6. Senat 6 A 2717/09.A 7 K 4376/07.F.A HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS In dem Verwaltungsstreitverfahren des Herrn A., A-Straße, A-Stadt, Kläger und Berufungsbeklagter, bevollmächtigt: Rechtsanwältin Ursula Schlung-Muntau, Jahnstraße 49, 60318 Frankfurt am Main, gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Frankenstraße 210, 90461 Nürnberg, Beklagte und Berufungsklägerin, wegen Asylrechts hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Igstadt, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am Hess. VGH Bodenbender am 22. Dezember 2010 beschlossen: I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nachstehend AEUV - folgende Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50/1) - nachstehend: Dublin-II-Verordnung vorgelegt: -21) Ist Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-Verordnung, wonach ein Mitgliedstaat berechtigt ist, einen bei ihm gestellten Asylantrag, für dessen Entscheidung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist (nachstehend: zuständiger Mitgliedstaat), abweichend von dieser Zuständigkeit prüfen zu können (sog. Selbsteintritt), dahingehend auszulegen, dass eine Verpflichtung des Mitgliedstaats, von der ihm durch diese Vorschrift eingeräumten Berechtigung zu Gunsten des betroffenen Asylantragstellers Gebrauch zu machen, auch aus Gründen hergeleitet werden kann, die nicht in der Person des Asylbewerbers begründet sind oder die sich aus sonstigen Besonderheiten des Einzelfalles ergeben, sondern die aus einer die Grundrechte von Asylbewerbern nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (nachstehend: GRCh) gefährdenden Situation im zuständigen Mitgliedstaat resultieren ? 2) Sollte Frage 1) zu bejahen sein: Ergeben sich relevante Gründe für die Verpflichtung des Mitgliedstaats zum Selbsteintritt wegen der Situation im zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf die Grundrechtsgewährleistungen in Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 GRCh bereits daraus, dass der zuständige Mitgliedstaat über einen nicht überschaubaren Zeitraum hinweg in erheblicher Weise einzelne und/oder zeitgleich mehrere Anforderungen nicht erfüllt, die durch die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31/18) und durch die Vorschriften der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326/13) gestellt werden ? 3) Sollte Frage 2) zu verneinen sein: Besteht eine Pflicht des Mitgliedstaats zur Ausübung der Berechtigung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-Verordnung mit Blick auf die oben genannten Verbürgungen der GRCh jedenfalls dann, wenn im zuständigen Mitgliedstaat besonders schwerwiegende, die Verfahrensgarantien für Asylbewerber grundsätzlich in Frage stellende oder die Existenz oder die körperliche Unversehrtheit der überstellten Asylantragsteller bedrohende Missstände gegeben sind ? 4) Sollte eine der Fragen zu 2) oder 3) zu bejahen sein: Resultiert aus der Verpflichtung des Mitgliedstaats zur Ausübung der Berechtigung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-Verordnung ein durchsetzbarer subjektiver Anspruch des Asylbewerbers auf Ausübung des Selbsteintritts gegenüber diesem Mitgliedstaat ? II. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorlagegesuch ausgesetzt. -3- Gründe: I. 1 Dem Berufungsrechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: 2 Der am 22. September 1979 in Ahvaz/Iran geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20. Oktober 2007 im Besitz von gefälschten Reisedokumenten auf dem Luftweg vom Flughafen Teheran nach Athen. Nachdem er sich dort 4 Tage lang aufgehalten hatte, reiste er, wiederum im Besitz von gefälschten Reisepapieren, am 22. Oktober 2007 weiter nach Frankfurt am Main. Dort gab er sich bei der Einreisekontrolle als Asylsuchender zu erkennen. 3 Gegen den Kläger wurde zur Sicherung der Zurückschiebung Haft bis einschließlich 25. Januar 2008 angeordnet. 4 Bei seiner Befragung am 28. Oktober 2007 zum Reiseweg und zur Prüfung der Zuständigkeit gemäß dem Dubliner Übereinkommen gab der Kläger an, er sei mit einem afghanischen Reisepass nach Griechenland geflogen, der ihm nach der Einreise von einem Mitarbeiter des Schleusers wieder abgenommen worden sei. Von diesem habe er eine italienische ID-Card erhalten, mit der er nach Frankfurt am Main geflogen sei. Sein eigener iranischer Reisepass befinde sich zu Hause im Iran. Die Flugunterlagen habe er während des Fluges nach Frankfurt am Main im Flugzeug zurückgelassen. 5 Am 15. November 2007 beantragte der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, ihm unter Aufhebung der Zurückschiebung die unverzügliche Einreise in die Bundesrepublik Deutschland durch Weiterleitung an die zuständige Aufnahmeeinrichtung zu gestatten und die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, sich gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin-IIVerordnung für das Asylgesuch für zuständig zu erklären. Das Verwaltungsgericht -4Frankfurt am Main gab der Bundesrepublik Deutschland auf, dem zuständigen Bundespolizeiamt am Flughafen Frankfurt am Main mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Klägers nach Griechenland vorläufig und bis längstens zum 16. Januar 2008 nicht durchgeführt werden darf. 6 Bei seiner nachfolgenden Befragung zu den Gründen seines Asylgesuches gab der Kläger u.a. an, dass sein Vater als Asylberechtigter in Deutschland anerkannt sei und zusammen mit seiner Ehefrau - der Mutter des Klägers - und einer der Schwestern des Klägers seit 10 Jahren legal in Frankfurt am Main lebe. Drei weitere Schwestern sowie Onkel und Tanten lebten nach wie vor im Iran. 7 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachstehend: Bundesamt) stellte mit Bescheid vom 14. Dezember 2007 fest, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist und ordnete seine Abschiebung nach Griechenland an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei unzulässig, da Griechenland aufgrund Verfristung gemäß Art. 17 Abs. 2,18 Abs. 4 und 7 der Dublin-II-Verordnung für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Zwar lebten die Eltern des Klägers und eine seiner Schwestern in Deutschland. Jedoch sei der Kläger volljährig und bedürfe keiner Pflege oder Betreuung durch