Elektrische Maschinen und Antriebe Grundlagen SS 2002, Dr. W. Höger SS 2002 2 1 Einführung 1.1 Elektrische Maschinen als Energiewandler Alle elektrischen Maschinen, ob Motoren, Generatoren oder auch Transformatoren, kann man unter dem Sammelbegriff elektromagnetische Energiewandler zusammenfassen. Als Motoren dienen sie der Umwandlung von elektrischer in mechanische Energie, indem sie dem Netz elektrische Energie (Spannung x Strom x Zeit) entziehen und an ihrer Welle mechanische Energie (Drehmoment) bereitstellen, die dann zur Fortbewegung von Fahrzeugen oder zum Betreiben von Werkzeugmaschinen genutzt wird. Bei den Generatoren verläuft der Vorgang umgekehrt; sie nehmen mechanische Energie auf, d. h. sie müssen angetrieben werden, z. B. durch einen Dieselmotor, eine Dampf-, Wind- oder Wasserturbine, und wandeln diese Energie in elektrische Energie um, die in Form von Spannung und Strom zur Verfügung steht, solange der Generator angetrieben wird. Die Einbindung der elektrischen Maschinen in den Übertragungsweg elektrischer Energie von der Erzeugung (Kraftwerk) bis zum Verbraucher (Industriebetriebe, Haushalte) ist beispie lhaft im folgenden Bild 1.1 zu sehen. Bild 1.1 Elektrische Maschinen bei der Umwandlung und Übertragung elektrischer Energie Der Transformator ist eine ruhende elektrische Maschine, die elektrische Energie auf elektromagnetischem Wege wieder in elektrische Energie umwandelt. Er findet seinen Einsatz dort, wo Wechselstromleistung mit gegebener Spannung in Wechselstromleistung mit einer anderen Spannung aber gleicher Frequenz bereitgestellt werden muss. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 1.2 3 Klassifizierung elektrischer Maschinen 1.2.1 Ruhende Elektrische Maschinen (Transformatoren) Bauarten • Einphasen-Wechselstrom Transformatoren (1 ∼) • Drehstrom- Transformatoren (3 ∼) • Sonstige (Messwandler, Drosselspulen, etc.) Anwendung: • Spannungstransformation zur Energieübertragung bei gleicher Frequenz (wenige Watt bis ca. 1000 MVA) • galvanische Entkopplung 1.2.2 Rotierende Elektrische Maschinen Bauarten • • Stromwender-/Kommutatormaschinen ⇒ Gleichstrommaschine ⇒ Einphasen-Wechselstrom-Motor Drehfeldmaschinen ⇒ Drehstrom-Asynchronmaschine ⇒ Drehstrom-Synchronmaschine ⇒ Einphasen-Asynchron- oder Synchronmotor Anwendungsbeispiele: Energieerzeugung (Kraftwerk) Synchrongenerator Hochspannungsmotoren (Mühlen, Verdichter) Asynchronmotor Synchronmotor … 1 MW ... 10 MW... Standard-Industriemotor (Pumpen, Lüfter, etc.) Asynchronmotor ... 1 kW ... 10 MW Regelantriebe, Stellantriebe Gleichstrommotor, (ASM mit Umrichter, Synchron-Servomotor) Straßenbahn, U-Bahn Gleichstrommotor, (ASM mit Umrichter) ... 400 kW ... E-Lokomotiven 1~ Reihenschlussmotor, (ASM mit Umrichter) Haushalt, Elektrowerkze uge 1~ RM, 1~ ASM Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen … 10 MW … 2 GW ... 0,1 kW ... 1 MW ... ... 1 MW ... ... 1 kW ... FH München SS 2002 4 1.2.3 Linearmaschinen Bauarten: • Asynchroner Linearmotor • Synchroner Linearmotor Wirkungsweise wie rotierende Drehstrommaschinen (Stator auf Schiene) Anwendungsbeispiele • • 1.3 Handlingsysteme (Transportschlitten) Transrapid Elektrische Antriebe Elektrische Antriebe sind einfache oder komplexe Systeme, in denen die elektrische Maschine als elektromechanischer Energiewandler eingebunden ist. Solche Antriebe sind wiederum als Subsysteme in eine übergeordnete Anlage (z.B. in einen Roboter) bzw. einen Produktionsoder Bearbeitungsprozess eingebunden. Sie beinhalten elektronische Steuerungen, die in zunehmendem Maße mit Computern ausgerüstet sind. 1.3.1 Komponenten eines elektrischen Antriebs Drehzahlveränderliche elektrische Antriebe bestehen aus einem elektronischen Stellglied dem Stromrichter (mit Antriebsregler) -, einer elektrischen Maschine und einer Arbeitsmaschine (Belastung) (siehe Bild 1.2). Ihre Aufgabe ist es, die vom Netz bereitgestellte elektrische Energie verlustarm in mechanische Energie umzuwandeln. Damit der technologische Prozess möglichst optimal abläuft, muss der Antrieb drehzahlvariabel laufen, um z.B. die Arbeitsgeschwindigkeit stufenlos anzupassen. Dies ermöglicht heute die verlustarme Steuerung durch die Halbleitertechnik in den elektronischen Stellgliedern, die zwischen Versorgungsnetz und elektrischer Maschine geschaltet sind, vgl. Bild 1.2 Moderne dialogfähige Stromrichterantriebe ersetzen zunehmend Antriebe mit mechanischem Verstellgetriebe, dort, wo Verstellgeschwindigkeit, Stellbereich und Leistung des mechanischen Verstellgetriebes für die speziellen Forderungen des Einsatzfalls nicht ausreichen. Auch der erforderliche Wartungsaufwand kann bei der Auswahl eine Rolle spielen. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 5 Elektrisches Netz: Quelle elektrischer Energie Stellglied: Leistungsteil des elektrischen Energieumformers Regelung, Steuerung, Überwachung, Visualisierung, Kommunikation Elektrische Maschine (Aktautor): Elektromechanischer Energiewandler Arbeitsmaschine: Verbraucher mechanischer Energie Bild 1.2 Blockschaltbild eines Elektrischen Antriebs ST: Leistungsstellglied (Stromrichterschaltung) zur Anpassung der Elektrischen Energie (Spannung, Strom, Frequenz) an die Erfordernisse der Elektrischen Maschine. Schaltung aus Dioden, Thyristoren (GTO’s), Transistoren (IGBT’s). M: Elektrische Maschine (Motor) als elektromechanischer Energiewandler. Eingesetzt werden Gle ichstrommaschinen, Asynchronmaschinen oder Synchronmaschinen R: Regelung, Steuerung und Antriebsüberwachung. Regelung oder Steuerung der elektrischen Kenngrößen (z. B. Strom) des Motors oder der mechanischen oder technologischen Kenngrößen (z.B. Drehzahl, Drehmoment) der Arbeitsmaschine. Überwachung wichtiger Betriebszustände (z.B. Übertemperatur, Drehzahlbereich ...). AM: Arbeitsmaschine, Last Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 6 1.3.2 Gleichstrom oder Drehstrom? Ein Rückblick auf die Entwicklung zeigt den Weg. War früher ein Antrieb mit fester Drehzahl über einen Drehstromasynchronmotor mit Verteilung der mechanischen Leistung über Transmissionen üblich, geht der Trend der letzten Jahrzehnte verstärkt zum speziell angepassten Einzelmotorenantrieb. Der Einsatz der Halbleitertechnik begünstigte diese Entwicklung. Bild 1.3 Drehzahlveränderlicher Gleichstrom- und Drehstromantrieb Zunächst fanden Halbleitergeräte als netzgeführte Stromrichter oder Steller im Gleichstrombereich Eingang in die Technik der drehzahlvariablen Antriebe. Damit kann die Ankerspannung eines Gleichstrommotors und damit die Drehzahl in weiten Bereichen kontinuierlich und nahezu verlustfrei verstellt werden. Die Verstellung kann elektronisch erfolgen; verschleißbehaftete Stellwiderstände usw. entfallen. Über den Ankerstrom kann damit auch gleichzeitig das Drehmoment geregelt oder begrenzt werden. Auf diesem Wege lassen sich Antriebe aufbauen, die sanft und ruckfrei anlaufen, die gewünschte vorgewählte Drehzahl lastunabhängig halten und mit einer hohen Dynamik arbeiten. Der Gleichstrommotor benötigt einen mechanischen Stromwenderapparat. Hierin begründet liegt - trotz stark verbesserter Bürstenstandzeiten von bis zu 20.000 Betriebsstunden - wegen des mechanischen Verschleißes an Stromwender und Bürsten ein gewisser Wartungsaufwand. Überdies erfordert der Stromwender Rücksichtnahme bei manchen Einsatzfällen, z.B. bei aggressiver Atmosphäre, Rüttelkräfte, hohen Drehzahlen über 4.500 min-1 oder bei Stillstandsbelastung. Bei solchen Einsatzfällen hat die Drehstrommaschine mit Kurzschlussläufer Vorteile, da bei ihr die elektrische Leistung verschleißfrei über das Drehfeld vom Stator auf den Läufer übertragen wird. Die einfach aufgebaute Käfigwicklung im Läufer lässt hohe Drehzahlen zu. Die vollständige Kapselung ermöglicht den Betrieb in fast jeder Umgebung. Der Einsatz der Frequenzumrichter zur Speisung der Drehfeldmaschinen brachte so in den letzten Jahren eine Umorientierung der elektrischen Antriebstechnik (Bild 1.3). Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7 War die Drehstrommaschine bislang an die vom Netz vorgegebene feste synchrone Drehzahl gebunden, so ermöglichte es der Frequenzumrichter aus jedem Drehstrom-Normmotor einen drehzahlvariablen Antrieb zu machen. Frequenz und Spannung des Wechselstrom oder Drehstromnetzes werden vom Frequenzumrichter so variiert, dass der Motor in weiten Stellbereichen drehzahlvariabel betrieben werden kann. Die Elektronik erlaubt dabei eine gute Anpassung an die Charakteristiken der Arbeits- oder Kraftmaschinen. Die Einführung der Digitaltechnik brachte auch der Drehstromtechnik Regelverfahren, die gleich gute Dynamiken wie bei Gleichstromantrieben erreichen. 1.3.3 Vernetzung - Kommunikation Die Einführung der Digitaltechnik ermöglicht auch die Vernetzung der Antriebe. Die fortschreitende Automatisierung verlangt aufeinander abgestimmte Antriebe. Das bedeutet, dass der Einzelantrieb über serielle Schnittstellen Daten von einem übergeordneten Leitsystem empfangen können muss, vgl. Bild 1.4. Gleichzeitig kann ein Leitsystem jedoch auch die aktuellen Daten des Antriebs abfragen, um zu reagieren. Die Digitaltechnik in den Stromrichtern gestattet einen solchen bidirektionalen Datenverkehr, ohne großen Zusatzaufwand. Bild 1.4 Einbindung des Antriebs in die Betriebshierarchie Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 2 8 Theoretische Grundlagen Unter theoretischen Grundlagen elektrischer Maschinen versteht man die physikalischen Wechselwirkungen und mathematischen Zusammenhänge aller an der Funktion einer elektrischen Maschine beteiligten physikalischen Größen und Parameter (z. B. Geschwindigkeit, Drehzahl und Trägheitsmoment, Spannung, Strom und magnetische Größen). Daraus ergeben sich die Gesetzmäßigkeiten ihres statischen und dynamischen Zusammenwirkens (zeitlich konstante bzw. zeitlich veränderliche Wechselwirkungen) innerhalb des Prozesses. Die Grundlagen der Mechanik werden ebenso vorausgesetzt wie die der Elektrotechnik und des magnetischen Feldes. Das folgende Kapitel ist als Wiederholung der Grundlagen gedacht und konzentriert sich auf die Analogie zwischen elektrischem und magnetischem Kreis, die Berechnung eines für die elektrischen Maschinen spezifischen Magnetkreises sowie auf die spezifischen Wirkungen im magnetischen Feld. 2.1 Erzeugung magnetischer Felder Elektrische Maschinen sind von ihrem physikalischen Grundprinzip elektromechanische Energiewandler. Für den Umwandlungsprozess benötigen Elektrische Maschinen immer ein magnetisches Feld (einen oder mehrere magnetische Kreise), wie in den folgenden Abschnitten näher beschrieben ist. Ohne Magnetfeld gibt es keine Spannungsinduktion in einem bewegten elektrischen Leiter bzw. keine Krafterzeugung durch einen elektrischen Strom. Das sind die beiden Grundfunktionen aller elektrischen Maschinen. Elektrische Maschinen bestehen somit aus elektrischen, magnetischen und mechanischen Kreisen (Subsystemen), deren Wechselwirkung und gegenseitige Verknüpfung über bestimmte Grundgesetze mathematisch beschrieben werden können. 2.1.1 Das Durchflutungsgesetz Die Ursache der Entstehung magnetischer Felder ist die Bewegung von elektrischen Ladungsträgern: „Bewegt sich eine elektrische Ladung, dann erzeugt sie hierdurch ein magnetisches Feld“ Dieser Zusammenhang wird durch das bekannte Durchflutungsgesetz (1. MAXWELLsche Gleichung) (Gl. 2.1) beschrieben: r r r r dD r ∫s Hd s = A∫ (S + dt )dA = ∑ I = Θ H S D Prof. Dr. W. Höger Gl. 2.1 magnetische Feldstärke [A/m] elektrische Stromdichte [A/m2 ] Verschiebungsstromdichte [As/m2 ] El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 9 Bild 2.1 a) geschlossener Umlauf um mehrere Ströme b) Wegintegral von Punkt 1 nach Punkt 2 Das Wegintegral r r H ∫ d s der magnetischen Feldstärke H entlang einer vorgegebenen Wegstrecke (siehe Bild 2.1 b) bezeichnet man als den magnetischen Spannungsabfall V [A]. r r V12 = ∫ H d s 2 Gl. 2.2 1 Berechnet man nun (wie im Durchflutungsgesetz angewandt) die magnetische Spannung über einen geschlossenen Umlauf (wie in Bild 2.1 a), so ist das Ergebnis die sogenannte Durchflutung Θ bzw. die Gesamtsumme des umfahrenen Stroms. r Die magnetische Feldstärke H ist unmittelbar mit dem Strom I verknüp ft. • Das Kreisintegral der magnetischen Feldstärke ist gleich dem umfahrenen Strom. Fließt der Strom durch eine Spule mit N Windungen (siehe Bild 2.2) und wird das Wegintegral durch alle Windungen gebildet, dann lautet das Ergebnis des Kreisintegrals: ∑ I = I ⋅ N Bild 2.2 Zylinderspule mit N Windungen • Für einfache Anordnungen kann aus dem Durchflutungsgesetz direkt der r Zusammenhang zwischen der lokalen magnetischen Feldstärke H und dem Strom I berechnet werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 10 Übungsaufgabe: Berechnen Sie mit Hilfe des Durchflutungsgesetzes allgemein die magnetische Feldstärke H im Abstand R von einem langen, geraden Leiter, durch den der Strom I fließt. H = f (I, R) 2.1.2 Größen des magnetischen Feldes Die magnetische Feldstärke H [A⋅m] wird unabhängig vom umgebenden Medium definiert. Die magnetische Flussdichte 1 B [V⋅s / m2 ] hängt unmittelbar von der magnetischen Feldstärke ab, ist aber abhängig vom umgebenden Medium mit der Permeabilität (= magnetischen Leitfähigkeit) µ. Es gilt: r 1 r r r Gl. 2.3 H = ⋅ B bzw . B = µ⋅ H µ • r r B und H haben die gleiche Richtung. • Der Proportionalitätsfaktor zwischen der magnetischen Flussdichte B [V⋅s / m2 ] und der magnetischen Feldstärke H [A⋅m] ist die Permeabilität µ. • Die Permeabilität µ setzt sich zusammen aus der magnetischen Feldkonstanten µ0 und der relativen Permeabilität µr : µ = µ0 ⋅µr • Die magnetische Feldkonstante µ 0 hat den Wert: µ 0 = 4 π ⋅10 − 7 • Gl. 2.4 Vs Vs = 1, 257 ⋅ 10 −6 Am Am Gl. 2.5 Man spricht von Diamagnetismus bei µr < 1 und von Paramagnetismus bei µr > 1. Die Werte liegen dabei jeweils sehr nahe bei 1 (Eins gilt für das Vakuum). • Von besonderer Bedeutung für elektrische Maschinen sind ferromagnetische Materialien mit µ r >> 1. Da sie eine besonders hohe magnetische Leitfähigkeit besitzen, lässt sich durch sie ein vorhandner magnetischer Fluss bündeln bzw. auf einem vorgegebenen Weg leiten. (Man kann die Bündelung oder Leitung des magnetischen Flusses in ferromagnetischem Material sehr gut mit der Leitung des elektrischen Stroms in einem Kupferdraht vergleichen.) 