. In
RH79 wird neben der Vorrede in der eigentlichen Erzählung die Vorgeschichte des Herstellers
näher erläutert, obwohl es hier sehr unwahrscheinlich ist, dass die beschriebene Vorgeschichte
in der Tat die des Verfassers RH’s ist, weil die Übersetzer sie fast buchstäblich aus Van den vos
Reynaerde übernommen hat.
Dennoch identifiziert der Autor sich offensichtlich mit dem Prolog, denn er übernimmt ihn statt
ihn weg zu lassen. Es ist darum wichtig auch dieser Prolog zu untersuchen, weil der Autor sich
wahrscheinlich mit diesen Aussagen einverstanden weiß.
In Bezug auf den Autor ist im 3. Kapitel ausführlicher geschrieben worden. In diesem Kapitel
handelt es sich darum, einen Versuch zu machen, das Publikum aus den beiden Prologen zu
destillieren.
Willam die madock maecte
Dair hi dicke om waecte
Hem iamerde zeer haerde
Dat die geeste van reynaerde
Niet te recht en is gescreven
76
J. Bumke (1979), S. 13.
J. Bumke (1979), S. 10.
78
J. Bumke (1979), S. 65.
79
Goossens hat diese Textstelle aus Handschrift B übernommen.
77
22
Een deel is dair after gebleven
Daer om dede hy die vite zoeken
Ende heeftse utten walschen boeken
In duutsche aldus begonnen
God wil ons sijn hulpe gönnen
Nu keer my dair toe mynen synne
Dat ic bidde in dit begynne
Beide den dorpers ende den doren
Off sy comen dair zijt horen
Dese rijm ende dese woort
Off sy hem duncke niet goet gehoort
Dat sy die ongelastert laten
Mer so wie die doget haten
Die maken mitter logen malsch
Ende oordelen menige rijm valsch
Dair sy niet meer of en weten
Dan sy doen hoe sy alle heten
Die nu woenen bynnen pavijen
Deden sy wel si soudens vertijen
Ende laten begaen elcken man
Mit sulken kunsten als hi can
Dit en seg ic niet om mynen wil
Mijn gedicht wair gebleve stil
En hads my niet gebeden
Die in groter hevscheden
Gerne keert al hair zaken
Si bad my dat ic woude maken
Die aventuer van reynaerde
Al berisp ic die musaerde
Ende die dorpers ende die doren
Ic wil wel dat die geen diet horen
Die gerne plegen der eren
Ende haren syn dair toe keren
Dat sy leven in hevscheiden
Nu hoort ic sel u voort besceiden
Den syn des woorts na dit prologe
Mer ic bid u so wat ic toge
Hoort die woorden ende merct den syn
23
Onthout dair leit veel wijsheit in.
Der Dichter berichtet zuerst zwei Ziele, die er mit seinem Werk beabsichtigt. Erstens schreibt
er, dass er gerne eine dietse Version von Reynaert verfassen will. Dieses Vorhaben ist
verwirklicht, wenn er die letzten Buchstaben aufs Papier schreibt.
Zweitens ist es sein Ziel, dass adlige Menschen sich diese Erzählung anhören und den rechten
Sinn davon verstehen. Es ist ein Tierepos; die Tiere können sprechen und benehmen sich
während der Geschichte wie Menschen. Jedoch soll man richtig verstehen, dass die Tiere keine
Menschen sind, man trotzdem aber eine Lehre aus der Erzählung ziehen kann: Toren brauchen
am besten nicht zuzuhören, weil sie diesen Unterschied nicht machen können und das
Geschehen nicht als Wahrheit annehmen. Die Toren sind ein unerwünschtes Publikum; den
dorpers ende den doren, die vielleicht zuhören und dese rijm ende dese woort nicht richtig
interpretieren können. Wie vorsichtig der Herausgeber seinem Publikum meldet, dass sie die
Erzählung verstehen werden, wenn sie gut lesen, so „rücksichtlos“ meldet der Verfasser hier,
dass er keine Dummheit dulden kann. Die Zuhörer, die sein Gedicht nicht richtig interpretieren
können, sollen sich nicht in seine Erzählung einmischen.
Wahrscheinlich weiß der Dichter sich, zur Zeit der oralen Tradition, schon von einer
Hörerschaft versichert, so dass er selbst sein Publikum selektieren kann, während der Autor
von der Vorrede sein Buch zu verkaufen versucht und eventuelle Käufer nicht abschrecken
möchtet. Dann müsste der Verfasser nicht über die Widersprüchlichkeit indessen nachgedacht,
sondern schlichtweg übernommen haben, wie ebenso merkwürdig über die dorpers und doren
die horen, geschrieben wird, obwohl dieses Werk in Buchform veröffentlicht wird, eine
Gewohnheit, die in der Buchtradition noch bestanden hat.
Nach diesen voreiligen Verwarnungen der Dorfbewohner, vielleicht wegen früherer
Erfahrungen mit ungefälligen Publiken, meldet er, dass er sein Werk trotzdem für ehrenvolle,
höfische Zuhörer erzählen will. Der Dichter hat also den adligen Stand als Rezipientenkreis
intendiert.
4.1.1
KEIN PROLOG IN RV
Die erste große, wichtige Wahrnehmung liegt gleichzeitig sehr auf der Hand; der Prolog ist in
RV nicht übernommen worden. Wie sehr der RH-Autor sich mit diesem Prolog identifiziert, so
stark ist in RV mit ihm abgerechnet worden. Gründe dafür können nur vermutet werden.
Möglicherweise will er sein Publikum nicht verunsichern, beängstigen oder wegjagen.
Eine andere Möglichkeit ist es, dass die Art von Publikum, Zuhörer statt Leser, nicht zu der
Zeit passt, worin das Buch verfasst worden ist. Auf jeden Fall ist aus diesem Prolog zu
schließen, dass der Autor hier für einen höfischen, oder zumindest gebildeten Rezipientenkreis
schreibt.
24
4.1.2
MÄZENATENTUM
Zu diesem adligen Stand gehört auch seine Auftraggeberin, ohne welche er seine Geschichte
nie vervollständigt hat. Ist die erwähnte Frau aus dem Prolog wirklich die Auftraggeberin von
RH? In Van den vos Reynaerde nämlich, ist auch die Rede von einer Mäzenin. Sie wird zwar
nicht mit Namen erwähnt, obwohl sie trotzdem eine Stelle im Prolog innehat, was schon
bemerkenswert ist, denn die wichtigsten Mäzene, die manchmal in ihren Geschichten genannt
und gelobt werden, sind Männer. Van Oostrom hat folgende Annahme 80: Wenn es stimmt, dass
Willem eine Spiegelgeschichte geschrieben hatte und er Margaretha von Dampierres mit
seinem Werk beisteht, dann kann es sehr wohl sein, dass er ihr hilft und sie lobt, weil sie halt
die Auftraggeberin ist. Bouwman und Besamusca81 schlagen vor, dass die Beauftragung einer
Frau nur Spott mit der regulieren Verfahrensweise eines Autors ist.
Nun eine zwingende Schlussfolgerung über die Gönnerschaft RH’s und RV’s zu schreiben fällt
„in den Bereich des Ungesichterten“82. Bumke bemerkt kritisch auf, dass Schlüsse aus der
Fiktion auf die Wirklichkeit sehr bedenklich sind:
„Wer sich mit den Mäzenen und Auftraggebern der höfischen Literatur beschäftigt, sieht
sich in der misslichen Lage, dass er zwar die fundamentale Bedeutung der
Gönnerbeziehungen erkennen kann, aber nur in relativ weniger Fällen genügend
Anhaltspunkte besitzt, um diese Beziehungen historisch konkret zu interpretieren.”83
Die Frage, wer diese Frau sein könnte, bleibt aber unbeantwortet. Die Antwort auf die Frage,
wer diese Frau sein könnte, bleibt, wie Bumke prophezeit hat, vage.
4.2
DIE LETZTE BELEHRUNG
In dieser Analyse über die letzte Belehrung wird von RH84 ausgegangen. Wo RV vom
Erstgenannten abweicht, wird davon eine Meldung gemacht. Daneben muss gemeldet werden,
dass die „Nota” mit dazugehörigem schließenden Gedicht nach dem Epilog, nicht aus der
Ausgabe Goossens’, sondern aus der von Wackers stammt.85 Nur hier wird vom Werk
Goossens’ abgewichen, weil es onmöglich ist, ohne das Gedicht alle möglichen Personen, die
eine wichtige und sichtbare Rolle bei der Veröffentlichung RH’s gespielt haben, zu analysieren
und einen Platz geben zu können.
80
F. v. Oostrom (1981), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999)
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002), S. 209.
82
J. Bumke (1979), S. 28, 29.
83
J. Bumke (1979), S.21.
84
Goossens hat diese Textstelle vor allem aus Handschrift C übernommen und mit Handschrift B ergänzt.
85
Der Handschrift B ist diese „Notiz” später vom Kopist beigefügt.
81
25
Vz. 7649 - 7718
Vz. 6754 - 6777
Aldus hi vanden conync sciet
Alzus scheydede reynke van dare
Mit scoenre tael myt reynre gonst
Myt schonen worden unde groter gunst
Die noch al kunnen reynerts const
Ja de sus noch kan reynkens kunst
Sijn wel geloeft ende liefgetal
Syn wol ghehoret unde leff ghetal
Biden heren over al
By den heren over al
Ist gheestelic of weerlic staet
Isset gheystlyk efte wertlyk stad
An reynert sluut nu alden raet
An reynken slut nu meyst de rad
Hi heeft gelaten een groet geslacht
Reynkens slechte is grod by macht
Die altoes wassen ende risen in macht
Unde wasset alle tyd. ya dach unde nacht
Wie reyers consten nyet en pliet
De reynkens kunst nicht heft ghelerd
Die en doech nu ter werlt niet
De is tor werlde. nicht vele werd
In ghenen staet van machten gheset
Mer kan hi crupen in sijn net
Soe weet hi wel watter toe hoert
Syn word wert nicht draden ghehord
Soe rijst hi ende men trect hem voert
Men myt reynkens kunst. Kumpt mannich
Van reynert is een groet saet
vord
Ghebleven dat nu zeer op gaet
Dar synt vele reynken nu. in der warde
Want men vijnt nu meer reynairde
Al en hebben si gheen rode baerde
Dan men ye dede te voeren
Wol hebben se nicht al rode barde
Gherechticheit blijft dic verloren
Trou ende wairheit sijn verdreven
Ende daer voir is ons ghebleven
Ghiericheit loesheit ende nijt
Dese hebbent al in huer berijt
Si ende hair conynghinne hoeveerde
Regneren nu seer opter eerde
Ist yns paus of yns keysers hoff
Elc pijnt den anderen te steken of
Isset in des pawes. efte keysers hoff
Van sijnre eren ende van sijnre stemmen
Se makent eyn deel nu. yo to groff
Ende self ynt vordel te clemmen
Mit symonien of myt ghewelt
Men kent te hove niet dan gelt
Symon. unde gheverd holden dat velt
Tghelt is dair meer ghemynt dan got
Men kent to hove nicht beth dan ghelt
Ende men doet meer doer sijn gebot
Dat ghelt vlüth alder wegen boven
Want wie gelt brengt is wel ontfaen
De gelt heft. de krycht ok wol eyne pröven
Ende sijn begheren sel voertgaen
26
Oncuuscheit loegen ende leckernye
Is nu al spul onder die clergie
Ist parijs avyoen of romen
Tis al in reyers oerde gecomen
Si treden al in reyers pat
Ist clerc ist leec elc zuect sijn gat
De reynkens lyst nu bruken kan
Elc mensch mach daer wel om sorgen
De wert ok draden eyn upper man
God diet al is onverborgen
Moetet op dat best vuegen
Hier me laet ic my genuegen
Wat woudic veel die werlt berechten
Hir van wert nu nicht meer ghesecht
Van saken die my self anvechten
Dair ic ondanc toe of crege
Soe wart beter dat ic zwege
Dair om wil ic laeten gliden
Elc doe wel in sinen tyden
Dat is best zijns zelfs profijt
Want nae dit leven en ist gheen tijt
Datmen orber scaffen mach
Elc moet zijns selfs dach
Ende sijn zelfs woerde dragen
Der Verfasser beschließt sein Werk mit einer letzten moralischen Lehre. Er macht den
Vergleich zwischen Reynaert und seinem Publikum, oder breiter: den Bürgern seines Landes.
Unter diesen Menschen befinden sich Reynerts, sowohl im geistlichen als im weltlichen Stand
(was er nochmal betont, damit er wiederholt ist yns paus of yns keysers hoff), die mit ihrem
„Rat” von den Herren (Machthabern) geloeft (geglaubt oder stärker: gelobt) werden.
Die Leser sind wahrscheinlich wichtige, weil gebildete (sie verstehen Seneca und kennen
Latein) Höflinge und nicht zunächst die Geistlichen. Folglich, die Leser haben eine Geschichte
gelesen, in der die Geistlichkeit scharf kritisiert wird. Straffe Kritik, in sowohl der eigentlichen
Erzählung als in den Belehrungen, handelen vor allem über die Geistlichkeit. Es handelt
freilich nicht nur über die Geistlichen, sondern auch über den weltlichen Stand.
27
Weiter betont der Verfasser, dass man ohne reyers consten86 keine Achtung erwerben kann.
Die Reynaerts sind heutzutage viele und nicht leicht an ihren Aussehen zu erkennen, (al en
hebben si gheen rode baerde), sondern an ihren Taten: Gerechtigkeit, Treue, Wahrheit sind
vertrieben, stattdessen herrschen Geizigkeit, Schlauheit und Neid neben der „Königin” Hoffart
auf der Welt, also vier der sieben Hauptsünden. Die Aufzählung der Hauptsünden wird in RV
nicht übernommen; der Leser RV’s soll aus der eigentlichen Erzählung die genauen Künste
Reynaerts herausziehen. Die Höflinge streben ihrem Eigeninteresse nach, damit sie die Ehre
des Andern antasten und Machthaber mit Geld bestechen. Noch ein paar Hauptsünden kommen
unter den Klerikern vor (wo sie sich auch immer befinden: in Paris, Avignon, Rom87 oder
hierarchisch: bei den Klerikern oder Laien): Unkeuschheit, Lügen und Fressgier. Wie für den
weltlichen Stand gilt, dass sie Geld mehr als Gott ehren, so gilt das auch für diesen Stand.
In RV wird viel weniger die Geistlichkeit betont; es wird hier im Allgemeinen geschrieben,
dass die Künste Reynaerts sowohl im Hof des Papstes und des Kaisers vorkommen und nicht
spezifisch in welchen Schichten der katholischen Kirche der Eigenbelang vor alles kommt. Der
Autor warnt hier, dass Gott alles sieht und man im Jenseits über die eigenen Taten
Rechenschaft geben muss.
Es scheint dann, als ob der Verfasser sich nun realisiert, dass das auch für ihn selbst gilt, so
dass er keinen Mensch mehr kritisieren will. Er gibt sogar zu, dass auch er an Sünden schuldig
ist (wat woudic veel die werlt berechten van saken die my self anvechten), wie er Rukenau in
ihrer Rede dem König belehren lässt:
Vz. 4778-4805
Inder ewangelien less:
Estote misericordes;
Weest ontfermich noch staet dair meer
Nolite iudicare
Et non iudicabimini
Oordelt nyement so en sel dy selve oordel liden geen
Dair staet oec hoe die pharizeeen
In overspel vengen een wijff
Sy wildense stenen en nemen tlijff
Onse heer vraechde wat sy rieden
Hy sprac so wie van sonden reen
86
Bumke (1979, S. 24) zufolge, ist ist damit zu rechnen, dass Textteile später hinzugefügt worden sind. Das
würde in Bezug auf RH erklären, warum der Fuchs im letzten Moral und Epilog “Reynert/ Reyer” statt
“Reynaert” heißt.
87
In Wackers’ Ausgabe werden nicht Paris, Avignon und Rom, sondern der Papst únd der Kaiser von Rom
erwähnt. Der Autor aus Goossens’ Ausgabe ergreift er mehr Partei für den weltlichen Stand als der Autor von
Wackers’ Edition das tut, weil er den Kaiser in seiner Ausgabe nicht erwähnt.
28
Die warp op hair den eersten steen.
Doe vlogen si alle ende lietsense dair
Want sy en waren niet van sonden claer
Licht mochtet hier sijn also
Sulc ziet in eens anders oge een stro
Die selve in sijn oge een balc heeft
Tis mennich die over een ander heeft
Een ordel ende hi is selve die quaetste
Al valt een dicke ende hi int laetste
Opstaet ende te genade coemt
Dair om en is hi niet verdoemt
God ontfaetse die sijns begeren
Ende nyement den anderen condempneren
Al wist hi wat van sijn gebreke
Hi en dede eerst off sijns selfs bleke
Hier setzt der Verfasser mit vier Beispielen auseinander, dass man über die Taten seines
Nächsten nicht urteilen soll, denn indem man urteilt, wird man im Jenseits selbst mit
demselben Maß von Gott geurteilt, womit man selbst geurteilt hat. Hieraus geht hervor, dass
man folglich über niemanden urteilen darf, denn man ist selbst nicht ohne Sünden; im Jenseits
würde man, indem man trotz des eigenen „Balkens“ den Splitter im fremden Auge sieht, selbst
schwer verurteilt werden. Der Autor also, erinnert sich an die Rede Rukenaus oder er bemerkt,
dass er zumindest selber Teil der Welt ist, die er kritisiert.
Er beschließt diese Belehrung mit einem Rat: tue gut, dass wäre das Beste, denn man muss
selbst das Urteil Gottes über seine Taten und Wörter tragen. In RV bleibt unerklärt, wieso der
Autor plötzlich mit seiner Lehre zu schreiben aufhört. Ihm genügt: Hir van wert nu nicht meer
ghesecht, der Grund dazu bleibt unaufgeklärt, vielleicht, weil der Autor sich nicht in dieser Art
von Schuldbekenntnis erkennt.
DER EPILOOG88
4.3
Vz. 7757- 7791
Vz. 6829-6844
Wie u van reynert meer of mynder
Sus is nu reynke hoch ghe eret
Anders seit dan ghi hijr hebt gehoert
So hir myt korte is gheleret
Dat sijn al beveynsde woert
Mer dat ghi hebt gelesen hijr boven
88
(Exklusiv des letzten Prosakommentars in RV)
Goossens hat diese Textstelle aus Handschrift C übernommen.
29
Van hem dat moechdi wel geloven
Dies nyet en gelovet ist wijf ist man
Die en is nyet onghelovich nochtan
Doch sijn veel luy hadden sijt ghesien
Hem soude myn twivelen van dien
Doch sijn veel dingen ghesciet
Diemen ghelovede al en sachmense niet
Oec sijn figuren ende bispeel
Eyn yslys schal syk tor weyszheyt keren
Die gevonden ende gheseit veel
Dat quade to myden. Unde de dögede leren
Die nye en waren of nie en gescieden
Dar umme is dyt boek ghedycht
Mer om exempel allen lieden
Dyt is de syn. unde anders nicht
Te gheven daer si bi souden leren
Fabelen unde sodaner bysproke mere
Goet te doen ende quade ontberen
Werden ghesath. to unser lere
Licht soe macht hijr off wesen
Uppe dat wy undöget scholen myden
Soe wie dit wel verstaet ynt lesen
Unde leren wyszheyt to allen tyden
Al ist som boert hi vijnter in
Dyt boek is seer gud to deme koep
Vroede leer ende goeden sin
Hir steyt vast in der werlde loep
Dat hem licht sel baten moegen
wultu wetten der werlde stad
Dair en is nyemant goeders in belogen
So koep dyt boek. dat is rad.
Ist ynt ghemeen gebrocht voert
Elc trec hem an dat hen toehoert
Isser oec yet in misseit
Diet betern can die maket bet
Ic weets hem danc wie in sijn maken
Sijn beste doet en is nyet te laken
Mer wie aldinc wil berechten
Wie soude hem yet te wille dichten
Doch wie dit dicht laet als hijt vijnt
En misdoet tegen my niet en twynt
Hier neemt eynde reynerts historie
Alsus endyget syk reynkens ystorien
God gheve ons sijn hemelsche glorie
God helpe uns in syne ewygen glorien
Nu int gemeyn
vijnt men certeyn
---
Die Renaerts ze
nu volgen me
Al sonder saeck.
Ic geef die wraeck –
Hoe datter ga -
die alle pijn
Sel rechten dra
by synen ra.
30
Dees Reynaert nu dien sijn niet ru
Als Reynaert is,
Het sijn, al re,
Als ic versta,
mer zijt des wis,
wi menschen, le,
die uutten pa
Gedwaelt sijn snel. God brengse wel,
Tsy cort off lanc,
in themels sanc.
Elc merck en zueck in synen syn.
Dubbelt vijnt men sijn naem dair in,
Diet boec screef, int voorgedicht.
Suecten wel, ghi vijntten licht.89
Der Autor, nur in RH, macht den Leser darauf aufmerksam, dass er die richtige, wahrhafte
Erzählung Reynaerts gelesen hat. Mit
wie u van reynert meer of mynder
Anders seit dan ghi hijr hebt gehoert
Dat sijn al beveynsde woert
zielt er auf Van den vos Reynaerde und die französischen Episoden.90 Trotzdem kann er nicht
sagen, traut er sich nicht zu sagen, dass der Leser oder die Leserin ungläubig ist, wenn er diese
Geschichte nicht glauben würde. Es würde ihm (oder ihr) allerdings helfen, wenn er die
Abenteuer selbst gesehen hätte, obwohl viele Dinge geschehen und viele Geschichten erzählt
werden, die man auch glaubt, ohne sie selbst gesehen zu haben. Beispielsweise werden fiktive
Vorfälle beschrieben, die nur als Exempel und Lehre („tue nur gut“) dem Leser erzählt werden.
Wenn man richtig liest, obwohl die Geschichte oft witzig ist, dann lernt man viele guten
Lehren, die dem Leser helfen werden.
Dazu macht er eine Randbemerkung. Die Geschichte zielt nicht auf spezifische, realistische
Ereignisse, sondern ist „im Allgemeinen“ erzählt worden. Macht er diese Bemerkung, weil er
spürt, dass seine Rezipienten sich persönlich attackiert fühlen und er sie als Freunde bewahren
möchte? In RV wird der Unglaube der Leser über die Geschichte vermieden. In RH wird mit
diesen Aussagen im Prolog referiert, der in RV fehlt.
Außerdem ist der Aufbau des Epilogs zu betrachten. Zunächst betont der Autor, dass der Leser
hier die wahre Reynaertgeschichte in Händen hat. Danach benennt er, dass es auch unwahre
Reynaertgeschichten gibt, wie es auch unwahre Geschichten im Allgemeinen gibt, die trotzdem
sehr lehrhaft sein können. In RH ist der Aufbau, der zu „lehrhafter Geschichte“ führt, anders.
89
90
R. Schluseman & P. Wackers (2005)
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 404.
31
Der Autor beendet die eigentliche Geschichte Reynaerts. Nach diesem Ablauf schreibt er über
das Phänomen „lehrhafte Geschichte“, in die die Reynaertgeschichte sich als Fabel mit ihren
lehrhaften Beispielen einstufen lässt. Das Werk geht mit der Empfehlung aus, dass Buch zu
kaufen. Am Ende seines Epilogs ist zu lesen: elc trec hem an dat hen toehoert. Ist das wie in
einem Buch gemeint, im Sinne von „diese Erzählung ist rein fiktiv, der sich selbst erkennt, soll
nicht meinen, dass die Geschichte auf ihn basiert sei”, oder soll dieser Satz folgendermaßen
aufgefasst werden: „untersuche, welche Lehrungen für dich wertvoll sind, was für dich
anwendbar ist.“
Diese Weisheiten sind vor allem für ein höfisches Publikum geschrieben; man soll Freunde
beim Herrn haben und der Herr soll sich tugenthaft benehmen. Die mitspielenden Personen mit
einer Semi-Hauptrolle sind die Höflinge (Königspaar, Ratgeber und andere höheren Höflinge).
Diese Höflinge können sich dadurch sehr wohl in die Geschichte einfühlen, damit sie sich mit
den Figuren identifizieren können. So scheint mir dann, dass die Geschichte mit ihren
Belehrungen in der Tat für gebildete Höflinge verfasst worden ist.
Eine andere Bemerkung zum RV-Epilog: dyt boek is seer gud to deme koep […] so koep dyt
boek. dat is rad. Offensichtlich liest der potentielle Kaufer erstmal die letzte Seite des Buches,
bevor er sich für den Kauf entscheidet. Wahrscheinlich liest der potentielle, niederländische
Kaufer die letzte Seite nicht mit diesem Gedanken, weil der Leser in RH dazu aufgefordert
wird, die Geschichte, wenn nötig, zu verbessern.91 Dafür soll er selbstverständlich die
Geschichte schon ganz zu Ende gelesen haben müssen.
Diese Aufforderung, das Gedicht, wenn möglich, zu verbessern, enthält, wie in Van den vos
Reynaerde („bi Willeme“), der Akrostichon: „Dismwde”.
In der letzten Notiz wird im kleinen Gedicht auf das Namenrätsel hingewiesen. In zwei
Akrostichen wird auf Claes van Aken hingedeutet.
4.4
GHERAERT LEEU
Über das Mäzenatentum, das sich im Vorwort und Prolog vermuten lässt, kommt es zum
Herausgeber RH’s namens Gheraert Leeu.
4.4.1
EINTEILUNG SEINER AUSGABEN
In seiner Goudschen Zeit (1477-1484) war die Zahl der Auflagen 69. In Antwerpen (14841492) hatten die Ausgaben sich mehr als verdoppelt: 162 Editionen.
Die ersten zwanzig Ausgaben waren in der niederländischen Sprache verfasst (mit Ausnahme
von einer lateinischen). Insgesamt war die Verteilung der Sprachen seiner Edition
91
Die Leser dürfen die Geschichte ändern, wenn sie sie als unvollständig erachten, obwohl der Verfasser
unmittelbar davor noch behauptet hat, dass gerade diese Geschichte vollkommen wahrhaft ist und im Prolog
sein Publikum “gewarnt” hat, keine Kritik zu äußern.
32
folgendermaßen: 56.1% Lateinisch, 39.5 % Niederländisch, 2.2 % Englisch, 2.2 %
Französisch.92
Seine Druckwerke sind insgesamt einzuteilen in „moralisierende“ (24% in Gouda bzw 11% in
Antwerpen), „narrative“ (23% bzw 29%) und „religiöse Werke“ (62% bzw 47%). Weitaus
mehr als die Hälfte seiner niederländischen Werke ist irgendwie als religiös zu bezeichnen.
LESERPUBLIKUM93
4.4.2
Aus der Analysen Goudriaans ist zu schließen, dass Leeu vor allem lateinische Texte gedruckt
hat (56.1%), wonach daraus geschlossen werden kann, dass seine Käufer(-innen) hauptsächlich
Litterati und Schüler (oder Unterrichtsinstanzen) sind.
Das Leserpublikum stellt Goudriaan selbst mithilfe der Provenanzdaten94 fest, ansonsten hat
Goudriaan keine weiteren Untersuchungen nach den Besitzern der Werke Leeus gemacht. Es
stellt sich heraus, dass sowohl Laien als Geistliche in Leeus Verlagsprogramm interessiert sind.