Familienangehörige. Abschiebungshindernisse seien vorgetragen worden, führten aber nicht dazu, dass von einer Abschiebung abzusehen sei. Bei Griechenland handele es sich um einen sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG). Die für die Überprüfung der Einhaltung der Mindeststandards zuständige Kommission der Europäischen Union habe bislang die Mitgliedstaaten nicht aufgefordert, von Abschiebungen von Asylbewerbern nach Griechenland abzusehen. Die gleichwohl im Rahmen der "normativen Vergewisserung" vorzunehmende Überprüfung, ob der Mitgliedstaat im konkreten Fall tatsächlich sicher sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der von dem UNHCR im Hinblick auf die so genannte "Abbruchpraxis" kritisierte Präsidialerlass 61/1999, der den erneuten Zugang zum Asylverfahren in Griechenland nach einem -5vorherigen Asylantrag dort erschwert gehabt habe, werde nach Mitteilung Griechenlands nicht mehr angewendet. Überdies hätte der Erlass auch auf den Kläger keine Anwendung gefunden, da er zuvor keinen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Ein Verstoß Griechenlands gegen das Refoulement-Verbot sei ebenfalls nicht ersichtlich. 8 Am 25. Dezember 2007 erhob der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamtes vom 14. Dezember 2007 aufzuheben und die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, sich für den Asylantrag des Klägers für zuständig zu erklären. 9 Am 23. Januar 2008 wurde der Kläger nach Athen zurückgeschoben. 10 Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger vor, er sei unmittelbar nach seiner Ankunft in Athen in Haft genommen worden und 9 Tage am Flughafen in Athen in Gewahrsam verblieben. Lediglich aufgrund der Intervention seiner dortigen Rechtsanwältin und weiterer Bemühungen sei der Kläger entlassen worden, ohne dass man ihm allerdings Informationen per Dolmetscher habe zukommen lassen, wohin er sich wegen der weiteren Registrierung wenden müsse. Der Kläger sei in die Obdachlosigkeit entlassen worden. 11 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main lehnte den Antrag des Klägers vom 15. November 2007 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 11. Januar 2008 ab. 12 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main ordnete für die von ihm anberaumte mündliche Verhandlung am 8. Juli 2009 das persönliche Erscheinen des Klägers an. Mit Rücksicht hierauf wurde dem Kläger die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ermöglicht. 13 In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger zu den Umständen seiner Überstellung und zu den Umständen seines Aufenthalts in Griechenland u.a. Folgendes: Er sei nach seiner Ankunft auf dem Athener Flughafen inhaftiert worden und unter schlimmen Bedingungen 10 Tage in Haft verblieben. Ein Kontakt mit -6Angehörigen oder mit seiner Rechtsanwältin sei nicht möglich gewesen. Eine förmliche Anhörung oder Antragstellung während der Haft habe es nicht gegeben. Es seien am ersten Tag alle aus den Haftzellen herausgerufen und nach ihren Problemen gefragt worden. Ein Dolmetscher sei nicht anwesend gewesen. Zu seinen Verfolgungsgründen habe er nur wenige Sätze anbringen können. Er habe das Protokoll unterschrieben, rückübersetzt worden sei es nicht. Eine weitere Befragung habe nicht stattgefunden. Nach 10 Tagen habe er am Flughafen die rote Karte erhalten. Weitere Informationen über das Verfahren oder sonstige Hinweise habe er nicht bekommen. Nach seiner Freilassung habe er nicht gewusst, wo er hingehen solle. Er sei durch die Gegend gestreunt und habe eine Zeit lang in einem Park gelebt und seinen Unterhalt durch Straßenmusik bestritten. In der roten Karte sei eine Adresse angegeben, wo er manchmal schlafe. Dort sei ein Raum von 3 mal 2 m für insgesamt sechs Personen. In den anderen Unterkünften herrschten schlimme Zustände. Es gebe die Gefahr, bestohlen oder beraubt zu werden. Einmal sei er mit seiner Rechtsanwältin zu der Ausländerbehörde gegangen und habe dort einen Antrag auf Wohnungszuweisung gestellt. Eine Antwort habe er nicht bekommen. Lebensmittel habe er bei dem Roten Kreuz oder anderen Wohlfahrtsstellen bekommen. Staatlicherseits habe er keine finanziellen Leistungen erhalten. Der Versuch, die Gültigkeitsdauer der roten Karte zu verlängern, sei zunächst daran gescheitert, dass er keine richtige Anschrift habe angeben können. Weder er selbst noch seine Rechtsanwältin hätten bislang Nachricht über den Stand seines Verfahrens erhalten. 14 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hob mit Urteil vom 8. Juli 2009 den Bescheid des Bundesamtes vom 14. Dezember 2007 auf und stellte fest, dass die Vollziehung der Abschiebungsanordnung in dem Bescheid rechtswidrig war. Die Beklagte wurde verpflichtet, die Folgen des Vollzugs der Abschiebungsanordnung vom 14. Dezember 2007 rückgängig zu machen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Beklagte sei zur Übernahme der Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers durch Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung verpflichtet. Das der Beklagten insoweit zustehende Ermessen sei auf Null reduziert, nachdem sich -7ergeben habe, dass in Griechenland die für die Aufnahme von Asylbewerbern und zur Durchführung des Asylverfahrens bestimmten Mindeststandards nicht eingehalten würden und der Kläger in Bezug auf seine Verfahrensrechte und die Aufnahmebedingungen während seines Aufenthalts in Griechenland schwerwiegende Beeinträchtigungen habe hinnehmen müssen, die gegen den Wesenskern und den Inhalt der betreffenden Richtlinien verstießen. 15 Die Bundesrepublik Deutschland wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juli 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Kläger eine vorläufige Aufenthaltsgestattung bis zur Rechtskraft des Urteils vom 8. Juli 2009 auszustellen. 