Suizid – Suizidalität Suizidalität alle Gedanken und Handlungen, die darauf abzielen, das eigene Leben durch Selbsttötung zu beenden. (Möller, 2002, Zertifizierte Fortbildung, Folge 36) psychischer Zustand eines suizidgefährdeten Menschen lateinisch: sui und caedere „sich seiner selbst“ und „schlagen, fällen, töten, morden“ Synonyme sind „Selbstmord, Selbsttötung, Mors voluntaria oder Freitod“ Aktiv / Passiv aktive Handlung versus Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen larvierter S. Ein Suizid, der als solcher nicht erkennbar ist Parasuizid selbstverletzende, selbstschädigende Handlung ohne Tötungsabsicht, demonstrativer Suizidversuch (therapeutisch im Höchstmaß ernst zu nehmen!) protrahierter S. Suizid, der sich über längeren Zeitraum erstreckt (Gift in kleinen Dosen, Drogen) weicher vs. harter Suzid die verwendete Methode kann „hart“ (Erschiessen, Unfall usw.) oder „weich“ (Vergiften) sein erweiterter Suizid Mitnahme von anderen Personen (Ehepartner, Kinder…) gemeinsamer Suizid auch, der Suizid wird gemeinsam begangen (z.B. Ehepaar, Sekte…) siehe auch Doppelsuizid Wiederholungsgefahr „Bancroft und Marsack vermuteten aufgrund ihrer Ergebnisse einer Untersuchung von 690 Patienten nach einem Suizidversuch, dass folgende drei Typen von Wiederholern existieren: Ein „chronischer, habitueller Typ“, der von einer Krise in die nächste gerät und für den der Suizidversuch eine Coping-Methode darstellt, ein „individueller Typ“, der in einer schweren Lebenssituation mehrfache Suizidversuche in einer kurzen Zeitspanne begeht und ein „on-off Typ“, der im Rahmen einer schweren Krise einen Suizidversuch verübt, aber nur selten zu Rezidiven neigt ( Bancroft u. Marsack 1977)“ . (Dissertation. Pramschiefer, 2007 Hamburg) Bilanzsuizid „überlegter“ Suizid in auswegloser Lebenssituation (Ehrenschuld, Überschuldung) Achtung: „narzistische Krise!“ Arztbesuche ca. 50% der Suizidanten suchen in den 4 Wochen vor dem S. eine ärztl. Praxis auf, 25% ein Woche zuvor. 75% der Suizidhandlungen werden angekündigt. (Möller, 2002) Sonstige Formen politischer Suizid, Religiöser Suizid, militärischer Suizid, …. Biologie Möller beschreibt „biologische Teilursachen“: Bei Patienten nach einem Suizidversuch konnte ein erniedrigter Spiegel der Hydroxyindolessigsäure im Liquor cerebrosspinalis nachgewiesen werden. Hydroxyindolylessigsäure ist ein Stoffwechselprodukt von Serotonin und kann zur Bestimmung des Serotoninspiegels verwendet werden. WEB http://www.wikiwand.com/de/Suizid, www.suizidprophylaxe.de www.telefonseelsorge.de , www.sorgenchat.de, http://www.die-arche.de/ -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 1 von 9 ICD-10 Z91.5 Selbstbeschädigung in der Eigenanamnese (Parasuizid, Selbstvergiftung, Versuchte Selbsttötung). Recht Suizid ist in Deutschland keine rechtswidrige Handlung. Anstiftung (§26 StGB) oder Beihilfe (§27 StGB) entfallen, da es keine rechtswidrige Haupttat gibt. Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland nicht strafbar (Verschreiben einer tödlichen Dosis Medikamente, Beschaffungskriminalität ), jedoch kann ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz oder anderer Gesetze vorliegen. Töten auf Verlangen (§216 StGB) ist ein Straftatbestand. Aktive Sterbehilfe gehört in Deutschland dazu, in den Niederlanden nicht, wenn sie ein Arzt durchführt. Unterlassene Hilfeleistung (§323c StGB) kann zu fahrlässiger Tötung (§222 StGB) als Straftatbestand führen. Passive Sterbehilfe ist gesetzlich nicht geregelt und wird dann nicht bestraft, wenn sie auf Verlangen eines einwilligungsfähigen Patienten durchgeführt wird. Eine Patientenverfügung lässt auf das „mutmaßliche Verlangen“ schließen, wenn der Patient sich nicht mehr selbst äußern kann. Risikosituationen Psychische Krankheit (vor allem Depression und Schizophrenie), chronische Krankheit, Lebenskrisen, Überschuldung, Arbeitslosigkeit, Trennung vom Partner oder anderen Angehörigen (auch durch Tod) soziale Isolation, Pubertät, Alter, Persönlichkeitsstörungen, Abhängigkeit, helfende Berufe (Ärzte, Zahnärzte), Suizidalität in der Vorgeschichte (eigene Suizidversuche, Familie, psychiatrische Klinik, Schule, ...) Statistiken: -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 2 von 9 Zahlenverhältnis Suizid zu Suizid-Versuch: 1 zu 10 – 15 -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 3 von 9 Spektrum „Suizidalität“ Krise Wunsch nach Ruhe Wunsch nach Pause im Weiterleben Tod wäre egal Wunsch, tot zu sein unkonkrete Suizidgedanken konkrete Suizidpläne Vorbereitungen Abgebrochener Suizidversuch Suizidversuch Vollendeter Suizid -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 4 von 9 Stadien nach Walter J. Pöldinger ((* 31. Mai 1929 in Wien; † 15. Juli 2002) Psychiater. Professor in Basel. Erwägung Ambivalenz Entschluss Erwin Ringel (* 27. April 1921 in Timișoara, Königreich Rumänien; † 28. Juli 1994 in Bad Kleinkirchheim, Kärnten) Arzt für Psychiatrie, Neurologie, Suizidforscher (Individualpsychologie) Nach Ringel (1953) gehen einer Suizidhandlung typischerweise drei Merkmale voraus: Einengung, unterteilt in Situative Einengung: Der oder die Betroffene empfindet einen Verlust der gewohnten Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten in seinem Alltag. Dynamische Einengung: Alles Denken engt sich zunehmend thematisch ein; Gefühle und Phantasien bekommen mehr und mehr eine einseitige Ausrichtung, die, mit dem Verlust an Lebensfreude einhergehend, das Weiterleben als sinnlos erscheinen lässt. Einengung der zwischenmenschlichen Beziehungen: Kontakte zu anderen Menschen, auch innerhalb der eigenen Familie, brechen aufgrund der empfundenen Einengung zunehmend ab und führen zur Vereinsamung. Einengung des Werterlebens: Alles was bisher im Leben als wertvoll erschien, verliert seine Bedeutung. Es resultiert daraus eine innere Leere. -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 5 von 9 Aggressionsumkehr: Vorhandene aggressive Gefühle gegenüber anderen Menschen werden zunehmend gehemmt und unterdrückt; sie richten sich schließlich nur noch gegen die eigene Person. Suizidphantasien: Es drängen sich unwillkürlich und in zunehmendem Maße Gedanken auf, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Am Ende können solche Phantasien übermächtig werden. Weitere Charakteristika: Das präsuizidale Syndrom kann durch weitere Charakteristika erweitert werden; hierzu zählen insbesondere: Impulshandlungen: Die meisten Suizidalhandlungen sind primär Impulshandlungen, wobei der akute seelische Schmerz nicht weiter ertragen werden kann. Gottesurteil: Viele Suizidhandlungen sind von der Angst