1 Für die Flussdichte B ist auch die Bezeichnung „Induktion“ gebräuchlich Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 11 Der magnetische Fluss Φ [Vs] ist das Flächenintegral der magnetischen Flussdichte: r r Φ = ∫ BdA Gl. 2.6 A Bei konstanter Flussdichte ist der Fluss einfach das Produkt aus Flussdichte und Fläche: Φ = B⋅ A Gl. 2.7 Der magnetische Fluss bildet immer einen geschlossenen Umlauf. Man kann sich also die magnetischen Feldlinien als geschlossene Wege vorstellen. 2.2 Anordnung magnetischer Kreise Ein elektrischer Strom I bzw. eine Durchflutung Θ erzeugt lt. Durchflutungsgesetz ein magnetisches Feld und damit auch einen magnetischen Fluss. Die Größe des magnetischen Flusses ist dabei abhängig von der Durchflutung und vom gesamten magnetischen Widerstand Rmges (bzw. der magnetischen Leitfähigkeit), den der Fluss auf seinem geschlossenen Umlaufweg vorfindet. Es gilt: Φ= Θ Gl. 2.8 R mges Damit ist der gesamte magnetische Widerstand eines geschlossenen Kreises R mges = Θ Φ Gl. 2.9 Hat man ein homogenes Magnetmaterial mit homogener Feldverteilung, so ergibt sich mit der Ausdehnung l in Feldrichtung und dem Querschnitt A senkrecht dazu der magnetische Widerstand Rm : Θ N ⋅I N⋅I ( N ⋅ I) ⋅ l l Rm = = = = = Φ B ⋅ A µ ⋅ H ⋅ A µ ⋅ ( N ⋅ I) ⋅ A µ ⋅ A Rm = l µ⋅ A Gl. 2.10 Die Einheit des magnetischen Widerstands ist [A/Vs]. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 12 2.2.1 Analogie zum Elektrischen Stromkreis Der Zusammenhang Φ = Θ wird auch als „magneto-ohmsches“ Gesetz bezeichnet. R mges In Analogie zu den Stromkreisen in elektrischen Netzwerken definiert man für das magnetische Feld den magnetischen Kreis. Der magnetische Kreis kann, wie in elektrischen Netzwerken, als Ersatzschaltbild dargestellt werden. Anstelle der Spannung U setzt man die magnetische Spannung V bzw. die Durchflutung Θ , anstelle des elektrischen Stroms I setzt man den magnetischen Fluss Φ , und anstelle des ohmschen Widerstands R setzt man den ma gnetischen Widerstand Rm ein. Spannung Elektrischer Stromkreis U [V] Strom Widerstand Magnetischer Kreis Durchflutung, Θ [A] magn. Spannung V [A] Magn. Fluss Φ [Vs] Magn. Widerstand Rm [A/Vs] I [A] Ohm [Ω], [V/A] Ersatzschaltbild: Bild 2.3 Ersatzschaltbild eines magnetischen Kreises Entsprechend dieser Analogie kann man die Kirchhoff’schen Gesetze (Maschen- und Knotenpunktregeln), die man vorteilhaft zur Berechnung elektrischer Netzwerke benutzt, auch zur Berechnung magnetischer Flüsse, magnetischer Spannungsabfälle und magnetischer Widerstände in einem „magnetischen Netzwerk“ heranziehen. 2.2.2 Serienschaltung (Eisenkern mit Luftspalt) Für die Serienschaltung magnetischer Widerstände gilt die „Maschengleic hung“: ∑ magnetisch eSpannungs abfälle = ∑ Durchflutu ngen ∑ V = ∑Θ i i Prof. Dr. W. Höger k Gl. 2.11 k El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 13 Beispiel: Magnetischer Kreis mit Eisenkern und Luftspalt: Bild 2.4 Eisenkern mit Luftspalt • • • Der magnetische Fluss Φ ist in sich geschlossen r Die magnetische Flussdichte B ist bei gleichmäßigem Querschnitt A an allen Stellen Φ gleich: B = , und zwar im Eisen und im Luftspalt: BFe = Bδ (Feldaufweitungen im A Luftspalt und Feldverzerrungen in den Ecken des Kerns seien vernachlässigt). Die magnetische Feldstärke H ist im Luftspalt um den Faktor µr größer als im Eisen. B = µ ⋅ H ⇒ B = µ 0 ⋅ µ r ⋅ H Fe = µ 0 ⋅ H δ ⇒ µ r ⋅ H Fe = H δ • Die magnetischen Spannungsabfälle V sind gleich dem magnetischen Fluss mal den magnetischen Widerständen: V = Φ ⋅ R m • Die Durchflutung Θ = I ⋅ N ist gleich der Summe der magnetischen Spannungsabfälle: Θ = I ⋅ N = H Fe ⋅ l Fe + H δ ⋅ l δ • Die magnetischen Widerstände Rm betragen: R mFe = l Fe µ 0 ⋅ µr ⋅ A und R mL = δ µ0 ⋅ A Übungsbeispiel: (Zahlenbeispiel): Gegeben: 2 ⋅ 10-4 m2 A= 2 cm2 = lFe = 100 mm = 0,1 m δ= 1 mm = 0,001 m µrFe = 5000 Gesucht: Prof. Dr. W. Höger I= 1A N= 500 RmL, RmFe, Φ, B, Hδ, HFe El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 14 2.2.3 Parallelschaltung Für die Parallelschaltung magnetischer Widerstände gilt die „Knotenpunktgleichung“: ∑Φ i =0 Gl. 2.12 i Übungsbeispiel : Kern eines Manteltransformators Bild 2.5 Anordnung zum Übungsbeispiel Gegeben: A1 = 2 cm2 = 2 ⋅ 10-4 m2 A2 = 4 cm2 = 4 ⋅ 10-4 m2 A3 = 2 cm2 = 2 ⋅ 10-4 m2 l1 = 100 mm = 0,1 m l2 = 50 mm = l3 = 100 mm = 0,1 m 0,05 m µrFe = 5000 Gesucht: I= 1A N= 500 „Ersatzschaltbild“, Rm1, Rm2, Rm3, Rmges, Φ1 , Φ 2 , Φ3 2.2.4 Rotierende elektrische Maschinen Das magnetische Feld rotierender elektrischer Maschinen wird entweder mit stromdurchflossenen Erregerwicklungen elektrisch oder mit Hilfe von Dauermagneten permanentmagnetisch erregt. In beiden Fällen sind magnetische Kreise aus weichmagnetischem Material (µrFe » 1) zur Leitung und Führung des erzeugten magnetischen Flusses erforderlich. Ein Luftspalt mit der Breite δ (µr = 1) unterbricht den Magnetkreis jeweils beim Übergang zum rotierenden Teil, dem Läufer oder Rotor der elektrischen Maschinen. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 15 Das heißt, der magnetische Kreis rotierender elektrischer Maschinen ist ein magnetischer Grundkreis (wie im Beispiel Bild 2.4) nur mit dem Unterschied, dass der Lustspalt zweimal im magnetischen Kreis enthalten ist. (siehe Bild 2.6). Bild 2.6 Grundstruktur des magnetischen Kreises einer rotierenden elektrischen Maschine mit a) elektrischer und b) permanentmagnetischer Erregung Bei der konstruktiven Gestaltung und Ausführung der Magnetkreise wird angestrebt, dass das magnetische Feld möglichst verlustarm erzeugt und im Luftspalt, dem Gebiet der gewünschten Energiewandlung, konzentriert wird. 2.2.5 Magnetischer Grundkreis mit konzentrierter Erregerwicklung Der in Bild 2.6 dargestellte magnetische Grundkreis einer zweipoligen elektrischen Maschine wird auch als unsymmetrischer Kerntyp bezeichnet. Der überwiegende Teil elektrischer Maschinen besitzt jedoch symmetrische bzw. rotationssymmetrische Magnetkreise, die sich auf einen zweipoligen symmetrischen Manteltyp zurückführen lassen. Bild 2.7 zeigt den Übergang vom elektrisch erregten Kerntyp (a) zum elektrisch erregten Manteltyp (b) jeweils mit konzentrierter Erregerwicklung. Bild 2.7 Magnetischer Kreis einer zweipoligen elektrischen Maschine mit konzentrierter Erregerwicklung a) Kerntyp; b) Manteltyp Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 16 Magnetisch sind beide Grundkreise nach Bild 2.7 gleich. Für die überschlägige Bestimmung der Größe und Verteilung des im Luftspalt konzentrierten Magnetfeldes wird der magnetische Widerstand des Eisenkreises und damit der magnetische Spannungsabfall im Eisen vernachlässigt; d. h., es wird µrFe >> 1 gesetzt und der magnetische Spannungsabfall Vδ im Luftspalt folgt unmittelbar aus der von der Erregerwicklung aufgebauten Durchflutung Θ : Θ = I E ⋅ N E = 2 ⋅ Vδ Gl. 2.13 Übungsbeispiel: Für den magnetischen Kreis im Bild 2.7 ist gegeben: Flussdichte im Luftspalt: Eisenkreis: Luftspalt: Erregerwicklung: Gesucht: BL = 1 Vs/m2 lFe = 0,8 m µrFe = 5000 2 δ = 3 mm = 0,003 m NE = 1600 Erregerstrom IE a) mit und b) ohne Berücksichtigung des magnetischen Spannungsabfalls im Eisen. 2.2.6 Magnetischer Grundkreis mit räumlich verteilter Erregerwicklung Der magnetische Grundkreis mit räumlich verteilter Erregerwicklung (Bild 2.8 b) ergibt sich analog zum Grundkreis mit konzentrierter Erregerwicklung aus einem magnetischen Grundkreis mit Luftspalt. Hier kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die magnetische Spannung und Flussdichte unter den Pole n konstant ist. Bild 2.8 Magnetischer Kreis einer zweipoligen elektrischen Maschine mit a) konzentrierter und b) verteilter Erregerwicklung Bild 2.8 zeigt in der Gegenüberstellung beider Grundkreistypen, wie durch den Übergang von der konzentrierten (a) zur verteilten Erregerwicklung (b) der veränderliche Luftspalt zu einem konstanten wird und wie aus den ausgeprägten Polen sogenannte Vollpole entstehen. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 17 Bei einem ausgeprägten Pol mit konzentrierter Erregerwicklung kann die magnetische Flussdichte im Luftspalt zwischen Pol und Rotor als konstant angenommen werden. Demgegenüber ergibt sich bei einer verteilten Wicklung (Bild 2.8 b) der magnetische Spannungsabfall im Luftspalt in Abhängigkeit der Koordinate x längs des Rotorumfanges unmittelbar aus der Durchflutungsverteilung Θ (x), siehe Bild 2.9 a, zu: Vδ ( x ) = Θ( x ) Bild 2.9 Durchflutungsverteilung und Flussdichteverteilung im Luftspalt bei einer verteilten Wicklung (Vollpol) Der proportionale Zusammenhang zwischen B(x) und Θ (x) im Luftspalt kann wie folgt begründet werden: Unterteilt man den Luftspalt in kleine Flächenelemente („Flussröhren“), dann gilt für den δ magnetischen Widerstand dieser Bereiche ∆R mδ = . Nach dem magneto-ohmschen µ 0 ⋅ ∆A Θ Gesetz folgt mit Φ = der Zusammenhang: Rm Θ( x) Θ( x) ⋅ µ 0 ⋅ ∆A ∆Φ ( x ) Θ( x ) ⋅ µ 0 ∆Φ ( x ) = = = = K ⋅ Θ( x ) und B( x ) = ∆R mδ 2⋅δ ∆A 2⋅ δ Die auf Grund der linienhaft konzentrierten Erregerströme entstehende Treppenkurve Θ( x ) und B(x) verschleift sich bei realen Wicklungsanordnungen von Drehstrommaschinen zu einer Sinusfunktion, entsprechend der in Bild 2.9 eingetragenen Grundwelle der räumlichen Flussdichteverteilung. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 2.3 18 Eisenverluste Wie bereits oben erwähnt, muss zur Führung der magnetischen Flüsse in elektrischen Maschinen ferromagnetisches Material, also Eisen verwendet werden. Bei der Magnetisierung bzw. Ummagnetisierung des Eisens entstehen Verluste, die im folgenden näher erläutert werden sollen. 2.3.1 Hystereseverluste Die umschlossene Fläche der Hysteresekurve ist ein Maß für die Arbeit oder Energie, die bei der Ummagnetisierung auftritt. Bild 2.10 Hysteresekurve dW . dV Diese Energie wird bei jedem vollständigen Durchlaufen der Hysteresekurve in Form von Wärme frei. Die Gesamtenergie für ein gegebenes Kernvolumen mit homogener Magnetisierung ist dann: dW W= ⋅V dV und die Verlustleistung bei der Frequenz f: Die umschlossenen Fläche hat die Dimension einer spezifischen Energie oder Arbeit PV = dW ⋅V⋅ f dV dW können durch Auszählen der eingeschlossenen dV Fläche der Hysteresekurve ermittelt werden (falls sie nicht durch andere Informationen, z. B. Datenblattangaben bekannt sind). In guter Näherung gilt aber, dass die spezifischen Verluste etwa dem Quadrat der Flussdichte des magnetischen Feldes entsprechen. Die spezifischen Hystereseverluste Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 Mit 19 dW ~ B2 gilt daher für die Ummagnetisierungsverluste der Zusammenhang: dV P V ~ B 2 ⋅f ⋅ V Gl. 2.14 Die Hystereseverluste sind also linear von der Frequenz und näherungsweise quadratisch von der Flussdichte abhängig. 2.3.2 Wirbelstromverluste Ein Wechselfeld erzeugt in dem durchsetzten Eisen nach dem Induktionsgesetz Spannungen, die innerhalb jedes Bleches einen geschlossenen Stromkreis vorfinden. Auf Grund der relativ guten elektrischen Leitfähigkeit des Eisens entstehen damit über den Querschnitt verteilte Ströme. Die Stromwärme dieser „Wirbelströme“ bezeichnet man als Wirbelstromverluste. Die Spannungen im Eisen ergeben sich zu dΦ ~ f ⋅B dt U~ Gl. 2.15 und die ohmschen Verluste daraus zu PV ~ U2 ~ f 2 ⋅ B2 R Gl. 2.16 Die Wirbelstromverluste sind also sowohl von der Frequenz als auch von der Flussdichte quadratisch abhängig. Durch die Blechung des Eisenquerschnitts werden die senkrecht zur Feldrichtung entstehe nden Strombahnen auf den schmalen Bereich des Blechquerschnittes beschränkt, was die Verluste stark reduziert. Weitere Maßnahmen sind z.B. die Zugabe von Silizium, um die elektrische Leitfähigkeit des Eisens zu senken. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 20 2.3.3 Eigenschaft von Elektroblechen Zur einfachen Abschätzung der Eisenverluste von Elektroblechen bei zeitlich sinusförmigem Wechselfluss werden sogenannte Verlustziffern (v10 oder v15) spezifiziert, in denen sowohl die Ummagnetisierungsverluste als auch die Wirbelstromverluste erfasst sind. Tabelle: mit v10 : spezifische Verluste bei B = 1,0 Vs/m2 v15 : spezifische Verluste bei B = 1,5 Vs/m2 für B(t) = Bmax * sin (ω t), ω = 2 π * 50 Hz Eigenschaften von Elektroblechen nach DIN 46400 (Kennbuchstabe A bezeichnet kaltgewalzte, B warmgewalzte Bleche) Bezeichnung Dicke Verluste (W/kg) Flussdichte (T) mm v10 v15 bei H=100 A/cm V 360-50 B V 150-50 B V 90-35 B V 360-50 A V 150-50 A V 110-35 A 0,50 0,50 0,35 0,50 0,50 0,35 3,6 1,5 0,9 3,6 1,5 1,1 8,2 3,6 2,3 8,1 3,5 2,7 1,77 1,70 1,70 1,78 1,71 1,71 Wenn die maximale Flussdichte Bmax von den Werten 1,0 bzw. 1,5 Vs/m2 abweicht können die Eisenverluste leicht durch den Zusammenhang PVFe ∼ B2 Gl. 2.17 umgerechnet werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 2.4 21 Induktionsgesetz Das Induktionsgesetz ist für die Funktionsweise aller elektrischer Maschinen von fundamentaler Bedeutung. Es beschreibt die Erzeugung einer elektrischen Spannung im Magnetfeld. Auf der Spannungsinduktion beruht die primäre Funktion von Transformatoren und Generatoren, während die verschiedenen Elektromotoren und Elektromagnete ihre primäre Funktion der Kraftwirkung im Magnetfeld verdanken. Das jeweils andere Phänomen ist jedoch in beiden Betriebsarten als Reaktion ebenfalls enthalten. 