16 Die Beklagte stellte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2009. Zur Begründung wurde ausgeführt, die der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Grunde liegende Rechtsansicht, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung sei zu Gunsten des Klägers auszuüben, überzeuge nicht. Über schwerwiegende Verstöße gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (nachstehend: EMRK) hinaus sei der Umstand, dass der zuständige Mitgliedstaat die für die Aufnahme von Asylbewerbern und den Mindeststandard für das Asylverfahren erlassenen Richtlinien nicht einhalte, im Rahmen der Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nicht zu berücksichtigen. Die gegenteilige Auffassung, wie sie in der angegriffenen Entscheidung zum Ausdruck komme, sei systemwidrig und widerspreche der europäischen Rechtsprechung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sei in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2008 davon ausgegangen, dass alle Mitgliedstaaten, die sich zur Durchführung der Dublin-II-Verordnung verpflichtet hätten, auch die dazugehörigen Richtlinien umsetzten und einhielten. Dies müsse und dürfe auch jeder im Rahmen des Dublin-Verfahrens tätig werdende Mitgliedstaat bei einer Überstellung in einen zuständigen Mitgliedstaat voraussetzen. Einer Überstellung könne lediglich entgegenstehen, dass der zuständige Mitgliedstaat seinerseits gegen fundamentale Menschenrechte verstoße oder das Non-Refoulement-Verbot missachte. Das Vorliegen von Mängeln etwa bei der Unterbringung oder Versorgung von -8Asylbewerbern beseitige die Zuständigkeit des Mitgliedstaats für die Durchführung des Verfahrens nicht. Ebensowenig sei vorgesehen, dass weitere Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen werden könnten. Dies würde angesichts der häufig umfangreichen Reisetätigkeit von Asylantragstellern in Europa zu einer nicht kontrollierbaren Prozesstätigkeit führen, die so in keiner Weise vorgesehen und geregelt sei. Andernfalls müsste jeweils Betroffenen letztlich in jedem der von ihnen bereisten Staaten ein Recht auf Übernahme zustehen. 17 Mit Beschluss vom 5. Oktober 2009 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2009 zugelassen. 18 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil erster Instanz und hat angeregt, bezüglich der Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen. II. 19 Für die Entscheidung in dem ihm vorliegenden Berufungsverfahren ist der Senat auf die Beantwortung der im Beschlusstenor gestellten Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union angewiesen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: 20 Der Kläger leitet seinen mit der Berufung weiter verfolgten Anspruch auf Verpflichtung der beklagten Bundesrepublik Deutschland, sich unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides des Bundesamtes vom 14. Dezember 2007 für den Asylantrag für zuständig zu erklären, und auf die Feststellung, dass der Vollzug der Abschiebungsanordnung aus dem vorgenannten Bescheid rechtswidrig gewesen ist, aus der Regelung in Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung ab. 21 Nach dieser Bestimmung kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag abweichend von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. -922 Zuständiger Mitgliedstaat für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers ist gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung - weiterhin - Griechenland. Dieses hat dem Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 21. Dezember 2007 nach Art. 18 Abs. 7 Dublin-II-Verordnung entsprochen. Diese Situation als Folge der erstmaligen Stellung des Asylantrags in einem Mitgliedstaat am 25. Oktober 2007 bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am Flughafen Frankfurt am Main entspricht derjenigen, die nach Art. 5 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung maßgeblich ist. Es ist also für die Zuständigkeit Griechenlands nach Art. 3 Abs. 1 der Dublin-II-Verordnung unerheblich, dass dem Kläger nach seiner Überstellung nach Griechenland die Einreise nach Deutschland zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am 8. Juli 2009 und danach der weitere Aufenthalt als Asylbewerber im Sinne von Art. 2 lit. d) der Dublin-II-Verordnung ermöglicht worden ist. Der Bundesrepublik Deutschland sind die Verpflichtungen nach Art. 16 Abs. 1 der Dublin-II-Verordnung auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 2 der Verordnung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Kläger zugefallen. Der Kläger ist im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Dieser Aufenthaltstitel ermöglicht nach deutschem Recht nur den Aufenthalt während eines laufenden Asylverfahrens bzw. im vorliegenden Fall während des Verfahrens auf Klärung des für seinen Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats und gilt folglich nicht als Aufenthaltstitel im Sinne der Dublin-II-Verordnung (Art. 2 lit. j der Verordnung). Griechenland ist folglich nach einem für den Kläger negativen Abschluss des Verfahrens auf Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Wiederaufnahme des Klägers verpflichtet (Art. 20 Dublin-II-Verordnung). 23 Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung stellt die Ausübung der Berechtigung zum Selbsteintritt in das Ermessen des Mitgliedstaats. In Deutschland ist für diese Entscheidung das Bundesamt zuständig. In welcher Weise und nach welchen unionsrechtlichen - Grundsätzen das Ermessen nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung auszuüben ist, gibt die Dublin-II-Verordnung nicht vor. - 10 24 Die Grundsätze für die Ausübung des Ermessens entnimmt der Senat in Ermangelung europarechtlicher Vorgaben dem nationalen (Verwaltungsverfahrens)Recht. Dieses schreibt vor, dass in dem Fall, in dem die Behörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat. Die Behörde muss folglich, selbst wenn ihr die Ermächtigung einen weiten Spielraum lässt, das Ermessen pflichtgemäß ausüben. Ein gänzlich "freies", gerichtlich nicht weiter überprüfbares Ermessen gibt es nach deutschem Recht nicht. Die Behörde muss nicht nur erkennen, dass ihr durch die angewendete Rechtsvorschrift Ermessen eingeräumt ist, sie muss sich darüber hinaus in den durch die Ermächtigung und durch übergeordnete Rechtsgrundsätze gezogenen Grenzen halten, an der Ermächtigung orientierte sachgemäße Überlegungen anstellen und den maßgeblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig würdigen. Der Ermessensspielraum der Behörde kann auf Grund zwingender Umstände ggf. so weit geschrumpft sein, dass bei sachgerechter Handhabung nur eine rechtmäßige Handlungsalternative verbleibt. Diese Grundsätze stimmen im Wesentlichen mit denen überein, die der angerufene Gerichtshof bei der Überprüfung des Ermessens bei Rechtsakten von Organen der Union anwendet (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 12. November 1996 - RS C-84/94 -, Slg. I 1996, 5755; Urteil vom 14. Februar 1990 - Rs. C-137/88 - [Marijke Schneemann]). 