Beispiele dazu sind: de Epistelen ende ewangelien vanden gheheelen iaere (Leeus erster
Druck) war im 15. Jahrhundert im Besitz eines vornehmen Bürgers und Magistrates namens
Anssem Salm, ein anderer bekannter Kaufer ist Claes van Dorssen, weder vornehm noch
geistlich, während Leeus erster lateinischer Text Eigentum des Vikars der delfter Oude Kerk
war und auch die Diözese Utrecht sich regelmäßig Herausgaben Leeus anschaften, zum
Beispiel lateinische Breviere, wie das Breviarium Traiectense.
Lateinische Texte also (30 aus 69 in der goudschen Zeit) waren für die Litterati oder für
Schüler, also für die Geistlichen und gebildete Laien interessant, obwohl mutatis mutandis mit
Werken in der niederländischen Sprache nicht zwingend ein Laienpublikum beabsichtigt wird.
Mit den Werken Passionael, Epistelen ende Ewangelien vanden gheheelen jaere und
Ewangelien ist zum Beispiel nicht nur ein gebildetes, geistliches Publikum beabsichtigt
worden, sondern auch die Nonnen, die die lateinische Sprache nicht beherrschten, die
beispielsweise Dat spieghel des kersten gheloefs besaßen: dit spieghel des korsten ghelove
hoert toe die susteren des besloeten convents van sunter Nyclaes binnen Utrecht, und auch: Die
vier uterste, in Antwerpen an der edlen my Vrou van Bloys, Äbtissin des Sankt Clarenklosters
in Löwen. Neben den Nonnen sind hier auch die Laien gemeint, die sich sehr für den Tod
interessierten und viel Geld dafür einsetzten, ihr Seelenheil sicher zu stellen.
Sowieso druckte Leeu interessante Texte sowohl in der niederländischen als auch in der
lateinischen Sprache. Wegen der Moderne Devotie95 und der Zunahme der Schulen und
92
K. Goudriaan (1992)
K. Goudriaan (1993)
94
D.h. Notizen von früheren Besitzern.
95
Eine Bewegung von spiritueller Vertiefung und Selbstbesinnung unter sowohl Geistlichen als Laien, die am
Ende des 14. Jahrhunderts im gelderschen IJssel unter Geert Groote entstand.
93
33
Stundenten an Universitäten im 15. Jahrhundert lernten immer mehr Menschen lesen und
schreiben.
Leeu veröffentlichte alle Texte als (buchstäblich oder bildlich) wahrhaft und zuverlässig. Das
gilt auch für die fabelhaften Erzählungen wie de Twijspraec, denn zur mittelälterlichen Zeit
hatten die Menschen sich daran gewöhnt in allerlei phantastischen und alltäglichen
Geschichten eine sittliche oder religiöse Botschaft zu lesen.96 Het scaecspel (1479) zum
Bespiel, handelt von den Regeln des Spieles, die metaphorisch auf das gesellschaftliche
Benehmen von Ständen und Gruppen hinweisen, wozu der Autor, ein dominikaner Mönch, die
herrschende Moral anführt: Gott weist jedem seinen Platz. Het scaecspel ist also für Leser aus
allen Ständen interessant gewesen; in dieser Erzählung sind Lesevergnügen und moralische
Darstellungen miteinander verknüpft und ist deswegen leicht zu lesen. Auf diese Weise könnte
auch der Reynaert gelesen sein; die Geschichte ist unterhaltsam, interessant und verkündigt
gleichzeitig die Belehrungen des Verfassers.
Dazu ist noch eine Anmerkung von Wackers zu geben, dass Rezipienten ebenfalls damit
vertraut sind, Anspielungen auf andere Tiergeschichten in Fabeln zu lesen und mit zu
interpretieren in der behandelten Erzählung.97 Das Publikum wird die Vorfälle aus le Roman de
Renart, dem Esopet, der Naturen Bloeme und dergleichen erkennen und mitinterpretieren in
RH beziehungsweise RV.
Falls der Leser sich nicht richtig mit der Geschichte auskennt, dann hilft Leeu ihm, die
moralischen Darstellungen richtig zu verstehen, indem er ihm eine Leseinstruktion bietet. Der
Käufer hat sich noch nicht daran gewöhnt selbst zu lesen, so dass er ihm Anhaltspunkte in
seiner Vorrede bietet die Geschichte und damit die Belehrungen, richtig zu interpretieren und
die Geschichte, buchstäblich oder bildlich, als wahrhaft und zuverlässig aufzufassen. Leeu
verdeutlicht manchmal, dass die Erzählung, die der Rezipient vor sich hat, eine Verküpfung
von Lesevergnügen und moralischen Darstellungen enthält, weil sie angenehm zum Lesen ist.
4.5
SCHLUSSFOLGERUNG PUBLIKUM
Über die Diskussion, welches Publikum der Autor intendiert hat, ist kaum Konsens zu
erreichen. Sowieso ist der Originaltext verlorengegangen, stammen dessen Kopien aus anderen
Zeiten und haben deswegen ein anderes primäres Publikum.
Andererseits wird angenommen, dass die Rezipienten des Roman de Renarts im Kreis der
Aristokratie zu finden sind, wobei dann vermutet wird, dass die primären Leser dieses
französischen Werkes mit denen des niederländischen Van den vos Reynaerde übereinstimmen.
Diese Linie ist insofern weiter zu verfolgen, dass sich die Leser RH’s im selben Kreis als Van
den vos Reynaerde finden lassen, wenn die Argumente für die Annahme, Van den vos
96
97
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 414.
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 415.
34
Reynaerde habe dasselbe intendierte Publikum als der Roman de Renart, ernst genommen
werden: die weltlichen und geistlichen Machthaber werden in Van den vos Reynaerde
betrogen. Diese gesellschaftliche, satirische Seite würde für das Volk als Rezipientenkreis
sprechen, obwohl das Volk in der Geschichte ebenfalls keine Siegerrolle erfüllt.
Diese Rolle ist für die wohlhabende Bourgeoisie bestimmt. Sie könnte das intendierte
Publikum sein, weil sie in Bezug auf Kritik außer Schussweite bleibt. Reynaert98 selbst wird,
zusammen mit den anderen Hauptfiguren in RH, der Bourgeoisie zugerechnet. Dieser adlige
Leserkreis könnte sich deswegen mit der Hauptfigur identifizieren und soll sich „[antrecken]
dat hen toe hoert“.
Zweitens enthalten die Handschriften, in denen Van den vos Reynaerde überliefert worden ist,
andere Texte, die primär für den aristokratischen Leser geschrieben worden sind: nämlich der
naturen bloeme in der Dycksen Handschrift und in der Comburgsen: vanden coninc Saladijn
ende Hughe van Tabaryen und der Fürstenspiegel Heimelijkheid der Heimelijkheden.99
Drittens ist RH ein Hoftext, oder zumindest eine Parodie auf die Gattung „höfische
Literatur”.100 Die Struktur der Rittererzählungen101 wird übernommen. Der Anfang ist typisch
ritterepisch; es wird ein spezifischer Tag, ein christlicher Feiertag, wie oft bei Arthusromanen
der Fall ist, angeführt, der in eine unbestimmte Vergangenheit dargestellt wird. Dann folgt der
Auszug aus dem Hof und die glückliche Rückkehr der Helden, wie Cantecleer, Bruun, Tybert
und Grymbart mit ihren Tagungen erleben und Reynaert, wenn er zum Hof kommt.
Andere
Parodien
sind
die
Ritterkämpfe,
die
hier
unadlig
mithilfe
einiger
Gebrauchsgegenständen aus der Haushaltung und vom Land102 ausgeführt werden, eine
Geschichte, in der die Höflichkeit (die harmonische Gesellschaft) durch die Aussage „mate es
tallen spele goet”, gerade darauf hinweist, dass hier Harmonie und Selbstbeherrschung nicht
existieren. Am Ende der Arthusgeschichten ist der Frieden am Hof wiedergekehrt, was in
Reynaert nur Schein ist.
Wegen dieser Argumente kommt Van Oostrom103 zu dem Schluss, dass das intendierte
Publikum Van den vos Reynaerdes die Aristokratie ist und die adligen Leser den Text als
Selbstspott erfahren haben104. „Vermittelnd“ schlagen
98
Pleij und Reynaert105 vor, dass in
P. Wackers (1986)
Van Oostrom (2), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999): Van Maerlant in Heimelijkheid der heimelijkheden:
man kann stumm sein wie ein Hase, simpel wie ein Lamm und listig wie der Fuchs Reinaerd. Und in Der
naturen bloeme: es ist kein Tier so listig (unzuverlässig) wie ein Fuchs.
100
J. Bumke (1976), S. 56: Adelsliteratur besteht aus höfischen Werken.
101
H. van Dijk & P. Wackers (1999)
102
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
103
F.P. v. Oostrom (1984), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999)
104
Obwohl von den Rezipienten sicherlich nicht angenommen werden kann, dass sie sich von diesem Spiegel
beeinflussen lassen, denn erstens wird die Geschichte in Form eines Fabels erzählt und ist die Geschichte
99
35
flämischen Städten sich die Aristokratie mit den wohlhabenden Bürgern vermischt hat, was in
ein Patriziat resultierte, dass zwar adlig, aber nicht in dem Maße elitär als die Hofaristokratie.
Reynaert rechnet mit dem Hof und dessen König ab. Der Fuchs ist der schlaue Bürger, bei dem
es nicht auf Stärke, sondern auf Listigkeit ankommt, mit dem Ziel sich Macht zu erwerben.106
Meiner Meinung nach ist das Publikum in der Tat im adligen und Patrizier-Kreis zu finden. Der
Autor erwartet vom Leserkreis verschiedene Kenntnisse. Er geht davon aus, dass seine
Rezipienten sich mit Bibeltexten, Seneca, Wortspielen und Beschreibungen und Anspielungen
auf bestimmte Personen107 auskennen.
Es soll dem Leserkreis interessieren, über Missstände am Hof und über Verspottungen der
Geistlichkeit zu lesen. Sie sollen Interesse davon haben, dass diese Missstände an den Pranger
gestellt werden.108
Die Meldung der begangenen Sünden der Geistlichkeit betrachte ich freilich nicht als ein
Argument dafür, dass die Erzählung und die Belehrungen für diese Zielgruppe geschrieben
worden sind, sondern, dass auch die Geistlichkeit von Misständen bezichtigt wird, damit die
Höflinge bemerken, dass sie nicht die einzigen sind, die Fehler machen. Sie sollen ermutigt
werden, erstens also, dass sogar die Geistlichkeit Fehler macht und zweitens, dass diese auch
bemerkt und kritisiert werden und nicht geschont werden.
Daneben sollen die Leser entscheiden können, was Wahrheit ist, denn
„das Hauptthema der Geschichte ist der Missbrauch von Sprache“.109
Alle Herren manipulieren die Wirklichkeit: sie ist selten eindeutig. Die Herren am Hof lügen
und betrügen, weil sie ihr Eigeninteresse nachstreben. Es ist eine wahre Kunst, die Wahrheit zu
verdrehen: das Lebensmotto Reynaerts.110 Er versteht die Kunst des Lügens am besten, womit
er sein Eigeninteresse nachstrebt und am Hof der Herr und Meister ist.
Nicht nur die Personen, sondern auch der Autor selbst lässt den Leser in Unkenntnis über die
Wahrheit. Welche Sünden, die Reynaert bei Grymbart beichtet, sind wahr? Ist Reynaert immer
der Lügner oder ist Ysengrijn genau so unzuverlässig? Der Leser, der mit le Roman de Renart
bekannt ist, weiß, dass Reynaert keinen Eid schwören will, weil die Reliquie das Gebiss des
Hunds Ronel ist. Danach ist auch Ysengrijn beim Leser nicht mehr zu trauen und indem
diesbezüglich nur im übertragenen Sinne auf sie anwendbar. Zweitens, stellt Van Oostrom (1984, in: H. van
Dijk & P. Wackers (1999)) fest, werden Texte oft an Hoftagen vorgetragen, an denen die Rezipienten sich
sowieso schwer attackiert wissen.
105
H. Pleij & J. Reynaert (2004)
106
H. van Dijk & P. Wackers (1999)
107
Von Dismuude, Claes von Aken
108
P. Wackers (1986)
109
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 424.
110
J. Goossens (1983), Vz. 4226-4233 (RH)
36
Ysengrijn Reynaert beschuldigt, bleibt es für den Leser unerklärt, wer den wahrhaften
Tatbestand erklärt.111 Das Publikum entscheidet, mit seinen Kenntnissen anderer Erzählungen,
was Wahrheit ist.112
111
112
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 427.
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 413, 414.
37
5.
DIE VORWORTE
Dit is de menynge des meysters beghynt in solken worden so hir na volget…113
Die einzelnen Punkte, die der Autor in seinem Prolog macht, sind separat nummeriert, so dass
sich ein Vergleich zwischen den gemachten Punkten aus dem RV-Prolog machen lässt.
DAS RH-VORWORT:114
5.1
1) En wilt niet dencken, goetwillige Lezer, al ist dat desen boeck eenen gheckelijcken
tijtel heeft, dat daerom de materie gheckelijck ende te verwerpen sij.
2) Maer leest met verstande, ende siet tot wat eynde elck dinck geschreven is, ghi sulter
groote leeringen ende underwijsingen in vinden.
3) In den eersten hebt ghijer in den staet van den prince ende van sijn hof.
4) Ten tweeden den staet van den gemeynen volcke.
5) Ten derden de manieren ende continantien van den luegenaere, hoe ende in wat
manieren sy de menschen connen verblinden met hun lueghentale ende schoone
woorden: oock hoe luttel gheloofs dat men henlieden woorden schuldich is.
6) Ende ten lesten wordter geleert dat de wijsheyt ende cloecheit des gheests alle lasten
verwint ende te boven gaet.
7) Oock dattet den prince orbaerlijcker is, wijse lieden in sijn hof te hebben, dan
ghierighe lieden: ghemerct dat des princen hof gheensins en can prospereren, sonder
den raet van wijse ende vervaren lieden.
8) Onder den naem van den beesten die in desen boeck ghenaemt sullen worden, worden
oock begrepen de staten van den menschen.
9) In den eersten, den gheestelijcken staet wordt gheleken by den Dasse.
10) Ende bedectelijck worden dese begrepen van ghiericheyt ende oncuysheyt.
11) Daer na den staet der Edelen, onder welcke sommighe groote personagien sijn, als
Coningen, Hertoghen, Graven ende dier ghelijcke.
12) Dese worden gheleken by den Wolf, beyr, Losse ende Luypaert.
13) Dander sijn van cleyner ende leegher conditiën, ende dese ghelijct den Autheur van
desen boecke by den Vosse, Simme, Hont, Cater, ende dier ghelijcke beesten.
14) Ende ten lesten sult ghijer oock vinden den staet van den arbeyders, de welcke
geleken worden byden arbeydende dieren, als peerden, Ossen, Ezels, ende dier ghelijcke.
15) Ende aengesien men niet beter en soude connen gheleeeren, dan tghene datmen met
ghenuechten leert, so hebben wu gheerne desen Boeck aenghenomen om den selvigen in
Nederduytsch te laten drucken.
113
2. Vorwort (RV)
Goossens hat diese Textstelle aus dem Plantijn-Druck H übernommen.
Texte, wie das Motto und Anreden der Leser, sind hier außer Betracht gelassen.
114
38
16) Op dat de ghene die huer Delectatie nemen in dusdanighe loflijcke Autheuren, te
vollen ghedaen souden mogen worden: den welcken alleen hier inne te behaghen ons
ghenoech wesen sal.
17) Hier mede blijft Gode bevolen, ende hoort wat ons den goeden Reynaert sal
willem segghen.
5.2
DAS RV-VORWORT:
Eyne vorrede over dyt boek van reynken deme vosse
Hir bevoren in den olden yaren eer der tyd dat god verlözede dat mynschlyke geslechte
eer unse here Cristus ware god unde mynsche. leet in der mynscheyt den bytteren doet.
unde stunt wedder up van deme dode. unde stech up boven alle hemmele unde wert
wedder komende to deme rechten gherychte. Vor desser tyd der ghe bord cristi.
vyndetmen dat dar syn ghewest vele naturlyke wyse mans de uth vorkören unde leff
hadden wyszheyt unde kunste. de men nomede phylozophy. dat in unser sprake so vele is
ghesecht. alze. leffhebbers der wyszheyt unde der kunst. men heet hok etlyke van en.
poeten. dat is. dychters efte to hope setters. hystoryen unde gheschychte. efte ok bysproke
efte fabelen Etlyke van dessen lereden deme volke. dögede unde wyszheyt. unde setteden
ere lere slycht in böke unde in schrift. Etlyke andere syn ghe west de hebben ere lere uns
na ghelaten unde de ghe sath in verse unde in bysproke unde in fabelen. up dat men ere
lere unde oren vlyd des to beth dar by scholde beholden. Manckt dessen is eyn ghewest
de to nutte unde lere der mynschen gheschreven heft eyne hystorye unde fabele van
Reynken deme vosse. de seer ghe noechlik is to lesen unde to horen. unde is ok vul van
wyszheyt unde guder exempel unde lere Desses sulven poeten lere to lesen unde nicht to
vor staen. enbrochte neen nutte efte vromen. Hir umme dat men en moghe lesen unde ok
vor staen Ick Hinrek van alckmer. scholemester unde tuchtlerer des eddelen dogentliken
vorsten und heren. Hertogen van lotryngen. umme bede wyllen mynes gnedyghen heren.
hebbe dyt yeghenwerdyge boek uth walscher unde franszösescher sprake ghesocht unde
umme ghesath in dudesche sprake to dem love unde to der ere godes. unde to heylsamer
lere der de hir ynne lesen. unde hebbe dyt sulve boek ghe deelet in veer part. unde hebbe
by yslyk capittel ghesath eyne korte uthlegginge unde meninge des sulfsten poeten umme
to vorstaen den rechten syn des capittels.
De ander vorrede
Up dat eyn yslyk leser desses bokes van reynken deme vosse. wol moghe vorstaen. so is
to merken dat der mynschen state is ghedelet an veer state. De erste is. de stad van den
arbeyders. De syk neren eres swaren arbeydes unde bruken erer kunst myt arbeyde. alze
39
bure. amptlude unde andere de ere neringe unde vödynge alzo werven. wente god
almechtich uns in den staf heft ghesath unde heft uns heten arbeyden unde so unse broed
wynnen. in der tyd do adam unser aller vader over trad dat gheboth. do god to eme sprak
manckt anderen worden alsus. In deme swete dynes anghesychtes schaltu eten dyn broet.
dat is. du schalt dy gheneren myt arbeyde. unde by dessem state so ghelikent de meyster
in dessem boeke de arbeydenden deren. alze. perde. Mulen. Ezels. Ossen. unde der
gheliken. Uth dessem ersten state van arbeide syn ghesproten noch dre state De erste van
den dren is borgerye. unde koplude. unde alle de syk erneren myt ummeslach unde leven
van deme ghewynne. By dessen ghelykent de meyster de deren. dede leven van deme
ghewunnen ghude. dat se wynnen unde sammelen alze eyn deel in de erde. eyn del in de
boeme eyn deel in de steynrytzen. darin se sammelen dar se af leven. eyn deel korn.
arfete. bonen unde ander saed. eyn del nöthe eckeren appel und sodane vrucht. alze dat
ekerken de hampster hazen. kanynen. de froyen. strypen de so westwart werden
ghenomet unde andere der ghelyken. De ander state ghesproten uth deme ersten dat is de
staed dede leven van dessen twen ersten staten unde synt de gheystlyken. Dessen
ghelikent desse meyster by deme grevynge do ok in etliken landen wert gheheten de dasz.
Men van desseme state ensprickt he nicht vele doch straffet he se myt vor deckeden
worden ymme twey sunde. alze. umme de ghyricheyt. unde unkuscheyt. so hir na in
etliken steden wert gheroret. De drydde stad de uth deme state der arbeyder is
ghesproten. unde is de verde und eleste stad. dat synt de vorsten unde heren der werlt de
syk eddel holden. desse voeden syk ok uth den twen ersten staten. Desse ghelikent de
meyster desses bokes. by deme wulve. unde by deme baren. by deme losse. unde luperden
den grypen So syn etlike heren dede mynre syn in grade wan alze de groet mechtighen
vorsten. alze banreheren unde der ghelyken. unde desse ghelykent de meyster by deme
vosse. by der apen by deme hunde unde der gheliken. unde ere bystanders unde denres.
rutere unde schyltknechte Desse ghelikent he by den kleynen bytenden deren. alze. by der
maerten.Y lke hermelken wesselken. Ekerken unde der ghelyken Desse lerer bewyset ok
in deme ersten boeke dat yd van nöden is dat dar sy eyn hovet. eyn here de boven alle
desse state der lüde de macht der herschoppye hebbe De alle de staten der mynschen
under syk holden mach in rechte unde in vrede. unde dessen oversten heren efte
konnynck. lykent he by deme lauwen. He bewyset ok dat men nemande over vallen schal
buten recht myt macht efte anderer loszheyt. unde dat men den myszdadygen de
berochtet is nochtant schal to worden steden unde en esschen dat he syk vor antwerden.
up dat men syne schult efte unschult des to bet moghe proven. Ok bewyset desse meyster
efte desse poete. wo de vorsten vaken werden vor leydet van den logeneren uth deme
weghe der rechtferdicheyt Ok bewyset he dat mannych syk sulven bedrucht de dar na is.
grote leene unde provene to vor krygen by den heren. unde syne ghyrycheyt nenen
vortganck hebben kan. He bewyset ok dat den vorsten unde heren dat vele nutter is to
40
hebben den wysen in ereme rade dan den ghyrygen. Wente neynes vorsten hoff efte stad
sunder wyszheyt unde klockheyt stande mach blyven lange in eren Aldus is dyt boek van
eyneme vorsten unde syneme hove. Ok is yd van deme state der ghemenen sympelen.
Unde is ok van den logeneren unde bedregers de myt loszheyt mannygen schenden. So
hyr na wert ghesecht van deme sneydygen lystygen vosse de mannygen schendede unde
to plasse bleff Desseme heren unde konnynge unde synen bysytteren unde etliken van der
menheyt werden ok sunderliken etlike by namen efte to namen gheven in desseme boke
umme der ryme wyllen. Unde umme dat des to nöchliker sy deme leser unde tohorer.
unde den konnynck den lauwen nomet he nobel. De negesten hertogen efte vorsten by
deme konnynge. alze den baren nomet he. brune. Den wulff heth he ysegrym. De
wulffynnen heth he vrouwe ghyremod De vosz alse eynen banreheren heth he reyneke. ok
reynart De vossynnen heth he Vrow armelyne Twey yunge vosse synt hir ok de he nomet.
den eynen reynardyn. den anderen. rossel Den grevynck heth he. grymbart De wylde
kater. alze. den kater. nomet he. hyntzen De apen heth he marten De apynnen heth he.
vrow rukenauwe Den tzegenbock hermen. De tzegen. Metke De rambock. bellyn Den
Hazen. lampe De ezel. boldewyn Den groten hunt nomet he ryn De klenen wackerlosz
Den bever. Bokert Alsus seth desse meyster nicht allene den lauwen eynen konnynck over
de deren. men ok over de vögele mede den ok etliken tonamen efte bynamen werden an
ghesath lyk den deren in desseme boke Alzo nomet he den hanen. Hane hennynck ock
kreyant De hennen. krassevoet Den kron. lütke Den adebar. bartolt Den untruwen raven
pluckebüdel De kreyen efte karoek. merkenauwe De kreynnen. scharpenebbe De goes.
alheyt De and. Tybbeke Den hegger. marquaert Unde sus na der sulvel wyse den syn der
worde wat de lerer mede menet schalmen merken unde beholden dar lycht de wyszheyt in
Dit is de menynge des meysters de dyt boek beghynt in solken worden so hir na volget.
5.3
ANALYSE DER VORWORTEN
Erstens muss bemerkt werden, dass die Einführung von RH nicht vom niederdeutschen
Übersetzer übernommen worden ist: dafür unterscheidet dieser sich zuviel von der
niederländischen Version. Der Verfasser des Prologs hat also eine eigene Absicht mit seinem
Text vor.
Jedoch haben die beiden Autoren miteinander gemein, dass sie damit anfangen, jeder auf seine
eigene Weise, ihre Geschichte in einen Kontext einzubetten. Der erste Prolog (RH) sucht
Eingang für die Einführung beim Titel des Buches, wovon der Autor vermutet, dass der
durchschnittliche Leser darüber eine voreingenommene Meinung hat; ein ghekelijcke Titel
heißt eine sehr merkwürdige Geschichte. Der Autor warnt dafür, dass ein seltsamer Titel nicht
unbedingt beinhaltet, die Erzählung sei komisch. Es gibt zu der Zeit schon viele Historien115
115
Zum Beispiel De historie van Partinoples, grave van Bleys (+/-) 1250, Historie van Malegijs (+/-) 1250,
Historie van Troyen, J. v. Maerlant ( +/ -1264).
41
und auch eine niederländische Version vom schlauen Fuchs: Van den vos Reynaerde.
Möglicherweise könnte mit der eigenartigen Bitte, die Geschichte trotz des merkwürdigen und
bekannten Titels, denn Van den vos Reynaerde war bestimmt bei den Lesern bekannt, zu lesen,
denn die Geschichte ist dessen ungeachtet keine Kopie von seinem „Vorgänger“. Der Autor
ruft dazu auf, die Geschichte mit der Wissenschaft zu lesen, dass man groote leeringen ende
underwijsingen darin finden wird.
Die niederdeutsche Version bettet seine einführende Erzählung in der Geschichte ein, bis „in
den olden Yaren eer der tyd god verlözede dat mynschlyke geslechte”, als viele weisen Männer
umherliefen, die neben Vertrauen und Liebe auch Vernunft und vielen Fähigkeiten besaßen.
Der Autor dichtet ihnen diese Fähigkeiten zu, damit die heutigen Leser diese Männer für
integer halten; damals hatten diese Männer das Vertrauen und die Liebe der Menschen, die
Leser, empfangen, überdies sind sie weise: „dann könnte ich ihnen auch trauen und diese
Geschichte für Wahrheit annehmen.“
Außerdem wird mitgeteilt, dass diese „leffhebbers der wyßheyt vnde kunste” Erzählungen in
vielen Genres schrieben, worunter auch die Fabel erwähnt wird, mit der der Autor auf das
Werk zielt, das der Rezipient gerade in Händen hat. Erklärt wird, dass für solche Genres
gewählt wird, damit die Leser sich die Geschichte (und wahrscheinlich auch die Belehrungen)
besser merken können.
Hiernach folgt noch eine Verengung, nämlich, dass „etlyke van dessen lereden deme volke
dögede vnde wyßheyt”, also das Hauptziel des Werkes, wobei ein Mann die Geschichte von
Reinke dem Fuchs geschrieben hat. Dann gerät man, wie beim RH-Prolog bei den
„vergnüglichen“ und belehrenden Aspekten der Erzählung, wobei man viele neue Einsichten
anhand von Beispielen sammeln kann. Reinke der Fuchs wird hier also beim Rezipienten
empfohlen: sie ist unterhaltsam, voll Weisheit, guter Beispiele und Lehrungen. Dann spricht
der Verfasser den Wunsch aus, dass jeder, der diese Geschichte liest, sie auch richtig verstehe.