die Schwelle hin zum Tod zu überschreiten geprägt. Dies wird insbesondere bei Suizidversuchen mit offenem Ausgang (Überleben bis hin zum Tod) deutlich. Hierbei steht der Wunsch nach dem sogenannten "Gottesurteil" im Mittelpunkt. Ambivalenz: Suizidversuche als Implshandlungen mit dem Wunsch des "Gottesurteils" weisen einmal mehr die Ambivalenz des Suizidenten auf. (www.medizin-wissen-online.de) „Immer enger wird mein Denken immer blinder wird mein Blick, mehr und mehr erfüllt sich täglich mein entsetzliches Geschick. Kraftlos schlepp ich mich durchs Leben jeder Lebenslust beraubt, habe keinen, der die Größe meines Elends kennt und glaubt. Doch mein Tod wird Euch beweisen, daß ich jahre-, jahrelang an des Grabes Rand gewandelt, bis es jählings mich verschlang.“ 1 – 3: Einengung, 4 – 7 Isolierung und die 8 – 12 Aggressionsproblematik und Selbstmordphantasien – aus:Ernst Ringel, Die österreichische Seele: Gedicht eines Suizidanten (vermutlich 1880 – 1900) ------------------------------------------------------------------- -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 6 von 9 mögliche Signale • unerträgliche psychische und/oder physische Schmerzen • frustrierte psychologische Bedürfnisse • die Suche nach einer Lösung • der Versuch, das Bewusstsein zum Schweigen zu bringen • Hilf- und Hoffnungslosigkeit • Einengung der Optionen • Ambivalenz • die Mitteilung der Absicht • Suizid als Abschied • Problemlösungsmuster von Flucht im bisherigen Leben • drohende Kriminalisierung • Kriegs- oder Foltererfahrungen • nach sexueller Gewalt • rassische, religiöse, politische Verfolgung • lebensbedrohliche Krankheit • Suizide / Suizidversuche in der näheren Umgebung (Familie, Arbeits- oder Umgebungszusammenhang, • Vorbereitungen sind getroffen (Abschiedsbrief, Tabletten/Rezepte gesammelt, • überraschend Testament erstellt • durchdachte, verfügbare Methode (z.B. Wissen über letale Dosierung von Drogen) • Besitz einer sogenannten „Anleitung zum Selbstmord“ • Fähigkeit und Mut zur Durchführung kann ernsthaft vermutet werden • Selbsttötungsabsichten werden nur Dritten (jedoch nicht z.B. dem Partner) gegenüber geäußert • vorangegangene Suizidversuche • Tendenz zu immer härteren Methoden bei vorangegangenen Suizidversuchen • Klient nennt mehr Gründe fürs Sterben als fürs Leben (Pro- & Contra-Liste) • Suizidgedanken dauern länger an (täglich mehrere Minuten bis Stunden • Beginn oder Ende einer depressiven Phase • länger andauernde Phasen von Schlaflosigkeit • extreme Schuldgefühle • Rückzug von Freunden und Bekannten, Ablehnung von Kontaktangeboten • kein soziales Umfeld, das einschreiten könnte (Einsamkeit, Isolation) • gelassene und emotionslose Schilderung der Überlegungen und Argumente • ungewöhnliche Ruhe oder Entspannung nach ernster Suizidankündigung • Vernachlässigung von Körperpflege und äußerem Erscheinungsbild • selbstgefährdende Verhaltensweisen (rücksichtsloses Autofahren, Trunkenheit am Steuer, Anfänge von Hobbys mit hohen Risiken) • häufige Unfälle in der neueren Lebensgeschichte • Berichte von lebensgefährlichen Ereignissen ohne angemessene emotionale Beteiligung • Diabetiker oder lebenswichtige Medikamenteneinnahme ohne Selbstdisziplin • Häufig wechselnde Geschlechtspartner ohne Berücksichtigung von Safer-Sex-Praktiken • Exzessiver Genuss