26 Da die Ermächtigung in Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung, an der sich das Bundesamt bei der vom Kläger erstrebten Ermessensentscheidung zu orientieren hat, dem Unionsrecht angehört, richtet sich ihre Auslegung nach unionsrechtlichen Grundsätzen (vgl. Court of Appeal of England and Wales, Vorlageersuchen vom 12. Juli 2010 - C4/2010/0943 -, Seite 40, Vorlagefrage 1). Das Verständnis dieser Regelung ist danach maßgeblich vom Sinn und der Zweckrichtung der Vorschrift, von ihrer Systematik und von ihrem Wortlaut abhängig, wobei das Auslegungsergebnis dem Grundsatz des "effet utile" entsprechen und dem Unionsrecht zur praktischen Wirksamkeit verhelfen muss (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Februar 1963 - Rs. 26/62 - [van Gend en Loos]; Urteil vom 15. September 1998 Rs. C-231/96 - [Edilizia Industriale Siderurgica Srl]). Ebenfalls auf der Basis des - 11 Unionsrechts ist die (weitere) Frage (vgl. unten zu 4) zu beantworten, ob Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verord-nung taugliche Grundlage für einen subjektiven Anspruch gegen den Mitgliedstaat auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens und ggf. bei entsprechender Reduzierung des Ermessens auf die Gebrauchmachung der ihm nach der Verordnung zustehenden Berechtigung sein kann. 27 Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil auf der Basis dieser Grundsätze die Dublin-II-Verordnung im Lichte der europäischen Rechtsakte für ein gemeinsames Asylrecht ausgelegt und hat angenommen, dass es für einen Asylsuchenden zwar grundsätzlich zumutbar sei, in Ausführung dieser Regelungen auf einen anderen Mitgliedstaat verwiesen zu werden, da seine materiellen Rechte kraft dieser Bestimmungen in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten seien. Soweit allerdings das vor allem in den Richtlinien 2003/9/EG und 2005/85/EG des Rates statuierte materielle oder formelle Asylrecht in einem Mitgliedstaat in nicht genügender Weise transformiert worden sei oder aus anderen Gründen nicht zur Anwendung gelange, dispensierten die Zuständigkeitsregeln der Verordnung den Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt werde, nicht von seiner völkerrechtlichen Verpflichtung nach der Genfer Flüchtlingskonvention, den Asylantrag zu prüfen. Insoweit sei der Selbsteintritt in Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zumindest auch als Instrument zur Gewährleistung des subjektiven Rechts eines Antragstellers auf Prüfung seines Asylantrages auszulegen, und zwar zu dem Zweck, ein richtlinienkonformes Asylverfahren zu gewährleisten, wenn zu erwarten sei, dass ihm ein solches Verfahren in dem Mitgliedstaat der Zuständigkeit nach der Dublin-II-Verordnung nicht zugänglich sei. Bedeutsam seien insoweit schwerwiegende Verstöße gegen durch die EMRK verbürgte Garantien und solche gegen die Verfahrens- und Aufnahmerichtlinie. Zur Überzeugung der Kammer habe der Kläger in Bezug auf seine Verfahrensrechte und die Aufnahmebedingungen derartige schwerwiegende Beeinträchtigungen hinnehmen müssen, die gegen den Wesenskern und den Inhalt der betreffenden Richtlinien verstießen. Diese Beeinträchtigungen seien schwerwiegend, weil sie dem Anspruch des Klägers auf ein faires, ergebnisoffenes und zügiges Verfahren, in dem er seine Rechte zumutbar wahren könne, und auf - 12 Sicherung seiner notwendigen Lebensbedürfnisse bis zur Entscheidung über seinen Antrag zuwiderliefen. 28 Der Senat sieht sich außer Stande, durch eigene Deutung des Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung zu beurteilen, ob dieser Rechtsauffassung zu folgen ist. Vielmehr bedarf es zu den sich diesbezüglich stellenden Auslegungsfragen einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union. zu Frage 1): 29 Unklar ist aus Sicht des vorlegenden Gerichts zunächst die (Vor-)Frage, ob ein Mitgliedstaat zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-IIVerordnung auf Grund von Umständen verpflichtet sein kann, die nicht in den Kriterien des Kapitells III der Dublin-II-Verordnung begründet sind, sondern die aus einer die Grundrechte von Asylbewerbern gefährdenden Situation im zuständigen Mitgliedstaat resultieren. 30 Diese Frage lässt sich unmittelbar weder aus der Dublin-II-Verordnung noch aus dem der Verordnung zu Grunde liegenden Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat KOM(2001) 447 endgültig -, entnehmen. In Letzterem heißt es lediglich, dass sich ein Mitgliedstaat aus politischen, humanitären oder praktischen Erwägungen bereit erklären kann, einen von einem Drittstaatsangehörigen bei ihm gestellten Asylantrag zu prüfen, auch wenn er nach den Kriterien der Verordnung nicht für die Prüfung zuständig ist. Dies bedeutet, dass der Mitgliedstaat bei der Ausübung seines weiten - Ermessens bei der Ausübung der "Souveränitätsklausel" grundsätzlich alle ihm für diese Entscheidung relevant erscheinenden Gesichtspunkte in Betracht ziehen kann. Den Mitgliedstaaten ist ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, der es ihnen ermöglicht, Erfordernissen und Vorgaben nationalen Rechts oder Besonderheiten Rechnung zu tragen oder politische Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen. - 13 31 In der behördlichen Praxis und in der Rechtsprechung der Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Berechtigung nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung haben sich auch bisher keine übereinstimmenden Kriterien herausgebildet, nach denen sich das Ermessen der jeweils zuständigen Behörde ausrichten könnte. Das Ermessen wird vielmehr in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich gehandhabt; die Spannbreite der Anwendung reicht von humanitären bis hin zu rein praktischen Erwägungen (Bericht der Kommission zur Bewertung des Dublin Systems vom 6. Juni 2007 - KOM (2007) 299 endgültig -, Seite 7). 