Wo der Autor des RH-Prologs direkt nach seiner Bitte, die Erzählung zu lesen, drei Kategorien
von Menschen auflistet, dichtet der Autor der RV-Einführung sich selbst eine wichtige Rolle
zu; erstens nennt er zum zweiten Mal seinen Namen: Heinrich von Alckmer, erwähnt seine
Beruf: Lehrer und Erzieher des Herzogs von Lothringen, des edlen und vornehmen Fürsten, der
ihm den Autrag zum Schreiben gegeben hat. Eine Randbemerkung: in RH wird der
Auftraggeber nicht mit Namen erwähnt. Er bleibt unbekannt und damit auch unbeliebt, wie
Heinrich seinen Auftraggeber in seinem Werk edel und vornehm nennen kann. Zweitens
dichtet Heinrich sich Unentbehrlichkeit zu, weil der Leser ohne seine Nachforschung der
wallonischen und französischen Quellen nie die niederdeutsche Übersetzung vor sich liegen
hätte. Ob es wahr ist und Heinrich in der Tat französische Quellen nachgeschlagen hat, ist aber
die Frage. Auch, weil in der RH-Einführung über die niederdeutsche Übersetzung referiert
wird, dass sie gedruckt werden wird, damit auch die Leser aus diesem Gebiet von dieser feinen
Erzählung Notiz nehmen können.
42
Beide Vorworte schließen mit dem Gotteslob ab, wonach in der RV jedoch noch eine
Verdeutlichung der Einteilung des Buches folgt:
„vnde hebbe dyt sulue boek ghedeelet in veer part vnde hebbe by yslys capittel ghesath
eyne korte vthlegginge vnde menninge des sulffsten poeten, vmme te vorstaen den rechten
syn des capittels.”
Zum dritten Mal hält der Autor sich für unentbehrlich; seine Erklärung muss man lesen, um
eine richtige Textinterpretation machen zu können. Aber vielleicht ist Heinrich van Alckmaer
in dieser deutschen Region unbekannt und wird er darum drei Mal mit Namen genannt, ihn
bekannt zu machen. Die Vorrede von RH endet damit, dass der Schreiber sagt, dass diese
Geschichte auch im Niederdeutschen gedruckt worden ist:
„Op dat de ghene die huer delectatie nemen in dusdanighe loflijcke Autheuren, te vollen
ghedaen souden mogen worden, den welcken alleen hier inne te behaghen ons ghenoech
wesen sal.“
Dieses Lob interpretiere ich als eine Empfehlung, die Geschichte zu lesen.
Dann folgt in RV noch ein zweiter Prolog „de ander vorrede“, der in Bezug auf den
Wortgebrauch vom ersten Prolog unterscheidet, so dass Heeroma von angenommen wird, dass
dieser von einem anderen Verfasser geschrieben worden ist, Heeroma zufolge.116 Hierin wird
der Stand der Dinge in Bezug auf die sozialen Stände dargestellt. Angemerkt hierzu soll sein,
dass der RH-Autor die Stände in einzigen Regeln in seinem kurzen Prolog auflistet, wobei in
RV ein zweites Vorwort notwendig ist. Sonst ist anzumerken, dass der RV-Autor vier Stände
unterscheidet, wo es in RH nur drei gibt, vorausgesetzt, dass man die „Lügner“ überhaupt
einem separaten Stand zurechnen kann, daneben gibt es dann noch den Prinzen mit seinem Hof
und die Klasse des Volkes. Welche Gründe hat der Autor dafür nur drei Klassen zu
unterscheiden, worunter eine, die sich nur sehr schwierig als solche bezeichnen lässt? Später in
seiner Vorrede unterscheidet er ja doch die geistliche, adlige (mit den kleineren Herren) und
Arbeiterklasse.
Dann noch eine Randbemerkung: auffallend ist es, dass von den Prince gesprochen wird, statt
von einem „König“. Mit der Wahl für „Prinz“ könnte die Folgerung gemacht werden, dass der
Autor in der Tat eine Spiegelgeschichte der (höfischen) Gesellschaft hat schreiben wollen. Die
Belehrung, die er aufführt widerspricht diesen Gedanken nicht:
„oock dattet den prince orbaerlijcker is, wijse lieden in sijn hof te hebben, dan ghierighe
lieden: ghemerct dat des princen hof gheensins en can prospereren, sonder den raet van
wijse ende vervaren lieden.“
116
K. Heeroma (1970)
43
Sehr wohl möglich ist es, dass zur Zeit des Schreibens, eine Unordnung im Hofe herrschte und
mit diesem Werk spezifisch dem Fürsten ein Rat oder Lehrung mitgegeben wird. Dann wäre es
annehmlich, dass dieses Werk für den Prinzen geschrieben sei; gerade ihm werden die
moralistischen Worte ans Herz gelegt. Hier endet die Randbemerkung und wird den Blick
wieder auf die Stände gerichtet.
In RH ist von einer Gruppe von Menschen die Rede: die Einfältigen, Lügner und Betrüger, die
mit ihrer Schlauheit anderen viel Schade bringen können. Sie werden folgendermaßen genannt:
wie „van deme state der ghemenen sympelen vnde is ok van den logeren vnde bedregers“. Sie
werden eben unter die Stände gestellt, allerdings nicht zu den vier aufgelisteten Klassen
gezählt, wie weiter in dieser Einführung die Stände dargestellt werden.
In RV werden, wie schon erwähnt, vier Stände unterschieden. Der erste ist der der Arbeiter, die
sich mit ihrem Leistungsvermögen für ihre Arbeit anstrengen müssen, um sich ernähren zu
können: sowie Gott Adam und Eva geboten hat „in deme swete dynes anghesychtes schaltu
eten dyn broet”. Zu dieser Klasse gehören die Bauern und Handwerker. Im Buch werden sie
von Pferden, Maultieren, Eseln, und dergleichen personifiziert. Aus der Arbeiterklasse sind
noch drei Stände entsprossen. Der erste davon sind Menschen, die mit Handel ihr Brot
verdienen, die Bourgeoisie und Kaufleute (borgerye vnde koplude). Mit ihnen sind die Tiere,
die ihr Futter versammeln, vergleichbar, wie Eichhörnchen, Hamster, Hasen, Kaninchen,
Schweine und dergleichen.
Die zweite Klasse ist die Geistlichkeit (gheystlyken), in der „Person“ der Grevink, auch Dachs
genannt. Im Laufe der Geschichte entwickelt der Dachs, dem Verfasser nach, zwei Sünden:
Habgier und Unkeuschheit:
„men van desseme state ensprickt he nicht vele doch straffet he se myt vor deckeden
worden umme twey sunde. alze. umme de ghyricheyt. unde unkuscheyt. so hir na in
etliken steden wert gheroret.“
In diesem Abschnitt lese ich nicht, dass der Dachs geizig und unkeusch ist, wie der Verfasser
des Vorworts erklärt, sondern, dass der Dachs die Geizigen und Unkeuschen straft, also den
Fuchs. Das würde mir logischer erscheinen, denn der Dachs ist nicht unkeusch, nur geizig (wie
alle Tiere aus RH), der Fuchs aber ist unkeusch; er vergewaltigt die Wölfin und in verdeckter
Sprache auch den Hasen. Daneben ist schon zu lesen, dass er nicht genau diesem Stand
entspricht. In der Erzählung scheint mir das deutlich zu werden anhand des Beispiels, dass der
Dachs Reynke eine Laienbeichte abnimmt; er ist also kein echter Geistlicher, dass wäre der
Rammbock Bellyn sein, der Reynke einen „Sendungsdienst“ widmet.
Der letzte Stand ist der der Fürsten und Herren der Welt (de vorsten vnde heren der werlt, de
syk eddel holden), die sich von den ersten zwei Klassen ernähren lassen. Der Verfasser
44
entscheidet, dass sie Raubtiere sind, wie Wölfe, Bären, Luchse und Leoparden. Sonst gibt es
noch kleinere Herren, wie die so genannten Bannerherren, die die Füchse, Affen, Hunde und
dergleichen vertreten. Ihre Hilfer, Diener, Reiter und Schildknechten darauf sind die kleinen
Nager, wie die Marder, Iltisse, Hermeline, Wiesel, Eichhörnchen (spielt offensichtlich eine
Doppelrolle) und solche mehr; alles Tiere die nur eine sehr geringe Rolle in der Erzählung
spielen. Sie werden, meiner Meinung nach, nur erwähnt, weil sie im „wirklichen“ Leben, schon
eine Rollte spielen. Sie auflisten heißt eine Verdeutlichung der Belehrung für den Fürsten.
Daneben: RV endet mit der Klasse womit in RH angefangen wird; dem Adel. Dem RV-Autor
nach, entstanden die Bourgeoisie und Kaufleute, Geistlichkeit und Adel aus der Arbeiterklasse.
In dieser Absicht enthält RV eine chronologische Auflistung, während die Reihenfolge der
Liste in RH mit Ansehen verknüpft ist.
Wie der RH-Verfasser in seinem kurzen Prolog relativ schnell zur Moral kommt, so braucht
der des RV-Prologs nach der Auflistung der „Personen“ seine moralische Lehrung: dese lerer
bewyset ok in deme ersten boeke, also dem ersten Teil, dass es notwendig ist, ein Herr über all
diese Stände zu haben, der dafür sorgen muss, dass alle Personen in Recht und Frieden
miteinander leben. Dieser Herr ist in der Geschichte vom Löwen personifiziert.
Mir scheint es wahrscheinlich, dass Van Alckmaer dieses zweite Vorwort auch geschrieben
hat. Van Alckmaer profiliert sich ja doch als Lehrer und Erzieher des Herzoges von
Lothringen. Dieser Herzog sollte ja dafür sorgsam sein, dass seine Menschen in Recht und
Frieden miteinander leben. Van Alckmaer verwendet die Geschichte RH’s, um anzugeben,
welche Methode ihm vernünftiger scheint, wenn man einem wohl funktionierenden Rechtsstaat
nachstrebt.
Zum Beispiel darf ein Verdächtiger noch einmal und nur einmal reden, damit er seine
Unschuld beweisen könnte, so schreibt Van Alckmaer warnend, dass Fürsten sich oft von
Lügnern vom rechten Pfad abbringen lassen.
Weiter schreibt er, dass es auch Menschen gibt, die sich selbst trügen. Diese eifern betrügerisch
nach einem großen Lehen oder einer Pfründe der Herren. Die unehrlichen Anstrengungen
dieser Menschen hat oft das Ende, dass er selbst betrogen wird.
Zum Schluss behauptet er, dass ein Fürst, statt einer machtgierigen Person besser einen
vernünftigen Mann im Rat (der Freiherren) haben kann, denn es gibt keinen Fürstenhof und
keine Stadt, die ohne Weisheit und Klugheit lange Ehre und Ansehen genießen. Es scheint mir
logisch, dass Van Alckmaer, und kein Anderer, diese Tipps aus RV so wertvoll findet, dass er
sie separat im Vorwort noch mal für seinen Auftraggeber auflistet.
Zuletzt introduziert der RV-Autor die Namen einer großen Zahl wichtiger Tiere, obwohl das
nicht alle Tiere sind, die in der Klasseneinteilung aufgenommen sind, wie zum Beispiel die
Vögel. Für die Namengebung werden zwei Gründe gegeben: der Name reimt sich mit der
vorangehenden oder nachfolgenden Verszeile und sie hilft die Geschichte leichter zu verstehen
45
(wie der letzte Grund auch für die Wahl des Genres „Fabel“ gilt). Aufgeführt werden: der
Löwe Nobel, die nahestehenden Herzögen oder Fürsten heißen Brun der Bär, Isegrim der Wolf,
Frau Gieremut die Wölfin, der Bannerherr Reinke der Fuchs, Frau Armeline die Füchsin, die
jungen Füchse Reinhardin und Rossel, der Dachs Grimbart, die Wildkatze Hinze, der Affen
Marten, die Äffin Frau Rukenau, der Ziegenbock Hermann, die Ziege Metke, der Schafbock
Bellin, der Hase Lampe, der Esel Boldewin, der große Hund Rihn, der kleine Hund Wackerlos,
der Biber Bokert, der Hahn Henning und Kreiant, die Henne Kratzefuß der Kranich Lütge, der
Storch Bartold, der Rabe Pluckebüdel, die Krähen Merkenaue und Scharpenebbe, die Ganse
Adelheid und Tübbeke, der Häher Markward und noch mehr Tiere, die man im Laufe der
Geschichte kennenlernen wird.
Der RH-Verfasser erklärt, dass die Namen der Tiere die Stände der Menschen symbolisieren.
Hier werden schon dieselbe Klassen als in RV aufgelistet; die Geistlichkeit, mit dem Dachs
dargestellt, die Adligen, wie Könige, Herzöge, Grafen und solche mehr, die der Wolf, Bär,
Luchs, und Leopard typieren. Die kleineren Herren werden mit dem Fuchs, Hund, Kater und
der Äffin und ähnlichen Tieren dargestellt. Hier wird mit der arbeitenden Klasse beschlossen.
Hierunter sind die Pferde, Ossen, Esel und dergleichen zu rechnen. Danach werden die
„Personen“ kurz und gut mittels einer Tafel vanden personagien auf:
Lyon de Coninck.
Bruyne den Beyr.
Isegrim den Wolf.
Bellijn den Ram.
Courtoys den Hont.
Reynaert den Vos.
Tybaert de Cater.
Armelijne sijn huysvrouwe.
panther de Losse.
Tyselijn de Raue.
kuwaert de Hase.
Lampreel het Conijn.
Grimbaert de Dasse.
Fierappel de Lupaert.
Cantecleer den Haen.
Byteluys der Simmen dochter.
Coppe de Hinne.
Die Figuren werden in der Reihenfolge ihres Erscheinens im Text aufgeführt, während sie in
RV in Klassenabfolge erscheinen; Nobel gehört zum ersten Stand, wie auch die Herren, wie
Brun, Isegrim und Reynke mit ihren Gattinnen (obwohl Hinze mit dieser Erklärung zwischen
den Geistlichen erwähnt wird). Dann folgt die Geistlichkeit, mit unter anderen Grimbaert und
Marten, danach die kleinere Herren und die „breite Masse“.
Die beiden Autoren erteilen am Ende ihres Prologs das Wort einem Andern. Der RH-Autor
endet seinen Prolog mit den Worten: …ende hoort wat ons den goeden Reynaert sal willen
46
segghen. Reynaert also darf weitererzählen (außerdem nennt er Reynaert „goed”). In RV
bekommt der Reynke Dichter das Wort und soll der Rezipient aufmerksam sein:
„wat de lerer mede menet schalmen merken unde beholden dar lycht de wyszheyt in. Dit
is de menynge des meysters de dyt boek beghynt in solken worden so hir na volget.”
Bevor der RH-Schreiber des Vorworts das Wort übergibt, schreibt er seinem Leser, dass er sein
Buch auch im Niederdeutschen hat drucken lassen,
„op dat de ghene die huer delectatie nemen in dusdanighe loflijcke Autheuren, te vollen
ghedaen souden mogen worden, den welcken alleen hier inne te behaghen ons ghenoech
wesen sal.”
Der Autor schreibt, dass das Werk ins Niederdeutsche übersetzt wird, sodass der Verfasser die
Anerkennung bekommt, die er verdient hat, was vermutlich den Leser von der
schriftstellerischen Begabung und lobenswertem Werk überzeugt.
5.4
VORWORT UND PUBLIKUM
Aus den Vorworten der beiden Reynaert-Texte können weitere Hinweise auf das intendierte
Publikum gefunden werden. Neben den Vorworten wird RV in der Ausgabe Goossens mit zwei
Unterschriften zu Abbildungen wiedergegeben, die selbst zwar fehlen. Unter der zweiten
Unterschrift steht:
O vulpis adulacio. Nu in der werlde blycket.
Sic hominum est racio. Ghelik dem vosse gheschicket.
Da hier der Fuchs auf Lateinisch angerufen wird, scheint es mir, dass das Publikum mit dieser
Sprache bekannt ist. Innerhalb dieser Rezipientenkategorie würden dann Litterati und Schüler
passen, wie in Kapitel 4 zu lesen ist.
In der RH-Vorrede selbst wird der goetwillige leser zuerst in gewisserem Sinne beruhigt; der
Titel ist vielleicht ein wenig sonderbar, die Geschichte sicherlich nicht. Der Verfasser fordert
die Leser dazu auf: „Lies die Erzählung aufmerksam und mit Verstand, dann verstehen Sie die
Bedeutung der Geschichte und die wichtigen, moralisierenden Belehrungen richtig.“
Schlusemann117 schließt aus diesem ersten Absatz des Vorworts, dass der Verfasser die
Erzählung dem Leser anpreisen und beruhigen will, denn die Geschichte sei für ihn an sich gut
zu verstehen, indem er gut liest, wird er die Bedeutung durchschauen. Hieraus schließe ich,
dass der Rezipient bestimmte Kenntnisse über das Lesen dieser Art von moralisierenden
Büchern118 aufgebaut haben muss und also mit Belehrungen zuwege kommt, aber ebenfalls
117
118
R. Schlusemann (1991)
Obwohl sich also aus dem Kapitel 4 herausstellt, dass die Leser sich mit moralisierenden Texten Rat wissen.
47
genügend Kenntnisse der Welt hat, dass er weiß, welche Stände zu unterscheiden sind und
welche Missstände sich da, vor allem am Hof, ergeben.
Da der Autor vor allem auf die Missstände am Hof anspielt, scheint es mir logisch, dass der
Rezipient durchschnittlich ein hohes Tier am Hof vorstellen muss; für die hohen Beamten sind
die moralisierenden Belehrungen, die sie aus dem Fabel schließen können; sie sind die
Ratgeber ohne die der Prinz kein guter Fürst sein kann und zwischen denen sich schlechte
Leute befinden werden. Dieses Werk wird eine Warnung und ein Spiegel für die Ratgeber am
Hof sein; vor allem für den Prinzen, aber auch die Ratgeber, dass sie sich nicht mit egoistischen
Höflingen einlassen müssen, damit der Hof des Prinzen florieren kann.
In RV werden direkte Anspielungen auf das Belehren von deme volke gemacht: ist dann
allerdings das Volk oder doch mehr die Elite gemeint? Ein wenig weiter nennt der Autor sich
beim Namen119 Heinrich van Alckmer; de scholemester unde tuchtlerer des Fürsten und
Herzogs von Lothringen, sodass zuminst geschlossen werden kann, dass dieses Buch dem
Herzog gewidmet worden ist. Ihm, und auch seinen Ratgebern, schreibt der Verfasser Tipps,
damit auch der deutsche Hof blühen kann. Niemand soll widerrechtlich Macht ausüben.
Daneben soll ein Verdächtiger die Chance haben, in der Öffentlichkeit seine Unschuld zu
beweisen. Dieser Tipp schließt sich dem Gedankengang an, dass niemandem Unrecht getan
werden darf. Diese starke Empfehlung scheint mir dem Rat für den Fürsten entsprechend, der
seine Rechtsangelegenheiten ehrlicher, also dem Recht entsprechend, verlaufen lassen soll.
Dann folgen Ratschläge für den Fürsten120: er braucht, wie in RH auch geraten wird,
vernünftige Ratgeber neben sich und er soll sich nicht von Lügnern, die nur auf eigenen Vorteil
bedacht sind, vom rechten Pfad (ver-)führen lassen. Dieser Rat könnte auch an die hohen
Höflinge gerichtet sein, damit sie innerhalb ihres Rates für Lügner und Betrüger aufpassen
können. Viertens schreibt der Verfasser noch, dass ein Herr, der in Recht und Frieden über alle
Stände herrscht, unentbehrlich ist. Diese letzte Belehrung könnte als eine Art von Ermahnung
an das Volk gerichtet sein; das braucht Führung und soll nicht rebellieren. Andererseits ist
diese Belehrung auch als eine Art von Rechtfertigung des Autors für die Regierung des Königs
und seiner Herren; die Stände brauchen einen (rechtfertigen) Führer, sodass sie in Frieden und
Recht leben können.
Der Autor schließt seine zweite Vorrede damit ab, dass er seine Ratschläge, seine Argumente
unter seine „Problemstellung” ordnet:
wente neynes vorsten hoff efte stad sunder wyßheyt unde klockheyt stande mach blyven
lange in eren.
119
Er ist zwar nicht der Verfasser von RV, sondern von einer RH-Druckfassung.
Ist hier vielleicht der Herr und Herzog von Lothryngen selbst gemeint? Das Buch ist ihm gewidmet, er wird
aber in Bezug auf “Herren” auf Stadtebene geschrieben.
120
48
Meiner Meinung nach wird hier nochmals deutlich, dass das intendierte Publikum in den hohen
Höflingen gesucht werden muss; sie haben ein Interesse, dass der Hof seine Ehre behält. Für
sie ist der Rat, dass ohne Weisheit und Klugheit der Hof keine Ehre bewahren kann.
49
6.
RAUMBESCHREIBUNGEN
Hier besidden over dit pass, dair leit onse rechte straet121
Eine andere Zeit, ein anderes Land, aber auch andere Orte?
Im Gegensatz zum Roman de Renart, wird der Raum in Van den vos Reynaerde detailliert
beschrieben. Sogar werden wirklich existierende Plätze aufgenommen.122 Der Raum ist,
Ruberg123 nach, ein wichtiges Mittel dem Leser den Weg in die Geschichte zu zeigen. Er grenzt
ein, markiert, führt den Leser mit und macht ihn heimisch. Gilt das auch hier, für die Leser von
RH und RV? Sieht der Leser die beschriebene Welt als eine eigene oder eine fremde? Ist sie für
ihn wirklich oder wunderbar, ideal oder fremd?
Der Rezipient erfährt die Geschichte als eine eigene, wirkliche und heimische, wenn er die
dargestellten Orte erkennen würde. Die Literaturforscher sind der Meinung, und ich schließe
mich ihnen an, dass die erwähnten Plätze, sicherlich die sehr kleinen Dörfer in RH und RV, bei
den Lesern bekannt sein müssen.
Um Deutlichkeit über das Gebiet und die Verfahrensweise des Dichters in Bezug auf seine
wichtigen „Mittel der Kommunikation”124 zu verschaffen, werden alle beschriebenen Räume
aufgelistet und analysiert.
Unter Raum versteht das Duden Universalwörterbuch125: „Wohnraum126“, „sowohl begrenzte
als nicht eingegrenzte Gebiete“
, „geographisch oder politisch unter einem bestimmten
127
Aspekt als Einheit verstandenes Gebiet“.128 Diese Erklärungen deuten auf ein sehr breites
Spektrum von was unter „Raum“ zu verstehen ist.
Die Definition „Raum“, die in Bezug auf diese Textanalyse verwendet wird, schließt bei
diesem Spektrum an. Die Räume sind genauso abgegrenzt wie Duden sie umschrieben hat. Alle
Städte, Dörfer, Weiler, Landschaftsschilderungen, Länder, Beschreibungen der Wohnungen
u.Ä. werden also in der Textdaten und –analyse aufgenommen. Die Raumbeschreibungen
variieren von sehr spezifisch (zum Beispiel in Bezug auf die Schatzlüge und Toponyme) bis
sehr allgemein (zum Beispiel ein locus amoenus).
121
J. Goossens (1983), Vz. 1715-1745 (RH)
P. Wackers (1986)
123
U. Ruberg (1965)
124
Also den Raum, U. Ruberg (1965)
125
Duden, Deutsches Universalwörterbuch (2003)
126
„Wohnraum“ ist eine Definition, die ich mir erlaubt habe, dieser vollständigen Umschreibung: 1. zum
Wohnen, als Nutzraum o.Ä. verwendeter, von Wänden, Boden, u. Decke umschlossener Teil eines Gebäudes.
127
Die vollständige Erklärungen sind: 2. in Länge, Breite u. Höhe nicht fest eingegrenzte Ausdehnung. 3. in
Länge, Breite u. Höhe fest eingegrenzte Ausdehnung.
128
Das Lemma „Raum“ hat mehr Bedeutungen als die drei, die hier aufgenommen sind. Die andere
Erklärungen, zum Beispiel mathematische oder physische Termini, sind an dieser Stelle irrelevant und
deswegen weggelassen.
122
50
Alle Raumdaten von RH und RV werden in zwei Kolumnen nebeneinander gestellt, wonach sie
alle nach Teilen von ungefähr fünf Fragmenten in Beziehung zu einander analysiert werden,
sodass eine vollständige Vergleichsanalyse gemacht werden kann.
Allerdings
sind
nicht
alle
selektierten
Raumbeschreibungen
in
diesen
Kolumnen
zurückzufinden. Nur die für diese Arbeit relevanten Räume sind im 6. Kapitel aufgenommen.
Die weniger relevanten Raumdaten sind im Anhang zu lesen.
Hintergründe von Orten werden anhand des Werks Teirlincks129 beschrieben. Teirlinck
analysiert die Orte sehr ausführlich und folgt einen langen Weg zu den Schlussfolgerungen. Ich
übernehme mir logisch erscheinende Erklärungen zu bestimmten Toponymen, nicht nur seine
Schlussfolgerungen.
In der Schlussfolgerung (7. Kapitel) wird dann eine zweite Auswahl aus allen Raumdaten
getroffen und werden die für die Hauptfrage dieser Arbeit interessanten Daten weiteranalysiert.
Interessante Daten sind spezifische Raumbeschreibungen, vor allem die Toponyme und
Beschreibungen von Gebäuden, wobei zwischen RH und RV Anpassungen auftreten oder wo
Anpassungen gerade zu erwarten sind, aber keine gemacht worden sind.
Die Toponyme tragen dazu bei, die Geschichte lokalisieren zu können. Mit den Schilderungen
der Gebäude (und in geringerem Maße mit den Beschreibungen der Umgebung) ist zu
bestimmen, inwiefern die Erzählung sich in einer phantastischen Welt abspielt.
Die reelle und phantastische Welt stehen auf gespanntem Fuß miteinander. Diese Friktion
macht es für viele Reynaert-Forscher130 spannend, die Räume zu determinieren und damit auch
die Geschichte131, Herkunft des Autors und des Publikums zu bestimmen.
Diese Masterarbeit bezielt auch mithilfe der Raumbeschreibungen die Geschichte lokalisieren
zu können und die Herkunft des Dichters und Publikums bestimmen zu zu können. Diese drei
Aspekte werden dadurch ermittelt, Ähnlichkeiten und Unterschiede der RH- und RV-Räume zu
vergleichen, kategorisieren und analysieren.
Ich würde erwarten, dass der Autor die Orte dem vermuteten Lesepublikum adaptiert hat,
sodass auch sie sich besser in die Geschichte hineinversetzen können, weil sie die Gebiete
kennen. Nicht nur die Rezipienten sollen die Gebiete kennen, um nicht ein konfliktierendes
Gefühl zu erfahren, dass sie eine Geschichte lesen, wobei sie die bekannten Orten (Paris, Köln,
Rom, Avignon) schon kennen und die Orte, wo sich die Geschichte sich tatsächlich abspielt,
nicht kennen. Auch die Figuren behalten ein schlechtes Gefühl und schlechte Erinnerungen an
Plätzen, die sie nicht kennen.