2.4.1 Allgemein In seiner allgemeinen Schreibweise lautet das Induktionsgesetz (2. MAXWELLsche Gleichung) : r r d r r dΦ Gl. 2.18 ∫s Ed s = e = − dt ∫A BdA = − dt oder mit ui = -e u i (t) = dΦ( t ) dt Gl. 2.19 2.4.2 Transformatorische Spannung Eine Anwendung des Induktionsgesetzes ergibt sich bei zeitlicher Änderung der Flussdichte B = f (t) und völliger Ruhelage aller Komponenten. Beispiel: Ruhende Leiterschleife mit der Fläche A, zeitlich sich ändernder Fluss Φ(t) (bzw. Flussdichte B(t)) Bild 2.11 Ruhende Leiterschleife im zeitlich veränderlichen Magnetfeld Bei einer Leiterschleife ergibt sich u i (t) = Prof. Dr. W. Höger dΦ ( t ) dB( t ) = A⋅ dt dt El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 2.20 FH München SS 2002 22 und bei N Windungen u i (t) = N ⋅ dΦ ( t ) dB( t ) = N⋅A⋅ dt dt Gl. 2.21 2.4.3 Bewegungsspannung 2.4.3.1 Bewegung eines geraden Leiters im Magnetfeld Bewegt man ein gerades Leiterstück der Länge l mit der Geschwindigkeit v in einem homogenen Magnetfeld mit der konstanten Flussdichte B, wird eine Bewegungsspannung induziert. Sie hat nach dem Induktionsgesetz folgende Größe: r r r r r dΦ d r r r dA r r d s Ui = = ∫ BdA = B ⋅ = B⋅ l ⋅ = (B × v ) ⋅ l dt dt dt dt Gl. 2.22 Für den bei elektrischen Maschinen meist zutreffenden Sonderfall, dass die Vektoren r r r B, l , und v senkrecht aufeinander stehen vereinfacht sich die Gleichung zu der einfachen Form: Ui = B ⋅ l ⋅ v 2.4.3.2 Gl. 2.23 Rotationsspannung Eine Leiterschleife befinde sich in einem homogenen und zeitlich konstanten Magnetfeld; die Schleife (Bild 2.12) habe die Fläche A. Bild 2.12 Drehung einer Leiterschleife im zeitkonstanten, homogenen Magnetfeld Wird die Schleife um den Winkel ϕ aus der horizontalen Lage herausgedreht, so nimmt die vom Feld durchsetzte Fläche ab, nur noch die Projektion A ⋅ cos ϕ ist mit dem Felde verkettet. Durch die um den Winkel ϕ gedrehte Schleife tritt der Fluss Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 23 Φ = B ⋅ A ⋅ cos ϕ Gl. 2.24 Wenn die Schleife mit konstanter Drehzahl rotiert, dann ist die Kreisfrequenz dϕ/dt = ω konstant: dϕ = ω = 2 π ⋅ n = const . dt bzw. ϕ=ωt Gl. 2.25 Setzt man ϕ = ω t in Gl. 2.24 ein ( Φ = B ⋅ A ⋅ cos ωt ) erhält man durch Differenzierung die Spannung u (t) = dΦ = −B ⋅ A ⋅ ω ⋅ sin ωt dt Gl. 2.26 Wir haben hier die einfachste Form eines Generators für eine sinusförmige Wechselspannung vor uns. 2.4.4 Selbstinduktion Wie bereits mehrfach ausgeführt, wird durch einen stromdurchflossenen Leiter insbesondere einer Spule ein Magnetfeld erzeugt. Wenn sich der Spulenstrom i(t) ändert, dann ändert sich auch in gleicher Weise der magnetische Fluss Φ(t). Durch die Flussänderung wird aber nach dem Induktionsgesetz in der Spule eine Spannung induziert (siehe 2.4.2), die der Stromänderung entgegenwirkt. Diesen Effekt bezeichnet man als Selbstinduktion. Mit u i ( t ) = N ⋅ dΦ dt und Φ= Θ N⋅i = R m Rm u i (t) = Dabei bezeichnet man den Ausdruck Induktivität: folgt N 2 di ⋅ R m dt Gl. 2.27 N2 als die Induktivität der Spule. Rm L= N 2 N 2 ⋅ µ 0 ⋅ µ r ⋅ A Vs = A Rm l Gl. 2.28 Die Dimension [Vs/A] bezeichnet man auch als Henry [H]. Durch Einsetzen von L (Gl. 2.28) in Gl. 2.27 ergibt sich : u i (t) = L ⋅ Prof. Dr. W. Höger di dt El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 2.29 FH München SS 2002 2.5 24 Kraftwirkung im Magnetfeld Das neben dem Induktionsgesetz zweite wichtige Wirkungsprinzip für die Funktion Elektrischer Maschinen ist die Erzeugung mechanischer Kräfte durch stromdurchflossene Leiter im Magnetfeld. Bild 2.13 Kraft auf stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld Auf einen stromdurchflossenen Leiter (Stromstärke I) mit der Länge l wird in einem Magnetfeld mit der Flussdichte B eine mechanische Kraft ausgeübt: r r r F = (B × l ) ⋅ I Gl. 2.30 Wenn, wie in Bild 2.13 dargestellt, alle Vektoren senkrecht aufeinander stehen (Normalfall bei elektrischen Maschinen), dann ergibt sich die einfache, skalare Gleichung: F = B⋅l⋅I Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 2.31 FH München SS 2002 25 3 Gleichstrommaschinen 3.1 Allgemeines Die ersten wirtschaftlich brauchbaren Generatoren und Motoren waren Gleichstrommaschinen. Heute sind allerdings über 95% aller Elektromotoren Asynchronmotoren. Trotz des hohen Anteils von Drehstrommotoren werden auch heute noch Gleichstrommaschinen, überwiegend als stromrichtergespeiste Motoren für drehzahlveränderbare Antriebe, eingesetzt. Vorteile der Gleichstrommotoren sind der einfachere und, damit auch kostengünstigere Aufbau der Stromrichter, die hohe Regeldynamik und die hohe Leistungsdichte. Nachteilig ist der höhere Wartungsaufwand (Kommutator, Bürsten). Mit umrichtergespeisten Drehstromasynchronmotoren sind höhere Drehzahlen, und Leistungen erreichbar. Haupteinsatzgebiete sind Hütten- und Walzwerke, Werkzeugmaschinen, Papiermaschinen, Hebezeuge und Kranantriebe, Traktionsantriebe (z. B. Straßenbahntriebwagen und Elektrolokomotiven). Neuentwicklungen von Straßenbahntriebwagen oder Lokomotiven werden heute aber in der Regel mit Drehstrommotoren ausgerüstet. In großen Stückzahlen werden Gleichstrommotoren als sogenannte Universalmotoren in tragbaren Elektrowerkzeugen und Haushaltsgeräten eingesetzt. Da die grundlegende Funktionsweise der Gleichstrommaschine leichter verständlich ist, als die einer Asynchronmaschine, soll mit der Gleichstrommaschine begonnen werden. Der innere Aufbau der GM und die Wicklungsgestaltung wird dabei nur so weit, wie zum Verständnis der Funktionsweise unbedingt erforderlich, beschrieben. Das Betriebsverhalten der Gleic hstrommaschine wird dagegen ausführlicher behandelt. 3.2 Aufbau und Wirkungsweise 3.2.1 Grundsätzlicher Aufbau Gleichstrommaschinen sind rotierende elektrische Maschinen mit ausgeprägten Magnetpolen. Diese Pole sind fest (unbeweglich) im Stator der Maschine angeordnet und enthalten die permanentmagnetische oder elektrische Erregung (konzentrierte Erregerwicklung) zur Erzeugung des Hauptflusses Φ E. Wie in Bild 3.1 am Beispiel einer zweipoligen Maschine ersichtlich, wird der magnetische Hauptfluss außen über das Gehäuse (Joch) und den Hauptpol, bestehend aus Polschaft und Polschuh geführt. Über den Luftspalt geht der Hauptfluss in den Rotor der Maschine über. Der Rotor trägt die Ankerwicklung; deren gleichmäßig am Rotorumfang in Nuten verteilte Spulen durch die Kommutatorlamellen verbunden und in Reihe geschaltet sind. Die paarweise auf dem Kommutator schleifenden Stromabnehmer (Bürsten) des am Stator befestigten Bürstenapparates dienen der Stromzufuhr für die Ankerwicklung. Durch die Anordnung der Ankerspulen und die Funktion des Kommutators wird sichergestellt, dass der über die Bürsten zugeführte Ankerstrom jeweils unter dem Nordpol und Südpol in entgegengesetzter Richtung fließt und somit alle Ströme zur Drehmomentbildung beitragen. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 26 Bild 3.1 Querschnitt durch eine zweipolige Gleichstrommaschine (Prinzipbild) Maschinen mit einer Leistung über 5 kW enthalten außer der Anker- und Erregerwicklung eine Wendepolwicklung auf Nebenpolen (Wendepolen) in den Pollücken; Maschinen größer 500 kW besitzen zusätzlich eine Kompensationswicklung in den Hauptpolen (Polschuhen). Beide Wicklungen dienen zur Kompensation unerwünschter Rückwirkungen des magnetischen Ankerfeldes (siehe Kapitel 3.2.5). Bild 3.1 zeigt die prinzipielle Anordnung der aktiven Hauptbauteile einer zweipoligen, elektrisch erregten Maschine für < 5 kW 3.2.2 Bauteile Bild 3.2 zeigt in wirklichkeitsgetreuer Darstellung die Bauteile eines zerlegten Gleichstrommotors. Die beiden Hauptkomponenten sind der Stator (1) und der Rotor bzw. Anker (2). Im einzelnen besteht der abgebildete Motor aus folgenden Bauteilen: 1 2 3,4 5,6 7,8 9 10 Prof. Dr. W. Höger Statorgehäuse, komplett 11,12 Lagerdeckel Anker (Rotor) komplett 13 Bürstenhalter Lagerschilde 14 Kohlebürsten Rillenkugellager 15 Klemmbrett Stützscheiben 16 Klemmkastendichtung Abdeckband 17,18 Klemmkastendeckel mit Verschraubung Tellerfeder 19 Gehäusefuß El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 27 Bild 3.2 Zerlegter Gleichstrommotor, Bauform B3, eigengekühlt 3.2.3 Prinzip der Kommutierung (Stromwendung) Anmerkung: Zur Vereinfachung ist in der folgenden Darstellung nur eine Spule dargestellt. Bei einer realen Gleichstrommaschine ist jedes Spulenende aller Ankerspulen an einer Kommutatorlamelle angeschlossen Stellung 1 Beide Spulenseiten (f1 und f2) tragen zur Drehmomentbildung bei, solange f2 unter dem Südpol und f1 unter dem Nordpol liegt Stellung 2 Die Spule befindet sich in der 'neutralen Zone'. Durch die Bürsten wird die Spule über die Lamellen kurzgeschlossen. Die Stromrichtung in der Spule kehrt sich um. Stellung 3 Der Stromfluss in der Spule ist gegenüber Stellung 1 entgegengesetzt. Wie in Stellung 1 tragen wieder beide Spulenseiten (f1 und f2) zur Drehmomentbildung bei. Bild 3.3 Prinzip der Kommutierung Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 28 3.2.4 Hauptfeld Das Hauptfeld der Gleichstrommaschine wird, wie bereits oben ausgeführt durch ortsfesten Statorpole (Erregerwicklung oder Permanentmagnete) erzeugt. Bild 3.4 Hauptfeld ohne Ankerrückwirkung Bild 3.4 zeigt den Verlauf der Flussdichte entlang der Rotoroberfläche ohne Ankerrückwirkung, d.h. ohne dass der Feldverlauf durch den Ankerstrom beeinflusst wird (z. B. im Leerlauf des Motors). Die im Bild verwendeten Bezeichnungen sind: τp BLx BL Bm α Polteilung (Weglänge in Umfangsrichtung, die einem Pol zugeordnet ist) Flussdichteverlauf im Luftspalt Flussdichte unter dem Hauptpol mittlere Flussdichte über einer Polteilung Polabdeckungsfaktor (Anteil des Hauptpols an der Polteilung) Die Polteilung τp lässt sich aus dem Durchmesser bzw. Umfang des Rotors und der Anzahl der Polpaare berechnen: τP = dA p dA ⋅ π 2⋅ p Gl. 3.1 Ankerdurchmesser (Rotordurchmesser) Polpaarzahl (2p ist die Polzahl) Der Zusammenhang zwischen dem erzeugten Hauptfluss Φ bzw. Φ E und Flussdichte lautet: τp Φ E = l ⋅ ∫ BLx ( x )dx = l ⋅ τ p ⋅ Bm = l ⋅ α ⋅ τp ⋅ BL Gl. 3.2 0 l Prof. Dr. W. Höger Länge des Ankers (Rotors) in Achsrichtung El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 29 3.2.5 Ankerrückwirkung Unter Ankerrückwirkung versteht man die Tatsache, dass der Verlauf des Luftspaltfeldes auch durch den Ankerstrom beeinflusst wird. Dies ist bei einer belasteten Maschine praktisch immer der Fall. Die Verteilung des Ankerstroms am Rotorumfang wird durch den sogenannten Ankerstrombelag (A/m) beschrieben. Das folgende Bild 3.5 zeigt, wie durch den Ankerstrombelag das Ankerquerfeld (ohne Hauptfeld) erzeugt wird. Bild 3.5 Ankerquerfeld (hervorgerufen durch Ankerstrombelag) Wenn sich bei einer belasteten Gleichstrommaschine das Hauptfeld und das Ankerquerfeld überlagern, dann kommt es zu einer Verzerrung des Hauptfeldes, wie in Bild 3.6 dargestellt. Bild 3.6 Resultierendes Feld bei Belastung 1: 2: 3: Hauptfeld ohne Ankerrückwirkung Ankerquerfeld Hauptfeld bei Belastung Die Ankerrückwirkung hat negative Auswirkungen auf das Betriebsverhalten der Maschine: • Durch die Verschiebung der neutralen Zone (Nulldurchgang der Flussdichte) aus der Mitte zwischen den Polen, wo die Bürsten liegen und die Kommutierung stattfindet, wird die Kommutierung erschwert. • Durch die Erhöhung der Flussdichte an einer Polkante kommt es sättigungsbedingt zu einer Schwächung des Hauptfeldes. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 30 Abhilfe ist möglich durch eine Wendepol und ggf. Kompensationswicklung (siehe folgende Tabelle). Feldverlauf unter einem Polschuh bei Leerlauf der Gleichstrommaschine. Ankerstrom IA = 0 Unverzerrter Feldverlauf; Nulldurchgang in der neutralen Zone Feldverlauf unter einem Polschuh bei Belastung der Gleichstrommaschine ohne Wendepol- und Kompensationswicklung Verzerrter Feldverlauf (Dachabschrägung) Querfeld BA in der neutralen Zone Feldverlauf unter einem Polschuh bei Belastung der Gleichstrommaschine mit Wendepol- und ohne Kompensationswicklung Wendepolwicklung erzeugt zu BA entgegengesetztes Feld BW in der neutralen Zone zur Verbesserung der Kommutierung Feldverlauf unter einem Polschuh bei Belastung der Gleichstrommaschine mit Wendepol- und Kompensationswicklung Die Kompensationswicklung kompensiert das Ankerquerfeld unter dem Polschuh. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 31 3.2.6 Induzierte Ankerspannung Wenn der Rotor einer erregten Gleichstrommaschine sich dreht, wird in den einzelnen Ankerleitern nach dem Induktionsgesetz eine Spannung induziert. Die Summe dieser einzelnen Spannungen kann an den Bürsten abgegriffen werden. Für die Berechnung der induzierten Spannung wird angenommen, dass sich die mittlere Flussdichte Bm über eine Polteilung τ p erstreckt (vgl. Bild 3.4 und Gl. 3.2). Induzierte Spannung in einem Ankerleiter: Ui1 = Bm ⋅ l ⋅ v (Gl. 2.23) v = d A ⋅ π ⋅ n und mit Bm mittlere Flussdichte l Ankerlänge dA Ankerdurchmesser Aus U i1 = Bm ⋅ l ⋅ 2p ⋅ τ p ⋅ n folgt mit p τp n d A ⋅ π = 2p ⋅ τ p (Gl. 3.2) Polpaarzahl Polteilung Drehzahl Φ = Φ E = Bm ⋅ l ⋅ τp (Gl. 3.1) Ui1 = 2p ⋅ Φ ⋅ n Die Anzahl der in Serie geschalteten Ankerleiter zwischen zwei Bürsten ist zA 2⋅a Dabei ist zA a die Gesamtzahl der Ankerleiter und die Anzahl der parallelgeschalteten Zweige 1 der Ankerwicklung. Man erhält somit für die Gesamtspannung zwischen den Bürsten: Ui = Den Ausdruck zA ⋅ p ⋅Φ ⋅n a Gl. 3.3 zA ⋅ p bezeichnet man auch als Maschinenkonstante c a Maschinenkonstante c= zA ⋅ p a Gl. 3.4 Setzt man Gl. 3.4 in Gl. 3.3 ein, ergibt sich der einfache Ausdruck: Induzierte Spannung: Ui = c ⋅ Φ ⋅ n Gl. 3.5 1 Da zwischen den Bürsten immer zwei Seiten der Ankerwicklung liegen, ist die Gesamtzahl der parallelen Zweige nicht a sondern 2a Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 32 3.2.7 Drehmoment In ähnlicher Weise wie die induzierte Spannung lässt sich das Drehmoment einer Gleichstrommaschine berechnen: Die Kraft auf einen einzelnen Ankerleiter beträgt: F1 = l ⋅ I S ⋅ B m IS: Spulenstrom in 1 Ankerleiter Das durch diese Kraft F1 erzeugte Drehmoment beträgt dann: M1 = τp ⋅p dA d ⋅ F1 = A ⋅ l ⋅ I S ⋅ Bm = ⋅ l ⋅ I S ⋅ Bm 2 2 π Mit Φ = Φ E = Bm ⋅ l ⋅ τp folgt M1 = p ⋅ IS ⋅ Φ π Aufgrund der Stromaufteilung des gesamten Ankerstroms die insgesamt a parallelgeschalteten I Zweige gilt I S = A und damit 2a p I M1 = ⋅ A ⋅ Φ . π 2a Da alle zA Ankerleiter betroffen sind erhält man für das Gesamt-Drehmoment M = z A ⋅ M1 = und mit c = zA ⋅ p 1 ⋅ ⋅IA ⋅Φ a 2π Gl. 3.6 zA ⋅ p (Maschinenkonstante, Gl. 3.4) erhält man den einfachen Ausdruck: a Drehmoment: Prof. Dr. W. Höger M= c ⋅ Φ ⋅ IA 2π El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 3.7 FH München SS 2002 3.3 33 Ersatzschaltbild und Systemgleichungen 3.3.1 Ersatzschaltbild In Bild 3.7 ist das Ersatzschaltbild der Gleichstrommaschine dargestellt. Sowohl der Ankerkreis als auch der Erregerkreis enthalten eine ohmsche und induktive Komponente. Bild 3.7 Ersatzschaltbild der Gleichstrommaschine Aus dem Ersatzschaltbild könne unmittelbar die Spannungsgleichungen (Maschengleichungen) für den Ankerkreis und den Erregerkreis abgelesen werden. Zusammen mit den bereits in den Kapiteln 3.2.6 und 3.2.7 abgeleiteten Gleichungen für die induzierte Spannung und das Drehmoment ergeben sich damit die Systemgleichungen der Gleichstrommaschine. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 34 3.3.2 System-Differentialgleichungen Ankerkreis (Maschengleichung) u A ( t ) = R A ⋅i A ( t ) + L A ⋅ Induzierte Spannung u i (t) = c ⋅ Φ ⋅ n (t) Drehmoment (Luftspaltmoment) m Mi ( t ) = Bewegungsgleichung m M ( t ) − m W ( t ) = 2π ⋅ J ⋅ Erregerkreis u E (t) = R E ⋅ i E (t) + uA iA uE iE mMi mW mW RA LA J di A + u i ( t ) Gl. 3.8 dt Gl. 3.9 c ⋅ Φ ⋅ i A (t) 2π Gl. 3.10 dn dt dΦ dt Gl. 3.11 Gl. 3.12 Anker-Klemmenspannung Ankerstrom Erregerspannung (bei elektrische erregter GM) Erregerstrom Motor-Luftspaltmoment („Inneres Moment“) Motormoment (Wellenmoment) Widerstandsmoment an der Motorwelle Ankerwiderstand [Ohm] Ankerinduktivität [Henry] Motor-Trägheitsmoment [kg m2 ] Durch diese fünf Gleichungen für das linerarisierte Modell einer Gleichstrommaschine wird deren Betriebsverhalten vollständig beschrieben. Die in den folgenden Kapiteln beschriebenen Gleichungen und Kennlinien für unterschiedliche Steuerverfahren und Schaltungsarten lassen sich aus den angegebenen Systemgleichungen ableiten. 3.3.3 Stationäre Gleichungen und Nenngrößen Aus den Differentialgleichungen ergeben sich in sehr einfacher Weise die Gleichungen für den stationären Betrieb (ohne d/dt- Terme): Ankerkreis (Maschengleichung) UA = R A ⋅I A + Ui Gl. 3.13 Induzierte Spannung Ui = c ⋅ Φ ⋅ n Gl. 3.14 inneres Drehmoment (Luftspaltmoment) M Mi = c ⋅ Φ ⋅ IA 2π Bewegungsgleichung MM = M W (Momentengleichgewicht) Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 3.15 Gl. 3.16 FH München SS 2002 35 UE = R E ⋅ I E Erregerkreis Gl. 3.17 Es ist zu beachten, dass das an der Welle verfügbare Drehmoment etwas kleiner ist, als das durch das Kraftwirkungsgesetz erzeugte Luftspaltmoment. Um das Wellenmoment zu erhalten, müssen vom Luftspaltmoment MMi noch die Verlustmomente aufgrund der Eisenverluste im Anker der Gleichstrommaschine sowie mechanische Reibmomente (Lagerreibung, Luftreibung) abgezogen werden. Folgende Ansätze sind üblich: M M = M Mi − M VR MVR ηmech oder M M = M M i ⋅ ηmech Inneres, mechanisches Verlustmoment (Eisenverluste und mechanische Reibungsverluste) mechanischer Wirkungsgrad In den meisten Fällen können aber (zumindest bei größeren Maschinen) die inneren mechanischen Verluste vernachlässigt werden, so dass gilt: ηmech ≈ 1 bzw. M Mi ≈ M M Auf dem Typenschild einer Gleichstrommaschine ist angegeben, welche Betriebsgrößen (Spannung, Strom, Drehzahl etc.) für die Maschine zulässig sind. Diese Angaben sind gleichzeitig die Nenngrößen für die vorliegende Maschine. Nennleistung: Nenndrehzahl: Nennspannung: Nennstrom: Erregernennspannung: Erregernennstrom: PN = M N ⋅ 2π ⋅ n N nN UAN IAN UEN IEN Aus den Typenschilddaten lassen sich weitere Kenngrößen berechnen, die den Leistungsfluss in der Maschine (hier am Beispiel Motor-Nennbetrieb) beschreiben: Erregerkreis: PEN = UEN ⋅ PEN Erreger-Nennleistung PVE = PEN Erregerverluste Bei einer elektrisch erregten Gleichstrommaschine geht die gesamte, dem Erregerkreis zugeführte elektrische Leistung als Stromwärmeverluste verloren. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 36 Ankerkreis: P0N = UAN ⋅ IAN PVN = IA2 ⋅ RA PiN = = = = P0N - PVN (UAN – RA ⋅ IAN) ⋅ IAN UIN ⋅ IAN MiN ⋅ 2π ⋅ nN PN = MN ⋅ 2π ⋅ nN = ηmech ⋅ MiN ⋅ 2π ⋅ nN zugeführte elektrische Leistung im Nennpunkt Ankerverluste (elektrische Verlustleistung im Ankerwiderstand) “innere” elektrische Leistung ist das Produkt Induzierte Spannung x Ankerstrom und gleichzeitig die “innere“ mechanische Leistung Nennleistung (Typenschild) In der Regel kann bei größeren Maschinen ηmech =1 angenommen werden. Dies bedeutet, dass die „innere Leistung“ mit der Leistung an der Motorwelle gleichgesetzt werden kann. 3.4 Schaltungsarten der Erregerwicklung Das Betriebsverhalten der Gleichstrommaschine wird neben den konstruktiven Eigenschaften wie z.B. der Maschinenkonstanten maßgeblich durch die Schaltungsart der Erregerwicklung bestimmt. L+ Schaltbild der fremderregten Nebe nschlussmaschine : LL+ A1 L- F2 F1 Die Erregerspannung wird aus einem separaten Netz bezogen bzw. unabhängig von der Ankerspannung eingestellt. A2 A1 - A2 Ankerwicklung B1 - B2 Wendepolwicklung F1 - F2 fremderregte Wicklung B2 B1 L+ Nebenschluss der Erregerwicklung: L- Die Erregerspannung wird aus der Ankerspannungsquelle bezogen. A1 E2 E1 A1 - A2 Ankerwicklung B1 - B2 Wendepolwicklung E1 - E2 Nebenschlusswicklung A2 B2 B1 Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 37 L+ Schaltbild der Reihenschlussmaschine : L- Die Erregerwicklung und Ankerwicklung sind in Reihe geschaltet. Der Ankerstrom und der Erregerstrom sind gleich groß. A1 D2 D1 A1 - A2 Ankerwicklung B1 - B2 Wendepolwicklung D1 - D2 Reihenschlusswicklung A2 B2 B1 Nebenschlussmaschinen besitzen eine relativ hochohmige Erregerwicklung. Die Erregerspannung kann entweder direkt aus der Ankerspannungsquelle bezogen werden (Nebenschluss-Schaltung) oder aus einer separaten Spannungsquelle (fremderregt). Die für drehzahlgesteuerte Antriebe mit Abstand wichtigste Schaltungsvariante ist die der fremderregten Maschine, da sich hier das Erregerfeld und die Ankerspannung getrennt einstellen lassen. Reihenschlussmaschinen haben eine niederohmige Erregerwicklung, die für die Serienscha ltung mit dem Ankerkreis dimensioniert ist. Die Kennlinien einer Reihenschlussmaschine unterscheiden sich erheblich von den Kennlinien einer fremderregten Maschine. 3.5 Betriebsverhalten von fremderregten Nebenschlussmaschinen 3.5.1 Stationäre Betriebskennlinien Die Eigenschaften von Motoren und Generatoren und insbesondere das Zusammenspiel zwischen Motoren und Arbeitsmaschinen lässt sich zweckmäßig und anschaulich in Kennlinienfeldern darstellen. Die wichtigste Kennlinie ist dabei die Drehzahl- / Drehmomentkennlinie. Zur Ableitung der Gleichung für den Zusammenhang zwischen Drehzahl und Drehmoment werden die stationären Systemgleichungen aus Kapitel 3.3.3 herangezogen: Maschengleichung Ankerkreis: Ui = U A − R A ⋅ I A mit Ui = c ⋅ Φ ⋅ n und I A = M i ⋅ folgt durch Einsetzen c ⋅ Φ ⋅ n = U A − Mi ⋅ und daraus die Kennliniengleichung: Prof. Dr. W. Höger n= 2π ⋅ R A c⋅ Φ UA 2π⋅ R A − Mi ⋅ c⋅Φ (c ⋅ Φ) 2 El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen 2π c⋅ Φ Gl. 3.18 FH München SS 2002 38 Die beiden Terme in der Gleichung sind UA ~ UA c ⋅Φ die ideelle Leerlaufdrehzahl n0 = und der lastabhängige Drehzahlabfall ∆n = M i ⋅ 2π ⋅ R A ~ Mi (c ⋅ Φ)2 Gl. 3.19 Gl. 3.20 Bei konstanter Spannung und konstantem Fluss ergibt sich im n/M-Kennlinienfeld eine mit zunehmender Belastung abfallende Geradenkennlinie. Bild 3.8 Drehzahl-Drehmomentkennlinie (für UA = const., Φ = const.) Für die Drehzahl-Drehmomentkennlinie, die in Bild 3.8 dargestellt ist sind folgende Merkmale charakteristisch: • Bei Belastung ändert sich die Drehzahl linear • Die Leerlaufdrehzahl ist proportional zur Klemmenspannung, negative Spannung bedeutet eine negative Drehzahl • Generatorbetrieb (negatives Moment bei positiver Drehzahl oder positives Moment bei negativer Drehzahl) ist möglich. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 39 3.5.2 Spannungssteuerung bei konstantem Nennfluss Aus der Kennliniengleichung (Gl. 3.18) ergibt sich unmittelbar, dass sich die U Leerlaufdrehzahl n 0 = A (Gl. 3.19) der Maschine proportional mit der Ankerspannung c ⋅Φ ändert. Die Drehzahl kann also durch eine Änderung der Ankerspannung eingestellt werden. der 2π ⋅ R A lastabhängige Drehzahlabfall ∆n = M i ⋅ (Gl. 3.20) ist davon unabhängig. ( c ⋅ Φ) 2 Eine Änderung der Ankerspannung entspricht somit einer vertikalen Parallelverschiebung der n/M-Kennlinie im Kennlinienfeld. In Bild 3.9 ist das Kennlinienfeld in normierter Darstellung angegeben. Normierungsgrößen (d.h. Bezugsgrößen) für die Skalierung der Achsen sind dabei die ideelle Leerlaufdrehzahl bei U Nennspannung: n 0N = A N und das Motor-Nennmoment MN. c ⋅ ΦN Diese Darstellung ist zweckmäßig, da sich durch die Normierung für alle Gleichstromnebenschlussmaschinen eine ähnliche Darstellung ergibt. Bild 3.9 normiertes Kennlinienfeld für die Spannungssteuerung Der normierte Drehzahlabfall ∆n/n0N bei Nennmoment hat für alle Maschinen einen ähnlichen Wert: ∆n/n0N ≈ Prof. Dr. W. Höger ....0,02 ... 0,05 ... ..... 0,1 ..... .... 0,2 ..... für große Maschinen für mittlere Maschinen für kleine Maschinen. El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 40 Übungsbeispiel zur Spannungssteuerung: Ein nennerregter Gleichstrom-Nebenschlussmotor hat folgende Typenschilddaten: Nennleistung: Nenndrehzahl: Nennspannung: PN = 3,77 kW nN = 1800 min-1 UAN = 220 V Im Leerlauf der Maschine wurde bei Nennspannung eine Drehzahl von n0N = 2000 min-1 gemessen. Reibungsverluste und Ankerrückwirkung können vernachlässigt werden. Gesucht sind: − − − − − − − Nennmoment MN Maschinenkonstante c⋅Φ Nennstrom IAN Ankerwiderstand RA Ankerspannung und Ankerstrom bei einem Lastmoment ML = 10 Nm und einer Lastdrehzahl nL = 1000 min-1 zugeführte und abgeführte Leistung bei ML, nL Verlauf der Motorkennlinien für UA = UAN Nennspannung und für die Spannung bei ML, nL 3.5.3 Widerstandssteuerung Steht keine einstellbare, variable Ankerspannungsquelle zur Verfügung, dann kann die Drehzahl auch durch einen z.B. in Stufen einstellbaren Vorwiderstand im Ankerkreis beeinflusst werden. Neben der Drehzahleinstellung ist die wichtigste Funktion des Vorwiderstands die Begrenzung des Motorstroms beim Einschalten und beim Abbremsen zum Stillstand. Ohne Vorwiderstand würden sich aufgrund der im Stillstand fehlenden Gegenspannung (induzierten Spannung) unzulässig hohe Anlaufströme ergeben. Mit einem Vorwiderstand RAV im Ankerkreis beträgt der gesamte Ankerwiderstand R R Ages = R A + R AV = R A ⋅ 1 + A V RA Gl. 3.21 Setzt man den Ausdruck für RAges anstelle RA in die Motor-Kennliniengleichung ein, dann ergibt sich: n= Prof. Dr. W. Höger UA 2π ⋅ R A − Mi ⋅ c ⋅Φ (c ⋅ Φ ) 2 R ⋅ 1 + A V RA El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 3.22 FH München SS 2002 41 Es wird deutlich, dass bei konstanter Spannung und konstantem Fluss die Leerlaufdrehzahl n0 unabhängig vom Wert des Vorwiderstands bleibt, während sich der lastabhängige R Drehzahlabfall ∆n mit dem Vorwiderstand um den Faktor 1 + A V vergrößert. RA Dieser Zusammenhang wird im folgenden Kennlinienfeld (Bild 3.10) deutlich. Bild 3.10 normiertes Kennlinienfeld für die Widerstandssteuerung Man erkennt, dass eine Drehzahlsteuerung nur unter Belastung der Maschine möglich ist. Ein weiterer Nachteil ist die Verlustleistung im Vorwiderstand und der daraus resultierende schlechte Wirkungsgrad der Anordnung. Aus diesem Grund wird die Widerstandssteuerung seit der Verfügbarkeit der Leistungselektronik zur stufenlosen Spannungseinstellung kaum noch eingesetzt. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 42 Übungsbeispiel zur Widerstandssteuerung: Ein nennerregter Gleichstrom-Nebenschlussmotor hat folgende Typenschilddaten: Nennleistung: PN = 3,0 kW Nenndrehzahl: nN = 2400 min-1 Nennspannung: UAN = 220 V Nennstrom: IAN = 17 A Eisen-, Reibungsverluste und der Einfluss der Ankerrückwirkung können vernachlässigt werden. Es ist ein Vorwiderstand RAV zu berechnen bzw. grafisch zu ermitteln, so dass beim Anfahren des Motors am Gleichspannungsnetz mit Nennspannung der 2- fache Nennstrom nicht überschritten wird. Der Motor ist während des Hochlaufs unbelastet (ML = 0). Gesucht sind: − − − − − − − − − ein einfaches Ersatzschaltbild der Anordnung die Leerlaufdrehzahl n0 der Ankerwiderstand RA die Größe des benötigten Vorwiderstands RAV der Verlauf des Hochlaufvorgangs im n/M - Kennlinienfeld bei welcher Drehzahl kann der Vorwiderstand kurzgeschlossen werden, wenn der zweifache Nennstrom beim Umschalten nicht überschritten werden soll ? wann ist die Verlustleistung maximal und wie groß ist Pvmax ? wie groß wäre die maximal auftretende Verlustleistung, wenn der Motor ohne Vorwiderstand ans Netz geschaltet würde. welches Problem entsteht bei Anfahren mit Nennlast (ML = MN) und wie kann man es lösen? Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 43 3.5.4 Kombinierte Ankerspannungs- und Feldsteuerung Wie bereits in Kapitel 3.5.3 ausgeführt, kann die Drehzahl durch Änderung der Ankerspannung bei Nennfluss etwa im Bereich zwischen der positiven und negativen Motornenndrehzahl beliebig eingestellt werden. Dies entspricht einer Spannungsänderung zwischen positiver und negativer Ankernennspannung. Den zugehörigen Drehzahlstellbereich bezeichnet man als Grunddrehzahlbereich oder Ankerstellbereich. Soll nun die Drehzahl über die Nenndrehzahl hinaus erhöht werden, muss bei konstanter Ankernennspannung UAN die Erregerspannung und damit der Erregerfluss (Feld) reduziert werden. Für den Feldstellbereich oder Feldschwächbereich gilt: UA = UAN = const . und Φ min ≤ Φ ≤ Φ N Betrachtet man unter dieser Randbedingung die Motorkennliniengleichung, ergibt sich für Φ < Φ N mit n= UAN 2π ⋅ R A − Mi ⋅ c⋅Φ ( c ⋅ Φ) 2 eine Erhöhung der Leerlaufdrehzahl im Verhältnis 1/Φ : Gl. 3.23 n0 = UAN 1 ~ c ⋅Φ Φ 2π ⋅ R A 1 ~ 2 2 ( c ⋅ Φ) Φ Allerdings wird auch der Ankerstrom, den man zur Abgabe eines bestimmten Drehmoments M benötigt, im Verhältnis 1/Φ größer. und eine Erhöhung der Lastabhängigkeit der Drehzahl mit 1/Φ 2 : IA = 2π ⋅ M 1 ~ c⋅Φ Φ ∆n = M i ⋅ Gl. 3.24 Da der zulässige Ankerstrom begrenzt ist (im Dauerbetrieb maximal IAN) reduziert sich im Feldschwächbetrieb das verfügbare Drehmoment wobei aber die aufgenommene oder abgegebene maximale Leistung konstant bleibt. Daher wird der Feldstell- oder Feldschwächbereich auch Konstant-Leistungsbereich genannt. Die Maschinenkennlinien verlaufen im Feldschwächbereich mit zunehmender Feldschwächung immer steiler. Dies bedeutet, dass die Maschinenkennlinie immer weicher wird. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 44 Bild 3.11 Motorkennlinien im Grunddrehzahl - und Feldstellbereich Wegen der Ankerrückwirkung und der Stromwendung ist der Feldschwächbereich zu höheren Drehzahlen hin begrenzt. U.U. muss bei hohen Drehzahlen der Strom aus Stromwendungsgründen reduziert werden, bevor die mechanische Festigkeit des Läufers als Drehzahlgrenze erreicht ist. Feldstellbereiche von 1:1,5 sind normal erreichbar. Bei höheren Bereichen bis 1:5 ist eine Kompensationswicklung in der Maschine vorzusehen. Bei Sonderkonstruktionen ist ein Feldstellbereich von 1:10 noch ausführbar. Hohe Feldstellbereiche - also Konstantleistungsbereiche - werden bei z.B. Werkzeugmaschinena ntrieben oder Wickelantrieben gefordert. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 3.6 45 Reihenschlussmaschinen Bei der Gleichstrom- Reihenschlussmaschine ist die Erregerwicklung mit dem Anker in Reihe geschaltet. Sie wird vom Ankerstrom durchflossen und ist deshalb aus dickem Draht mit relativ geringer Windungszahl gefertigt, denn durch den hohen Ankerstrom wird mit wenigen Windungen der gleiche magnetische Fluss erzeugt wie bei der Nebenschlussmaschine durch den kleinen Erregerstrom in der Erregerwicklung mit hoher Windungszahl. Durch die konstruktiven Unterschiede der Erregerwicklung ist es nicht möglich, eine Maschine mal im Nebenschluss und mal im Reihenschluss je nach Schaltung der Erregerwicklung zu betreiben, sondern das Betriebsverhalten ist von vornherein auf eine Schaltungsart festgelegt. Bild 3.12 zeigt das Schaltbild des Reihenschlussmotors. Wie bei den bereits behandelten Gleichstrommotoren bedarf es auch hier eines Anlasswiderstandes RAnl zur Begrenzung des Einschaltstromes, wenn keine einstellbare Ankerspannungsquelle zur Verfügung steht. Bild 3.12 Schaltbild eines Reihenschlussmotors Es gelten auch für den Reihenschlussmotor die in Abschnitt 3.3.2 und 3.3.3 entwickelten Grundgleichungen, wobei darauf zu achten ist, dass zum Ankerkreiswiderstand RA nun der ohmsche Widerstand RE der Erregerwicklung und ggf. ein Anlasswiderstand RAnl hinzuzurechnen ist, so dass sich der gesamte Ankerkreiswiderstand für eine Reihenschlussmaschine zusammensetzt: RAges = RA + RE (+ RAnl) Aufgrund der Zusammenschaltung von Anker- und Erregerwicklung wird der magnetische Fluss Φ vom Ankerstrom erregt und damit ist er nicht mehr - wie bislang - konstant, sondern belastungsabhängig. Φ = f (IA) Im linearen Bereich der Magnetisierungskennlinie, d. h., unter Vernachlässigung der Sättigung, gilt die Beziehung: Φ = ci ⋅ IA Gl. 3.25 wobei ci ein konstanter Proportionalitätsfaktor (Dimension Vs/A) ist. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 46 Damit folgt für die induzierte Spannung Gl. 3.26 Ui = c ⋅ Φ ⋅ n = c ⋅ c i ⋅ I A ⋅ n und für das Drehmoment M= c c ⋅ ci 2 ⋅ Φ ⋅ IA = ⋅ IA 2π 2π Gl. 3.27 Das Drehmoment steigt also mit dem Quadrat des Laststroms. Motorkennlinie: U i = U A − R Ages ⋅ I A Aus der Maschengleichung: folgt mit Ui = c ⋅ c i ⋅ I A ⋅ n und mit I A = n= R UA − Ages c ⋅ ci ⋅ I A c ⋅ c i n= und daraus 2π⋅ M c ⋅ ci R UA − Ages 2π ⋅ c ⋅ c i ⋅ M c ⋅ ci Gl. 3.28 4 3,5 IA Drehzahl N / N N 3 n (UA = UAN) n (UA = 0,75 UAN) 2,5 n (UA = 0,5 UAN) 2 n (UA = 0,25 UAN) 1,5 1 0,5 0 -0,5 -1 0 1 2 3 4 Drehmoment M / MN Bild 3.13 Motorkennlinien einer Reihenschlussmaschine bei Spannungsänderung Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 47 Man erkennt, dass die Drehzahl mit zunehmender Belastung stark abfällt, was man als Reihenschlussverhalten oder weiches Drehzahlverhalten bezeichnet. Dieses weiche Drehzahlverhalten hat natürlich andererseits zur Folge, dass bei Lastminderung die Drehzahl stark ansteigt und ein völliges Entlasten zum Durchgehen der Reihenschlussmaschine führt, wobei der Anker wegen der hohen Zentrifugalkräfte zerstört wird. Der Reihenschlussmotor verhält sich also bei Entlastung völlig anders als der Nebenschlussmotor. Er darf deshalb nie unbelastet betrieben oder eingeschaltet. werden. Er darf auch nicht über Treibriemen auf die Arbeitsmaschine wirken, weil die Gefahr besteht, dass der Riemen abrutschen oder reißen kann. Der Reihenschlussmotor wird besonders in den Bereichen eingesetzt, wo ein weiches Drehzahlverhalten, verbunden mit einem großen Anfahrmoment günstig ist. Das trifft zu bei Hebezeugen, Kränen und speziell beim Antrieb von Straßenbahnen und Elektrofahrzeugen; denn zum Anfahren und Beschleunigen aus dem Stand ist ein hohes Moment wünschenswert, während im Betrieb - ist erst einmal die Fahrgeschwindigkeit erreicht - nur noch ein Moment zur Überwindung der Reibungswiderstände aufgebracht werden muss. Auch bei dem Reihenschlussmotor sind wie beim Nebenschlussmotor grundsätzlich die gleichen Methoden der Drehzahlsteuerung möglich. Drehzahlsteuerung durch Verminderung der Speisespannung: Bei Verringerung der Speisespannung UA nimmt das Anlaufmoment der Maschine ab, und es ergeben sich Kennlinien M = f (n), die unterhalb der „natürlichen“ Kennlinie verlaufen (Bild 3.13). Drehzahlsteuerung durch Vergrößerung des Ankerkreiswiderstandes: Durch einen Vorwiderstand RAnl im Ankerkreis kann ebenfalls eine Drehzahlverringerung erreicht werden. Entsprechend der obenangegebenen Kennliniengleichung bewirkt die Vergrößerung des Ankerkreiswiderstandes eine Verschiebung der natürlichen Kennlinie nach unten und damit ebenfalls eine Drehzahlsenkung. Dabei muss ein kleineres Anlaufmoment in Kauf genommen werden. 3.7 Wechselstrom-Kommutatormaschinen Reihenschlussmotoren entwickeln, unabhängig von der Polarität der angelegten Ankerspannung immer ein Drehmoment in einer durch die Schaltung festgelegten Richtung, da sich bei einer Umpolung nicht nur die Richtung des Ankerstroms sondern auch die Polung des Hauptfeldes ändert. Aus diesem Grund können Reihenschlussmotoren nicht nur an einem Gleichstromnetz sondern auch an einem Wechselstromnetz betrieben werden. Diese Motoren wurden in verschiedenen Bauformen entwickelt, um die gute Drehzahlsteuerbarkeit der Kommutatormaschine mit dem Vorteil des direkten Netzanschlusses zu verbinden. Durch den Einsatz der Leistungselektronik sind eine Reihe dieser Motortypen ganz aus dem Markt verschwunden oder werden nur noch wenig eingesetzt. Man verwendet noch • Einphasen-Reihenschlussmotoren im Leistungsbereich über 100 kW als Fahrmotor in Lokomotiven für 162/3 Hz- und 50 Hz-Bahnnetze. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 • 48 Einphasen-Reihenschlussmotoren bis ca. 3000 W in großen Stückzahlen als Universalmotoren. Aufbau Der Einphasen-Reihenschlussmotor entspricht im Aufbau des Stators der Konstruktion einer modernen Gleichstrommaschine für Stromrichterbetrieb und Reihenschlussschaltung . Mit Rücksicht auf die Wechselstromspeisung ist der gesamte magnetische Kreis aus Dynamoblechen geschichtet. Das komplette Statorblech enthält im Hauptpol Nuten für eine kräftige Kompensationswicklung während die Erreger- und die Wendepolwicklung in den großen Nuten zu beiden Seiten des Wendepolzahns untergebracht sind. Problematisch bei der Wechselstromspeisung ist allerdings das Kommutierungsverhalten der Motoren, da durch den Wechselfluss in der Maschine auch in den kommutierenden Ankerspulen eine „Transformationsspannung“ induziert wird, die der Stromwendung entgegenwirkt. Bahnmotoren Die Verbesserung des Kommutierungsverhaltens war der Hauptgrund für die Einrichtung des Bahnstromnetzes mit verringerter Frequenz und für die Entwicklung des klassischen 16 2/3 Hz-Bahnmotors. Durch die Entwicklung der Leistungselektronik ist der Einsatz des EinphasenWechselstrommotors als Bahnantrieb überholt. Moderne Antriebe für Vollbahnen oder Nahverkehrsfahrzeuge basieren auf der Drehstromtechnik mit Käfigläufermotoren. Die Drehzahlsteuerung der Fahrmotoren erfolgt mit selbstgeführten Zwischenkreisumrichtern über die Freque nz der Motordrehspannung. Universalmotoren Einphasen-Reihenschlussmotoren mit Kommutator entwickeln ein von der Stromrichtung unabhängiges Drehmoment und können daher mit Gleich- oder Wechselstrom betrieben werden. Man bezeichnet diese Maschinen daher als Universalmotoren und fertigt sie in großen Stückzahlen als Antrieb für Elektrowerkzeuge und Haushaltsgeräte. Die Nennaufnahmeleistung liegt im Bereich 1 W bis ca. 2000 W bei Nenndrehzahlen bis zu 20000 min-1 . Durch die hohe Betriebsdrehzahl erreicht man sehr niedrige Leistungsgewichte, die mit z. B. 2 kg/kW von Kondensatormotoren (Einphasen-Asynchronmotoren) nicht zu realisieren sind. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 4 49 Drehfelder Während das Hauptfeld bei Gleichstrommaschinen in Bezug auf den Stator der Maschine eine ortsfeste, räumliche Flussdichteverteilung besitzt (vgl. z.B. Bild 3.4) sind Drehstrom- oder Drehfeldmaschinen dadurch gekennzeichnet, dass sich die Flussdichteverteilung im Luftspalt kontinuierlich ändert und in Form einer Feldwelle durch den Luftspalt bewegt. Zur Gruppe der Drehfeldmaschinen gehören Asynchron- und Synchronmaschinen. Aber auch die sogenannten bürstenlosen (elektronisch kommutierten) Gleichstrommaschinen besitzen umlaufende Luftspaltfelder. Die Gemeinsamkeiten dieser Maschinen, soweit sie mit dem Drehfeld als besondere Form des Luftspaltfelds in Beziehung stehen, werden im vorliegenden Hauptabschnitt vorangestellt. 