von Drogen (auch Nikotin und Alkohol) -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 7 von 9 Fragen zur Abschätzung von Suizidalität (Vgl. Möller/Laux/Deister 2001) Exploration durch Erfragen aktueller Suizidgedanken Fantasien, Wunsch nach Zäsur/Veränderung, Abschiedsbrief Erfragen der aktuellen psychopathologischen Symptomatik Risikogruppen, Depression, Schizophrenie, Abhängigkeit, Selbstwert Erfragen anamnestischer Faktoren Selbstdestruktives Verhalten, Suizide in der Familie, körperliche Erkrankungen, eigene Suizidversuche Erfragen der aktuellen Lebenssituation Belastungen, soziale Kontakte, Arbeit, Lebensziele/Aufgaben, Religion -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 8 von 9 Beispiele möglicher Fragen: 1. Haben Sie in der letzten Zeit daran denken müssen, sich das Leben zu nehmen ? (Suizidgedanken, Suizidphantasien, Gedankeneinengung, Erwägungsphase) 2. Häufig ? (Abschätzung der Intensität von Suizidgedanken, Suizidphantasien, Gedankeneinengung, Erwägungsphase) 3. Haben Sie auch daran denken müssen, ohne es zu wollen ? Haben sich Selbstmordgedanken aufgedrängt ? (passive Suizidgedanken) 4. Haben Sie konkrete Ideen, wie Sie es machen würden ? (Ambivalenzphase) 5. Haben Sie Vorbereitungen getroffen ? (Ambivalenzphase, Entschlussphase) 6. Haben Sie schon zu jemandem von Ihren Selbstmordabsichten gesprochen ? (Ambivalenzphase, vorhandene soziale Kontakte, Motiv: Appell / Hilferuf) 7. Haben Sie einmal einen Selbstmordversuch unternommen ? (Vorgeschichte, bei bereits unternommenen Versuchen erhöhtes Risiko !) 8. Hat sich in Ihrer Familie oder Ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis schon jemand das Leben genommen ? 9. Halten Sie Ihre Situation für aussichts- und hoffnungslos ? (psychische oder chronische Krankheit, Lebenskrise, Gedankeneinengung, Motiv: Zäsur) 10. Fällt es Ihnen schwer, an etwas anderes als Ihre Probleme zu denken ? (Gedankeneinengung) 11. Haben Sie in letzter Zeit weniger Kontakte zu Ihren Verwandten, Bekannten und Freunden ? (soziale Isolation / Einengung) 12. Haben Sie noch Interesse daran, was in Ihrem Beruf und Ihrer Umgebung vorgeht ? Interessieren Sie sich noch für Ihre Hobbys ? (Werteeinengung) 13. Haben Sie jemandem, mit dem Sie offen und vertraulich über Ihre Probleme sprechen können ? (soziale Isolation / Einengung sozialer Kontakte) 14. Wohnen Sie in Ihrer Wohnung in einer Wohngemeinschaft mit Familienmitgliedern oder Bekannten ? (soziale Isolation / Einengung sozialer Kontakte) 15. Fühlen Sie sich unter starken familiären oder beruflichen Verpflichtungen stehend ? (gemeint ist nicht Stress, sondern eventuell vorhandene Bindungen. Einengung von Werten oder sozialen Kontakten) 16. Fühlen Sie sich in einer religiösen bzw. weltanschaulichen Gemeinschaft verwurzelt ? (Einengung von Werten, mögliche Ressourcen) Hinweis Die Kenntnis der wichtigen Adressen und Telefonnummern des örtlichen Hilfs-Netzwerkes ist eine „professionelle Pflicht! -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Copyright: Johann Huber ©2019 – alle Rechte vorbehalten, Johann Huber HP PsyTherapie Nachdruck oder gewerbliche Verwendung nur mit Genehmigung Frühlingstraße 7 des Autors. Verwendete Bilder und Grafiken sind entweder 94333 Geiselhöring selbst erstellt oder durch GNU lizensiert. Seite 9 von 9