129
I. Teirlinck (1910)
Wie K.H. Heeroma (1970), B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
131
Van den vos Reynaerde kann zum Beispiel als Spiegelgeschichte gelesen werden (A. Bouwman (1991)). In
diesem Fall sind die Orte in der Wirklichkeit zu determinieren und stellen die Tiere tatsächliche Personen vor.
130
51
Van Daele132 schreibt über das Verhältnis zwischen Konfliktsituationen und Raumwechseln. Er
sieht eine Beziehung zwischen dem Verlassen des für die Figur bekannten Raums und dem
Geschehen des Unheils. Von Van Daele inspiriert, ist auch in dieser Arbeit ein Kapitel über
Konflikte in Bezug auf diese Umwelt (Dorf, Hof und Bau) aufgenommen.
Neben den zwei Kategorien „Toponyme“ und „Gebäude“, die hieroben erwähnt worden sind,
gibt es noch eine dritte interessante Kategorie über Dorf, Hof und Bau. Ziel der vorigen zwei
Kategorien (Toponyme und Gebäude) lag darin beschlossen, die Geschichte in der Realität
oder in der Phantasie unterzubringen.
Die dritte Kategorie (Konflikte: Dorf – Hof – Bau) befindet sich auf der Ebene des
Erzählstrangs. Welche Rolle spielt der Raum in der Erlebnisse und Gemütslage der Personen?
Der aufmerksame Leser bemerkt, dass hier in der Tat eine wichtige Beziehung wahrzunehmen
ist.
Die Kategorie ist in drei Elementen untergliedert: der Bau, worin der Fuchs mit seiner Familie
wohnt und sich behaglich fühlt, Der Hof, wo das Königspaar wohnt und sich wohlt fühlt, und
das Dorf, wo die Menschen wohnen und sich geschützt fühlen. Wenn die Tiere133 ihre
geschützte Umgebung verlassen, geraten sie in einer Konfliktsituation.
Die Phase zwischen Frieden und Konflikt ist die Natur. Bruun geht durch der Wildnis vom Hof
zum Bau. Grymbart und Reynaert ziehen durch der Natur vom Bau zum Hof. Reynaert erzählt
eine Geschichte über einen bei einem Brunnen in der Wildnis verborgenen Schatz.
Dieser natürliche Raum ist nur indirekt bei den Konfliktsituationen beteiligt: sie dient nur als
„Zwischenphase“. Darum werden die Naturbeschreibungen bei der Raumanalyse in Bezug auf
Konfliktsituationen außer Betracht gelassen.
6.1
TEXTDATA
Reynaerts Historie134
Reynke de vos
1er Vorrede.
Hertogen van lotryngen.
Vz 45 – 52.
Vz: 1 – 7.
Het was op enen pijnxter dach
Id geschach up eynen/ pynxste dach
Dat men woude ende velde sach
Datmen de wolde unde/ velde sach
Groen staen myt louer ende grass
Grone staen. myt loff/ unde gras
Ende menich vogel blide wass
Unde mannich fogel/ unde gras
132
R. van Daele (1994)
Dies gilt in geringerem Maße für die Dorfbewohner.
134
In der linken Kolumne wird immer RH und in der rechten Kolumne RV wiedergegeben.
133
52
Mit sange in hagen ende in bomen
Myt sange. in haghen unde up bomen
Die crude sproten wt ende die bloemen
De krüde sproten unde de blomen
Die wel roken hier ende daer
De wol roken hir unde dar
Ende die dach was schoon ende claer
De dach was schone. dat weder klar
Vz. 116-117
Vz 78-79
Tybert die cater doe voort quam
Hyntze de kater do ock dar quam
Al toornich ende spranc inden rynck.
Al tornich he vor den konninck ghynck
Morael
1: […] In lomberdyen unde in wallant
dar dyt boek ersten ghedychtet is.
2: Dat quade vor bunt god beware yo
desse land dar vor. dat in wallant efte in
lomberdyen etlike quade heren efte
eddelynge under syk maken up eren
even mynschen den to beschedyghen
unde to schaden. myt rove eft ghewalt.
Vz. --- bzw. 1. Vorrede
In der Vorrede wird von dem Herzog von „Lothryngen“ gesprochen.
Vz. 45 – 52 bzw. Vz. 1-7
Die Geschichte fängt mit einem klassischen locus amoenus an. Der Autor von RH hat diesen
Natureingang mehr ausgearbeitet als der Verfasser Van den vos Reynaerdes und die Übersetzer
hat diesen locus amoenus „buchstäblich” übernommen. Ansonsten bleibt der Hof unbestimmt;
Zeit und Raum sind unbekannt. Später in der Geschichte stellt sich schon heraus, dass der Hof
sich offensichtlich auf einem Berg oder Hügel in der Nähe eines Flusses und Galgen befindet.
Vz. 116-117 bzw. Vz. 78-79
Es ist vorher (rund Vz 59 bzw. 21) zu lesen, dass alle Tiere, ob groß oder klein, sich am Hof
versammeln. Es wird ein Kreis gebildet, worin die Tiere sich setzen. Es scheint mir
unwahrscheinlich, dass alle Tiere in diesem Kreis sitzen; ich bin der Meinung, dass nur die
edlen Tiere sich in diesem Zirkel versammelt haben. Anzumerken ist noch, dass nicht Tybert,
sondern Ysengrijn die erste Klage aufführt, wobei der Autor den Leser noch in Unwissenheit
lässt über die Formation der Tiere.
53
--- RH bzw. Morael RV
Im Moral wird deutlich, wo die Geschichten, dem Moralschreiber nach, entstanden sind; in
Lomberdyen und Wallant, deren Einwohnern er zuwünscht, dass Gott ihnen vor schlechten
Herren oder Adligen behüte.
Vz. 327- 329
Vz. 305-307
Die goede haen crayant
De eyne was gheheten. kreyant.
Die stoutste die men vant
De beste hane den men vant
Tusschen hollant ende ordanen
Twysschen hollant unde franckryk
Vz. 340
Vz. 317
Cantecleer spranc inden rijnck
Hane hennynck. vor den konnynck ghynck
Vz 352-354
Vz. 324-325
Ende men sach lover ende gras
Unde men sach loff. blomen unde gras
Scoon bloeyen ende staen groen
Schone bloyen unde stan grone
Vz. 400-401
Vz. 364-365
Hi toonde my pelse ende slavijn
He leet my kappen unde schepeler seen
Die hi brochte van elemaer
Unde eynen breff van synem pryer.
Vz. 524-545
Vz. 471-486
Nu is bruun op die vaert […]
Alsus makede syk brun up de vart
Door dat doncker vanden woude
Dorch eyne wostyne. groet unde lanck
Quam hi gelopen in eenre woestijn […]
Dar dorch makede he synen ghanck
Besiden der woestynen lach
Do quam he dar twey berghe laghen […]
Een berch hooch ende lanck
Do brun vor dat slot was ghekomen
Dair most bruun synen ganck
Unde de porten ghesloten vernomen
Te mydde duer recht maken
Do ghynck he vor de porten stan
Soude hi tot mapertuus geraken […]
Ende heeft die poort gesloten vernomen
[…]
Doe ginck hi voor die barbecaen […]
Vz. 327-329 bzw. Vz. 305-307
Crayant ist der beste Hahn, den man tusschen hollant ende ordanen bzw twysschen hollant
unde franckryk finden kann.
54
In RH wird das Gebiet zwischen Holland und den Ardennen beabsichtigt, da, wo sich die ganze
Geschichte abspielt. Die deutsche Version grenzt ein größeres Gebiet ab; ganz Belgien ist
gemeint. Die RH-Geschichte ist wahrscheinlich für ein Publikum geschrieben, das Wert darauf
gelegt hat, dass die Geschichte sich in Flandern abspielte. Das deutsche Publikum hatte diesen
Wunsch sehr wahrscheinlich nicht und verfügte vielleicht sogar nicht über die richtigen
topografischen Kenntnisse, um diese kleine Orte, die in RH und auch RV genannt werden,
unterbringen zu können.
Vz. 340 bzw. Vz 317
Cantecleer springt, wie Tybert in den Kreis, wo Hane Hennynck bloß vor den konnynck
ghynck.
Vz. 400 – 401 bzw. Vz. 364 - 365
Der Fuchs spielt sich als einen frommen Geistlichen auf. Er zeigt in RH dem Hahn seine pelse
und slavijn, die er von Elemaer mitgebracht hatte.
In RV lässt er dem Hahn kappen, schepeler und breff van synem pryer sehen, ohne mitzuteilen
woher diese Sachen stammen. Eine andere Erklärung würde sein, dass der RV-Hahn die
kappen und schepeler nicht von einem Kloster erkannt hatte.
Dann über Elemaer135: Der Fuchs hat einen palster ende slavine aus dem Kloster Elmare in
seinem Besitz. Er teilt dies dem Hahn mit oder der Hahn erkennt diese Gegenstände. Hiermit
und mit einem Brief hat der Fuchs das Vertrauen des pater familias gewonnen.
Ansonsten erwähnt der Fuchs Elmare, wenn er seinem Neffen erzählt, dass er aus dem Wolf
einen Elmarer Mönch machen wollte.
Teirlinck bemerkt, dass, mit nur einer Ausnahme (RH, Vz. 401), Elmare stets mit Artikel
geschrieben wird. Der Ort ist offenbar bekannt als de Elmare. In Smalleganges136 Karte aus
dem Jahre 1274 ist zu sehen, dass es zwischen Aardenburch und Biervliet einen Fluss gegeben
hatte, der diesen Namen trug.137 An dessen Ufer dieser mare (stilles Wasser) wurde ein Priorat
gestiftet: das Kloster ter Elmare. Sanderus138 nach, wurde dieses Kloster, das unter der StPieterabtei Gents untergeordnet war, 1144 gestiftet. Zu der Zeit (14. Jahrhundert), dass der
Übersetzer der Reynaert lebte, stand an dieser Stelle ein Kloster der Wilhelmiten und ein
(Herren-)Hof. Um das Jahr 1377 ist das Kloster teils und 1404, Roos139 nach, ganz ruiniert
worden, also fast direkt nach dem Enstehen der RH. Später in der Geschichte kam de Elmare
als Kirche zurück und wurde als Reminiszenz noch einen Weg nach diesem Kloster benannt.
135
I. Teirlinck (1910)
M. Smallegange (1696), in: I. Teirlinck (1910)
137
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
138
A. Sanderus (1725)
139
G. Roos (1874)
136
55
Vz. 524 – 545 bzw. Vz. 471 – 486
Brun geht auf Reisen zum Schloss Reynkes. In RV geht er bergwärts, durch eine große, lange
Wüstenei, wo er schließlich in Reynkes Jagdgebiet gelangt, einen Ort zwischen zwei Bergen.
Brun steht vor dem Tor Reynkes besten Schlosses; Malepertusz, obwohl der Name dieses
Schlosses dem Leser noch unbekannt ist.
Brun aus RH geht auf Reisen zu Malepertusz über einen dunklen Wald gelangt er in eine
Wüstenei, wo die Pfade sich befinden, wo Reynaert oft jagt. Neben der Wüstenei befindet sich
ein hoher, langer Berg, wo Brun mittendurch gehen muss, um zu Mapertuus anzugelangen.
Seine Reise endet vor dem Tor des besten Schlosses Reynaerts. Der Leser liest: Malperthuus
heißt die Burg.
Das Schloss ist also in beiden Erzählungen wegen der Länge der Fahrt und der wüsten
Umgebung nur schwierig zu erreichen.
Vz. 557-578
Vz. 498-515
Dit verhoorde wel reynaert
Reynke horde wol desse worde. Erste unde lest
Die bynnen voor die poorte lach […]
He lach dar bynnen unde lurde […]
Om die warm te vander sonnen […]
Dar myt ghynck he deper in syne veste
Ende hit rat bet in sijn hol waert
Wente malepertus. Was der wynckel vul
Want mapertuus dat was al vol
Hier eyn ghath unde gyndert eyn hol
Hier een gat ginder een hol
Hadde mannyge krumme. Enge unde lanck
Nau crom ende lanck
Unde hadde ock mannygen seltzen uthganck [..]
Ende had mennigen uutganck […]
Mannich deer in sympelheyt. Ok dar in leep
Dattet mennigen dieren ginck utten speel
Dat he dar in. vorretlyken greep.
Dier in verdwaelden dair hise beliep
Vz. 653, 683, 693-695
Vz. 577-578, 605
Een kerl heet lanfreit woent hier bi […]
Eyn bur wonet hir de heth rustevyle
Nu ga wi oom enen snellen ganck […]
Dat is men eyne halve myle […]
So lang gingen si onder hem beiden
Se quemen to hant by ruste vyls thun
Dat sy tot lantfreits bynnen den tuun quamen
Vz. 701-702
Vz. 614-615
Ende had bynnen synen hove
[…] unde hadde in synem hove
Een eyck gebrocht utten woude
Lyggende eune eke […]
Vz. 770, 772
Vz. 671-672, ---
In mijn hoff is een beer gevaen
In myneme hove is eyn bare
In dorp en bleef oec wijf noch man
Ghevangen […]
56
Vz. 557-578 bzw. Vz. 498-515
In RH liegt Reynaert zwar in seiner Burg, die Sonne scheint allerdings auf seinem Pelz,
während Reynke vor seiner Festung aus auf Brun lauert. Beide Füchse haben Angst und
verstecken sich tiefer in den Bau, denn es gibt da viele Winkel, lange und krumme Gänge,
Höhle und Ausgänge. Die Festung wird in beiden Versionen viel ausführlicher beschrieben; in
Malperthuus ist der Fuchs richtig gut von Gegnern beschützt.
Mehr über Malperthuus:140
Außer in RH und RV kommt dieser Name in anderen mittelalterlichen Geschichten vor.
Im Roman de Renart wird diese Burg sehr ausführlich geschildert; das Schloss ist von einem
Ringmauer umgeben, verfügt über Schließlöcher, eine Zugbrücke und so weiter. Willem hat
Reynaerts Schloss in Stärke abnehmen lassen, denn letztendlich verlässt Reynaert seine
Wohnung. In RH wird die Burg in seiner Stärke wiederhergestellt, weil Reynaert in seinem
Schloss bleibt und nicht umzieht.
In der Erzählung wird der Leser mit Malperthuus eingeführt, weil Bruun, Tybaert und
Grimbaert zu diesem Schloss kommen, weil sie vom König beauftragt sind, Reynaert zu tagen.
Ein anderes Mal ist von Mapertuus die Rede, wenn der Fuchs seine Burg während seiner
Pilgerfahrt mit seinen Begleitern Cuwaert und Bellyn besucht. Seine Wohnung ist offenbar zu
klein für den Rammbock; er soll draußen warten, bis der Hase und der Fuchs die Burg wieder
verlassen (Vz. 3071-3078 bzw Vz. 2824-2831).
Maperthuus bedeutetet „schlechte Höhle“, oder „schlechter Bau”. Eventuell ist dieses tuus eine
Verflämschung zum Wort thuis. Es scheint ein unechter Name zu sein, ein sprechender Name,
es existieren trotzdem ganz bestimmt Orte in Frankreich, die diesen Name tragen. Auch in
Flandern gibt es zu der Zeit Orte, die so geheißen wurden. Im 14. Jahrhundert gibt es einen
Malpertuis in der Nähe von Hijfte und dem Reinaertsberch. Von diesem Berg ist schon 1220
die Rede, also noch bevor Van den vos Reynaerde geschrieben worden ist, obwohl die RenartGeschichten selbstverständlich weitererzählt werden. Derselbe oder ein anderer Maperteeus
existierte noch das Jahr 1313 herum; es ist eine große Burg, bei Desterlbergen und Gent
situiert. Dieser Maperteeus, Eigentum von Diederic Nothax, steht beim Reinaertsberch, einem
Wald und einer woestine141: die Brun, Tybaert und Grimbaert durchreisen müssen, um bei
Reynaerts Malpertuus anzugelangen. Auch ist es sehr wohl möglich, dass die Burg ihren
Namen trägt wegen der Tatsache, dass die französischen Geschichten über den Fuchs im
Umlauf waren und sehr populär waren.
Spezifisch zu Malperthuus ist zu bemerken, dass diese Burg in Van den vos Reynaerde als „das
beste Schloss” bestimmt wird: eine Definition, die sowohl in RH als RV nicht gültig mehr ist,
140
141
I. Teirlinck (1910) / B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
www.dbnl.org/tekst/dael009land_01_01/dael009land_01_01_0074.htm
57
denn in diesen beiden Versionen besitzt Reynaert nur ein Schloss; Malcroys, seine zweite
Burg, wird nicht mehr erwähnt. Van Daeles142 Versuch, den Besitz von zwei Festungen zu
erläutern, ist hier unnötig oder ungültig geworden. Er erklärt diese Tatsache, dass Füchse im
Allgemeinen mehrere Baue besitzen, weil sie dadurch die Möglichkeit haben nach mehreren
Stellen fliehen zu können. Meiner Meinung nach hat Reynaert nur eine Stelle, wo er sich
geschützt weiß; außerdem genügt seine Schlauheit und Listigkeit, um sich und seine Familie
schützen zu können.
Vz. 653, 683, 693-695/ Vz. 701-702 bzw. Vz. 577-578, 605/ Vz. 614-615
In der Nähe (RH: woent hier bi/ RV: eyne halve myle von Malepertuus entfernt) wohnt ein
Bauer. Das dieser Mann ein Bauer ist, zeigt sich in der Zeile: Lamfreit wohnt in einem
Bauernhof/ Rustevyl ist ein Bauer. Also in RH muss der Leser aus seiner Wohnung destillieren,
dass er ein Bauer ist. Er ist der Eigentümer eines Gartens, in dem sich eine gespaltete Eiche
befindet, die der Bauer aus dem Wald mitgebracht hatte. Der Wald scheint mir also ziemlich
nahebei; was in RV nicht suggeriert wird; da liegt die Eiche einfach, woher sie kam, bleibt
unvermeldet.
Vz. 770/ 772 bzw Vz. 671-672
Die Menschen folgen dem Bauern; in RH kommen sie aus dem Dorf, in RV bleibt es für den
Leser unklar, woher die Leute kommen.
Vz. 855-860
Vz. 749-758
Ende verspranck vanden groten slaghe
Van deme slage entspranck he myt syneme lyff
Tusschen der ryvieren en der haghe
Al rasende quam he manckt de wyff
In een trop van ouden wyven
Unde vel manckt se also seer
Ende werpper een getal van vyven
Dat der vuve quemen int rever
In een ryvier die dair liep
Dat dar by was. unde ok seer deep.
Die beide wijt was ende diep
142
Vz. 883, 889-890, 864-904
Vz. 773, 793-796, ---
Hi swemmede van daer al dat hi mochte
He konde noch swommen. Unde swam to degen.
Dat bruun svam dair hi besief
De strom leep snelle unde vast
Den meesten stroom […]
Den dreff he nedder myt unde vast
Dat hi wel een halve mile
Den dreff he nedder myt der hast
Van der stede was ghedreven […]
Unde quam in eyner korten wyle
Dat hi croop te lande wart
Vyl na bykant eyne myle
Ende ginck leggen rusten opten oever
He krop to lande. By dat sulfste rever
R. van Daele (1994)
58
Vz. 912-920, 932-933
Vz. 808-810, 812-813, 826
Eer hi van lantfreit was gegaen
He leep dar he welke honre wyste
Had hi een vet hoen gevaen
Der nam he eyn. unde leep ok seer
Dat hi heymelic myt hem droech
Al nedderwert by deme sulven rever
Buten weechs daert eenlic wass genoech
Unde ghynck vort dar he des hadde to don
Ghinc hi neder waert ten dael
Na deme rever. unde dranck ok tho […]
Want hi begeerde die ryvier […]
Quam he dar brun lach. van unschucht.
Neder ter rivieren waert
Ende sach wair bruun lach die beer
Vz. 979-984, 998
Vz. 863-865, 878
Hi liet hem synen willen spreken
Up dat he der worde nicht horde meer
Ende sloech weder in dat ryvier […]
Krop he wedder in dat rever
Hi swam neder wart den dael
Mitten stroom an dat ander lant […]
He dreff al myt deme strome nedder
Doe weyntelde hi licht voort twee mylen
Unde quam to hove. in deme verden daghe.
Vz. 1178
Vz. ---
Ga ic mit u al waert te mompelier
Vz. 855-860/883/889-890/864-904 bzw. Vz. 749-758/ 773, 793-796, --An dieser Stelle ist die niederländische Fassung ein wenig ausführlicher in ihrer Beschreibung;
nach einem Volltreffer fällt Brun zwischen dem Fluss und der Hecke in eine Gruppe von
Frauen. In der RV-Version wird erst deutlich, dass die Frauen neben dem Wasser stehen, denn
sie fallen hinein. Die Beschreibungen der beiden Flüsse stimmen überein: sie sind beide weit,
(sehr) tief, mit einem ziemlich starken Strom.
In RH ist Brun schneller an das Ufer als in RV; schon nach einer halben Meile statt einer
ganzen.
Vz. 918-919, 919-920, 932-933 bzw Vz. 809-810, 812-813, 826
Die Erzählungen sind hier fast identisch; der Fuchs geht hinunter zum Fluss, wo er Brun
begegnet. Jedoch sind kleine, doch wichtige Unterscheide aufzumerken. Reynaert sucht eine
sichere Stelle im Wald, wo er das Huhn, das er gefangen hat, fressen kann. In RH ist das Huhn
von Lamfreit gestohlen; bevor er das Land des Bauern verlässt, fängt er seine Beute. In RV
geht er zu einer Stelle, wo er gute Hühner gibt. Aus diesem Fragment lässt sich nicht eindeutig
schließen, dass Reynaert das Huhn aus dem Garten Rustevyls gestohlen hatte, denn es ist nicht
59
zu lesen, wann er diesen verlässt. Mir scheint es deswegen logischer, dass der Fuchs erst
unterwegs nach Hause, nehme ich an, seine Beute gefangen hat.
Vz. 979-984, 998 bzw Vz. 863-865, 878
Brun kann den Spott des Fuchses nicht mehr hören, lässt sich wieder in den Fluss fallen und
mitführen. In RH wird seine Ankunft am Hof in Abstand (zwei Meilen) wiedergegeben; in RV
wird in Tagen gezählt (am vierten Tag).
Vz. 1178 bzw. Vz. --Tybert sagt, dass er Reynaert folgen wird, sogar wenn er nach Mompelier reisen würde.
Mompelier, heutzutage als Montpellier geschrieben, wird hier als sehr fern gelegene Stadt
vorgestellt. Mompelier wird später noch mal angeführt; als Universitätstadt, wo man Medizin
studieren kann, wie Reynaerts Vater, Reynaert nach, getan hat.
Vz. 1183-1186
Vz. 1031-1032
Dus deden sy hem op die vaert
Se quemen to des papen schune to hant
Dat was tot des papen scuuyer
De was al umme van lemen de want
Die myt eenre steenre muuyr
Al om ende om was beloken
Vz. 1107, 1137-1143
Do reynke vor ere wonynge quam
(ere = Ghyremondes)
Nicht verne lach eyne woeste borch
Dar lepen se beyde hastygen dorch […]
Dar was eyne tobrokene müre
An eyneme torne der sulven borch
Dar leep reynke hastygen dorch
De sulve broke was seer enge.
Vz. 1340
Vz. 1241
Hem was te broken al sijn lenden
He quam to hove. sere gheschendet.
Vz. 1377-1381
Vz. 1281-1283
Do ghinc grymbart te maperthuus
Alzus ghynck he na malepertusz
Ende vant Reynaert in sijn huus
Unde vant reynken in syneme husz
Ende sijn wijff vrou Ermelijn
Syn wyff unde ock syne kyndere mede
Die sat al bi hair wiegelijn
60
En lach in die doncker hagedochte
Vz. 1469-1471
Vz. 1366-1369
[…] om dat hi sceide van mapertuus
Myt sodan worden scheyde he van dan […]
Ende liet sijns selfs casteel ende huus
Onberaden leer he syn hysz alzo
Also onberaden staen
Vz. 1183-1186 bzw Vz. 1031-1032
Die Scheune des papen ist aus einem anderen Material; die des RH-papen ist aus Stein, die des
RV-papen aus Lehm.
Vz. --- bzw. 1107/ 1137-1143
RV vermeldet nicht nur, dass Reynaert sich vom Kater verabschiedet, sondern auch, dass er
nicht up deverye, men ock up ebrock unde vorrederye, roven, morden gang und Vrouwe
Ghyremod suchte, die er später hinterher geht, um sie zu vergewaltigen.
Vz. 1377-1381 bzw Vz. 1281-1283
Als dritter Vorlader geht Grymbaert zu Mapertuus. Er trifft dort den Fuchs, seine Frau und
Kinder. Vrou Ermelijn, sie wird hier in RH mit Namen aufgeführt, sitzt, bei ihrer Wiege.
Daneben wird in RH erzählt, dass die Frau im Dunkeln sitzt, was ein unheimliches Gefühl
hervorruft; Mapertuus ist ein unangenehmer Ort.
Vz. 1469-1471 bzw Vz. 1366-1369
Der Fuchs folgt seinem Neffen; er geht weg aus seinem sicherem Schloss, was in RH
„aufgebauscht” wird, denn seine Wohnung dreimal wird genannt: hi sceide van mapertuus […]
sijns selfs casteel ende huus.
Vz. 1523
Vz. 1424-1425
Ic maecten monick ter elmaren
He quam to my to der elemar
(en = Ysengrijn)
In dat kloster. dar ik was.
Vz. 1545-1553
Vz. 1453-1461
Oec leyde icken tot spapen van bloys
Ik leydede en eyns in güleker lant
In al dat lant van vermendoys […]
To eynes papen hus seer wol bekant […]
Dese pape had een spijker
Desse hadde eynen langen spyker
Daer menich goet vet baeck in lach […]
Dar mannych specksyde ynne lach […]
Anden spijker had hi een gat
Isegrym brack dorch de want eyn gath […]
61
Ghemaect ende in dat
Ik heath en vry krupen dar in
Dede ic ysegrine crupen
Vz. 1613-1615
Ende
sleepten
Vz. 1520-1524
(-n
=
Ysengrijn,
Do worpen se ysegrym up de straten
Subjekt: alle die ghebeur) myt groten
Se slepeden en. dorch struck. dorch steen
ghehuuc
Neen nevent wart in em gheseen
Over steen ende over struuck
Se worpen en in eyne unreyne kule
Buten den dorp in een gracht
Wente he stanck greseliken vule
Vz. 1623-1650
Vz. 1545-1572
Doe leyd icken teenre stat […]
Dar was eyn venster up ghestuth […]
Ende dair stont een valduer by
He krop in wol half in vare […]
Op dat huus so clommen wy […]
Unde mothen (we) deper krepen in
Dat hi croop al in die duer […]
De balke was smla boven der dore
Ende stacken dat hi over voer
Dar w yup kropen. Men he was vore […]
Ende quam ghevallen opten vloer
Ik krop to rugge wedder uth
Want die haenbalcke was smal
Dat venster vel to. over lud
Do ick de stutte klyncken losz brack
Dat van ysegrym so sere vorschrack
Dat he vel eynen swaren val
Van deme balken. wente he was smal
Vz. 1715-1745
Vz. 1625-1659
Besiden den wech dair sy ronnen
Do ghynck he hen to hove wert […]
Stont een clooster van swarten nonnen
Se quemen up eyn slychten sant
Dair mennich ganns ende hoen
Dar lach eyn kloster tor rechten hant
Ende mennige hen ende cappoen
Dat horde geysteliken nonnen to
Dair plegen te wesen bynnen mueren […]
Se hadden vele hanen unde mannich hoen
Hier besidden over dit pass
Vele genze unde ok mannyghen kappon
Dair leit onse rechte straet
De vaken buten der müren weren […]
Ende myt dusdanigen beraet
Recht na dessem kloster to
Leide hi hem neven der mueren
Lycht unse rechte strate hen […]
Dair die hoenre bider schueren
Wente se (Hühner) gyngen dar buten dem schure
Ghingen weiden haer ende daer […]
Umme ere weyde. By der müre […]
Doe deden sy weder enen keer
Do kerden se (R&G) wedder tor rechten straten
Over ene smale brugge
Den wech over eyne smale brugge
62
Vz. 1523 bzw Vz /
Zum zweiten Mal ist hier die Rede von der elemar, in RV wird verdeutlicht, dass es sich hier
um ein Kloster handelt, wahrscheinlich weil der deutsche Leser mit diesem Kloster unbekannt
ist.