4.1 Definition des Drehfelds Ein Drehfeld liegt vor, wenn die Flussdichtverteilung B (x) im Luftspalt der Maschine eine fortschreitende Welle darstellt. Die Koordinate x ist dabei die Weg-Koordinate entlang des Luftspalts in Umfangsrichtung. Bild 4.1 zeigt eine derartige Welle für den Zeitpunkt t = 0 und einen weiteren Zeitpunkt t > 0. Es ist ein sinusförmiges Grundwellendrehfeld dargestellt, dessen Wellenlänge gleich der doppelten Polteilung ist. Im allgemeinen sind in elektrischen Maschinen auch Oberwellendrehfelder vorhanden, die jedoch in den folgenden Betrachtungen vernachlässigt werden. Bild 4.1 Flussdichteverleitung eines Grundwellendrehfelds Charakteristisch für das Drehfeld ist, dass die Flussdichteverteilung bei gleichbleibender Amplitude und räumlicher Ausdehnung (Wellenlänge) mit konstanter Geschwind igkeit vD entlang des Luftspalts (Koordinate x) bewegt. Wenn der Maximalwert des Grundwellendrehfelds zur Zeit t = 0 bei x = x0 liegt und sich die gesamte Welle mit der Geschwindigkeit vD in Richtung größerer Werte von x bewegt, erhält man für einen beliebigen Zeitpunkt t die Formulierung Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 50 ) π B( x, t ) = B ⋅ cos (x − x 0 − v D t ) τP Gl. 4.1 Dabei besteht folgender Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit vD und der Umlaufdrehzahl des Drehfeldes nD : v D = π ⋅ D ⋅ n D = 2p ⋅ τ P ⋅ n D D: τP : p: Gl. 4.2 Durchmesser Polteilung (Länge eines Pols) Polpaarzahl (d.h. 2p ist die Anzahl der Am Umfang verteilten Pole) Das Vorzeichen der Drehfelddrehzahl nD bestimmt die Bewegungsrichtung in Bezug auf die Koordinate x. Sie ist positiv bei nD > 0 und negativ bei nD < 0. In jedem Zeitpunkt t ist die Flussdichte entlang der betrachteten Oberfläche in Umfangsrichtung örtlich sinusförmig verteilt. An jeder Stelle x ändert sich die Flussdichte zeitlich sinusförmig mit der Frequenz fD bzw. der Kreisfrequenz ωD entsprechend ω D = 2π ⋅ f D = 2π ⋅ p ⋅ n D so dass B(x, t) auch wie folgt angegeben werden kann: ) π B( x, t ) = B ⋅ cos ( x − x 0 ) − ωD t τP bzw. mit ϕ 0 = π x 0 auch τP ) π B( x, t ) = B ⋅ cos x − ωD t − ϕ0 τP 4.2 Gl. 4.3 Gl. 4.4 Erzeugung eines Drehfelds durch ein rotierendes Polrad Die einfachste Möglichkeit, im Luftspalt der Maschine ein Drehfeld aufzubauen, ist die, dass ein Läufer, der 2p gleichstromerregte oder permanenterregte Pole besitzt, mit der Drehzahl nD bewegt wird (Bild 4.2). Wenn man davon ausgeht, dass die Flussdichte an der Oberfläche des Läufers örtlich sinusförmig verteilt ist (d.h. dass die Oberwellen des Luftspaltfelds vernachlässigt werden), erhält man relativ zum Läufer ein ortsfestes sinusförmig verteiltes Feld, das zeitlich konstant ist (Bild 4.2, unten). Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 51 Bild 4.2 Erzeugung eines Drehfelds durch ein rotierendes Polrad Diese Feld wird in den Koordinaten des Läuferumfangs durch die Flussdichteverteilung ) π B( x L ) = B ⋅ cos x L τP beschrieben, wobei die Läuferkoordinate xL vereinbarungsgemäß in der Polachse beginnt. Wenn sich der Läufer mit der Umfangsgeschwindigkeit τ vD = D ⋅ π ⋅ n D = 2p ⋅ τP ⋅ n D = ωD ⋅ P π bewegt, beobachtet man vom Stator aus, d. h. im Koordinatensystem des Stators, mit π x S = x L + v D ⋅ t + ∆x 0 und mit ϕ 0 = ⋅ ∆x 0 eine Flussdichteverteilung τP ) π B( x S , t ) = B ⋅ cos x S − ωD t − ϕ 0 τP Gl. 4.5 Es handelt sich also, wie man auch durch Vergleich von Gl. 4.5 mit Gl. 4.4 feststellen kann, um ein Drehfeld. 4.3 Drehfeldwicklungen Eine andere Möglichkeit zur Erzeugung eines Drehfelds im Luftspalt der Maschine ist eine Drehfeldwicklung oder Drehstromwicklung. 4.3.1 Prinzipieller Aufbau einer 3-strängigen Drehfeldwicklung Bei einer dreisträngigen Drehstromwicklung sind drei Strangwicklungen um 120° elektrisch zueinander versetzt am Umfang des Stators in den Nuten verteilt. Im folgenden Bild 4.3 ist das Nutenschema für eine einfache Einschicht-Drehstromwicklung angegeben. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 Übung: 52 Im Bild 4.3 soll links eine zweipolige (p=1) und rechts eine sechspolige (p=3) Drehstromwicklung liegen. Die Zuordnung zu den Strängen U, V und W in Bild 4.3 ist farblich zu kennzeichnen. (U: blau, V: rot, W grün). Bild 4.3 Prinzipielle Anordnung einer dreisträngigen Drehstromwicklung (Einschichtwicklung) in den Nuten des Statorblechpakets (links: p=1, rechts p=3) Die Polteilung: τP = D⋅π 2p Gl. 4.6 entspricht einem elektrischen Winkel ϕ el = π im Bogenmaß und ϕ el = 180° in Grad π 180° bzw. einem mechanischen Winkel ϕ mech = bzw . ϕmech = . p p Für die zweipolige Variante aus Bild 4.3 ist im folgenden Bild 4.4 die Wicklungsanordnung in der Abwicklungsansicht angegeben. Man beachte, dass die Stränge zueinander um 120° räumlich verschoben sind. Bild 4.4 Abwicklung der zweipoligen Wicklungsanordnung aus Bild 4.3 Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 53 4.3.2 Erzeugung eines Drehfelds durch die dreisträngige Drehstromwicklung Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist die Anordnung dreier räumlich um 120° elektrisch versetzter Wicklungsstränge in den Nuten des Statorblechpakets wie im vorangehenden Kapitel beschrieben. Bild 4.5 Anschluss der Wicklungsstränge in Sternschaltung an das Drehstromnetz i( ωt) Geht man davon aus, dass diese dreisträngige Drehstromwicklung am symmetrischen Drehstromnetz liegt, dann werden die Strangwicklungen von jeweils um 120° zeitlich phasenverschobenen Strömen durchflossen und die drei Strangspulen werden um diese 120° zeitversetzt unterschiedlich magnetisiert. 1,5 1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 ωt Bild 4.6 Zeitverlauf der drei Strangströme (i U , i W, i V) Durch Überlagerung der drei Strang-Magnetfelder entsteht ein resultierendes Feld mit konstanter Amplitude und stetig veränderlicher Richtung. Dies kann durch eine Übung im folgenden (nicht fertig gezeichneten) Bild 4.7 veranschaulicht werden. Übung: Für die Zeitpunkte 1 bis 12 stelle man die Amplitude und die Richtung des Durchflutungszeigers der einzelnen Strangdurchflutungen (bzw. Strangströmen) durch Pfeile in Richtung der Strangspulen dar und bilde daraus den resultierenden Gesamtzeiger. Vereinbarung: positiver Stromà Zeiger von innen nach außen negativer Stromà Zeiger von außen nach innen Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 54 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Bild 4.7 Übungsblatt zur Veranschaulichung der Erzeugung eines Drehfelds Man erkennt, dass für eine Vollwelle der Netz-Speisefrequenz der Drehfeldzeiger genau eine Umdrehung macht. Dies gilt aber nur für eine zweipolige Anordnung. Die Drehzahl des Drehfeldes ist von der Polzahl bzw. der Polpaarzahl p der Maschine abhängig. Zwischen der Frequenz f1 der felderzeugenden Statorströme und der Drehfelddrehzahl, der sogenannten Synchrondrehzahl nS der n1 gilt der Zusammenhang: n1 = f1 p Gl. 4.7 Das bedeutet wie die folgende Tabelle zeigt, dass bei einer Netzfrequenz von 50 Hz nur bestimmte Drehzahlen als Synchrondrehzahl in Betracht kommen: p 1 2 3 4 5 -1 n/min 3000 1500 1000 750 600 Der oben veranschaulichte Vorgang bei der Erzeugung von Drehfeldern kann selbstverständlich auch rechnerisch nachgewiesen werden. Auf diese Herleitung soll in dieser Einführung verzichtet werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 5 55 Drehstromsynchronmaschinen Drehstromsynchronmaschinen als Synchrongeneratoren sind die wichtigsten Erzeuger elektrischer Energie; als große Generatoren bis zu Leistungen von 1300 MVA finden sie ihren Einsatz in den Kraftwerken der Energieversorgungsunternehmen (siehe Bild 5.1). Bild 5.1 Perspektivisches Schnittbild eines Turbogenerators Synchronmotoren werden dort verwendet, wo es auf konstante Drehzahl ankommt (z.B. auch als Kleinstmotor von wenigen mW in Uhren) oder für große Leistungen bei dauernd durchlaufenden Großantrieben. Sie haben neben einem guten Wirkungsgrad gegenüber allen anderen Maschinen den Vorteil, dass sie einen kapazitiven Strom ziehen können und somit in der Lage sind, den Blindstromanteil der vorwiegend induktiv belasteten Netze zu kompensieren. Ein weiteres breites Anwendungsfeld von Synchronmotoren sind die elektronisch kommutierten Motoren, die auch als „bürstenlose Gleichstrommotoren“ (DC-brushless) oder als „Elektronikmotoren“ bezeichnet werden. Die Bezeichnung „bürstenlose Gleichstrommotoren“ kommt daher, dass das Betriebsverhalten dieser Motoren nahezu identisch mit dem der Gleichstrommaschine ist. Hierauf wird später noch näher eingegangen. Zunächst sollen aber der Aufbau und das Betriebsverhalten von Synchronmaschinen für den Betrieb am Drehstromnetz besprochen werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 5.1 56 Aufbau und Wirkungsweise 5.1.1 Bauarten der Synchronmaschine Grundsätzlich sind zwei unterschiedliche Bauarten möglich. Die Außenpolmaschine (Bild 5.2) entspricht im Aufbau des Stators einer normalen Gleichstrommaschine. Die Magnetpole befinden sich im Stator, der Läufer trägt eine Drehstromwicklung. Die Stromzufuhr für die Läuferwicklung erfolgt über drei Schleifringe. Bei großen Strömen und Leistungen bereitet dies erhebliche Schwierigkeiten, so dass diese Bauart nur in Sonderfällen eine praktische Bedeutung hat. Bild 5.2 Bauart Außenpolmaschine (1) Stator, (2) Pole, (3) Läufer mit Drehstromwicklung Bild 5.3 Bauart Innenpolmaschine (1) Stator mit Drehstromwicklung (2) Läufer mit Gleichstromerregung Für große Leistungen baut man Synchronmaschinen stets als Innenpolmaschinen (Bild 5.3). Die Magnetpole befinden sich bei dieser Bauart auf dem Läufer und führen die Drehbewegung aus. Den vergleichsweise geringen Erregerstrom zur Erzeugung des Läufermagnetfeldes führt man über zwei Schleifringe zu. Der Stator trägt die Drehstromwicklung, so dass die wesentlich höhere Drehstromleistung ohne Schleifringe unmittelbar übertragen werden kann. Bei kleineren Synchronmaschinen für Servoanwendungen (< 10 kW) wird der Läufer (das Polrad) mit Permanentmagneten belegt, so dass die Stromzufuhr in den Läufer ganz entfallen kann. Die Ausführungen in den folgenden Kapiteln beziehen sich ausschließlich auf die Innenpolmaschine. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 57 5.1.2 Der Aufbau der Innenpolmaschine Stator Der Aufbau des Stators und der Statorwicklung ist bei Synchronmaschinen und Asynchronmaschinen grundsätzlich gleich. Das Statorblechpaket besteht aus geschichteten Dynamoblechen, in deren gleichmäßig am Umfang verteilten Nuten die Leiter der dreisträngigen Statorwicklung eingelegt sind. Läufer Für den Läufer der Synchronmaschinen unterscheidet man zwei Bauformen: • Vollpolmaschinen und • Schenkelpolmaschinen. Vollpolmaschinen eignen sich für hohe Drehzahlen und Schenkelpolmaschinen für kleine Drehzahlen. Da die Drehzahl von der konstanten Frequenz der Netzspannung und der Polpaarzahl der Maschine abhängt, weisen die langsam laufende Schenkelpolmaschinen eine hohe Polpaarzahl (4...20..), schnelllaufende Vollpolmaschinen eine kleine Polpaarzahl (1..2..) auf. Bild 5.4 Querschnitt Schenkelpolmaschine (Prinzip) Maschinen mit Schenkelpolläufer haben auf dem Läufer einzelne, ausgeprägte Magnetpole (Bild 5.4), die paarweise auf dem Umfang angeordnet sind. Aufgrund des Platzbedarfs für die Einzelpole haben die Läufer einen großen Durchmesser und eignen sich nur für Drehzahlen bis 1000 1/min. Bei höheren Drehzahlen werden die Fliehkräfte zu groß. Für höhere Drehzahlen eignet sich der Vollpolläufer. Läufer für hohe Drehzahle n (3000 1/min) werden aus Chrom-Nickel-Stahl mit außergewöhnlichen Festigkeitswerten massiv gebaut. Die Erregerwicklung ist in den ausgefrästen Nuten, die ca. 2/3 des Umfangs belegen, untergebracht und wird von Keilen gehalten (Bild 5.5). Um bei den hohen Drehzahlen die Fliehkräfte zu begrenzen, darf die Umfangsgeschwindigkeit bestimmte Werte nicht überschreiten. Deshalb haben diese Läufer Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 58 einen verhältnismäßig kleinen Außendurchmesser, dafür jedoch eine umso größere Baulänge (siehe auch Bild 5.1). Bild 5.5 Querschnitt Vollpolmaschine Die Vollpolmaschine findet ihren Einsatz als Generator in Wärmekraftwerken, wo mit Rücksicht auf den Wirkungsgrad der Dampfturbinen aus wirtschaftlichen Gründen meist mit höchstmöglicher Drehzahl gearbeitet wird. Die Schenkelpolmaschine findet man bei Generatoren in Verbindung mit dem Antrieb über eine Wasserturbine oder einen Dieselmotor, da dort bei niedrigeren Drehzahlen eine höhere Wirtschaftlichkeit erzielt wird. 5.1.3 Allgemeine Beschreibung der Wirkungsweise einer Synchronmaschine Die grundsätzliche Wirkungsweise einer Synchronmaschine soll im folgenden am Beispiel einer Vollpol- Innenpolmaschine erläutert werden. Aus Kapitel 4 (Drehfelder) ist bekannt, dass eine Stator- Drehstromwicklung ein magnetisches Feld erzeugt, das mit der Frequenz des speisenden Netzes umläuft. Bringt man in dieses Feld einen als Stabmagnet ausgebildeten Läufer, so wird dieser - hat er einmal die erforderliche Drehzahl erreicht - vom Statordrehfeld mitgenommen. Bild 5.6 Wirkungsprinzip der Synchronmaschine (vereinfacht) Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 59 Einem Nordpol des Drehfeldes steht dabei immer der Südpol des Läufers gegenüber und einem Südpol des Drehfeldes der Nordpol des Läufers; der Läufer dreht sich genauso schnell wie das Drehfeld, d. h. also, er rotiert synchron mit dem Statorfeld. Die Maschine kann also aufgrund der Anziehungskräfte zwischen den Stator- und Rotorpolen als Motor benutzt werden. Die gleiche Maschine kann aber auch als Generator eingesetzt werden, da durch den angetriebenen Läufer ein Feld erzeugt wird, das mit konstanter Drehzahl über die Strangwicklungen des Stators hinwegläuft und in diesen - zeitlich verschoben - Spannungen gleicher Amplitude und Frequenz induziert. 5.1.4 Raumzeigerdiagramme 5.1.4.1 Zeigerdiagramm der Durchflutungen und Flüsse Wenn die dreisträngige Statorwicklung der Maschine am Drehstromnetz betrieben wird, entsteht im Luftspalt der Maschine das Stator- Drehfeld Φ 1 bzw. die Stator- Drehdurchflutung f Θ1 (der Index 1 steht für „Stator“), das mit der Drehzahl n 1 = 1 umläuft. p Durchflutung Θ1 und Fluss Φ 1 sind somit gerichtete, im Raum drehende Größen, die sich als „Raumzeiger“ darstellen la ssen (siehe Bild 5.7). In gleicher Weise lassen sich der rotierende Erregerfluss Φ E des Läufers bzw. die Läuferdurchflutung ΘE durch Raumzeiger darstellen. Bild 5.7 Raumzeiger der Stator- und Rotordurchflutung Da sich im Luftspalt der Maschine Stator- und Läuferdurchflutung überlagern, lässt sich durch die Raumzeigerdarstellung auf einfache Weise die Richtung und der Betrag der resultierenden Gesamtdurchflutung Θ µ = Θ1 + Θ E Gl. 5.1 und Luftspaltfluss (Hauptfluss) Φ µ = Φ1 + Φ E Gl. 5.2 Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 60 ermitteln. Die Gesamtdurchflutung Θ µ bestimmt nach Betrag und Richtung die Größe des Hauptflusses Φ h , und damit auch die tatsächliche Flussdichteverteilung im Luftspalt. 