32 In der Praxis des Bundesamtes wird das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung in engem Zusammenhang mit der humanitären Klausel des Art. 15 der Dublin-II-Verordnung betrachtet und gehandhabt. 33 Es ist deshalb fraglich, ob überhaupt eine Verpflichtung des Mitgliedstaats besteht, bestimmte Kriterien in seine Ermessenserwägungen einzubeziehen und auf Grund dieser Gesichtspunkte bei entsprechender Reduzierung des Ermessensspielraums die Entscheidung über den Selbsteintritt in einer bestimmten Weise zu treffen. Als besonders umstritten hat sich die auch im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Frage herauskristallisiert, ob zu solchen in die Ermessensausübung einzubeziehenden Kriterien die allgemeinen Verhältnisse des nach den Kriterien des Abschnitts III der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaats zählen. 34 Gegen eine solche Verpflichtung könnten folgende Aspekte sprechen: Die Berücksichtigung von über die individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls hinausreichenden Gesichtspunkten ist in der Dublin-II-Verordnung erkennbar nicht angelegt. Das abgestufte System der Zuständigkeitskriterien in Art. 5 ff. der Verordnung knüpft an die Verantwortlichkeit eines Mitgliedstaates für die Einreise und den Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen sowie an die Person des Asylbewerbers und seine familiären Verhältnisse an (vgl. Vorschlag der Kommission, Abschnitt 3.1.). Auch die humanitäre Klausel in Art. 15 der Dublin-IIVerordnung zielt, wie sich aus der Benennung des familiären und kulturellen Kontextes des Asylantragstellers ergibt, auf individuelle Faktoren ab. Regelungen, - 14 die ein Abweichen von den Zuständigkeitskriterien für den Fall vorsehen, dass die Mindestanforderungen an die Aufnahme von Asylbewerbern und an das Asylverfahren in einem nach den Regelkriterien zuständigen Mitgliedstaat nicht erfüllt werden, enthält die Dublin-II-Verord-nung nicht. Derartige Bestimmungen sind offenkundig auch als entbehrlich betrachtet worden. Die Verordnung beruht nämlich erkennbar auf der Überzeugung und der Gewissheit, dass ungeachtet fortbestehender Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Asylbewerbern und der Schutzgewährung (vgl. Vorschlag der Kommission, Abschnitt 2.2) die Mindeststandards für die Aufnahme der Asylantragsteller und das Asylverfahren, die mit dem Ziel der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems mit einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge normiert wurden, in sämtlichen Mitgliedstaaten eingehalten werden. Diese Überzeugung kommt in Erwägungsgrund 2 der Verordnung zum Ausdruck, wonach die Mitgliedstaaten mit Rücksicht auf das gemeinsame Ziel der uneingeschränkten und umfassenden Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention im Rahmen eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (schon) auf Grund der Beachtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung (Non refoulement) als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige gelten. Über die Beachtung des Re-foulementVerbotes hinaus wird vorausgesetzt, dass die Mitgliedstaaten auf Grund des gemeinsamen Ziels einer Harmonisierung der Rechtssysteme zum Asyl- und Flüchtlingsrecht bestrebt und dazu in der Lage sind, das durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem bedingte gemeinsame Schutzniveau zu gewährleisten. 35 Auf der Grundlage dieser Annahmen liegt die Zielrichtung der Dublin-II-Verordnung darin, klare und praktikable Formeln für die Prüfung des zuständigen Mitgliedstaats zu schaffen und zu einer raschen Entscheidung über die Zuständigkeit zu gelangen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (Erwägungsgründe 3 und 4). Ferner soll die Verordnung zur Verhinderung von Asylmissbrauch durch die Stellung von - 15 Mehrfachanträgen mit dem Ziel einer Verlängerung des Aufenthalts in der Europäischen Union beitragen (vgl. Vorschlag der Kommission, Abschnitt 2.1.). 36 Eine Einbeziehung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation im zuständigen Mitgliedstaat bei der Prüfung der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands in Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung könnte diesen konzeptionellen Grundüberlegungen der Verordnung widersprechen. Zwar erfolgt die Prüfung, ob ein Mitgliedstaat auf Grund der ihm durch Art. 3 Abs. 2 der Dublin-IIVerordnung eingeräumten Berechtigung an Stelle des zuständigen Mitgliedstaates tätig werden soll, unabhängig von der Feststellung der Zuständigkeit des (anderen) Mitgliedstaates anhand der in der Verordnung festgelegten Kriterien. Gleichwohl könnte eine umfassende und aufwändige Betrachtung der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung die mit der Verordnung verfolgten Ziele gefährden. Die endgültige Entscheidung über die Zuständigkeit für den in Frage stehenden Asylantrag würde womöglich erheblich hinausgezögert und es würde eine über einen geraumen Zeitraum fortbestehende Unsicherheit über die Zuständigkeit für den gestellten Asylantrag hervorgerufen. Bei schwerwiegenden und längerfristigen Zweifeln an der Fähigkeit oder dem Willen eines Mitgliedstaats zur Beachtung der Richtlinien über die Aufnahme der Asylbewerber und das Verfahren auf Zu- und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft wäre überdies zu erwarten, dass sich Asylantragsteller, für die der Mitgliedstaat nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung zuständig ist, in erheblicher Zahl dem Asylverfahren in diesem Mitgliedstaat entziehen und in einem anderen Mitgliedstaat - unter Berufung auf den Ausnahmetatbestand in Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung - um die Gewährung von Schutz nachsuchen. Das System einer an den Kriterien des Kapitels III der Verordnung ausgerichteten Zuständigkeitsverteilung würde damit unterlaufen. Schließlich würde der Mitgliedstaat bei einer auch die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse im zuständigen Mitgliedstaat einbeziehenden Prüfung zwangsläufig eine wertende Betrachtung der Verhältnisse im zuständigen Mitgliedstaat einschließlich der Einhaltung der Richtlinien 2003/9/EG und 2005/85/EG vornehmen - 16 müssen. Die Bewertung der Einhaltung dieser Richtlinien wie auch der Durchführung der Dublin-II-Verordnung (vgl. Richtlinie 2005/85/EG, Erwägungsgrund 30; Richtlinie 2003/9/EG, Erwägungsgrund 17; Dublin-IIVerordnung, Erwägungsgrund 14) obliegt aber nicht den Mitgliedstaaten, sondern den Organen der Union (vgl. etwa Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung der Richtlinie 2003/9/EG vom 26. November 2007- KOM (2007) 745 -; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Februar 2009 zu der Anwendung der Richtlinie 2003/9/EG, Amtsblatt Nr. C 067 E vom 18. März 2010, S. 94) mit der möglichen Folge eines Verfahrens nach Art. 7 des Vertrags über die Europäische Union. 