Vz. 1545-1553 bzw Vz. 1453-1461
Reynaert beichtet, dass er Ysengrijn zum Pater von Bloys, ins Land von Vermendoys geführt
hatte. Bloys liegt dann also in dat lant van vermendoys, einer Grafschaft mit dem Hauptstadt
St-Quentin, im Norden Frankreichs, die 1156-1186 Flandern gehörte.143 Besser aber kann,
Teirlinck zufolgde, der Oostkerker-ambacht gemeint werden, wovon der Abt St-Quentins
Patronherr war und es Oostkerke-in-Vermendois hieß. Die Abtei des Patronsherrn war eine der
vornehmste des 12. und 13. Jahrhunderts; da wohnte in der Tat gheen pape rijker (Vz. 1547).
Für das niederdeutsche Publikum würden dieses Bloys und Vermendoys so nichts sagend sein,
dass der Autor die Geschichte in güleker lant spielen lässt, in einem papen hus seer wol bekant.
Hier ist der Pater also nicht unbedingt reich, sondern nur sehr bekannt. Das ehemalige
Herzogtum ist jetzt Jülich geheißen und ist an der Ruhr situiert.
Vz. 1613-1615 bzw Vz. 1520-1525
Ysengrijn ist von den Bewohnern verprügelt worden und sie schleppen ihn, in RH, über steen
ende over struuck aus dem Dorf heraus in einen Graben. In RV wird Ysengrijn auch so
geschleppt, aber er wird in eine sehr schmutzige Grube geworfen, außer oder innerhalb des
Dorfes.
Vz. 1623-1650 bzw Vz. 1545-1572
Der Fuchs führte Ysengrijn in diese Scheune, wo RV ein wenig ausführlicher schildert wie der
Wolf zu Fall kommt.
Vz. 1715-1745 bzw Vz. 1625-1659
Die beiden, Reynaert und Grymbaert, gehen entlang eines Klosters van swarten nonnen (in RV
werden sie mit dem Pleonasmus geystliken nonnen angedeutet), wo sich die Gänse, Hühner,
Hähne und Kapaune oft außerhalb der Mauern wagen. Das Kloster liegt in RV tor rechten
hant. Mit den Erklärungen, dass krumme pade zu Unheil führen, würde es mir logischer
scheinen, dass das Kloster tor linken hant liegt, was auch auf Unheil hindeutet. In RH wird
bloß erzählt, dass das Kloster hier besidden over dit pass ist. Der Fuchs kann in RH kein Tier
greifen und in RV auch nicht, obwohl es dem Fuchs im letzten Fall leichter gemacht ist; die
Tiere [weren] vaken buten der müren, während sie in RH plegen te wesen bynnen
143
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
63
mueren…Bemerkenswert. Sie machen weiter (gehen nicht zurück), denn die Route geht jetzt
über eine kleine Brücke.
Vz. 1767-1768
Vz. 1679-1680
Tot si quamen ter rechter straten
Wente dat se quemen tor rechten straten
Die si te voren hadden ghelaten
De set to voren hadden ghelaten
Daer keerden si te hove waert
Vz. 1782-1789
Vz. 1694-1701
Hi ghinck […]
Drysticklyken hes o vor syck ghynck
Cierliken doer die hoochste strate […]
Tzyrlyken dorch de hogesten strate […]
Voer nobel den coninck ghinck hi staen Vor nobel den konnynck ghynck he staen
Midden inden heeren rinck
Manckt de heren. in den pallas
Vz. 2015
Ende leiden vast ter galgen waert
Tybert liep voor ongespaert
Si sprongen over mennigen tuun
Tybert. ysegrim. ende bruun
Mit reynaert den scalcken roden
Vz. 2061-2062
Tybert haest u ende cymt op
Knoopt aen die lijnde ende maect den strop
Vz. 2122-2124
Vz. 2001-2003
Dair na quam ic aen ysegrijn
Dar na quam ik by ysegryne
Te wijnter aen den ouden rijn
In eyneme wynter by deme ryne
Ende scuulde onder enen boom
He schulede under eyneme boem
Vz. 1767-1768 bzw. 1679-1680
Der Fuchs sagte vorher, dass die rechte strate am Kloster entlang liegt; der Erzähler meldet,
dass sie wieder ter rechter straten [quamen] und zum Hof gingen.
Vz. 1782-1789 bzw. 1694-1701
Der Fuchs geht selbstsicher die Hauptstraße durch und stellt sich vor den König, mitten in den
heeren rinck. Hier besteht der Kreis also nur aus Herren.
64
In RV betritt Reynke den Pallas des Königs, während in RH von einem Palast nie die Rede ist.
Vz. 1932-1945/ 2015/ 2061-2062 bzw Vz. 1857-1858
Vom Galgen wird in RH spezifisch geschrieben, dass er von haech end tuun umgeben ist,
worüber die vier Tiere springen, um beim Galgen anzugelangen, an dem Tybert die Schlinge
befestigt.
Vz. 2122-2124 bz. 2001-2003
Hier wird in RH den ouden rijn erwähnt, was sehr merkwürdig ist, denn diese fließt bei Leiden.
Dann würde man hier in Bezug auf diese Stelle und fast nur hier für einen holländischen Autor
plädieren, was wegen der vielen flämischen Namen sehr merkwürdig sein würde. Der RVErzähler hat das oude weggelassen und by deme ryne geschrieben, der natürlich durch seine
Umgebung fließt.
Vz. 2261-2263
Vz. 2138-2140
Had mijn heer mijn vader vonden
[…] myn here vader hadde ghevunden
Des conincs ermerijcs scat
Des mechtygen konnynges Emerykes schat
In enen verholentliken pat
In eyneme vorholentlyken pat
Vz. 2269-2273
Vz. 2146-2150, 2155
Hi dede tybert den cater varen
He leeth hyntzen den kater varen
In ardennen dat wilde lant […]
In ardenen dat wylde lant […]
Ende dat hi (Bruun) in vlaenderen Unde dat he in vlanderen komen scholde […]
comen soude
He reysede in vlanderen. altohant.
Vz. 2283-2285
Vz. 2162-2164
Ende quamen bi een dorp heet yfte
Dar lycht eyn dorp dat heeth yhfte
Tusschen yfte ende ghent
Twysschen yfte unde ghent
Hielden sy haer perlement
Hadden se sus dyt parlement
Vz. 2295
Vz. 2173-2174
Ende setten hem (B) inden stoel taken
Den (B) wolden se (die Verschwörer) to
konnynge maken
Unde voren en in den stoel te aken
65
Vz. 2261-2263 bzw. Vz. 2138-2140
Reynaert erzählt dem König vom gefundenen Schatz Königs Ermerijc (der mechtygen
konnynges, RV nach), der entlang einem verborgenen Pfad versteckt liegt.
Vz. 2269-2273 bzw. Vz. 2146-2150/ 2155
Tybert muss Bruun aus den Ardennen nach Flandern kommen lassen.
Mehr über Ardennen:144
Das Gebiet, das der Fuchs Nobel nennt als der Ort wo die Konspiration gegen den König
gehalten wurde. Die Ardennen sind Symbol für einen ungastlichen Landstrich. Auch Teirlinck
selbst deutet diese Gegend als „wüst“, im Gegensatz zum soeten lants, wo Nobel regiert. In RH
wird diese Gegend zum zweiten Mal erwähnt, wenn von die goede haen creayaert, die stoutste
die men vant tusschen Hollant ende Ordanen erzählt wird. Im Südflämischen werden die
Ardennen als „Ordanen“ geschrieben.145
Vz. 2283-2285 bzw. 2162-2164
Hier wird Hijfte genannt als Ort, wo sich die Verräter versammeln und wo in der Nähe die
Konspiration stattfindet (tusschen yfte ende ghent). Auffallend ist es, dass der niederdeutsche
Übersetzer diese Orte nicht durch deutsche ersetzt hat. Würde das beinhalten, dass sowohl
Gent, eine große Stadt als auch Hijfte beim niederdeutschen Publikum bekannt waren?
Mehr über Hijfte:146
Zwischen Hijfte und Gent war in der Tat ein Wald (loo genannt).
Teirlinck führt ein
Dokument aus dem Jahre 1348 an, worin auf ein gutes Maperteeus gewiesen wird. Ansonst
versuchen De Potter und Broeckaert147 anzudeuten, dass der Reinersberch (den sie auf einer
Karte aus 1571 gefunden haben), der Ort ist, an dem die Konspiration stattgefunden hat.
Meiner Meinung nach, ist dieses Maperteeus ein Name für Renarts Wohnung, den
französischen Fuchs, der zu der Zeit schon bekannt war. Solches gilt, meine ich,
wahrscheinlich auch für den Reinerberch; er verweist nach dem Roman de Renart. Oder der
Berg wurde erst so genannt, nachdem bekannt wurde, dass die Konspiration in dieser Gegend
stattgefunden hat.
Ghent ist die Hauptstadt Flandern. Ysengrijn macht einen Vergleich, in dem er Ghent
erwähnt:all das Pergament aus Ghent würde nicht genügen, alle Missetaten Reynaerts darauf
144
I. Teirlinck (1910)
Im südflämischen Akzent wird das „a“ von einem „o“ ersetzt. Andere Beispiele sind: torte = taarten, korte =
kaarte.
146
I. Teirlinck (1910)
147
F. de Potter & K. Broeckaert (1864), in: I. Teirlinck (1910)
145
66
auflisten zu können. Das zweite Mal, dass Ghent in der Geschichte genannt wird, ist dann,
wenn Reynaert den Ort andeutet, wo die Verschwörer sich versammeln: zwischen Hijfte und
Ghent. Hierin ist ein kleines Gebiet beschlossen, wodurch der König Angst hätte fühlen
müssen; die Verschwörung fand fast an den Toren der Hauptstadt statt.
Vz. 2295 bzw. Vz. 2173-2174
Bruun würde in Aachen gekrönt, wenn der Putsch richtig ausgeführt worden hätte.
Über Aachen:148 Aachen wird daneben noch von Reynaert erwähnt, um den König von der
Echtheit Kriekepits zu überzeugen; Aachen existiert, also Kriekepit auch. Aachen ist die
Hauptstadt des Römischen Reiches, sodass hier viele Könige thronten, wie Karl der Große149,
der der Stadt viel Freiheit gab und hier auch begraben liegt. Brun wird König, weil Könige,
nach ihrer Krönung erst in Rom den Titel Kaiser bekommen. Später empfing der König den
Titel ohne nach Rom abzureisen.
Vz. 2387-2388
Vz. 2242
Ic wachte nauwe tallen stonden
In deme velde efte in deme wolde
In bosch in hage. in veld in woude
Vz. 2394-2400, 2422
Vz. 2247-2262, 2271
Tenen tiden lach ic in die eerde […]
Ik lach up eyne typ in der erde […]
Doe zach ic mynen vader comen
Do sach ik mynen vader komen
Uut enen hool gelopen […]
Uth eyner steynrytzen de was deepe […]
Ende stopte sijn hol weder myt zande
He stopte dat hol wedder myt sande
Ende maecte gelijk de lande […]
Unde makede dat ghelyck deme anderen lande
Ende liep ten dorp waer om sijn generen
Sus leep je wech na syneme ghewynne
Vz. 2441-2442
Wij droegen onder enen hagen
In een hol in die eerde wel diep
148
149
Vz. 2460-2462
Vz. 2306-2308
Doe mijn vader al om end om
Do myn vader al umme myt pyne
Tusschen der elven en der som
Twysschen der elve unde deme ryne
Hadde gelopen al door tlant
Hadde ghelopen dorch de lant
I. Teirlinck (1910)
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
67
Vz. 2387-2388/ 2394-2400/ 2422/ 2441-2442 bzw. 2242/ 2247-2262/ 2271/ --Hier wird das Nachspionieren von Reynaerts Vater beschrieben. In RH geht der Vater durch
bosch, hage, veld und woude; während er sich in RV auf velde und wolde beschränkt. Das hool,
das in RH ungedeutet bleibt, wird in RV als eyner steynrytzen de was deepe geschildert, also
kein Loch im Grund, sondern in einem Felsen. In RH wird dann wieder ausfühlicher
beschrieben, wo Reynaert und seine Frau den Schatz versteckten.
Vz. 2460-2462 bzw Vz. 2306-2308
Tusschen der elven en der som (die Somme ist ein bekannte französischer Fluss, der nicht weit
von St-Quentin entspringt) werden in RH Tiere für den Putsch rekrutiert, während der Vater in
RV ein kleineres Gebiet nach Rekruten absucht, nämlich twysschen der elve unde deme ryne.
Im Niederdeutschen wird mit dieser Abgrenzung nur in Deutschland gesucht.
Vz. 2472
Vz. 2317
In tlant van zassen had geleden
Int lant van sassen hadde gheleden
Vz. 2485
Vz. 2332
Beide van dooryngen ende van zassen
Beyde van dorryngen unde van sassen
Vz. 2597-2622
Vz. 2439-2465
Int oost van vlaenderen staet
Int osten van vlanderen. merket my
Een Bosch dat heet hulsteloo […]
Dar lycht eyne grote wosteny
Een water heet krieken pit
Dar is eyn busch. de heth husterlo […]
Het staet dair bi niet ver van dan
Dar is eyn born. heth krekelput […]
Dair en coomt wijff noch man
Desse steyt nicht vern dar van
Dicke in enen halven iaer
Dar kumpt nicht hen. Wer wyff efte man
So grote wildernis is daet
Ja in eyneme gantzen yar
Sonder die uul ende scuufuut
So grote wyltnysse. Is al dar
Heer dair leit die scat gehuut […]
Sunder de ule unde de schufuth
En gaet dair selve ende als ghi
Here dar lycht de schat behuth […]
Krieken pit coomt bi
Wan gy krekelputte. vor by syn
Suldi dair vijnden twee iongen berken […] Werde gy dar vynden twey yunge berken […]
Die alre naest den pit staet
De harde by deme putte staet
Heer tot dier berken gaet
Gnedyghe here. To den berken ghaet
Dair leit die scat onder begraven
Dar lycht de schat under begraven
Dair seldi delven ende scraven
Dar schole gy kratzen unde schraven
Een luttel moss aen deen zide
Denne vynde gy mosz an eyner syde
68
Vz. 2643-2644
Vz. 2484-2485
Ic heb gehoort noemen aken
Ik hebbe wol horen nomen aken
Parijs. Kolen ende duwa
Lüpke. kollen unde parys.
Vz. 2651-2654
Vz. 2490-2493
Gy zijt dair heer coninc also na
He sprack here. Ick wyse yw yo nicht verne
Als van romen tot valeye
Alse wente to der groten yordane
Waen di dat ic u die leye
Dat gy my sus holden in quademe wane
Wisen wil ter fluvie iordaen
Id is hir harde by in flanderen
Vz. 2472/ 2485 bzw Vz. 2317/ 2332
Hier ist vom Land von Sassen die Rede; eine für den Erzähler ungastliche Gegend, wo sich
bestimmt Männer rekrutieren lassen wollen. Im 13. Jahrhundert gab es übrigens viele
Handelsbeziehungen zwischen Flandern und Sachsen.150
Dooryngen (Thüringen) wird als anderes Ende des Rekrutierungsgebiets angedeutet, sodass für
das Königspaar klar ist, dass innerhalb eines ganz großen Gebiets rekrutiert wird.
Vz. 2597-2622 bzw. Vz. 2439-2465
Im Osten Flanderns steht ein Bosch (RH) oder grote wosteny (RV) namens Hulsterloo, dabei
ein Wasser namens Kriekenpit (RH) oder Krekelput (RV), wo ein halbes Jahr niemand
kommt(nach RH, RV nach in einem ganzen Jahr). Da wo sich der Schatz befindet ist es so
grote wildernis. Neben dem Brunnen findet man zwei junge Birken, worunter, unter ein wenig
Moos, befindet sich der Schatz.
Mehr über Hulsterloo:151
Reynaert stellt diesen Wald oder Sumpf mit einem Brunnen als der Ort, wo Ermerijkes Schatz
versteckt liegt, vor. Damit der Putsch auf den König bezahlt werden sollte, die er veredelt hat,
obwohl dem König die Schatzgeschichte freilich fatal wird. Hulsterloo ist eufemistisch gesagt
ungastlich, wild und verlassen, im Gegensatz zum Anfang der Erzählung, wo ein locus
amoenus geschildert wird, wird hier ein locus terribilis skizziert. In RV führt Ysengrijn diesen
Ort wieder an, womit er begründen will, dass Reynaert nur Lügen verbreitet. Damit gibt er
implizit an, dass sie tatsächlich den Schatz gesucht haben.
150
151
I. Teirlinck (1910)
I. Teirlinck (1910)
69
Hulsterloo wird in einem Spendebrief aus dem Jahr 1136 erwähnt, worin der Graf von
Flandern, Dirk von dem Elsaß, Hulsterloo und seine Wälder, Marschländer, Sümpfe, Seen und
Weiden der Abtei Drongens schenkt.
Im Jahre 1156 schreibt der Bisschof, Godefried von Utrecht, dem Abt und Mönche Hulsterloos,
dass sie in Hulsterloo Beerdigungen ausführen dürfen; eine wüste Gegend kann dieser Ort zu
der Zeit also kaum gewesen zijn, waldig schon. Hulsterloo wird zu einer Begrabnis- und
Wallfahrtstätte, mit Marienbild, sodass auch der Ausdruck „verlassen” für diese Gegend nicht
mehr geeignet ist.
1578 werden die Besitztümer des Klosters durch die Regierung Gents übernommen und später
im Jahr wird das Gotteshaus von den Reformern zerstört. Am 29. Januar 1581 wird alles für 33
Pfund 17 Schilling verkauft; der Ort Hulsterloo verschwindet von der Landeskarte.
Als Hulsterloo noch auf der Karte zu finden war, gab es mehrere Orte mit diesem Namen. Es
gab einen Hulsterloo bei Damme, Brugge und Erdenborch (= Aardenburg). Dieser Ort wird
bekannt aus einigen Dokumenten aus dieser Zeit. Teirlinck führt eine Anzahl Dokumente an,
wie ein Pilgerdokument aus dem Jahre 1325, worin über den Weg nach Hulsterloo und
Erdenborch zu lesen ist. Oder aus dem Rentebuch des Gotteshaus zur Wijngaarde (Brugge)
1437: inde prochye van sinte katelinen buten damme…ende ande oostside leight onser vrouwen
land van hulsterloe. Hulsterloo besitzt offenbar eine Kapelle mit in der Nähe einen Criekepit.
Es bleibt allerdings unklar, seit welchem Jahre dieser Criekepit existiert, sodass es entweder
undeutlich bleibt ob und wo sich der Brunnen befand oder ob der Brunnen erst nach den
Geschichten über Reynaert von lokalen Reynaertliebern angelegt oder geheißen wurden.
Ein anderer Hulsterloo ist das Hulsterloo bei Hulst und Kieldrecht. Auf der historischen
Landkarte152 findet man diesen Ort namens Hulderlo.
Teirlinck schließt, dass das Hulsterloo Reynaerts das letztgenannte ist; erstens, weil dieser Platz
im soete lant van Waes, das Land Nobels also liegt, zweitens war es zu der Zeit offenbar eine
Wallfahrtstätte. Außerdem befand sich an dieser Stelle eine kreke, die in die Schelde floß,
sodass auch Criekepit gedeutet wird. Viertens führt Teirlinck an, dass Kieldrecht im 15.
Jahrhundert Landesteile besaß; den Simon, die woestijne und die wildernesse, genau die drei
Landesarten, die auch in RH vorkommen, obwohl der Name simon als Gebiet nicht feststellbar
ist. Überdies bestand 1444 eine warande; de warande van Hulsterloo buten den Beverschen
wegh, worüber Cuwaert auch redet (RH, Vz. 2678). Cuwaert redet ansonsten von einem moer,
einer woestine wo Hulsterloo sich befinden soll. Zum Schluss noch eine Bemerkung über den
möglichen Autor; in einer Urkunde aus dem Jahre 1269 ist die Rede von einer Willelmus
Clericus, der in oder bei Hulsterloo wohnte und den Teirlinck für einen wahrscheinlichen
Dichter Van den vos Reynaerdes hält.
152
www.dbnl.nl/atlas/ovl_15.htm
70
Für mich sind alle obenstehenden Argumente zu wählen für Hulsterloo in der Nähe von Hulst
als Ort wo die Reynaertgeschichte sich abspielt, nicht alle entscheidend. Warum ist es positiv,
dass Hulsterloo, de woestine, der Gegensatz des Reiches Nobels, wie Teirlinck so oft in seinem
Werk wiederholt, in dem Königreichs liegt und gerade nicht weit außerhalb dieses Reiches?
Für mich würden Hulsterloo bei Damme und Brugge den Erwartungen in Bezug auf den Text
mehr entsprechen. Zweitens findet Teirlinck es offensichtlich entscheidend Hulsterloo bei
Hulst über das andere Hulsterloo zu stellen, wenn er sagt, dass dieser Ort eine Wallfahrtstätte
ist, was meiner Meinung nach darauf hindeutet, dass dieser Ort eben nicht wüst und
unbewohnbar ist oder zumindest stille und unheimlich gewesen sein soll. Außerdem sind
bestimmt mehrere woestinen und wildernessen in der Nähe von Städten und Dörfern bekannt,
auch die an Dritte verkauft werden, sodass Kieldrecht nicht der einzige Ort ist, der in Frage
kommt, ein Hulsterloo zu „besitzen”. Dann verfügt Hulsterloo offensichtlich über eine
warande; wie selten ist dies allerdings? Ich vermute, dass jede sogenannte wildernes ein
Jagdgebiet besitzt. Schon interessant ist es, dass der mögliche Autor von Van den vos
Reynaerde, Willelmus Clericus, um das Jahr 1269 in (der Nähe von) Hulsterloo wohnte. Ein
Kleriker, ein gebildeter Mann, kurz ein Mitbewerber für den Titel „Autor des Van den vos
Reynaerdes”. Trotzdem schließt diese Tatsache nicht aus, dass Hulsterloo nicht bei Damme
und Brugge situiert sein kann. Ein Stück weiter in der Nähe Brugges liegt nämlich auch
Dixmude, der Nachname eines anderen möglichen Autor dieses Werkes.
Mehr Kriekenpit/ Krekelput/ Kriekenput:153
Reynaert spricht in Hyperbolen, wie der Leser mittlerweile von Reynaert gewöhnt ist, von
Ermerijckes Schatz, der bei Kriekepit, von Reynaert als ein Wasser in der Nähe von Hulsterloo
angegeben, begraben liegen soll. Der König vermutet, dass Kriekeput nicht existiert und dass
der Fuchs sich den Namen ausgedacht hat. Cuwaert dann weiß allerdings während seines
kleinen Verhörs genau zu erzählen, dass er mal in Hulsterloo war und sich diesen Besuch als
unheimlich erinnern kann (Hunger, Armut, großen Kummer). Das Königspaar schenkt der
Geschichte keinen Glauben und verwechselt den offenbaren Raum, wo das Verhör stattfindet,
für ein privates. Reynaert rät dem König selbst diesen Ort zu besuchen. Er wird dann zwei
jungen Birken bei einem Brunnen finden, worunter sich der Schatz Ermerijckes befindet. Seine
Frau erzählt Reynaert die Wahrheit, nehmen wir als Leser an: Reynaert erzählt, dass er den
König nach Kriekepit geführt hat und dass er vergeblich den Schatz suchen wird (Vz. 31663169). Aus seinem Geständnis stellt sich nicht heraus, dass Kriekepit an sich nicht existiert,
sonst würde ich hier erwarten, dass Reynaert sagte: „ich habe den König zu einem sogenannten
Ort „Kriekepit” geschickt”. Hieraus würde sich dann herausstellen, dass auch diese Gegend
eine Lüge ist. Nun stellt sich heraus, dass über den Schatz an sich gelogen ist; der König kann
schon nach Kriekepit fahren, der Schatz wird aber nicht zu finden sein. Ysengrijn wiederholt in
153
I. Teirlinck (1910)
71
RV diese Geschichte mit der Suche nach dem Schatz nochmal, was zumindest beinhaltet, dass
sie ja sicherlich auf der Suche gegangen sind.
Hat Kriekepit wirklich existiert? Man neigt sich dazu, diese Frage verneinend zu beantworten.
Es existierte schon in Krekelbeek, die ihren Ursprung in Lichtervelde hatte, südwärts floß und
in Dixmude ihr Ende fand. An sich könnte es so sein, dass sich in der Nähe Lichterveldes einen
Krekelput befand, weil sich da wahrscheinlich ein Weiler namens Krekel befand. Aus
Reynaerts Beschreibung allerdings, stellt sich heraus, dass der Krekelput sich in der Nähe
Hulsterloos befindet und Teirlinck hat dieses Hulsterloo bei Beernem situiert, relativ weit von
Krekel entfernt.
Dann bleibt noch die Möglichkeit übrig, den Namen Krekelput etymologisch zu erklären. Der
Teil -put lässt sich leicht erklären: ein Brunnen. Krekel ist „Grille“ oder eine Art Kirsche oder
Pflaume. In diesem Fall befinden sich dann Grillen, Kirschen oder Pflaumen in der Nähe des
Brunnens. „Krekel-“ ist eventuell auch als kreke (kreek) zu lesen, was „Rinne“ oder
„Meeresbucht“ bedeuten kann.
Vz. 2643-2644 bzw Vz. 2484-2485
Der König glaubt die Beichte über den Schatz nicht, obwohl er sich meiner Meinung nach
dafür merkwürdig ausdrückt; er hat Aken, Parijs, Kolen ende Duwa gehört, mer also ic my
versta So spot gi mit my ende room Want krieken pit dat gi ons noomt Dat is een gevensde
naem. Er meint, er kennt diese vier Städte, von Kriekenpit aber, hat er nie gehört.
In RV wird Duwa mit Lüpke verwechselt, wobei wahrscheinlich Lübeck gemeint ist, der Ort,
an dem RV entstanden ist.
Mehr über Parijs:154
auch schon im Mittelalter eine weltberühmte Stadt. Parijs wird in RH weiter noch mit Avignon
und Rom aufgelistet, als Stadt wo die Kleriker leben.
Mehr über Duwa:155
eine Stadt im Norden Frankreichs, von welcher der Scharlach in Europa sehr berühmt war.
Vz. 2651-2654 bzw Vz. 2490-2493
Reynaert widerspricht, die Geschichte sei gelogen mit der sprichwortartigen Aussage: gy zijt
dair, heer coninc, also na als van romen tot valeye. Er gibt an, dass er ja doch den nobelen
König nicht den Fluss leye beim Fluss iordaen suchen lassen würde. D.h., dass er diese
154
155
I. Teirlinck (1910)
I. Teirlinck (1910)
72
wichtige Person, die er so sehr achtet, nicht irreführen würde. Teirlinck vermutet, dass, weil
valeye als Ortsname unmöglich zu bestimmen ist, diese Aussage von Rom mit valeye eine
komische ist, damit eine Stadt mit einem Gattungsnamen verbunden wird.
Die Leie fließt aus der Schelde durch Flandern und nicht durch Palästina, wie Reynaert in RV
explizit und beschuldigend sagt.
Vz. 2677- 2678
Vz. 2509-2510
Het staet int Bosch van hulster lo
Krekelput is by husterlo
Op die warand in die woestijn
Dat is eyn busdch. De heth alzo
Vz. 2685
Symonet die rike vriess
Vz. 2735
Vz. 2546
Wilic te romen om oflaet
Na rome. umme gnade unde aflaet
Van romen will ic ouer meer
Van dar wyl ick ouer meer
Vz. 2759-2764
Vz. 2570-2575
Ghinc nobel die coninc staen
Ghynck de konninck sulven staen
Op een hoge staedse van steen
Up eynne hoghe stede van steyne
Ende hiet die dieren al gemeen
Unde heet de deren alghemeyne
Swigen ende sitten neder in tgras
Swygen unde sytten int gras
Ellic na dat hi geboren was
Islyck na dat he gheboren was
Reynaert stont bider conincynnen
Reynke stunt by der konnyngynnen
Vz. 2791-2792
Vz. 2604-205
Ende totten paeus te romen gaen
Unde to deme pawes tor ome ghan
Van danen wil hi over zee
Van dannen wyl he over dat meer
Vz 2822-2823
Isegrim quam myt gewelt
Voor den coninc op dat velt
Vz. 2904
Vz. 2689
Sel beiagen ouer zee
Wente ik mod wanderen ouer de see.
73
Vz. 2952
Vz. ---
Nu wil reynaert over die zeer varen
Vz. 2677-2678 bzw Vz. 2509-2510
Cuwaert wiederholt die Stelle, wo Hulsterloo sich befindet und fügt (in RH) dazu: op die
warand in die woestijn.156
Vz. 2685 bzw --In der Nähe von Kieldrecht befinden sich die obenerwähnten drei Gebiete, einer davon ist
„simon”. Ein Argument dafür, Hulsterloo ja doch bei Kieldrecht zu situieren. Die vriess könnte
eine korrupte Stelle sein, wo eigentlich sies, d.i. Hund, hätte stehen müssen. Andererseits ist
„De Vries” ein gängiger Name in Flandern. Ich glaube nicht, die vriess hätte etwas mit
Friesland zu tun, denn kein einziges Fragment der Geschichte spielt sich im Norden der
Niederlande ab.
Vz. 2735/ 2791-2792/ --- /2904/2952 bzw Vz. 2546/ 2604-2605/ 2981-2983/ 2689/ --Keine Besonderheiten: in beiden Versionen hat der Fuchs vor, um Ablässe over meer in Rom,
beim Papst abzuholen, um danach wieder over zee zu fahren (nach Jerusalem, wie RV schon
verrät).
Vz. 2759-2764/ 2822-2823 bzw Vz. 2570-2575/ 2621-2622
An dieser Stelle lese ich, wie sich die Versammlung am Hoftag gesetzt hat. Jedes Tier sitzt auf
dem Gras, je nach seiner Geburt, also nach Art und Alter. Und das Königspaar steht hoch auf
einem Stein.
Vz. 2969
Ende ginc staen voor sijn (Belyns)
outaer
Vz. 3071-3078
Vz. 2824-2831
Dat si (B/ K) myt hem gingen voort
Alzo dat se ghyngen myt eme vort
Tot dat sy quamen voor sijn huus
Wente dat se quemen vor syn husz
Aen dat casteel van maperthuus
By dat kastel. to malepertusz
Als reynaert voor die poort quam
Alze reynke vor de porte quam
Sprac hi neve bellijn den ram
He sprak. Bellyn neve, to dem ram
156
Was macht ein cuwaert (Feigling) und ein Hasen überhaupt in einem Jagdgebiet? Ich kann mich schon sehr
wohl vorstellen, dass er da Angst gehabt hat.
74
Ghi moet alleene buten staen
Ick moet in myne veste ghaen
Ic moet in mine veste gaen
Lampe schal in ghaen myt my
Kuwaert sel in gaen myt my
Vz. 3088-3090
Vz. 2841-2842
In sijn hol leyde kuweerd
Dar lach de vossynne. in sorgen bedwungen
Dair vonden sy leggen op die eerd
Myt den kleyen beyden yungen
Vrou ermelijn bi haren iongen
Vz. 3153-3158
Vz. 2911
In een schoon ander foreest
Wy moten hen in swaven lant
Dair mogen wi wesen ongevreest […]
Dar wy syn sus umbekant
Eer men ons dair vijnden can
Unde möten dar holden des landes wyse
Dair is planteit van goeder spisen
Help dar is so söte spyse
Dair sijn snyppen ende patrysen
Honre. sucker. vygen unde rosynen
Ende veel ander vogelwilt
Dar synt vele vöghele. kleyn unde groet
Myt eygeren unde botteren backetmen dar dat
broet
Dar is gud water. reyne unde klar
Help wat söter lucht is dar
Dar synt vyssche de heten gallynen
De smecken beth wan yennyghe rosynen
Ock welke andere. alze auca
Pullus. gallus unde pauca
Dyt synt al vyssche van mynen dyngen
Dar derf ick nicht deepe int water na spryngen
Sodane ath ick in deme orden
Do ick klüsenare was gheworden
Seet vrouwe. wyl wy leven in vrede
Dar wyl wy hen. gy moten mede.
Vz. 3184-3198
Vz. 2951-2964
Ic en rade ons niet sprac ermelijn
Vrouwe ermelyn sprack alto hant
Te varen in een ander woestijn
Schole wy nu theen. in eyn ander lant
Dair wi allendich ende vreemde
Dat wy elende unde vromde weren
weren
Hebbe wy doch hir. wat wy begheren […]
Wy hebben hier al ons begeren […]
Wy mogen hir leven. myt sekerer hode
Wij mogen hier leven in sekerre
Unse borch is yo gud unde vast […]
75
hoed
Dar synt so vele sydelghate […]
Onse borch is goet ende vast […]
Wente wy wetten hir mannygen ghanck
Hier sijn so veel zidel gate […]
Wy weten die wege over al
Vz. 2969 bzw. Vz. /
Belyn hält für Reynaerts Pilgerfahrt einen kurzen Dienst. In RV könnte es auch so sein, dass
Belyn vor dem König nur einige Stellen aus der Bibel vorliest.
Vz. 3071-3078 bzw Vz. 2824-2831
Sehe hier oben.
Vz. 3088-3090 bzw. Vz. 2841-2842
Die Frau Reynaerts, Vrou Ermelijn, liegt wie hier oben zu lesen ist, wieder bei ihren Jungen.
Vz. 3153-3165 bzw. Vz. 2911-2930
Reynaert schlägt seiner Frau eine Flucht vor, denn er hat dem König einen Schatz versprochen,
der nicht existiert.
In RH wird dieses foreest nicht bei Namen erwähnt, der Ort wird als ein schöner Wald, wo sie
von Feinden keine Gefahr zu befürchten haben, wo sie ohne Angst allerlei gutes Fressen haben:
allerlei Vögel, Wild, klare Brunnen, schöne Luft beschrieben.
Das schöne Land in RV wird nicht nur ausführlicher beschrieben, sondern wird daneben beim
Namen genannt: wy moten hen in swaven lant (Vz. 2911), in Bayern also, wo söte spyse zu
finden sein: Hönig, Zucker, Feigen und Rosinen. Daneben lassen sich auch Vögel
allerlei Größe fangen (in RH werden die Vögel in Arten unterschieden, während sie in RV nach
Größe untergeordnet werden.)
Auffallend ist es, dass Reynaert anfängt, die süßen Speisen aufzulisten, wonach er nach den
Vögeln (die „logische“ Speise der Füchse), auch Eier und Butter nannt, womit man Brot
backen kann. Wieso würden diese Ingredienzen von einem Fuchs über zum Beispiel klares
Wasser und allerlei Fische erwähnt? Denn auch Fische werden in RV in allerlei Art aufgelistet,
die beth [smecken] wan yennyghe rosynen.
Vz. 3184-3198 bzw Vz. 2951-2964
Frau Ermelijn rät den Fluchtplan ab: warum müssen sie zu einer anderen Wüste fliehen? Sie
leben also schon in einer Wüste, denn es ist die Rede von „anderen” (RV spricht von einem
anderen Land). Hier haben sie alles, was sie brauchen und begehren, sie sind in ihrer Burg
geschützt, die so viel Löcher hat, worin nur sie sich auskennen.
76
Vz. 3758-3760
Vz. 3530-3531
Hy liep henen die rechte straten
He leep hastygen unde drade
Die te maperthuus lagen
Na reynken slot […]
Hy en spaerde bosch noch hagen
Vz. 3775-3776
Vz. 3541-3542
Quam hi (Grymbart) tot maperthuus gegaen
Quam he to malepertusz ghegaen
En vant reynaert dair voor staen
Unde vant reynken dar buten staen
Vz. 3867
Vz. 3623
Ende sijn bynnen den berch gecomen
Myt des reynke bynnen ghynck
Vz. 3956
Vz. 3698
Ende doe sy (G&R) op die heide quamen Ghyngen to samende over de heyde
Vz. 3996-3997
Vz. 3737-3738
Wi quamen gaende ic ende hi (R&Y)
Wente wy beyden up eyne typ ghyngen
Tusschen honthorst ende everdingen
Twysschen kackusz unde elverdyngen
Vz. 3758-3760/ 3775-3776 bzw. Vz. 3530-3531/ 3541-3542
An dieser Stelle fällt auf, dass in RH von rechte straten die Rede ist, die offenbar schon zu
Maperthuus führen können. Vorausgesetzt, dass krumme Pfade, wie uA Wackers157 meint, zu
schlechten Situationen führen und gute (d.i. rechte) Pfade zu guten Situationen gehören.
Hierüber in der Schlussfolgerung über: Konflikte, Dorf – Hof – Bau mehr.
Ansonsten kommt die Eile zum Ausdruck, im Schonen von Bosch noch hagen in RH, während
sie in RV mit Geschwindigkeit ausgedrückt wird: he leep hastygen unde drade.
Zum Schluss wird hier Mapertuus mit Namen genannt, währen in RV bloß von reynken slot
gesprochen wird, wie die Burg in beiden Geschichten ebenfalls angedeutet wird, wenn
Grymbart hier arriviert und Reynaert draußen trifft.
Vz. 3867-3869 bzw. Vz. 3623/ --Erst aber gehen sie zu seiner Wohnung. In RH wird diese für das erste Mal nicht als Burg oder
Schloss vorgestellt, sondern als Bau, denn sie gehen bynnen den berch. Indem der Leser sich
die Vorstellung von einem riesigen Schloss gemacht hat, geht diese wirklich verloren, während
157
H. van Dijk & P. Wackers (1999)
77
sie in RV immer noch behalten bleiben kann, denn reynke [ghynck] bynnen, wobei sich der
Leser noch immer ein Schloss vorstellen kann.
Daneben finden die beiden Frau Ermeline wieder (zum dritten Mal) bei ihren Kindern.
Vz. 3956/ 3996-3997 bzw. Vz. 3698/ 3737-3738
Unterwegs beichtet Reynaert bei Grymbart op die heide einige seiner Missetaten:
die List mit Ysengrijn und der Stute, tusschen honthorst ende everdingen, wobei RV twysschen
kackusz unde elverdyngen berichtet.
Mehr über Honthorst, Everdingen, Kackusz, Elverdyngen:158
Hier kann auch „Houthorst” gelesen werden, wobei „horst” und „hulst” sich etymologisch
ähneln und „Holz” oder „Gebüsch” bedeutet. Willems159 nach, liegt dieses e (l )verdingen
sowie houthorst zwischen Ieperen und Diksmude.
Heeroma führt an, dass Honthorst in Holland, in der Nähe von Woerden, am Oude Rijn situiert
war und Everdingen in der Nähe des Flusses Lek.
RH spricht von „Kackusz”, was ein Schreib- Les- oder Setzfehler für Calais sein könnte.
Teirlinck zufolge ist diese Erklärung sehr unwahrscheinlich, weil Reynaert eine List beschreibt,
wobei er sich die genaue Stelle nicht mehr erinnern kann. Dann scheint es sehr logisch, dass
man zwei in der Nähe liegende Orte aufführt, woraus der Zuhörer sich eine Vorstellung des
„Tatorts” machen kann: Calais und Elverdingen passen nicht in diese Erklärung.
Teirlinck wirft noch zwei mögliche Deutungen des Ortes Kackusz auf. Es kann einer der drei in
der Nähe von Elverdingen liegenden Orte „Koekuit” sein, oder es ist ein spöttender Name, wie
so viele in dieser Geschichte: kackhûs, also Latrine.
Die Bedeutung oder Lage bleiben ansonsten unklar.
Vz. 4040
Vz. 3777
Te erffort ende te provijn
Hebbe ick doch t oerfort de schole
gheholden
Vz. 3973
Id is waer. vele papen syn in lomberdyen
Vz. 4129, 4140, 4150
Schal ik to rome […]
Ik (mertijn) wyl recht nu up na roem
Wente ick (mertijn) to rome den loep wol weet
158
159
I. Teirlinck (1910)
J. Willems (1845), in : I. Teirlinck (1910)
78
Vz. 4404-4405
Dat ic wel openbaer der trecken
Int licht en spreken voir die goede
Vz. 4233-4234, 4235, 4241-4244
Reynke ghynck vord ane gheleyde
Myt grymbarde. in der konnynges hoff […]
Reynke quam echt in den hoff […]
Unde ghynck wech dorch alle de barone
Sus quemen se beyde vor den konnynck
Vz. 4040 bzw. Vz. 3777
Ysengrijn gibt hier an, dass er te erffort ende te provijn Unterricht empfangen hat, sodass er
walsch, duutsch ende latijn (RH, Vz. 4039) lesen kann, in RV (Vz. 3776) subtil in düdesch,
walsch, latin, franszosz geändert ist, mehr Sprachen, aber weniger Schulen: nur in oerfort hat
Ysengrijn Unterricht genossen.
Mehr über Erffort und Provijn:160
Zu Erfurt, Thüringen, wurde um das Jahr 1378 eine weit bekannte Universität gestiftet. Der
Wolf wird hier verspöttet, weil er sich dumm benimmt.
Zu Provijn (Provins) befindet sich ein Kloster, wo Tausende Dialektik studiert haben.
Vz. --- bzw Vz. 3973
Papen […] in lomberdyen. Hier beichtet Reynaert über die Geistlichkeit und ihre Übelstände.
In RV scheint die Geistlichkeit mehr als die Weltlichkeit (wie in RH) verspottet zu werden.
Lomberdyen heißt hier Italien.
Vz. 4404-4405 bzw. Vz. --Reynaert will im Licht reden, obwohl der Autor zuvor paradoxal noch einen Bibeltext anführt,
dass wer Böses tut, das Licht scheut.
Vz. --- bzw Vz. 4233-4234/ 4235/ 4241-4244
Diese Stelle in RV ähnelt dem ersten Buch, worin Reynaert, wie hier, sich nicht scheut sichtbar
vor seinen Gegnern vor den König zu gehen. Im ersten Buch geht er den Hauptweg, hier bahnt
er sich einen Weg entlang den Baronen.
160
I. Teirlinck (1910)
79
Vz. 4538, 4546
Ic ken te romen wel den staet
Want ic in thoff den loop wel weet
Vz. 4349
He (Mertijn) wolde doch na rome […]
Vz. 4565, 4567, 4572
Eer ic (m) to hove bin voor die heren
Gaet te hove als gi (r) eerst moget
Als gi te hove coomt dair seldi
Rukenau mijn wijff vinden […]
Vz. 4694
Op dat gi ouer zee sout varen
Vz. ---
Vz. 4490
Wanderen in dat hylghe lant.
Vz. 4489-4492
Id was so ghesecht. Du scholdest to hant
Wanderen in dat hylghe lant
To yherusalem. over dat meer
Van dar tor ome unde wedder heer
Vz. 4538/ 4565/ 4567/ 4572 bzw. Vz. 4349
Mertijn rät Reynaert zum Hof zu gehen, wo er dessen Frau Rukenau finden wird.
Vz. 4694 bzw. Vz. 4490/ 4489-4492
Es handelt sich wieder um das Überseeische, das heilige Land, Jerusalem und Rom.
Vz. 5212-5213
Nu moochdi (coninc) zien op desen rinck
Off reynaert heeft enige magen
Vz. 5330-5339
Vz. 4877-4880
Het was meyster abrioen van tryer […]
Men allene mester abryon van trere […]
80
Wel kennen hi verstaet alle dingen
He vorsteyt alle tungen unde sprake dorch
Tusschen arkeloos ende drongelingen
Van poytrow an. wente to luneborch
Vz. 5346-5347
Vz. 4885-4886
Hy seide my dat die drie namen
Desse dre namen hir in ghewracht
Eerst uutten paradise quamen
Heft seth uth deme paradyse ghebracht
Vz. 5454-5456
Vz. 4957-4958
Tusschen dat groot India
Des sulvesten deertes wonynge is
Ende dat eerdsche paradise
Twysschen yndia unde deme paradys
Voedt dese beest ende soect hair spise
Vz. 5511
Buten troyen op die heide
Vz. 5212-5213 bzw. Vz. --Wiederum wird auf desen rinck hingewiesen. Die Tiere haben sich in einem Kreis versammelt.
Vz. 5330-5339 bzw Vz. 4877-4880
Hier wird von meyster Abrioen van Tryer (mester Abryon van Trere, RV) gesprochen, ein
sogenannt weiser Jude, denn von ihm wird gesagt, dass er verstaet alle dingen, was also weise
klingt, es aber meiner Meinung nach nicht ist, denn er versteht alle Dinge tusschen Arkeloos
ende Drongelen, eine Strecke von ungefähr dreißig Kilometern.
In RV sind die Orte mit Poytrow und Luneborch übersetzt. Die Strecke zwischen diesen beiden
Orten ist einige Kilometer.
Vz. 5346-5347 bzw. Vz. 4885-4886
Die drei Namen, die auf dem Ring geschrieben waren, stammen aus dem Paradise.
Vz. 5454-5456 bzw. Vz. 4957-4958
Zwischen Indien und dem irdischen Paradies ernährt der Panther sich.
Vz. 5511 bzw. Vz. --In RH wird beschrieben, wo „Parijs“ seine Schafe hütete.
Vz. 5933-5934
Vz. 5286, 5294-5295
Dat mijn vader quam hier in
By yuweme vader. in desser stede
81
Vander scolen to mompelier
Myn here vader. was hir to hove
By yuweme vader. in groter gunst
Vz. 6054
Heer doe quaem dy van verren
Uut eenre hagen ons in tgemoet
Vz. 6462, 6473-6478
Vz. 5844-5847, 5853
Hy quam aen my in geen wout […]
Wy quemen eyns manckt der apen slecht
Dair gingen wy te samen enen dach
In eynen berch. In sassen lant […]
Hi seyde hi en mocht niet veerre gaen
He heth my krepen in eyn hol […]
Doe sach ic dair een hol staen
He wysede my in er vule nest
Onder enen hage van icken bramen
Vz. 6483-6484, 6487-6488
Vz. 5861-5862, 5879
Doe seidi hi neve in dit gat
Dat ik (R) em (R’s Vater) volgede int lant
En coom ic niet om hondert pont […]
to sassen
Mer ic sel hier onder desen
Dar reysede he hen myt groteme brassen
Boom uuwer verbeiden gaet in voren
Seet heren wy gyngen buten den wegen
Under dem berghe dar wy segen
Eyn düster hol. deep ende lanck.
Vz. 6502-6506
Vz. 5890, 5892
Dair vant ic enen breden ganck
Hir wyl ik beyden under dem boem […]
Crom doncker ende lanck
Seet sus wolde he my wysen int stryck
Eer ic bynnen dat hol quam
Dair ic grote clairheit vernam
Van licht dat dair in quam van besiden
Vz. 6586-6587
Vz. 5895
Doe stont si op ende dede my gaen
Ik ghynck dar in dorch eynen ghanck
In een ander hol dair by
Dar vant ik eynen wech, krum unde lanck
[…]
Vz. 5933-5934 bzw. Vz. 5286, 5294-5295
Reynaerts Vater hat in RH Unterricht in Mompelier, die bekanntste Universitätsstadt für
Medizin des Mittelalters.
82
Vz. 6054 bzw. Vz. 5416
Der König tritt auf Ysengrijn und Reynaert zu, die so eben ein Schwein totgebissen haben. In
RH kommt der König sehr unköniglich uut eenre hagen, während er in RV eben noch würdig
zu ihnen kommen kann, denn über wie er geht wird nichts herausgelassen.
Vz. 6462/ 6473-6478/ 6483-6484/ 6487-6488/ 6502-6506/ 6586-6587/ 6608-6611 bzw Vz.
5844-5847/ 5853/ 5861-5862/ 5879/ 5890/ 5892 / 5895
Bei der Affenfamilie: in RH ist die Affenhöhle (RH: unter einem Brombeerstrauch) nicht weit
vom Jagdgebiet der beiden entfernt, denn hi seyde hi en mocht niet veerre gaen. Der Vorfall
findet in RV in sassen lant statt. Ist dieses Land dann auch nicht weit vom Jagdgebiet und
Wohnort entfernt? Wie ist das mit den flämischen Orten zu kombinieren? Die Höhle hat einen
breiten, krummen, dunklen Gang, aber einmal in die eigentliche Wohnung gekommen, ist sie
klar und licht.
Vz. 6779
Vz. 6168
Leerdet hem die abt van baudelo
Dat de abbet van slukup heft gheseth
Vz. 6878-6882
Vz. 6229-6230, Vz. 6235-6236, 6238
Neve seyde hi hoe mennighen spronc
Sus brachten se en tor rauwe stede
Hebic doert water ghesprongen te nacht
Dar sulvest syk reynke slapen leyde [...]
Eer ic desen vogel hijr bracht
De otter gaffe m eynen antfogel yunck
Die oc enen boghelaer nam
He sprack. ik spranck dar mannygen sprunk
Bij hoelre broec recht anden dam
[...]
Eer ik den eyenem vögheler nam
By honrebroet, recht an deme dam
Vz. 7177-7180
Vz. 6267, 6273, 6278, 6388-6390
Ende voir u gaen ten heiligen grave
Umme wat se dar quemen in den kreyt […]
Ende werven u groet oflaet daer
Reynke swor wedder in deme sulven kreyt
Van allen kercken veer ende naer
[…]
Die dair zijn ynt heilige lant
Do spreken. De dar bewareden den kreyt
[...]
Unde vor yw ghan tom hylgen grave
To allen kerken. Int hylge lant
Unde bryngen dar van to yuwer hant
83
Vz. 6394
Ghelyk eft gy de pawes to rome weren
Vz. 6402
So werde gy here desses landes
Vz. 6779 bzw 6168
Der Abt von Baudelo: ein Ort südwestlich von Hulst, statt ein sprechender Name wie der abt
van slukup.
Mehr über Baudelo:161
eine Abtei, ungefähr 1195 von Boudewijn van Boekle gestiftet worden.
Vz. 6878-6882 bzw. 6229-6230/ 6235-6236/ 6238
Die Freunde bemühen sich darum, dass Reynaert gutes Fressen bekommt. In diesem Fragment
erzählt der Freund selbst, während in RV über den Otter erzählt wird, wie er einen Vogel bei
Hoelre broec recht (RV: honrebroet) anden dam gejagt hat.
Mehr über Hoelre broec/ Honrebroet:162
alternative Schreibweisen für Helre broeck. Teirlinck vermutet, dass dieses Helre Broeck sich
in der Nähe von Damme befinden muss.
Vz. 7177-7180 bzw Vz. 6273/ 6278/ 6388-6390
Reynaert verspricht seinen Freunden einen unrealisierbaren Eid: er wird zum Heiligen Graben
gehen und für jeden Ablässe aus allen Kirchen im Heiligen Land mitbringen.
Vz. / bzw. Vz. 6394/ 6402
In Not verspricht Reynaert Ysengrijn, dass er ihm dienen wird, als ob er der Papst selbst wäre.
Er fleht mit den Versprechen um Gnade.
Vz. 7681-7682, 7691
Vz. 6737
Regneren nu seer opter eerde
Unde scheydede (R) alzo uth deme hove
Ist yns paus of yns keysers hoff […]
Men kent hove niet dan gelt
161
162
I. Teirlinck (1910)
I. Teirlinck (1910)
84
Vz. 7697-7698
Vz. 6769-6770, 6772
Is nu spul onder die clergie
Isset in des pauues. efte keysers hoff
Ist parijs ovyoen of romen
Se makent eyn deel nu. yo to groff […]
Men kent to hove nicht beth dan ghelt
Vz. 7719-7720
Reynerts vriende ende sijn maghen
Namen oec oerlof anden conync
Vz. 7734-7737, 7746-7747
Vz. 6781-6782, 6741-6742, 6797-6798
Reynaert ende sijn mage tezamen
Se scheydeden uth deme hove. myt groter ere
Ghingen soe lange dat si quamen
Reynke ghynck vor en. alze eyn here [...]
Tot sijn borch te maelpertuus
Alsus ghynck reynke na syneme husz
Dair namense oerloff voer sijn huus […]
Myt synen vrunden. to malepertusz […]
Ende sceyden van hem elc ghinc ten sinen
Islyk scheyde. Unde ghynck to den synen
Reynert ghinc tot vrou ermelinen
Reynke ghynck to vrouwe armelynen
Vz. 7681-7682/ 7691/ 7697-7698 bzw Vz 6769-6770/ 6772
Der Erzähler macht einen Vergleich zwischen seiner Geschichte und der echten Welt: überall
in der Welt sind Regierende erpicht auf Geld (und Macht) sind, ob sie nun im Hof des Papsts
oder des Kaisers leben. In RH wird dann nochmals die Habgier der Geistlichkeit betont: ob sie
nun unter den clergie leben, ob in Paris, Avignon oder Rom.
Vz. 7719-7720/ 7734-7737/7746-7747 bzw ---/6781-6782/ 6741-6742/ 6797-6798
Der RH-Reynaert verabschiedet sich explizit beim König und geht mit seinen mage zu seiner
Burg Maelpertuus, wo auch sie sich scheiden.
85
7.