37 Ungeachtet dessen können nach wohl allgemein anerkannter Rechtsauffassung Verhältnisse im zuständigen Mitgliedstaat, die schwerwiegende Verstöße gegen die EMRK, insbesondere die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylbewerbern im Sinne von Art. 3 EMRK oder die Missachtung des RefoulementVerbots beinhalten, eine Verpflichtung eines anderen Mitgliedstaates auslösen, die Zuständigkeit des bei ihm gestellten Asylantrags nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-IIVerordnung zu übernehmen. 38 Derartige Verhältnisse hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil in Griechenland nicht festgestellt. Auch dem Senat liegen keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass in Griechenland Asylantragsteller in einer Art. 3 EMRK verletzenden Weise unmenschlich oder erniedrigend behandelt werden oder dass iranische Staatsangehörige in Gefahr sind, in den Verfolgerstaat oder in einen anderen - nicht sicheren - Drittstaat abgeschoben zu werden. 39 Bezüglich der weiteren Frage, ob unterhalb des Levels einer Verletzung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Missachtung des Refoulement-Verbots Situationen im zuständigen Mitgliedstaat, insbesondere die Nichteinhaltung der Richtlinien 2003/9/EG und 2005/85/EG, zu einer Verpflichtung eines (anderen) Mitgliedstaates zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung führen können, bestehen dagegen unterschiedliche Auffassungen. - 17 40 Mit Rücksicht auf die oben dargestellten Erwägungen kann - in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Beklagten - die Auffassung vertreten werden, dass das Institut des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung generell nicht dazu bestimmt und geeignet ist, in einer unübersehbaren Zahl von Fällen und längerfristig oder gar auf unabsehbare Dauer auf einen strukturellen Missstand im Asylsystem der Gemeinschaft zu reagieren und diesen durch die nationalen Behörden bzw. Gerichte einer Lösung zuzuführen. 41 Eine gegenteilige Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Lehre in Deutschland geht demgegenüber dahin, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch die mangelhafte Umsetzung und Beachtung der Mindeststandards für die Aufnahme von Asylbewerbern und für das Verfahren auf Zu- und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft in den oben genannten Richtlinien dazu führen kann, dass das Bundesamt das ihm durch Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung zustehende Ermessen in Form der Übernahme der Zuständigkeit ausüben muss. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union würde danach im Kontext der Dublin-IIVerordnung weiter reichende Schutzwirkungen entfalten als die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (vgl. Court of Appeal of England and Wales, Vorlageersuchen vom 12. Juli 2010 - C4/2010/0943 -, Abschnitt 40, Vorlagefrage 5). zu Frage 2): 42 Wenn die unter 1) gestellte Frage zu bejahen ist, ergibt sich die weitere Frage, in welcher Weise die Asylpraxis im zuständigen Mitgliedstaat gestaltet sein muss, um eine Verpflichtung eines anderen Mitgliedstaates auszulösen, von seiner Berechtigung nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung Gebrauch zu machen. 43 Aus den zu Frage 1) ausgeführten Gründen geht der Senat davon aus, dass weder aus punktuellen Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung der Richtlinien 2003/9/EG und 2005/85/EG noch aus kurzzeitigen Unterschreitungen der durch die Richtlinien vorgeschriebenen Mindeststandards in dem zuständigen Mitgliedstaat eine Verpflichtung des (anderen) Mitgliedstaats hergeleitet werden kann, sich im - 18 Rahmen der Prüfung über die Ausübung der Berechtigung nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung mit der Asylpraxis des zuständigen Mitgliedstaats zu befassen und angesichts dieser Mängel bei der Umsetzung der Richtlinien die Zuständigkeit für den Asylantrag zu übernehmen. Minimale, vereinzelte oder vorübergehende Unzulänglichkeiten berühren die der Dublin-II-Verordnung zu Grunde liegende Gewissheit, dass Asylbewerber in allen Mitgliedstaaten dem Grundsatz nach eine den Richtlinien über die Aufnahme der Asylbewerber und über die Mindestnormen bei Asylverfahren entsprechende Behandlung erfahren, nicht. 44 Eine andere Beurteilung kann allerdings dann angezeigt sein, wenn in dem zuständigen Mitgliedstaat einzelne der in den Richtlinien 2003/9/EG und 2005/85/EG bestimmten Mindeststandards über einen nicht überschaubaren Zeitraum hinweg in schwerwiegender Weise missachtet werden, etwa indem in erheblichem Umfang keine ausreichende Kapazität an Räumlichkeiten zur Aufnahme und Unterbringung dieser Asylbewerber zur Verfügung gestellt wird, oder keine Geld- und Sachleistungen zur Bestreitung bzw. zur Gewährleistung des täglichen Lebensunterhalts zur Verfügung gestellt werden, keine Anhörung durchgeführt wird, in der der Asylbewerber nach Ladung zu der Anhörung unter Gewährleistung der angemessenen Vertraulichkeit die Möglichkeit zu einer zusammenhängenden und umfassenden Darlegung der Gründe seines Asylantrags vor einer ausreichend befähigten Person und unter Beteiligung eines Dolmetschers erhält, der eine angemessene Verständigung zwischen dem Antragsteller und der anhörenden Person sicherstellt, Asylbewerbern keine dem Betreffenden ausreichend verständliche Informationen über den Verlauf des Verfahrens und über ihre Rechte und Pflichten während des Verfahrens vermittelt werden, nicht innerhalb angemessener Frist Kenntnis vom Ausgang des Verfahrens gegeben wird, kein rechtzeitiger Zugang zu dem Bericht über die Anhörung gewährt wird, nicht sichergestellt wird, dass der von einem überstellten Asylbewerber beauftragte Rechtsanwalt in ausreichender Weise Zugang zu den in den Akten des Asylbewerbers enthaltenen relevanten Informationen erhält, Personen allein deshalb in Gewahrsam genommen werden, weil sie Asylbewerber sind und keine rasche Überprüfung des Gewahrsams sichergestellt wird. - 19 45 Gleiches könnte gelten, wenn Mängel bei der Umsetzung der Richtlinien kumulieren und wenn die Missstände über einen längeren Zeitraum ohne begründete Aussicht auf nachhaltige Besserung andauern. 