ZUM SCHLUSS
Men trompte myt groten speel163
Nach der oben stehenden Textanalyse kann die Hauptfrage beantwortet werden.
Wie und warum unterscheiden sich die topographischen Realien in der Geschichte von Reynke
deme Vosse von Reinaerts Historie in Bezug auf das intendierte Publikum der beiden Werke?
Erstens muss dann die Frage beantwortet werden, welches Publikum der Autor für sein Werk
intendiert hat. Diese Frage ist in Kapitel 4 ausführlich behandelt worden. Mit textimmanenten
und –übersteigenden Argumenten ist für ein gebildetes, adliges Publikum plädiert.
Zweitens wird aus den analysierten Raumbeschreibungen lokalisiert, wo sich der Geschichte
vollzieht.
Drittens muss aus den Raumbeschreibungen gefolgert werden, wie sich die topographischen
Realien von RV sich mit RH verhalten. Im sechsten Kapitel sind alle Raumbeschreibungen
ausführlich analysiert. Hier werden kategorial die wichtigsten Unterschiede und Ähnlichkeiten
dargestellt. Die Kategorien sind: die Toponyme, die Gebäude (Elmare, Maperthuus) und
Konflikte in Dorf - Hof – Bau.
7.1
LOKALISIERUNG
Es werden in der Erzählung reëll existierende Räume dargestellt, wobei das Publikum sich
dann bedenken sollte, dass die Figuren nie wirklich da gewesen sein konnten.164 Wo spielt die
Geschichte dann ab? In Flandern oder Holland? Indem die Räume außer Acht gelassen werden,
ist der souverän Bailli ein stichhaltiger Argument dafür, dass Flandern der „Tatort” ist, denn in
den Niederlanden gibt es schon Baillis, sie sind aber nicht souverän.165 In diesem Kapitel
handelt es freilich um die Raumbeschreibungen und werden demzufolge einige „örtlichen”
Argumente für diese Frage gegeben.
Hier oben ist es bereits geschrieben: das Publikum sollte das Gebiet mit seinen Orten erkennen.
Die Wahl für Dörfer und Städte in Ostflandern hängt, meiner Meinung nach, damit zusammen,
dass die Leser seine eigene Umgebung in der Geschichte wiedererkennen sollen und sich
deswegen mit der Geschichte und ihren Räumen vertraut wissen.
Die Wiedererkennung der Räume ist so stark, dass Literaturforscher heutzutage die Geschichte
noch in einem bestimmten Gebiet lokalisieren wollen. Die Raumdarstellungen laden dazu ein,
die geographische Herkunft zu bestimmen. Sie sind im Allgemeinen ziemlich präzise, obwohl
163
Vz. 7427 (RV)
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
165
Heeroma (1970)
164
86
nicht immer eindeutig. Zum Beispiel wird das Gebiet „zwischen IJfte und Gent” als
Versammlungsort erwähnt, oder Kriekepit in der Nähe von Hulsterloe. Andere Orte, die die
Herkunft des Autors und intendiertes Publikum sehr wahrscheinlich verraten sind: Baudelo,
Camerike, Duwa, IJfte, Gent, Arkeloos, Drongelen, Everdingen, Hoelre broec/ Honthorst. Vor
allem wegen der erwähnten Weiler, die sich in Flandern befinden, schließe ich, dass RH sich da
und nicht in Holland abspielt, wo sich einige der größeren Plätze ebenfalls finden lassen. Die
für die Erzählung gewählten und hier aufgelisteten Plätze sind, meiner Meinung nach, alle im
Osten Flanderns zu finden. Das Publikum, oder zumindest der Autor sollte diese Orte kennen,
sonst haben sie keine Bedeutung. Die Bedeutung ist, meiner Meinung nach, Erkennung,
Identifikation und ein naturalisierender Effekt bei den Rezipienten zu schaffen.
Dass in RV einige Orte in deutsche verändert sind, dient, meine ich, auch dieser Bedeutung.
Niederdeutsche Orte sind: Aachen, Köln und Trier, die allerdings bereits in RH vorkommen.
Ansonst noch das Güleker Land, der Rhein, Somme. In der Nähe von Lübeck liegen: Lüpke,
Luneborch, Poytrow, Krummesse und Slukup (obwohl die letzten zwei auch sprechende
Namen sein könnten). Im Hinblick auf die vielen Orte in Lübecker Umgebung, ist es sehr
wahrscheinlich, dass das Publikum oder zumindest der Autor, aus diesem Gebiet herkommt.
Der Druck kommt schon aus diesem Gebiet. Wahrscheinlich legen die Rezipieten Wert darauf,
dass die Geschichte sich in ihrer Umgebung abspielt, sodass auch sie sich, wie das flämische
Publikum richtig mit den Vorfällen identifizieren können.
7.2
TOPONYME
An sich sind die Toponyme in Literaturforschungen viel untersucht worden. Wie unter anderen
Teirlinck annimmt, verweisen die Orte in der Erzählung nach wirklich existierenden Städten,
Dörfern, Weilern, Ländern und dergleichen. Trotzdem ist nur schwierig zu analysieren, nach
welchen Orten genau verwiesen wird, weil die Ortsnamen pro Handschrift unterschiedlich
geschrieben worden sind.166
In dieser Masterarbeit werden drei Arten von Toponymen unterscheiden: die Orte die
„entfernt“ liegen, die Orte die „in der Nähe“ liegen und die Vermischung von phantastischen
mit reellen Orten.
7.2.1
IN DER NÄHE
Ob die Toponyme nun vornehmlich im Norden oder Süden der Niederlande zu bestimmen sind,
was sowieso gültig bleibt, ist die Tatsache, dass sie im Allgemeinen wirklich existieren. Die
166
J. Reynaert166 führt in H. van Dijk & P. Wackers (1999) als Beispiele dazu die Namen Besele und Belsele
auf; der erste befindet sich in der Nähe von Rupelmonde, der zweite in der Nähe von St-Niklaas. Ein zweites
Beispiel ist Portegale, was sowohl ein Land als ein Ort in Süd-Holland sein kann. Auch ist es eine Möglichkeit,
dass der Name bloß auf eine „Aussicht aus der Pforte“, wie achtergale „Hinterpforte” heißt, deutet. Ein drittes
Bespiel aus Teirlincks Werk ist der Ort Hulsterloe, was in der Nähe von entweder Damme oder Agedem oder in
Waas, dat soete lant situiert sein könnte.
87
Toponyme stellen durchschnittlich (sehr) kleine Dörfer, Städte oder Weiler vor, sodass nur
Leser und Bewohner aus der Nachbarschaft sie erkannt haben können.
Das intendierte Publikum kommt aus Flandern, sodass die Orte sehr wahrscheinlich in
Westflandern zu situieren sind, wie zum Beispiel Hulsterloe, Arkeloos, Drongelen,
E(L)verdingen. Für die Vorstellung des Lesers hat sich die Geschichte wirklich abgespielt und
zwar in seiner eigenen Umgebung.
Natürlich gilt die Erkennung von RH-Orten als seine eigene Umgebung nur für die
niederländischen Leser. Für die RV-Leser spielt die Geschichte sich in einem Gebiet ab, das
ihnen unbekannt ist. Sie haben nicht das Gefühl, dass die Abenteuer sich in ihrer Umgebung
abspielen und haben diesbezüglich weniger Affinität mit den Geschehnissen.
Wie der Autor von RH die Räume, oder Welt der Erzählung, seinem Publikum angepasst hat,
so hat der RV-Autor sich minimal dazu eingesetzt, die Geschichte anzupassen, weil sie sich
immer noch hauptsächlich in einem Gebiet abspielt, das sein Publikum nicht kennt. Trotzdem
hat er einige Orte geändert und bin ich davon überzeugt, dass Reynke selbst nicht in Flandern
wohnt.
Die Änderungen, die der Autor gemacht hat, um die Geschichte in der Umgebung seines
Publikums abspielen zu lassen, sind auffallend viel in den „Redewendung“ mit „tusschen“
gemacht worden.
„Tusschen hollant ende ordanen“ wird „twysschen hollant unde franckryk“167, wo Crayant der
beste Hahn ist. Wahrscheinlich legte das RH-Publikum Wert darauf, dass die Geschichte sich
in Flandern abspielte, während das deutsche Publikum diesen Wunsch nicht mit den
niederländischen Lesern teilte.
„Tusschen der elven en der som“168, wo Tiere für den Putsch rekrutiert werden, ist in RV in
„twysschen der elve unde deme ryne“ verändert worden. Hier wird also nur in deutschem
Gebiet rekrutiert, obwohl die Verräter schon nur in Flandern ihre Versammlung haben:
„tusschen yfte ene ghent“.169
Auch in Bezug auf die Intelligenz des meysters Abrioen van Tryer wird die Strecke seiner
Kenntnisse eingedeutscht: „tusschen Arkeloos ende Drongelen“170 (ungefähr 30 Kilometer)
wird „twysschen poytrow und Luneborch“. Diese zwei Orte liegen einige Kilometer von
einander entfernt.
Eine besondere Stelle nimmt „Tusschen honthorst ende everdingen“ ein, wo der Fuchs
wiederum beichtet. Diese Toponyme sind mit „twysschen kackusz unde elverdyngen“171 ersetzt
167
Vz. 327-329 bzw. 305-307
Vz. 2460-2462 bzw. 2306-2308
169
Vz. 2283-2285 bzw. 2162-2164
170
Vz. 5330-5339 bzw. Vz. 4877-4880
171
Vz. 3956/ 3996-3997 bzw. 3698/ 3737-3738
168
88
worden. „Kackusz“ könnte der Ort „Koekuit“ in der Nähe von Elverdingen sein“. Es könnte
aber auch ein kackhûs, also eine Latrine sein.
Wie gesagt, vermute ich, dass Reynke nicht in Flandern wohnt, sondern in (der Nähe von)
sassen lant. In diesem Land wohnt die Affenfamilie, nicht weit vom Jagdgebiet von Reynaert
und Ysengrijn entfernt. Es scheint mir unwahrscheinlich, dass Reynaert sehr weit von der
eigenen Umgebung jagt. Daneben wird bei der Schilderung seines Baus Maperthuus erläutert,
dass Reynaert da in der Nähe auch jagt. Natürlich braucht es nicht so zu sein, dass er nur ein
Jagdgebiet hat. Es schließt allerdings nicht aus, dass diese zwei Gebiete (Wohnung und
Jagdgebiet in Sachsen) zu kombinieren sind. Wenn Reynaert seiner Frau vorschlägt zu fliehen,
fliehen sie südwärts, nach swavenlant, also Bayern.
Der Autor hat dann in sofern seine Erzählung seinem Publikum angepasst, dass er Reynke in
Deutschland hat wohnen lassen. Der Fuchs wohnt, meiner Meinung nach, allerdings nicht in
der Nähe des Leserpublikums. Die Leser wohnen vermutlich in der Nähe vom Rhein und von
der Ruhr. Das stellt sich aus der Tatsache heraus, dass Reynke nicht in dat lant van
vermendoys172 beichtet, eine Grafschaft, dass 1156-1186 Flandern gehörte, sondern im güleker
lant, jetzt Jülich geheißen. Auch der Oude Rijn173 ist vom niederdeutschen Autor in Rhein
verändert. Ich vermute, dass dies alles verändert is, sodass der Leser sich mit der Umgebung
vertraut weiß.
7.2.2
ENTFERNT
Im Gegensatz zu den kleinen Orten, die sich in der Nähe der Leser befinden, sind die fernen
Toponyme nicht von anderen ersetzt worden.
Am deutlichsten ist diese Verfahrensweise bei Auflistungen einiger Toponyme zu betrachten.
Der König hat den Fuchs von Aken, Parijs, Kolen ende Duwa174 reden gehört. Er kennt diese
vier Städte, Kriekepit allerdings nicht. In RV sind die großen Städte übernommen worden und
ist Duwa mit Lüpke verwechselt. Wahrscheinlich ist damit Lübeck gemeint. Wäre Duwa nicht
verändert, dann hätte das RV-Publikum nicht mit dem König einverständen sein können, denn
sie würden Duwa sehr wahrscheinlich nicht kennen.
Eine andere Verfahrensweise ist zwar bei „van romen tot valeye“175 zu entdecken. Da sind Rom
und Valeye (vielleicht „Leye“) von der Aussage ersetzt worden, dass der Schatz in Flandern
liegt.
Weiter sind Mompelier176 (Montpellier), die Universitätsstadt und die Heiligen Städte Rom,
Jerusalem, Avignon und Paris177 ohne Änderungen übernommen.
172
Vz. 1545-1553 bzw. 1453-1461
Vz. 2122-2124 bzw. 2001-2003
174
Vz. 2643-2644 bzw. 2484-2485
175
Vz. 2651-2654 bzw. 2490-2493
173
89
In RV nur ist die Rede von „Lomberdyen“178, also Italien, wo die pape sich schändlich
benehmen.
7.2.3
PHANTASTISCHE UND REELLE ORTE
Eine besondere Stelle nimmt die Schatzlüge ein, wo sich reelle Orte mit phantastischen
vermischt haben. Reynaert erzählt von einem geheimen Schatz eines Königs Ermerijcs179 der in
RV eine zusätzliche Ankündigung braucht: eines mächtigen Königs. Dieser König kommt in
den flämischen Sagen vor, sodass es nicht unwahrscheinlich ist, dass das flämische Publikum
schon mit diesem König bekannt ist und das deutsche nicht.
Reelle Orte sind in der Schatzgeschichte: die Ardennen180, wo Brun normalerweise wohnt, ein
wüster Ort. Hijfte und Gent, wozwischen die Versammlung der Putschisten stattfindet. Die
RH-Leser wissen, dass diese Strecke, wo sich die Tiere versammeln sehr klein und ganz in der
Nähe ihrer eigenen Umgebung ist. Zwei Argumente, die die Geschichte sehr nahebei bringen.
Die Orte sind in RV übernommen worden. Ist die Wirkung auf das Publikum von diesen
Plätzen allerdings dieselbe? Kennen die Leser das Gebiet wie die Niederländer es kennen?Ich
bezweifle es, auch wenn Gent schon die Hauptstadt Flandern ist.
Dann das nächste Toponym: Aachen, beim deutschen Leser schon bekannt. In dieser Stadt, der
Hauptstadt des Römischen Reiches, hätte Bruun gekrönt worden. Um diese Krönung zu
ermöglichen, wirbt der Vater Reynaerts Putschisten zwischen dem Elbe und Somme (ein
französischer Fluss), ungefähr die Grenze des deutschen Kaiserreichs181, was auf das ganze
Reich hindeuten könnte oder nur ein großes Gebiet bedeutet. An dieser Stelle hat der RVDichter schon eine Änderung gemacht. Anstatt Reynaerts Vater in ganz Flandern und den
Ardennen Putschisten rekrutiert, wirbt der deutsche Vater nur in deutschem Gebiet: zwischen
dem Elbe und Rhein. Passt der Autor dieses Rekrutierungsfragment an, weil er vermutet, dass
die Rezipienten das Gebiet nicht kennen, oder er passt die Geschichte im Rahmen der nächste
Ortsdarstellung besser ein: im Land von Sachsen und Thüringen? Dazu passen die deutschen
Ströme.
Der Schatz selbst liegt in einer Höhle (RH) oder spezifischer eyner steynrytzen de was deepe
(RV) und wird von Reynaert und seiner Frau nach Hulsterloo, einem Wald (RH) oder einer
großen Wüste (RV) zu einem Wasser namens Kriekepit verschleppt.
Literaturforscher wie Teirlinck haben sich darum bemüht, Hulsterloo in Flandern zu
determinieren: bei Damme und Brugge, als in der Nähe von Dixmude oder bei Hulst. Dann
176
Vz. 1178- / & Vz. 5933-5934 bzw. 5286/ 5294-5295
zB. Vz. 2735/ 2791-2792/ 2904/ 2952 bzw. 2546/ 2604-2605/ 2981-2983/ 2689
178
Vz. 3973 bzw. Morael RV
179
Vz. 2261-2263 bzw. Vz. 2138-2140
180
Vz. 2269-2273 bzw. Vz. 2146-2150/ 2155
181
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 122, 123.
177
90
versuchen sie nachzuforschen wo sich dann Kriekepit befinden würde. Ich bin der Meinung,
dass sie wenigstens in der Geschichte keine lügenhaften Orten sind, weil der Leser von
Ysengrijn hört, dass der König oder einige seiner Gesandten tatsächlich, sei es vergeblich, auf
der Suche nach dem Schatz waren182. Den Ort, wo der Schatz versteckt liegt, hat der Dichter
übernommen, obwohl dieser ein sehr kleiner Ort und dem deutschen Leser bestimmt unbekannt
war. Die Suche nach Putschisten hat sich in RV nach deutscher Bühne verlegt, während die
wichtigste Tatsache, die Schatzepisode, sich noch immer in Flandern abspielt.
Warum Hulsterloe eine besondere Stelle einnimmt, ist die Tatsache, dass der intendierte RHLeser sehr wahrscheinlich die Idee hatte, der Schatz liege in seiner Umgebung versteckt. Das
wird dieses Fragment bestimmt spannender machen.
Der RV-Leser teilt dieses Gefühl selbstverständlich nicht. Obwohl der Autor ziemlich viel
flämische Orte in deutsche verändert hat, passt er dieses wichtige Toponym seinem Publikum
nicht an. Sie vermissen also eine ziemlich spannende Geschichte: ein Schatz in ihrer Nähe.
7.3
GEBÄUDE
Zwei andere, besondere Raumbeschreibungen sind Elemare183 und Malperthuus.
7.3.1
ELEMARE
Das Kloster Elemare wird für die RH-Rezipienten früher in der Erzählung introduziert als in
RV. Reynaerts pelse und slavijn hat er aus Elemaer mitgebracht, während der deutsche Fuchs
die Herkunft seiner Attribute nicht preisgibt. Es scheint mir mit der Annehmlichkeit
zusammenhangen, dass das Kloster den RH-Rezipienten bekannt und den RV-Lesern
unbekannt sind. Wenn zum zweiten Mal von Elemare die Rede ist, dann wird ihnen in RV
verdeutlicht, dass es um ein Kloster handelt184: de Elemare.
7.3.2
MALPERTHUUS
Das Schloss Reynaerts185 wird in beiden Geschichten in einer Wüste/ einem Jagdgebiet
dargestellt (Vz. 3184-3198 bzw Vz. 2951-2964).
Die beiden Schlösser haben viele Winkel, lange und krumme Gänge, Höhle und Ausgänge.
Kurz und gut ist es für die Füchsefamilie eine sichere Wohnung. Mit der Umschreibung der
Burg in RH als „dunkel“ scheint Malperthuus für anderen ein unangenehmer Ort zu sein.
182
Ob ein Kriekepit sich wirklich auf der Landkarte finden lässt, darüber kann ich nicht mehr sagen als: ich
habe meine Zweifel.
183
zB: Vz. 400-401 bzw. 364-365
184
Vz. 1424-1425, 1523
185
zB: Vz. 524-545 bzw. Vz. 471-486, Vz. 557-578 bzw. 498-515
91
Einerseits wird Maperthuus als eine reelle „Menschen-Burg“ dargestellt mit einem Pfort und so
weiter. Andererseits wird die Wohnung mehr als Fuchsbau geschildert. Subtil ist das zu
bemerken wenn man sieht, dass größere Tiere, wie Brun und Bellyn, nicht hereinkommen
können, während Grymbart und Cuwaert schon den Bau betreten können. In RH wird einmal
unumwunden beschrieben, dass Reynaert und Grymbaert den berch [bynnen]186 treten. In RV
wird die Vorstellung einer reellen Festung nicht so deutlich vernichtet.
In dieser Fassung besitzt der König auch einen Palast187, während davon in RH nie die Rede ist.
In RH kommt der König sogar uut eenre hagen188 zum Vorschein, während er in RV eben noch
seine Würdigkeit behalten kann, denn hier wird nicht über seinen Gang geschrieben.
KONFLIKTE, DORF – HOF – BAU
7.4
Konfliktsituationen zwischen Reynaert und einem anderen Tier entstehen in zwei
Landschaften, d.h. der ordentlichen Hofwelt und der düsteren Wüste.189
Der Hof ist licht (Wie quaet doet die scuwet dat licht190), geschützt und mit rechten Pfaden
gegenüber einer düsteren, bedrohenden Wüste mit ihren Bergen und krummen Pfaden.
Dieser Unterschied zwischen recht (ehrvoll) und krumm (unehrvoll) ist erst mit Van den vos
Reynaerde zu machen, denn im Roman de Renart gibt es dieser nicht. Die Tiere und auch die
Menschen haben ihre eigene Umgebung, wo sie sich geschützt wissen und wo sie außerhalb
dieser Umwelt ihr Leben nicht sicher sind. Die königliche Familie weiß sich im Hof, der in der
Geschichte übrigens unbestimmt bleibt, geschützt. Ich bin der Meinung, dass die Höflinge sich
unter Führung des Königs auch im Hof geschützt wissen sollen, wenn aber der König sich in
der geschützten Umwelt seines Hofes von Reynaert verführen lässt, bröckelt die Sicherheit
aller Hoftiere ab, sodass die starken Konturen der höfischen Sicherheit der Höflinge und des
königlichen Paares mehr und mehr verwischen, obwohl auch Reynaert sich am Ende des ersten
Buchs in seinem Bau nicht mehr sicher weiß.
Die Geschichte fängt mit einem Hoftag an, worin dem König Ehre erwiesen wird, dieser seine
Macht vergrössert und sich von seinen Vasallen beraten lässt191, während sie, wegen der
Listigkeit Reynaerts und der Unfähigkeit des Königs richtig zu regieren, im kompletten
Machtsverfall des Königs endet. Wo der König am Anfang der Geschichte das Recht zu
befolgen scheint, so stellt sich heraus, dass sein gutes Reich ein Chaos ist, wo jeder verleumdet,
seksuelle Anspielungen macht und über unwichtige Sachen wie eine gestohlene Wurst plänkelt,
und, einschließlich des Königs, sein eigenes Glück nachstrebt.192
186
Vz. 3867/ 3868-3869 bzw. 3623/ --Vz. 1782-1789 bzw. 1694-1701
188
Vz. 6054 bzw. Vz. 5416
189
B. Besamusca & A. Bouwman & P. Wackers (2002)
190
Vz. 62 (RH)
191
P. Wackers (1986)
192
F. van Oostrom (1984), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999)
187
92
Reynaert benimmt sich zumindest immer dasselbe.193 Das heißt, dass er am Anfang der
Geschichte nicht anders als am Ende auftritt. Der Hof ist überhaupt nicht ideal. Folglich
werden die Hoftiere im Laufe der Geschichte ihr Leben sowohl innerhalb als außerhalb des
Hofes unsicher.
Eine besondere Stellungnahme indessen nehmen Cantecleer und seine Verwandtschaft ein, die
zwar ihre Erwartung haben, dass sie vom König geschützt werden, obwohl sie den Schutz aber
vom Hof des Nonnenklosters mit seinen Mauern und Hunden erfahren. Übereinstimmend mit
den anderen Hoftieren treten sie aus ihrer geschützten Umgebung und werden auf dieser
schwachen Stelle von Reynaert erwischt.
Ebenfalls für unter anderen Brun und Tybert, als Beispiele einiger Hoftiere, gilt, dass es nicht
gut mit ihnen ausgeht, eigentlich schon wenn sie den Hof verlassen. Obwohl Grymbaert die
rechte straten geht, um zu Maperthuus zu gelangen, aber mehr noch wenn sie ihren Auftrag
und damit das gebotene Gebiet verlassen und sich von Reynaert ver- und mitführen lassen. Die
Untertanen sollen, wie in Ritterromanen, das Hof verlassen, damit das „Schlechte” (hier:
Reynaert) besiegt wird und sie unverletzt zurückkehren.
Bei Reynaert funktioniert dieses Konzept gerade umgekehrt: die Untertanen kehren schwer
verletzt zurück, dass „Schlechte” ist nicht im Geringsten besiegt und zum Schluss kommt es
zum Hof und transformiert diesen guten Ort zu einem schlechten.194 Hier in der Geschichte
lassen Brun und Tybert sich von Reynaert in das Dorf führen, die geschützte Umgebung der
Menschen.
In RV bleibt die Umgebung der Menschen ein wenig mehr vage als in RH. Die Menschen, die
arrivieren, um Brun zu schlagen, kommen nicht unbedingt aus dem Dorf. Auf jeden Fall wird
darüber nichts preisgegeben. Wie auch beim Verprügeln vom Wolf der Fall ist. Die Menschen
schleppen ihn, in RH, über steen ende over struuck aus dem Dorf in einen Graben, während der
Wolf in RV zwar geschleppt wird, aber nicht spezifisch außer- oder innerhalb des Dorfes.
Hier ist dann noch eine aufmerksame Anmerkung zu machen, dass auch die Menschen unter
der führenden Macht des Löwenkönigs stehen, denn sowohl der Mann und die Schlange lassen
sich beim König beraten über wer Recht hat).
Die Dörfler sind das Gegenteil von den Hoftieren; plump, dumm und hässlich. Sie tragen
sprechende Namen, oft alliterierend, wie Lottram lanc voet, Ludolf metter langher nese und
Vrauwe Vulmaert. Letztgenannte ist ein typisches Beispiel dafür, dass die Dorfbewohner sich,
obwohl sie sehr banal sind, einander siezen und mit höfischen Titeln benennen, wie hier
„Vraue”.195
Außerhalb des Dorfes ist selbstverständlich auch die Wohnung Reynaerts ein sehr gefährlicher
Aufenthaltsort für die Hoftiere. Kuwaert stirbt, wenn er sich in die Höhle des Fuchses wagt.
193
J. Reynaert (1996), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999)
J. Reynaert (1996), in: H. van Dijk & P. Wackers (1999)
195
Auch der Autor introduziert die Personen mit höfischen Titeln.
194
93
Cantecleer und seine Familie treffen Reynaerts Raubgier, wenn sie ihre geschützte Umgebung
für eine uneingezäunte Welt, Reynaerts Welt umtauschen. Reynaert fühlt sich eben wohl in der
Wüste (wie Kriekepit) und bei den krummen Pfaden und Löchern, genau wo sich die übrigen
Tiere ihr Leben unsicher sind. Reynaert geht, im Gegensatz zu den anderen Hoftieren, gerne
die krummen Pfade und seine beste Festung besteht aus vielen Löchern, die eng, krumm und
lang sind.196
Am Ende des ersten Buchs, wie hieroben schon geschrieben, fühlt auch Reynaert sich in
seinem Bau unsicher. Er schlägt seiner Frau eine Flucht zu einer anderen schönen Wüste vor.
Sie leben also, wird hier noch mal betont, schon in einer Wüste, denn sie würden zu einer
anderen fliehen. Die andere Wüste sei „schön”, was hier für ihn heißt: mit allerlei,
merkwürdiger Art Fressen (neben Vogel, Wild und Fische auch Brot, Honig, Butter und
dergleiche). Seine Frau sagt sich noch immer im Bau wohl und geschützt zu fühlen.
Aus der Reise Bruns zum Schloss Reynaerts stellt schon einiges über deren Lage dar: in einer
großen Wüste zwischen zwei Bergen, im Jaggebiet des Fuchses. Außer der Füchsefamilie gibt
es noch eine Familie, die sich bei krummen Löchern wohl fühlt: die Affenfamilie. Sie, zwar nur
in RV (Vz. 5896), besitzen ebenfalls eine Höhle mit krummen, langen Gängen, obwohl der
Raum in der Höhle schon licht ist.