46 In diesen Fällen könnte das aus der Dublin-II-Verordnung zum Ausdruck kommende Vertrauen in die Fähigkeit und die Bereitschaft aller Mitgliedstaaten zur Gewährleistung des durch die Richtlinien bestimmten gemeinsamen Schutzniveaus bezüglich des betreffenden Mitgliedstaats erschüttert sein. 47 Wird ein derartiger erheblicher Missstand festgestellt, lässt sich die Auffassung vertreten, dass der Mitgliedstaat, in dem der Asylbewerber um Schutz nachsucht, verpflichtet ist, die Zuständigkeit für das Asylgesuch zu übernehmen, um den in der Union verbürgten Schutz sicherzustellen. Vertreter dieser Rechtsansicht verweisen darauf, dass, wenn es dem Asylsuchenden verwehrt sei, in mehreren Mitgliedstaaten ein Asylverfahren anzustrengen, ihm im Gegenzug in zumindest einem Staat ein Minimum an materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Ausgestaltung des Asylrechts zur Verfügung stehen müsse. Insoweit könnte von Bedeutung sein, dass die Dublin-II-Verordnung in Erwägungsgrund 6 auf die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundrechte und Grundsätze Bezug nimmt und als Ziel der Verordnung formuliert, die Anwendung der Art. 1 und 18 GRCh zu fördern. Dieses mit der Verordnung verfolgte Ziel zur Förderung u.a. auch des in Art. 18 der GRCh nunmehr unionsrechtlich verbindlich verbürgten und den Bestimmungen der Verträge über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union gleichrangigen (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages über die Europäische Union) Rechts auf Asyl nach Maßgabe des Genfer Flüchtlingsabkommens und des Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft könnte sich ermessensbestimmend auf die Entscheidung des Mitgliedstaates über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts unter den oben genannten tatsächlichen Voraussetzungen auswirken. 48 Teilweise wird auch darauf abgestellt, dass der um Schutz angegangene Mitgliedstaat sein Selbsteintrittsrecht unter dem Gesichtspunkt des in Art. 80 AEUV verankerten und in Erwägungsgrund 8 der Dublin-II-Verordnung aufgenommenen - 20 Grundsatzes der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten ausüben müsse. Die Anknüpfung an die Verantwortlichkeit des Mitgliedstaates für die Asylantragstellung als maßgebliches Bestimmungskriterium bei gleichzeitigem Verzicht des Dublin-Systems auf eine gerechte Lastenverteilung innerhalb der Union führe zu einem Konflikt zwischen den Zielen, ein Gleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft im Asyl- und Flüchtlingsrecht im Geiste der Solidarität hervorzubringen, und andererseits auf der Grundlage des Verursacherprinzips objektive und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechte Zuständigkeitskriterien anzuwenden. Die Konsequenz des Zielkonfliktes manifestiere sich in der unverhältnismäßigen Belastung der grenznahen, insbesondere der südeuropäischen Mitgliedstaaten im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten. Die Folgen einer fortdauernden Überlastung eines Mitgliedstaates könnten auf der Basis des gegenwärtigen Unionsrechts sachgerecht nur über das Instrument der "Souveränitätsklausel" gelöst werden. Die Maßnahmen nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung seien bei einer erheblichen, die Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in Frage stellenden Unterschreitung des verbindlichen Schutzniveaus in einem Mitgliedstaat zum Schutz des Systems und zum Ausgleich der aufgetretenen Ungleichgewichte zu ergreifen. 49 Für die im vorliegenden Fall für den Asylantrag des Klägers nach Art. 3 Abs. 1 der Dublin-II-Verordnung zuständige Hellenische Republik hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 8. Juli 2009 - gestützt auf Stellungnahmen des UNHCR - festgestellt, dass Asylbewerber einschließlich der auf Grund der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylantragsteller in Griechenland trotz formeller Umsetzung der oben genannten Richtlinien in griechisches Recht tatsächlich keinen effektiven Zugang zum Asylverfahren und während des Asylverfahrens keine ausreichende Versorgung und Unterbringung erhalten. Weiterhin hat das Verwaltungsgericht auf der Basis des von ihm als glaubhaft betrachteten Vorbringens des Klägers angenommen, dass der Kläger in Bezug auf seine Verfahrensrechte und die Aufnahmebedingungen schwerwiegende Beeinträchtigungen habe hinnehmen müssen, die gegen den Wesenskern der betreffenden Richtlinien verstießen. Diese Beeinträchtigungen hat das - 21 Verwaltungsgericht als so schwerwiegend betrachtet, dass es von einer Schrumpfung des der Beklagten zustehenden Ermessens auf die Übernahme der Zuständigkeit als allein ermessensgerechte Entscheidung ausgegangen ist. 50 Hinsichtlich der Asylpraxis in Griechenland liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor, die eine von der Beurteilung des Verwaltungsgerichts abweichende Einschätzung rechtfertigen könnten. Der Senat muss vielmehr davon ausgehen, dass sich seit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Situation von Asylbewerbern in Griechenland keine nennenswerten Verbesserungen ergeben haben und dass der Kläger folglich im Falle einer Überstellung nach Griechenland dort den gleichen Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre wie denjenigen, die er dem Verwaltungsgericht gegenüber in der mündlichen Verhandlung geschildert hat. Wie der UNHCR in seiner Stellungnahme "Anmerkungen zu Griechenland als Aufnahmeland für Asylsuchende" vom Dezember 2009 - auf die der UNHCR in seiner nachfolgenden Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht vom Februar 2010 Bezug nimmt - ausführt, sind Personen, die auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung überstellt werden, in Griechenland unverändert den gleichen Schwierigkeiten ausgesetzt wie Personen, die nach Griechenland einreisen, um dort (erstmals) um internationalen Schutz nachzusuchen. Für Personen, die - wie der Kläger - in Griechenland bereits einen Asylantrag gestellt haben, besteht nach Auskunft des UNHCR zudem das Risiko, dass der entsprechende Antrag bereits abgelehnt wurde und das Verfahren dort nicht wieder aufgenommen werden kann. Zwar sehe der Präsidialerlass 90/2008 vor, dass nach Rückkehr von Asylbewerbern aufgrund der Dublin-II-Verordnung eine Entscheidung, dass die Prüfung des Asylgesuchs nicht weitergeführt werde, zu widerrufen sei. Da in der Praxis aber Asylanträge in der Regel abgelehnt würden und nach der Rückkehr den Asylsuchenden zugestellt würden oder bereits öffentlich zugestellt worden seien, komme diese Regelung nicht zur Geltung. 