Reynaerts rechte straete sind offensichtlich nicht die rechten Wegen für die anderen Tiere,
denn Reynaert zeigt Grymbart die rechte straet, die sie gehen müssen, um zum Hof zu
gelangen. Für Reynaert ist sie die rechte straet, denn Reynaert sieht Hühner in einem
Nonnenkloster, die er sehr gerne kosten will.
Die Andeutung rechte straet von Reynaert, zeigt dem Leser neben den richtigen Weg zum Hof
auch den moralischen Zustand Reynaerts. Er hat soeben gebeichtet und Reue gezeigt, die er
sofort vergisst, wenn er die Hühner entdeckt.
Aber nicht nur Reynaert redet von rechter und krummen Löchern oder Wegen: ebenfalls der
Autor schreibt, dass das Kloster tor rechten hant (obwohl meiner Meinung nach, ein Übel mit
Linker- statt Rechterhand angedeutet werden müsse) liegt und die Tiere nach ihrem kurzen
Besuch an den Hühnern sich wieder tor rechten straten kehrten (RH: Vz. 1723/ 1767 bzw. RV
Vz. 1636-1637/ 1679-1680).
Die Boten (Brun, Tybert, Grymbart) folgen schon die rechten Wege, die zu Reynaerts Burg
führen. Beispiele dafür sind Bruun, die recht zwischen den Bergen gehen muss, um bei
Maperthuus anzugelangen (RH, Vz 530) und Grymbert, der die rechte straten geht, die zu
Malperthuus führen (RH, Vz. 3758-3760).
196
RH Vz. 564-566 bzw. RV Vz. 505-507
94
Alles im Allem sind hier die rechten und krummen Räume zu einer symbolischen Landschaft197
entartet, wo krumme Wege mit einer Art von sittlichem Verfall in Verbindung stehen, wie auch
in den Arthusromanen der Fall ist.198 Die Landschaft symbolisiert etwas Schicksalhaftes oder
Sicheres.
Zusammengefassend ist zu schließen, dass so stark wie das niederländische Publikum die
Konnotation bei den Toponymen und Raumbeschreibungen erfährt, die Geschichte spiele sich
tatsächlich in seiner Umgebung ab, so vage sind die Topoyme für das niederdeutsche
Publikum. Die paar adaptierten Toponyme vermitteln wahrscheinlich eher eine konfuse
Vorstellung der Räume und damit der Geschichte an sich. Sie erfahren nicht die Konnotation,
die das niederländische Publikum erfährt. Sie sind allerdings auch nicht völlig mit den Orten
der Geschehnisse verfremd. Manchmal erkennen sie die Räume nicht. Manchmal aber lesen sie
von Toponymen, die sich in ihrer Umgebung befinden.
Hir van wert nu nicht meer ghesecht.199
197
U. Ruberg (1965)
U. Ruberg (1965)
199
Vz. 6777 (RV)
198
95
ANHANG
Vz. 312- 313
Vz. 294-295
Sagen sy neder wart ten dalen
Quam hane hennynck myt synem gheslecht
Cantecleer comen gevaren
In des konnynges hoff ghevaren
Vz. 362-364
Vz. 334-335
Ende gyngen te samen in een perck
Unde gyngen umme vödynge in eyner
Dat was besloten myt eenre mueren
steden
Dair bynnen stont eens monics scuere
De was bemüret. der monnyke hoff
Vz. 421- 425
Vz. 381-386
[…] wanderen ghinck buten mueren
[…] Myt en allen ghynck ik do buten de
[…]
müre
want reynaert had geleit sijn lage
[…] Wente reynke hadde uns ghelacht
Ende quam gecropen uut eenre hage
syne lage
Ende heeft ons die poorte onder gaen
Unde qaum slykende uth eyner hage
Unde heft uns de porten under ghan
Vz. 584-585
Vz. 524
Na desen gedochten hi uut trac
He ghynkc uth tho em unde sprack […]
Tot brunen den beer ende sprac […]
Vz. 764-765
Vz. 663-664
Mit deser talen ghinc reynaert
Dar mede ghynck reynke wedder na husz
Weder tot synen castele waert
Na syneme slote. To malerpertusz
Vz. 312- 313 bzw. Vz. 294-295
Cantecleer und seine Familie werden aufgeführt: die schon anwesenden Tiere werden die
Hühnerfamilie gewahr, wenn sie durch das Tal gehen. Es stellt sich heraus, dass die
Versammlung offensichtlich auf einem Berg oder Hügel stattfindet; eine Spezifizierung die in
RV nicht preisgegeben wird; die Familie wird nicht bemerkt; sie gesellen sich einfach zu der
Versammlung.
Vz. 352-354/ 362-364/ 421-425 bzw Vz. 324-325/ 334-335/ 364-365
Hier wird der Klostergarten, die Umwelt der Hühnerfamilie, dargestellt.
96
In diesem von einer Mauer umgebenen Beet, sach men lover ende gras und die Scheune eines
Mönchs (in RV ist die Rede von einem Hof der Mönche).
Hinter dem Tor steht zumindest eine Hecke, worin der Fuchs sich vor der Familie versteckt hat.
Vz. 584
Reynaert verlässt seine Wohnung.
Vz. 764-765 bzw Vz. 663-664
Keine Besonderheiten.
Vz. 1066-1067
Vz. 941
Tybert maecte hem wech myt spoede
Do he eynen wech van dannen quam
Ende tooch te mapertuus waert
Vz. 1074-1075
Vz. 946-948
Die vogel vlooch ende nam sijn lijde
De vogel vloch unde gaff syne lyde
Op enen boom die hi dair vant
Up eynen boem den he dar vant
Vz. 1088-1089
Vz. 953-954
Dat hi quam te mapertuus
Unde reysede hen to malepertusz
Ende vant reynaert voor sijn huus
Unde vant reynken. vor syneme husz
Vz. 1145
Vz. 1014
Hier woont een paep vaste by (bei M.)
Hir wonet eyn pape negest hir by
Dair staet een schuer aen sijn huus
Dar steyt eyn schune by syneme huse
Vz. 1171-1194, 1198
Vz. 1038-1039, 1042-1043
Ende had voor dat gat geset
Unde hadde vor dat gath gheseth
Een strick […]
Eyn stryck […]
Cruupt in dit selve gat
[…] recht in dyt gath
Krupet dar in.
Vz. 1066-1067 bzw Vz. 941
Hier wird in RH Malpertuus wieder aufgeführt.
Vz. 1074-1075 bzw Vz. 946-948
Der Flug der beiden Vögel ist identisch.
97
Vz. 1088-1089 bzw Vz. 953-954
Auch hier unterscheiden sich die beiden Texte nicht; Mapertuus wird in beiden aufgeführt.
Vz. 1145-Vz. 1014
Die Bekanntschaft mit dem pape und seiner Wohnumgebung ist in beiden Texten gleich; auch
dieser Mann wohnt, wie Lamfreit, in der Nähe von Reynaerts Wohnung.
Vz. 1171-1194, 1198 bzw Vz. Vz. 1038-1039, 1042-1043
Reynaert lässt Tybert in die Falle festlaufen. In beiden Texten identisch beschrieben.
Vz. 1259-1260
Vz. 1183
Doe liepen sy derwaert wel zaen
Se quemen al spryngen.
Alle die inden huse waren
Vz. 1320-1321
[…] doe ginck reynaert
Weder tot sinen castele waert
Reynaert stont buten voor dat gat
Vz. 1330-1332
Vz. 1235-1237
Hi spranc gereet al utten gaert (hi –
Unde spranck hastygen wedder uth deme
Tybert)
gathe
Ende dede hem wech al sijnre straet
He makede syck wedder up de strate
Die tot des conincs hoff lach
De na des konnynges hove hen lach
Vz. 2310-2311
Want sijt (sij=G’s Ehefrau) voort in
biechte seide
Myne (R’s Ehefrau) wive op eenre
heide
Vz. 2884-2885
Doe ysegrim onscoeyt was
Most hi gaen leggen in dat gras
Vz. 1259-1260 bzw. Vz. 1183
Keine Anmerkungen.
98
Vz. 1320-1322 bzw. Vz. --Hier wird nochmal betont, dass Reynaert immer noch draußen steht und dann weggeht.
Vz. 1330-1332/ 1340 bzw. Vz. 1235-1237/ 1241
Keine Anmerkungen; die Geschichten erzählen dasselbe; Tybert entkommt und geht wieder
zum Hof.
Vz. 2310-2311
Hat kein Äquivalent in RV.
Vz. 2884-2885 bzw. Vz. --Keine Anmerkungen.
Vz. 2981-2983
Ick hebbe to rome nicht vele vorloren
Ja. Hadde ick ock teyn eyd ghesworen
Ik en kome ock nummer to yherusalem
Vz. 3203
Vz. 2969
Dat gi selt varen ouer see
To waren verne ouer dat meer
Vz. 3295-3296
Vz. 3051
Doe keerde reynaert als die boude
Reynke ghynck hastygen wedder in
Weder in sijn hagedochte
Vz. 3316-3340
Vz. 3097
[…] ende dede hem (B) up de vaert
Ick gha hen up myne vart
Ende haeste so seer to hove waert
Sus hastede hes eer to hovewert
Mit lopen. Dat hi voor middach
Alze he dar quam do was yd myddach
Quam dair hi den coninc sach
In sijn hooff myt sijn baroen
Vz. 3482-3484
Vz. 3275
Tot desen hoven quam mennich dier
Alze de hof sus was bereyt
Want die coninc deed dair ende hier
Dar was vraude myt groteme feste
Over al te weten dese feest
Vz. 3505-3506
Vz. 3308-3309
Quam dat conijn her lampreel
De konnynck sath myt synen heren
99
Voor des conincs tafel dair hi zat
Over tafelen unde ath
Vz. / bzw.Vz. 2981-2983
Reynaert gesteht, jetzt in RV, dass er nie nach Jerusalem fahren wird. Gibt Reynaert hier schon
eine Vorschau auf die Tatsache, dass er nicht vor hat seine Pilgerfahrt zu vollbringen?
Vz. 3203 bzw. Vz. 2969
Keine Besonderheiten. Hier wird nochmals angeführt, dass Reynaert vor hat, Übersee zu
fahren.
Vz. 3295-3296 bzw Vz. 3051
Nichts Besonderes. In RH wird geschrieben, wo Reynaert reingeht, in RV nicht.
Vz. 3316-3340 bzw Vz. 3097-3099
Keine Besonderheiten. Bellyn eilt zum Hof.
Vz. 3482-3484/ 3505-3506 bzw Vz. 3275/ 3308-3310
Keine Anmerkungen: am Hof ist ein Fest organisiert und der Hase geht zum König, der mit
seinen Herren am Tisch ein festliches Mahl genießt.
Vz. 3515-3517
Vz. 3319-3320
[…] Quam ic (lampreel) gaen
Do sath reynke vor syneme husz
By sijnre veste te maperthuus
Vor syner borch to malepertusz
Daer sat hi buten voor sijn huus
Vz. 3559-3560
Vz. 3351
Quam corbout die roeck gevlogen
Quam dar merkenauwe de kreye vord
Voor den coninck in tgedinge
Vz. 3565-3566
Vz. 3360-3361
Dair lach gelijc enen doden katyve
Dar lach ghelyck eyneme doden ketyve
Reynaert die voss op die heide
Reynke de vosz up der heyde
Vz. 3590-3951
Vz. 3389-3390
Het was oec nau dat ic ontquam
Men ick entfloch em. Myt anxste groet
Op enen boom ic mijn vlucht nam
Up eynen boem.
Vz. 3600
Vz. 3400
Hy liep heen sijnre straten iagen
Unde he wech leep syne straten
100
Vz. 3515-3517 bzw. Vz. 3319-3320
Lampreel der Hase, trifft Reynaert vor seinem Schloss Maperthuus. Es gibt keine Unterschiede
zwischen den beiden Versionen.
Vz. 3559-3560 bzw. Vz. 3351
Die Saatkrähe Corbout (Merkenau) wird introduziert. In RH fliegt er zum König, während er in
RV bloß herangeflogen kommt, was abrupter wirkt. In Der naturen bloeme200 fängt der Fuchs
mit einer List einen Vogel. Der Fuchs repräsentiert hier den Teufel, während der Vogel den
sündigen Menschen darstellt.201 Die Symbolik dieses Vogelfangs aus Der naturen bloeme ist an
dieser Stelle anwendbar. Der Vogel könnte auch hier den Menschen vorstellen, während der
Fuchs den Teufel repräsentiert. Der Mensch lässt sich vom Teufel fangen, versucht mit seiner
Kraft sich gegen ihn zu wehren, wo er aber scheitert, weil der Teufel größer und schlauer als er
ist, wobei es besser ist ängstig vor ihm und seinen Kumpanen zu fliehen.
Vz. 3565-3566/ 3590-3591/3600 bzw. Vz. 3360-3361/ 3389-3390/3400
Es gibt hier keinen Unterscheid zwischen den beiden Versionen. Reynaert liegt sozusagen tot
auf der Heide, wonach die Krähe, nachdem Reynaert seine Frau umgebracht hat, seine Zuflucht
in einen Baum sucht und der Fuchs weggeht.
Vz. 3637-3638
Vz. 3430
Hy seide hi wilde te romen sijn
He scholde hen to yherusalem
Ende van dean over meer
Vz. 3723
Vz. 3495
In hulster lo bi krieken pit
In husterlo. by krekelput
Vz. 3747
Vz. 3521-3522
Als behoort ten besit tot maperthuus
Wy wyllen hen vor malepertusz
Unde seen wat reynke heft in deme husz
Vz. 3846-3847
Vz. 3603
Morgen ga ic myt y vroe
Morgen wylle wy to hove ghan
Te hove ende sel mijn zaken
200
201
Vz. 3930
Vz. 3676
Ic moet ummer te hove gangen
Ick moet myt eme to hove ghan
J. van Maerlant (+/- 1266)
R. Schluseman & P. Wackers (2005), S. 188.
101
Vz. 3637-3638 bzw. 3430
RH: Reynaert hat vor nach Rom zu gehen und von Rom aus Übersee, was in RV mit „er gehe
nach Jerusalem” zusammengefasst wird.
Vz. 3723 bzw Vz. 3495
Keine Besonderheiten: Hulsterlo bei Kriekepit wird wieder aufgeführt.
Vz. 3747 bzw. Vz. 3521-3522
Keine Besonderheiten: der König mit seinen Gesandten möchten nach Maperthuus gehen (RV/
RH).
Vz. 3846-3847/ 3930 bzw Vz 3606/ 3676
Reynaert kündigt an, dass er Morgen mit Grymbart zum Hof mitgeht.
Vz. 4277
Quamen sy int hoff gegaen
Vz. 4098
Dat Reynke wolde to hove komen
He wolde reysen den wech na roem
Vz. 4412-4413
Dair ic dus dwaelde aen die heiden
Quam mijn oom mertijn die aep
Vz. 4441-4442
Vz. 4371, 4374
Deet my dat quam gisteren morgen
Do quam dat kannyn vor myn slot
Dair ic sat voir mijn borge
Hi sede he wolde to hove wesen
Vz. 4514-4515
Dat hi (Y) sciet ende sijn oorden over gaff
Ter elmaer dair hi in was begeven
Vz. 4525
Ic (R) moet te romen om een absoluci
Vz. 4277 bzw. Vz. --In RH wird nochmals explizit gesagt, dass sie beim Hof ankommen.
102
Vz. ---/ 4412-4413/ 4524 bzw. Vz. 4089/ ---/ --In RV wird nochmals explizit gesagt, dass Reynaert nach Rom fahren will und dass Martijn
ihm hilft. Reynaert begegnet seinem Onkel Mertijn auf der Heide.
Vz. 4441-4442 bzw. Vz. 4371/ 4374
Der Hase kommt zu Reynaert, der vor seiner Burg sitzt.
Vz. 4514-4515 bzw. Vz.--An dieser Stelle wird wieder über Ysengrijn und seine Mönchezeit in Elmaer.
Vz. 4357
Unde byn nu ghekomen hir in den hoff
Vz. 4650-4651
[…] doe si dese twee
Uutten hove ontrumen sagen
Vz. 4689
Vz. 4456-4457
Doe gi (r) waert uut mynen (sconinx) huse
[…] do se desse twee
Uth deme hove rümen saghen
Vz. 4866
Vz. 4589, 4603
Aen enen tuun daert (-t =Schlange) door […] By eynen thun
waende gaen
Se ghyngen to samende eynen wech
entlanck
Vz. 4946
Vz. 4663
Leit my dair in sijn hoff
Brynget my vor en (konnynck)
Vz. 4962-4963
Vz. 4683-4684
Want si van honger lude creten
Se huleden unde weren plump unde groff
Dat gi hem huus ende hof verboot
Dar umme vorböde gy en den hoff
Vz. --- bzw Vz. 4357
Keine Besonderheiten.
Vz. 4650/ 4689 bzw. Vz. 4651/ 4456-4457
Keine Besonderheiten.
103
Vz. 4866/ 4946/ 4962-4963 bzw. Vz. 4589/ 4603/ 4683-4684
Die Schlange und der Mann gehen durch einen Garten zum Hof, wo Reynaert dem König rät,
was er mit denen soll, weil die andere Ratgeber nur aus Eigeninteresse handeln.
Vz. 5648
Den peerd op wies den toren
Vz. 5105
He (de hunt) sath by synees heren dysch
Vz. 5708-5709, 5731
Vz. 5124, 5140
Ende des nachts te leggen op die aerde
Unde mod up der erden lyggen dar to
Sonder stro ende sonder letier
Unde yagheden ene wedder in den stal
Doe liep hi weder op synen stal
Vz 5753-5754
Vz. 5163-5164
Ende betvoort stont dat mijn vader
Wo myn vader unde hyntze de kater
Ende tybert gingen te gader
To samende ghyngen by eyneme water
Vz. 5760-5761, 5780, 5802-5806
Vz 5170-5172, 5184, 5203-5204
Doe sagen sy comen over tfelt
Sus ghyngen sevele weges wanderen […]
Jagers gereden myt veel honden
Wo etlyke yagers na ene quemen […]
Doe clam hi (tybert) op enen boom […]
Alzus spranck he up eynen bom
Goste dat hi dair vant een gat
Men dar was eyn gath. dat wuste he wol
Een out hol in die eerde staen
Sus entquem he. int sulve hol
Vz. 5648 bzw. Vz. --In RH wird in Bezug auf RV noch eine zusätzliche Raumbeschreibung gegeven, nämlich, dass
dem Pferd gesagt wird, wohin er den Reiter führen kann: den Turm auf.
Vz. --- bzw. Vz. 5105
In Bezug auf die Geschichte über den Esel und den Hund wird nur in RV gesagt, dass der Hund
während der Mahlzeit seines Herrchens bei ihm sitzt, während der Esel nachts auf der bloßen
Erde in einem Stall schlafen muss.
Vz. 5708-5709, 5731 bzw. Vz. 5124/ 5140
Der Esel soll in RH ohne Stroh im Stall schlafen.
104
Vz. 5753-5754 bzw. Vz. 5163-5164
Reynaerts Vater und Tybert gehen zusammen (RV: einem Wasser entlang)
Vz. 5760-5761/ 5780/ 5802-5806 bzw. Vz. 5170-5172/ 5184/ 5203-5204
Tybert und der Vater Reynaerts fliehen vor den Jägern mit Hunden, die über das Feld kommen.
Jener in einen Baum, dieser in ein Loch.
Vz. 5833
Vz. 5216
Hoe hi (=y) eens op een heide wilt
He leep eyns over eyn velt entlanck
Vz. 6135-6136
Vz. 5489
Wee der landen ende der stede
We der stath unde deme lande
Dair die wolven hebben die overhant
Dar wülve krygen de överen hande
Vz. 6266-6267, 6291-6292
Vz. 5633-5634, 5655-5656
Hy (R) deedse (Y’s wijff) eens alte diep He brachte se eysn by eynen dyck
waden int slijck
Unde heeth se waden in den slyck
Bijt water onder enen hogen dijck […]
Do ik den sulven wech. van unschycht
Also ic liep om mijn beiach
An deme amberghe gynck in de ghericht
Ende opten dijck mijn wech lach
Vz. 6298
Vz. 5663
Spranc hi op ende ghinc sijnre straten
Do ghynck he lopen synre strate
Vz. 6327-6328
Dair gingen wi door mennige camp
Bewassen myt braem ende biesen
Vz. 6341-6342
Vz. 5694-5695
Ende enen goeden wech over te gaen
Do lepe wy wedder van deme lande
Totten water. Sonder te treden int slijck
Na deme water […]
Vz. 6361-6362
Vz. 5712-5713
Doe quam ysegrym aldair
Unde eyenn guden wech over gaen
So hi ons sach van boven int dal
To deme watere in. by den dyck
105
Vz. 6412-6417
Vz. 5736, 5737/ 5782-5785
Hoe hadstu my eens besperret
Do quam ysegrym van unschicht dar
Ten put dair die twee emmers hingen
An deme over. Dar he stunt boven […]
Die myt eenre poleyen gingen
Dat vant ik alzo by deme born
Op ende neder als men woude
Dar de twey ammere hengeden an
Du saets in groter ongedoude
Gy weren in eynem sytten ghan
Beneden opt water inden enen
Dar were gy mede nedder ghedreven
Vz. 6431
Vz. 5810
Doe sproncstu uut ende ginges henen
Do sprunge gy upunde lepen yuwe strate
Vz. 5833 bzw. Vz. 5216
Keine Besonderheiten. Auf dem Feld erstickt Ysengrijn fast an einem Knochen.
Vz. 6135-6136 bzw. Vz. 5489
Der Verfasser und der Übersetzer der Werke warnen die Städte und Länder explizit für die
Wölfe.
Zwischen Vz. 6266-6431 bzw 5489 – 5810
Hier wird, von der Perspektive des Wolfes und danach des Fuchses, erzählt wie der Fuchs die
Wölfin, zumindest in den Augen des Wolfs, vergewaltigt und dieser seiner Frau hilft. Die
beiden Geschichten sind nahezu gleich (es gibt nur kleine Unterschiede wie: hogen dijck (RH)
und dyck (RV)).
Vz. 6608-6611
Ic maecte my te lopen snel
Ten gate dair ic uut quam
Ende doe ic ysegrim vernam
Die lach ende stan onder enen boom
Vz. 6683-6684
Vz. 5972-5975
Hy en deed anders niet dan hi vlo
Ik makede my to lopende snel
Uutten hool hi was also
To deme ghate uth. dar ik in quam
Unde do ik ysegryme vornam
He lach unde stende under deme
106
Vz. 6725
Ende wisen sout in hulster lo
Vz. 6062
Unde leep wedder uth hastygen sere
Vz. 6462/ 6473-6478/ 6483-6484/ 6487-6488/ 6502-6506/ 6586-6587/ 6608-6611/ 6683-6684
bzw Vz. 5844-5847/ 5853/ 5861-5862/ 5879/ 5890/ 5892 / 5895 / 5972-5975/ 6062
Bei der Affenfamilie: in RH ist die Affenhöhle (RH: unter einem Brombeerstrauch) nicht weit
vom Jagdgebiet der beiden entfernt, denn hi seyde hi en mocht niet veerre gaen. Der Vorfall
findet in RV in sassen lant statt. Ist dieses Land dann auch nicht weit vom Jagdgebiet und
Wohnort entfernt? Wie ist das mit den flämischen Orten zu kombinieren? Die Höhle hat einen
breiten, krummen, dunklen Gang, aber einmal in die eigentliche Wohnung gekommen, ist sie
klar und licht. Nachdem er wieder rausgekommen ist, findet er Ysengrijn (RH: unter einem
Baum).
Vz. 6725 bzw. Vz. --Hier wird Hulsterloe wieder aufgeführt.
Vz. 6166
De (Marten) nu up ghetogen is na roem
Vz. 6794
Al reynerts maghen bleven hem bij
Vz. 6872-6873
Doe ghinc hi slapen mitter haest
Onder enen boem int groene gras
Vz. 6187
Reynkens vrunde de nacht dar bleven
Vz. 6891-6893
Scoenre fonteinen hidaer na dranc
Doe ghinc hi enen snellen ganck
Te critewaert myt sinen magen
Vz. 6904
Vz. 6244-6246
Ende is alsoe ynt crijt ghestreken
Unde ghynck myt synen vrunden do
107
In den kreyt unde up den plan
Dar men den kamp scholde slan
Vz. 6917, 6945
Vz. 6260
Doe ruumden si alle gader dat crijt [...]
Unde spranck myt des in den kreyt
Mittien si uten crite ghinc
Vz. --- bzw. Vz. 6166
RV berichtet, dass Martijn auf Reisen nach Rom ist.
Vz. 6872-6873 bzw. Vz. 6187
Reynaert bringt die Nacht mit seinen Freunden durch. RH berichtet dazu, dass er rasch unter
einem Baum mit grünem Gras einschläft.
Vz. 6891-6893/ 6904/ 6917/ 6945 bzw Vz. 6244-6246/ 6260/ 6267/ 6273
Sie gehen zum Kampfplatz, wo sie Sand und dergleichen versammeln.
Vz. 7355
Si ghingen totten conync hueren heer
Vz. 7359-7361
Vz. 6532-6537
Doe ghingen die crijtwaerders beide
Do ghynck de lupard myt deme losse
Die los ende die lupaert
Toe n beyden in den kreyt […]
Ten crite ende spraken […]
Desse wareden den kreyt. dat was er werck
Alze se quemen in den perck
Vz. 7423-7424
Doe ghingen si uten crite keren
Mitten crijt waerders totten conync
Vz. 7612-7614
Vz. 6588-6590
Huer kijnder ende huer ghesijnde
Sus ghyngen se hen myt groteme schalle
Haeldenen (Y) uutten crijft myt claghen
Reynken vor en allen ghynck
Ende hebben hem op een leytier Myt den kreytwarders vor den konnynck
gedragen
Van hoy dair hi werm lach
Vz. 7631-7633
Vz. 6706-6709
Doe sceyde dat hoff elc ghinc hem Sine kynder.syn gesynde.syne vrunde weren
108
setten
dare
Thuus te comen ende van daen te keren
So drogen en uth deme kreyt myt klagen
Reynert nam oerloff anden heren […]
Unde hebben en up eyner boren ghedragen
Aldus hi vanden conync sciet
Myt hoye. dar he warm ynne lach
Vz. 7359-7361/ 7423-7424 bzw Vz. 6532-6537
Die crijtwaerders, de lupard myt deme losse führen Reynaert und Ysengrijn vom Kampfplatz
zum König.
Vz. 7612-7614/ 7631-7633 bzw Vz. 6588-6590/ 6706-6709/ 6737
Hier wird dargestellt, wie Reynaert seine Viktorie feiert und Ysengrijn von seinen Nächsten
versorgt wird.
109
QUELLENANGABE
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Reynaert als Mönch
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Am 17.09.2008 besucht.
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Site: http://www.hetoudekinderboek.nl/KinderboekenLijsten/volksboeken.htm
Am 17.09.2008 besucht.
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