51 Der Senat stellt auf den ihm im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung vorliegenden aktuellen Sachstand ab. Nach nationalem Recht ist im Verfahren nach dem Asylverfahrensgesetz zwingend auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der ohne mündliche Verhandlung ergehenden Entscheidung - 22 abzustellen. Unionsrecht steht dem nicht entgegen. Die Dublin-II-Verordnung sieht lediglich bei der Entscheidung über die Bestimmung des nach den Kriterien der Verordnung zuständigen Mitgliedstaats die Situation bei erstmaliger Stellung des Asylantrags in einem Mitgliedstaat als maßgeblichen Zeitpunkt vor (Art. 5 Abs. 2 der Dublin-II-Verord-nung). Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung erfolgt indessen unabhängig von der Entscheidung über die Bestimmung des Mitgliedstaates nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung. zu Frage 3) 52 Sollte Frage 2) zu verneinen sein, würde sich dem Senat die weitere Frage stellen, ob nicht jedenfalls besonders schwerwiegende Defizite bei der Umsetzung der Richtlinien 2003/9/EG und 2005/85/EG, die die Verfahrensgarantien für Asylbewerber grundsätzlich in Frage stellen oder die die Existenz oder die körperliche Unversehrtheit der überstellten Asylantragsteller bedrohen, geeignet sind, die Verpflichtung des Mitgliedstaats zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verord-nung auszulösen. Hierfür könnte sprechen, dass sich derartige Missstände, denen der Kläger in Griechenland nach seinen Bekundungen ausgesetzt war und deren Wiederholung im Falle seiner Überstellung nach Griechenland aus den vom Verwaltungsgericht genannten bzw. aus den oben dargelegten Gründen zu erwarten sind, in ihrer Schwere den Beeinträchtigungen durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen angenähert sind, deren Abwehr Art. 3 EMRK zum Ziel hat. Der durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgte Schutz könnte sich zumindest in diesen besonders gravierenden Fallgestaltungen als bindende Ermessensrichtlinie für den Mitgliedstaat bei der von ihm nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung zu treffenden Entscheidung auswirken. zu Frage 4) 53 Sollte die unter 2) oder die unter 3) gestellte Frage zu bejahen sein, bedarf die weitere Frage der Klärung, ob einer Verpflichtung des Mitgliedstaats zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung auf Grund einer entsprechenden Schrumpfung seines Ermessens ein entsprechender ggf. - 23 gerichtlich durchsetzbarer subjektiver Anspruch des Asylantragstellers gegenübersteht, dass der von ihm um Schutz gebetene Mitgliedstaat zu seinen Gunsten von der Berechtigung Gebrauch macht. 54 Das Bestehen eines solchen Anspruchs des Asylbewerbers ist nicht unumstritten. Teilweise wird ein derartiger Anspruch unter Hinweis darauf verneint, dass die Dublin-II-Verordnung allein der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den Mitgliedstaaten diene, aber nicht darauf ausgerichtet sei, persönliche Ansprüche der von der Verteilung betroffenen Asylbewerber zu begründen. 55 Ein anderer Teil der Rechtsprechung und Literatur bejaht demgegenüber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Selbsteintrittsrecht. Die Vertreter dieser Ansicht verweisen darauf, dass den Regelungen der Dublin-II-Verordnung auf Grund ihres Rechtscharakters unionsrechtlich unmittelbare Wirkung zukomme, auf die sich Betroffene unabhängig davon berufen könnten, ob durch die Vorschriften der Verordnung ausdrücklich subjektive Rechte verliehen würden. Es genüge, wie sich aus der Rechtsprechung des angerufenen Gerichtshofs seit seinem Urteil vom 5. Februar 1963 - Rs. 26/62 - [van Gend en Loos] ergebe, dass eine hinreichend bestimmte und unmittelbar vollziehbare gemeinschaftsrechtliche Norm eine klare und eindeutige gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten enthalte. Dies sei bei den Regelungen der Dublin-II-Verordnung zweifelsfrei der Fall. Die Zuständigkeitsbestimmungen der Verordnung verfolgten generell und durch konkrete Regelungen das Ziel, humanitäre und menschenrechtskonforme Regelungen zur Durchsetzung der individuell geschützten Rechtsgüter von Asylsuchenden zu treffen, welche typischerweise bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates betroffen seien und hätten damit unmittelbare Wirkung. Überdies sei der subjektive Bezug zahlreicher Vorschriften der Verordnung unverkennbar. Auch Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung habe in diesem Sinne unmittelbare Auswirkungen auf die betroffenen Asylbewerber. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei einer erheblichen Überlastung des Asylsystems eines Mitgliedstaates die Zuständigkeit für die Behandlung eines Asylbegehrens zu übernehmen, verfolge den Zweck, dem Asylsuchenden im Gemeinschaftsgebiet das ihm zustehende Schutzniveau zu gewährleisten. Bereits - 24 dies spreche dagegen, den Zweck der Souveränitätsklausel allein in der Beförderung öffentlicher Interessen zu sehen. Der Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei auf Null reduziert, wenn sich der Asylsuchende in schlüssiger Weise auf für ihn bedrohliche tatsächliche oder rechtliche Defizite im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates berufe. III. 56 Das Verfahren wird bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt (§ 94 VwGO). 57 Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Igstadt Fischer Bodenbender