5.1.4.2 Spannungszeigerdiagramm Aus den im Bild 5.7 dargestellten Durchflutungs- und Fluss-Raumzeigern können die Raumzeiger der Spannungen abgeleitet werden, die sich nach dem Induktionsgesetz aus den f mit n 1 = 1 umlaufenden Flüssen ergeben. p Dabei ist die Polradspannung U P = jω ⋅ Ψ E mit ω = 2π ⋅ f 1 Gl. 5.3 die durch den umlaufenden Läuferfluss (Läufer = Polrad) in der Wicklung eines Statorstrangs induzierte, ideelle Leerlaufspannung. Anders ausgedrückt ist UP diejenige Spannung, die bei Statorstrom Null an den Klemmen der Statorwicklung gemessen wird, wenn das Polrad mit der Drehzahl n1 umläuft. 2 Durch den Statorfluss Φ 1 bzw. den Statorstrom I1 entsteht aber durch Selbstinduktion in der Statorwicklung eine weitere Gegenspannung, die sich mit der Polradspannung überlagert. Diese Spannung kann auch als der Spannungsabfall des Statorstroms an der Hauptreaktanz Xh aufgefasst werden. Die aus beiden Anteilen resultierende induzierte Statorspannung ergibt sich somit als die durch den Hauptfluss induzierte Spannung zu: U i1 = jω ⋅ Ψ µ = j ω ⋅ (Ψ E + Ψ1 ) = U P + jX h ⋅ I1 Gl. 5.4 Die Spannung Ui1 unterscheidet sich nur durch den Spannungsabfall am Statorwiderstand und der Streuinduktivität X1σ von der Klemmenspannung U1 . (siehe auch Gl. 5.5). Im Zeigerdiagramm (Bild 5.8) bilden die Größen Φ E/UP , Φ h /Ui1 und Φ 1 / jX h ⋅ I1 jeweils einen rechten Winkel. 2 Ψ E ist der dem Erregerfluss Φ E zugeordnete, mit der Statorwicklung verkettete Fluss. Entsprechend sind Ψ 1 und Ψ µ die verketteten Flüsse zu Φ 1 und Φ µ . Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 61 Bild 5.8 Zeigerdiagramm (Spannungs- und Flusszeiger) 5.1.4.3 Ersatzschaltbild Aus dem Spannungszeigerdiagramm kann man unmittelbar eine Maschengleichung der Spannungen ablesen, die zum einsträngigen Ersatzschaltbild der Synchronmaschine führt: U1 = U P + jX h ⋅ I1 + jX 1σ ⋅ I 1 + R 1 ⋅ I 1 mit U1 : I1: Xh : X1σ: R1 : Gl. 5.5 Stator-Klemmenspannung Statorstrom Hauptreaktanz der Statorwicklung Streureaktanz Strangwiderstand Alle angegebenen Werte sind Strangwerte. Bild 5.9 Einsträngiges Ersatzschaltbild der Synchronmaschine Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 62 Die in Bild 5.9 eingezeichnete Stromrichtung I1 , ergibt sich aus der Vereinbarung des Verbraucherzählpfeilsystems. Diese Vereinbarung beinhaltet keine Festlegung auf die Betriebsart der Maschine. Angewendet auf einen Erzeuger (Generator) bedeutet dies nur, dass im Generatorbetrieb der Realteil des Stroms negative Werte annimmt. Das Ersatzschaltbild vereinfacht sich, wenn man die Hauptreaktanz Xh und die Streureaktanz X1σ zur gesamten „Synchronen Reaktanz“ Xd zusammenfasst: X d = X h + X 1σ Gl. 5.6 Bild 5.10 Ersatzschaltbild mit „synchroner Reaktanz“ Vernachlässigt man darüber hinaus den Statorwiderstand R1 , was bei großen Maschinen zulässig ist, ergibt sich ein besonders einfaches Ersatzschaltbild, das wir in den folgenden Abschnitten benutzen werden: Bild 5.11 Vereinfac htes Ersatzschaltbild Es ist zu beachten, dass bei Anwendung des vereinfachten Ersatzschaltbild von einer verlustlosen Maschine ausgegangen wird; verlustlos deshalb, weil durch Vernachlässigung der Statorverluste keine Wirkleistungsverluste in der Maschine berücksichtigt werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 5.2 63 Betrieb am starren Netz Aus dem vereinfachten Ersatzschaltbild (Bild 5.11) lässt sich die Strom-Spannungsbeziehung unter Anwendung der komplexen Schreibweise wie folgt ausdrücken: Gl. 5.7 U1 = jX d ⋅ I1 + U P und I1 = U1 − U P U − UP = − j⋅ 1 jX d Xd Gl. 5.8 5.2.1 Generator im Leerlauf (Phasenschieberbetrieb) Betrachten wir zunächst einen Generator, den wir im Leerlauf (also mit unbelasteter Welle) am Netz betreiben. Im Leerlauf (keine Wirkleistungsaufnahme oder Abgabe) haben U1 und UP die gleiche Phasenlage. Wird der Erregerstrom erhöht, so steigt damit die Polradspannung UP über den Wert der Netzspannung (Übererregung). Dann muss infolge der Differenz zwischen der Polrad- und der Netzspannung ein Strom im Statorkreis auftreten, der gegenüber der Netzspannung um 90° voreilt und dessen Größe durch die synchrone Reaktanz bestimmt ist (Bild 5.12). Die Maschine wirkt in diesem Fall wie ein Kondensator. Bild 5.12 Zeigerbild für Leerlauf, übererregt Bild 5.13 Zeigerbild für Leerlauf, untererregt Bild 5.13 zeigt den Zustand, wenn aus dem Leerlaufbetrieb die Polradspannung verkleinert wird. Dabei entsteht ein Spannungsabfall jXd I1 , der einen der Netzspannung um 90° nacheilenden Strom erzwingt. Die Maschine arbeitet wie eine Induktivität. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 64 Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass man durch Verändern der Polradspannung über den Erregerstrom die Phasenlage und die Größe des Statorstroms und damit das Blindleistungsverhalten beeinflussen kann. Synchronmaschinen, die nur der Blindle istungssteuerung dienen, nennt man Phasenschieber. Sie haben die Aufgabe, die tagsüber vorwiegend induktiv behafteten Netzströme durch ihr kapazitives Verhalten blindleistungsmäßig zu kompensieren. 5.2.2 Generator- und Motorbetrieb Nun verlangt man von einem Generator jedoch auch Wirkleistungsabgabe. Diese muss man ihm erst in Form von mechanischer Leistung (Drehmoment x Drehzahl) zuführen. Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist der Leerlaufzustand von Bild 5.12 , bei denen die Maschine übererregt arbeitet und im Statorkreis ein kapazitiver Strom Il fließt. Im Leerlauf wirkt auf den Läufer kein Drehmoment ein. Führt man nun dem Läufer mechanische Leistung und damit Drehmoment zu, dann verändert sich die relative Lage des Polrads zu Statordrehfeld. Die magnetische Kopplung zwischen Statordrehfeld und Polrad kann man sich wie eine Feder zwischen einem starr mit n1 umlaufenden Statorspannungszeiger und dem Polrad bzw. dem Polradspannungszeiger vorstellen (Bild 5.14). Durch Zufuhr mechanischer Leistung (Drehmoment in Drehrichtung) wird also der Polradspannungszeiger gegenüber dem Statorspannungszeiger um einen lastabhängigen Winkel, den sogenannten Polradwinkel oder Lastwinkel ϑ verdreht. Wegen des Vordrehens des Polrades aus der Leerlaufstellung wird auch die vom Läufer induzierte Spannung Up gegenüber der Netzspannung vorgedreht. Es tritt eine Phasenverschiebung zwischen Netzspannung und Polradspannung auf. Im Motorbetrieb (Belastung der Welle entgegen der Drehrichtung) eilt der Zeiger UP gegenüber U1 um den Lastwinkel ϑ nach. Bild 5.14 „Federmodell“ für die Kopplung zwischen dem Zeiger der Statorspannung und dem Zeiger der Polradspannung (links Generatorbetrieb, rechts Motorbetrieb) Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 65 Bild 5.15 Zeigerbild einer übererregter Synchronmaschine im Generatorbetrieb Bild 5.16 Generatorbetrieb bei reiner Wirkleistungsabgabe Bild 5.15 zeigt das Zeigerdiagramm eines übererregten Synchrongenerators, der in Drehrichtung angetrieben wird. Die Polradspannung eilt der Netzspannung um den Lastwinkel ϑ vor. Die Lage des Stromes Il im dritten Quadranten und damit die Richtung des Wirkanteiles zu negativen Werten ergibt sich aus der Festlegung auf das Verbraucherzählpfeilsystem. Der Wirkanteil des Stroms ist proportional dem zugeführten Moment; der Blindanteil lässt sich über die Höhe der Polradspannung beeinflussen. Soll der Generator z.B. reine Wirkleistung ins Netz abgeben, so kann über eine Änderung (in diesem Fall einer Reduzierung) der Polradspannung der Blindanteil zu Null gemacht werden (Bild 5.16). Bild 5.17 Zeigerbild einer übererregter Synchronmaschine im Motorbetrieb Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 66 Wird sie mit einem Drehmoment entgegen der Drehrichtung belastet, nimmt die Maschine elektrische Leistung auf und gibt mechanische Leistung ab (Motorbetrieb). Auch in diesem Fall kommt es zu einer Verschiebung des Polradfeldes gegenüber dem Statordrehfeld. Das Polradfeld eilt jetzt dem Statordrehfeld um den Lastwinkel ϑ nach. (Bild 5.17) Eine unbegrenzte Steigerung der Belastung erlaubt der Synchronmotor jedoch nicht. Bei einem Lastwinkel von 90° gibt der Motor sein maximales Drehmoment ab. Dieses Drehmoment nennt man Kippmoment, weil bei einer weiteren Steigerung der Belastung der Motor "kippt", d. h. anschaulich: Die als Gummibänder oder Torsionsfeder gedachten Magnetlinien reißen, die Maschine fällt außer Tritt und bleibt stehen. Zusammenfassend kann für die Synchronmaschine am Netz konstanter Spannung folgendes gesagt werden: • Die Blindleistung der Maschine durch die Höhe der Polradspannung und damit durch die Erregung bestimmt die übererregte Maschine verhält sich wie ein Kondensator, sie liefert induktive Blindleistung die untererregte Maschine verhält sich wie eine Drosselspule, sie nimmt induktive Blindleistung auf • die Wirkleistung der Maschine wird durch die mechanische Belastung an der Welle bestimmt mechanische Belastung in Drehrichtung führt zu einer Voreilung des Polradfeldes gegenüber dem Statordrehfeld (Lastwinkel ϑ) und bewirkt die Abgabe von Wirkleistung ins Drehstromnetz (Generatorbetrieb) mechanische Belastung der Maschine entgegen der Drehrichtung führt zu einer Nacheilung des Polradfeldes gegenüber dem Statordrehfeld und führt zur Wirkleistungsaufnahme aus dem Netz (Motorbetrieb) 5.3 Stromortskurve Aus einem Netz gleichb leibender Spannung U1 und Frequenz f1 nimmt die konstant erregte Drehstromsynchronmaschine bei einer bestimmten Belastung (Drehmoment bzw. Lastwinkel) einen Strom bestimmter Größe und Phasenlage auf, bei einer anderen Belastung einen Strom anderer Größe und Phasenlage. Zeichnet man in ein Diagramm all diese komplexen Statorströme als Zeiger relativ zum feststehenden Zeiger der Netzspannung, so liegen die Spitzen der Stromzeiger auf einem Kreis, wobei sich die jeweilige Größe und Phasenlage der Stromzeiger aus dem Betriebszustand (also Drehmoment bzw. Lastwinkel) der Maschine ergeben haben. Der Kreis gilt für konstante Netzspannung U und konstante Polradspannung Up. Die Lage des Mittelpunktes MP hängt ab von der Größe der Netzspannung U1 , die Größe des Radius wird von der Größe der Polradspannung UP . Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 67 5.3.1 Konstruktion der Stromortskurve Grundlage der Konstruktion der Stromortskurve ist die bereits oben angegebene Gleichung U U (Gl. 5.8) für den komplexen Statorstrom: I 1 = − j ⋅ 1 + j ⋅ P Xd Xd U U I1 ergibt sich also aus der Summe der beiden Stromzeiger − j⋅ 1 und + j⋅ P . Xd Xd Wenn man davon ausgeht, dass vereinbarungsgemäß U1 in der reellen Achse liegt, dann weist der erste Zeiger mit der festen Länge U1 /X d immer in Richtung der negativen Imaginärachse. Das Ende des Strompfeils gibt den Mittelpunkt der Stromortskurve an. Der zweite Zeiger beginnt am Kreismittelpunkt. Die Richtung dieses Zeigers ergibt sich aus dem Lastwinkel ϑ zwischen U1 und UP und damit aus der Belastung der Maschine. Die Länge des Zeigers beträgt UP /X d und ist gleichzeitig der Kreisradius. Die praktische Vorgehensweise zur Konstruktion der Stromortskurve ist bei bekannten Werten von U1 , UP und Xd also sehr einfach: (1) Wahl oder Vorgabe eines geeigneten Strommaßstabs U (2) Einzeichnen des Kreismittelpunkts bei − j⋅ 1 auf der negativen imaginären Achse Xd (3) Einzeichnen des Ortskurvenkreises mit dem Radius UP /Xd. Bild 5.18 Stromortskurve der Synchronmaschine Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 68 Solange der Generator keine Wirkleistung abgibt oder aufnimmt, ist der Lastwinkel ϑ Null, d. h., Netzspannung und Polradspannung besitzen die gleiche Richtung. Es fließt dann ein rein imaginärer Strom in der Maschine. Mit zunehmender Belastung ändert sich der Polradwinkel (Lastwinkel) ϑ und die Spitze des Zeigers UP /Xd wandert entsprechend auf dem Ortskurvenkreis . Der Betriebspunkt auf dem Ortskurvenkreis ergibt dann den komplexen Statorstrom I1 . In Bild 5.18 sind die Ortskurven für zwei willkürlich herausgegriffene Werte UP < U1 und Up = U1 aufgetragen. Folgende Betriebsbereich sind dabei zu unterscheiden: Generatorbetrieb (untere Halbebene) ßà Motorbetrieb (obere Halbebene) kapazitives Verhalten (linke Halbebene) ßà induktives Verhalten (rechte Halbebene) Stabilität (linke Kreishälfte, ϑ < 90°) ßà Instabilität (rechte Kreishälfte, ϑ > 90°) 5.3.2 Leistung und Drehmoment Im allgemeinen Fall nimmt der Motor einen Statorstrom I auf, dessen Wirkkomponente (wie auch aus der Stromortskurve (Bild 5.18) ersichtlich, den Wert: I W = I 1 ⋅ cos ϕ1 = − UP ⋅ sin ϑ Xd Gl. 5.9 Das negative Vorzeichen rührt nur daher, dass der Lastwinkel ϑ für Generatorbetrieb positiv definiert ist und hat keine weitere physikalische Bedeutung. Die vom dem Netz aufgenommene elektrische Wirkleistung P1 ist daher: P1 = 3 ⋅ U1 ⋅ I W = 3 ⋅ U 1 ⋅ I1 ⋅ cos ϕ1 = 3 ⋅ U 1 ⋅ − UP ⋅ sin ϑ Xd Gl. 5.10 Im Motorbetrieb ist P1 positiv, im Generatorbetrieb negativ (Verbraucher-Zählpfeilsystem). Für die verlustlose Maschine gilt, dass die elektrisch mit dem Netzausgetauschte Wirkleistung gleich der an der Welle abgegebenen oder aufgenommenen Wirkleistung sein muss: Mit M= P1 = Pel = Pmech = M ⋅ 2π ⋅ n1 und n1 = f1 p folgt für das Drehmoment: P1 3 ⋅ U1 ⋅ I W 3 ⋅ U1 ⋅ I1 ⋅ cos ϕ1 3 ⋅ U1 ⋅ U P ⋅ sin ϑ = = =− = − M K ⋅ sin ϑ Gl. 5.11 2π ⋅ n1 2π ⋅ n1 2π ⋅ n1 2π ⋅ n1 ⋅ X d Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 69 Bild 5.19 Drehmoment der Synchronmaschine in Abhängigkeit vom Lastwinkel Das Kippmoment MK ist dabei das maximale, von der Maschine abgebbare Drehmoment, welches bei dem Lastwinkel ϑ = 90° (Stabilitätsgrenze) auftritt. MK = 3 ⋅ U1 ⋅ U P 2π ⋅ n 1 ⋅ X d Gl. 5.12 Aufgrund der Proportionalität zwischen Wirkstrom, Wirkleistung und Drehmoment kann aus der Stromortskurve auch direkt die elektrische (und gleichzeitig mechanische) Wirkleistung sowie das Drehmoment abgelesen werden. Bei einem gegebenen Maßstabsfaktor mI für den Strom: Strommaßstab: mI in [A/cm] (gegeben) ergibt sich der Leistungsmaßstab: m P = 3 ⋅U1 ⋅m I in [W/cm] und der Drehmomentmaßstab: mM = 5.4 mP in [Nm/cm] 2π ⋅ n1 bei Einsetzen von n1 in [1/s] Anlauf von Synchronmotoren am starren Netz Wir haben gesehe n, dass die Synchronmaschine nur bei synchroner Drehzahl ein konstantes Dauermoment abgeben kann und somit ein Selbstanlauf des Motors nicht möglich ist. Man muss besondere Methoden anwenden, um einen Synchronmotor in Betrieb zu setzen. Eine Möglichkeit besteht darin, die DSynM über einen besonderen Anwurfmotor bis in die Nähe der Synchrondrehzahl anzutreiben und dann ans Netz zu schalten. Dies ist ein aufwendiges Verfahren und lässt sich nur dort anwenden, wo der Synchronmotor ohne Belastung hochgefahren werden kann, denn sonst müsste der Anwurfmotor ja ähnliche Dimensionen wie die der DSynM annehmen. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 70 Das zweite Verfahren ist der asynchrone Anlauf. Der Synchronmotor läuft zunächst als Asynchronmotor hoch. Dies wird ermöglicht durch einen auf das Polrad aufgebrachten Kurzschlusskäfig, mit dessen Hilfe der Läufer unerregt asynchron am Netz hochlaufen kann. Dabei ist darauf zu achten, dass die Polradwicklung zum Schutz kurzgeschlossen wird, da in ihr durch das Statordrehfeld hohe Spannungen induziert werden können. Wenn der Läufer bis in die Nähe der synchronen Drehzahl hochgelaufen ist, wird die Gleichstromerregung eingeschaltet, und das Polrad wird vom Statordrehfeld in die synchrone Drehzahl hineingezogen. Solche Kurzschlusskäfige dienen vielfach auch dazu, Drehschwingungen, die bei Belastungsstößen entstehen können, zu dämpfen. Denn bei einer plötzlichen Belastungsänderung stellt sich das Polrad infolge seiner Trägheit nicht sofort auf den neuen Lastwinkel ein. Da der Lä ufer an das umlaufende Statorfeld elastisch wie mit Gummibändern gebunden ist, erfolgt der Übergang zum neuen Lastwinkel in Form einer abklingenden Schwingung. Der Läufer wird in den neuen Lastwinkel gezogen, schwingt über und pendelt mit abnehmender Amplitude um ihn herum. Solche Pendelungen müssen vermieden werden. Im Kurzschlusskäfig (Dämpferkäfig) werden bei diesen Schwingungen Kurzschlussströme erzeugt, die den Schwingungen entgegenwirken. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 71 Übungsbeispiel zur Stromortskurve: Gegeben: Synchronmotor, verlustlos, mit konstanter Nennerregung (die Magnetisierungskennlinie kann als linear betrachtet werden) Daten: Nennspannung (Y-Schaltung) Nennstrom Leistungsfaktor Polpaarzahl Nennmoment U1N = 8660 V I1N = 100 A cos (ϕ1 ) = 0.9 kapazitiv p=1 MN = 0,5 MK gesucht: • • • • • Nennmoment Kippmoment synchrone Reaktanz Xd Polradspannung UP bei Nennbetrieb Lastwinkel (Polradwinkel) ϑ bei Nennbetrieb Die Maschine wird mit gleicher Nennerregung als Generator betrieben und gibt dabei eine Leistung von 900 kW ab. gesucht: • • • Statorstrom Leistungsfaktor cos ϕ Lastwinkel ϑ Lösung über Stromortskurve, mI = 20 A/cm Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 6 72 Drehstromasynchronmaschinen Der am häufigsten eingesetzte und wichtigste Antriebsmotor ist der DrehstromAsynchronmotor (DAsM), da er sich durch einfachen Aufbau, große Betriebssicherheit, geringe Wartung und günstigen Preis auszeichnet. Der Nachteil der begrenzten Drehzahlregelung dieser DAsM spielt bei vielen Anwendungen eine zweitrangige Rolle. Darüber hinaus sind mit den heute verfügbaren Mitteln der Leistungselektronik (Frequenzumrichter) auch Asynchronmaschinen sehr gut in der Drehzahl steuerbar und sogar für hochwertige Regela ntriebe einsetzbar. 6.1 Aufbau und Wirkungsweise 6.1.1 Aufbau Die DAsM besteht aus einem stillstehenden Teil, dem Stator und dem rotierenden Rotor bzw. Läufer. Sie sind durch einen kleinen Luftspalt (Bruchteil eines Millimeters) voneinander getrennt. Bild 6.1 Längsschnitt durch eine Asynchronmaschine (Prinzipdarstellung) 6.1.1.1 Bild 6.2 Querschnitt durch eine Asynchronmaschine Stator: Das Statorblechpaket besteht aus genutetem Dynamoblech, das nach dem Schichten als ganzes Blechpaket zusammengepresst wird. In die Nuten dieses Paketes werden die Leiter der Statorwicklung eingelegt. Das Statorblechpaket wird dann in ein Gussgehäuse eingepresst, das zur besseren Wärmeabfuhr mit Kühlrippen versehen ist. Zur weiteren Belüftung dient ein auf die Läuferwelle gepasstes Lüfterrad, das durch die Lüfterhaube abgedeckt wird. Die Enden der Statorwicklung werden an das Klemmbrett im Klemmkasten geführt. An den Stirnseiten des Stators sitzen die Lagerschilde , in denen der mit Wälzlagern versehene Läufer zentriert ist (Bild 6.1). 6.1.1.2 Rotor (Schleifringläufer): Bei einem Schleifringläufer trägt der Läufer eine Drehstromwicklung gleicher Polpaarzahl wie der Stator. Die Läuferwicklungen liegen in den Nuten des ebenfalls geblechten Läufereisens. Die Läufer-Wicklungsenden sind im Sternpunkt verbunden, die Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 73 Wicklungseingänge werden über drei Schleifringe und Kohlebürsten zu den Anschlussklemmen im Klemmkasten geführt. Im allgemeinen werden die herausgeführten Wicklungsenden im Klemmenkasten kurzgeschlossen, es kann aber auch ein dreiphasiger Widerstand angeschlossen werden, über dessen Wert -ähnlich wie der Vorwiderstand im Ankerkreis einer Gleichstrommaschine - die Drehzahl variierbar ist. 6.1.1.3 Rotor (Kurzschlussläufer): Beim Kurzschlussläufer ist die Läuferwicklung auf dem Rotor ständig kurzgeschlossen. Die Wicklung selbst wird nicht wie die Statorwicklung als Spulenwicklung hergestellt, sondern besteht aus Stäben, die in den Läufernuten liegen und an den Stirnseiten durch Kurzschlussringe miteinander verbunden sind. Die Stäbe aus Aluminium, Kupfer oder Bronze und werden in einer Druckgussform in und um das Blechpaket gespritzt. Es besteht hier keinerlei le itende Verbindung von außen zum Rotor. Es ist offenkundig, dass aufgrund des einfachen Aufbaus ein solcher Käfigläufer kostengünstig hergestellt werden kann. Darüber hinaus ist er robust und enthält keine störund verschleißanfällige Teil wie Schleifringe und Kohlebürsten. 6.1.2 Wirkungsweise der Asynchronmaschine Ausgangspunkt der Betrachtung ist eine Asynchronmaschine mit kurzgeschlossener Läuferwicklung, deren Statorwicklung an einem Drehstromnetz konstanter Spannung und Frequenz liegt. Der Stator baut somit ein Statordrehfeld auf, das mit der synchronen Drehzahl f n 1 = 1 der Netzfrequenz f1 im Luftspalt umläuft (vgl. Kapitel 4). p Dieses Drehfeld induziert in den kurzgeschlossenen Spulen der Läuferwicklung Spannungen, die wiederum Kurzschlussströme bewirken. Die Kurzschlussströme bauen in Verbindung mit der Flussdichte des Drehfeldes Kräfte auf die Leiter auf F = l ⋅ I × B und führen zu einem Drehmoment, das den Läufer beschleunigen kann. ( ) 6.1.2.1 Stillstand des Läufers (Beispiel Schleifringläufermaschine) Bei Läuferstillstand überstreicht das vom Stator induzierte Drehfeld die Läuferwicklungen mit konstanter Frequenz. Es besteht eine transformatorische Kopplung zwischen der Läuferund der Statorwicklung und damit hat man prinzipiell die gleiche Wirkungsweise wie beim Transformator. Daher nennt man die Asynchronmaschine im Stillstand mit dem einsträngigen Ersatzschaltbild eines Transformators beschreiben (Bild 6.3). Kurzschluss Statorklemmen SchleifringAbgriff Bild 6.3 Einsträngiges Ersatzschaltbild der ASM für den Stillstand (n=0) Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 74 Dabei sind Xh RFe R1 R2’ Hauptinduktivität, auf Statorseite bezogen Eisenverlustwiderstand (hier nur statorseitig berücksichtigt) Strangwiderstand der Statorwicklung und Strangwiderstand der Läuferwicklung Magnetfelder, die nicht dem Hauptfluss zuzuordnen sind, da sie nicht Stator und Läufer gemeinsam durchsetzen, treten vorwiegend in den Wickelköpfen an den Stirnseiten und als Nutstreufelder auf und werden durch die Streureaktanzen X1σ und X2σ berücksichtigt. X1σ X2σ’ Stator-Streureaktanz Läufer-Streureaktanz Die rechnerische Umformung der Läufergrößen in Strichwerte trägt den unterschiedlichen Windungszahlen von Stator- und Läuferwicklung Rechnung. Im Ersatzschaltbild (Bild 6.3) wurde zur Vereinfachung der Eisenverlustwiderstand an den Schaltungseingang versetzt, wie das auch häufig bei der Betrachtung des Transformators gemacht wird. 6.1.2.2 Läufer dreht sich Bei synchroner Läuferdrehzahl n = n1 ist die Relativbewegung zwischen dem Drehfeld und den Leitern der Läuferwicklung Null. Folglich entsteht in der Läuferwicklung keine induzierte Spannung und auch die kurzgeschlossene Läuferwicklung bleibt stromlos. Der stromlose Läufer entwickelt natürlich auch kein Drehmoment. Wird der Läufer an der Welle belastet, dann reduziert sich die Drehzahl gegenüber der Synchrondrehzahl (n < n1 ). Durch die Relativbewegung zwischen Läufer und Drehfeld wird in der Läuferwicklung Spannung induziert und es entstehen Kurzschlussströme, die nur durch den ohmschen Läuferwiderstand und die Streureaktanz des Läufers begrenzt werden. Die Kurzschlussströme erzeugen in Wechselwirkung mit dem Statordrehfeld Kräfte und das Drehmoment, welches auf den Läufer im Drehsinn des Drehfeldes wirkt. Das Drehfeld versucht also, den Läufer mitzunehmen. Da in der Praxis stets ein Drehmoment zur Deckung der Reibungsverluste aufzubringen ist, muss immer eine Relativbewegung zwischen Drehfeld und Läufer vorhanden sein. Der Läufer dreht sich nicht synchron mit dem Drehfeld, er läuft asynchron; daher stammt die Bezeichnung Asynchronmaschine. Die notwendige Relativbewegung zwischen Läufer und Drehfeld definiert man durch den sogenannten Schlupf s. s= Schlupf: n1 : n: f1 : f2 : n 1 −n f 2 = n1 f1 Gl. 6.1 synchrone Drehzahl Läuferdrehzahl = Motordrehzahl Netzfrequenz (= Statorfrequenz) Läuferfrequenz (= die Frequenz der induzierten Läuferspannung und der Läuferströme) Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 6.2 75 Ersatzschaltbild Wie man sieht, beschreibt der Schlupf s nicht nur die Drehzahldifferenz sondern gibt auch direkt das Verhältnis zwischen Läufer- und Statorfrequenz wieder: Das Ersatzschaltbild des Transformators (Bild 6.3) hat nur für den Stillstand des Läufers Gültigkeit, da sich bei der rotierenden Maschine die Läuferfrequenz ändert, und damit die frequenzabhängigen Reaktanzen im Läuferkreis andere Werte annehmen. Im Stillstand lautet die Maschengleichung für den Läuferkreis: U 2 ' = 0 = −I 2 '⋅( R '2 + jX 2σ ' ) + ( I1 − I Fe − I 2 ' ) ⋅ jX h Gl. 6.2 wobei die Werte von X h = 2π ⋅ f 1 ⋅ L h und X 2σ ' = 2π ⋅ f1 ⋅ L 2 σ ' in Gl. 6.2 nur für die Statorfrequenz f1 gelten. Unter Berücksichtigung der Frequenzänderung bei rotierendem Läufer ergibt sich für den Widerstand der läuferbezogenen Hauptinduktivität: 2 π ⋅ f 2 ⋅ L h = s ⋅ X h und für den Widerstand der läuferseitigen Streuinduktivität 2 π ⋅ f 2 ⋅ L '2 σ = s ⋅ X ' 2 σ wenn Xh und X 2 σ ' jeweils die auf den Stator bezogenen „50Hz“-Werte der Reaktanzen sind. Die Maschengleichung für den Läuferkreis lautet dann: 0 = −I ' 2 ⋅(R ' 2 + jsX 2σ ' ) + ( I1 − I Fe − I' 2 ) ⋅ jsX h Gl. 6.3 oder, wenn beide Seiten von Gl. 6.3 durch s geteilt werden: 0 = −I' 2 ⋅( R '2 + jX ' 2σ ) + (I 1 − I Fe − I ' 2 ) ⋅ jX h s Gl. 6.4 Vergleicht man Gl. 6.4 mit der nur für den Stillstand gültigen Gl. 6.2 erkenn man, dass der R' 2 einzige Unterschied im Term besteht. s Da der Statorkreis von der Läuferfrequenzänderung ohnehin nicht betroffen ist, erhält man aus dem Transformator-Ersatzschaltbild (Bild 6.3) durch eine geringfügige Änderung (man R' ersetzt nur das Element R ' 2 durch 2 ) das allgemeingültige Ersatzschaltbild (Bild 6.4) der s Asynchronmaschine für beliebige Drehzahlen. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 76 Bild 6.4Allgemeines Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 6.3 Leistungsfluss und Drehmoment 6.3.1 Die Leistungsbilanz (Beispiel Motorbetrieb) Der Asynchronmotor nimmt aus dem speisenden Netz Wirkleistung und Blindleistung auf. Der für die Erregung der Maschine notwendige Magnetisierungsstrom wird durch die Aufnahme von Blindleistung aus dem speisenden Netz gedeckt. Die Wirkleistung steht nach Abzug der Verluste als mechanische Leistung an der Welle zur Verfügung. Bild 6.5 Leistungsfluss (Sankey-Diagramm) der ASM In Bild 6.5 ist der Leistungsfluss durch die Maschine grafisch veranschaulicht. Ausgehend von der im Stator zugeführten Wirkleistung ergibt sich folgende Bilanz: Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 77 Pzu = Pel = 3 ⋅ U1 ⋅ I1 ⋅ cos ϕ1 Zugeführte elektrische Wirkleistung: U12 = 3⋅ R Fe Eisenverluste: PVFe Stator-Stromwärmeverluste: PVCu1 = 3 ⋅ I 1 ⋅ R 1 Luftspaltleistung (PabStator ): PL = Pzu1 − PVF e − PVCu1 Läufer-Stromwärmeverluste: PVCu 2 = 3 ⋅ I '2 ⋅R ' 2 2 2 Gl. 6.5 Gl. 6.6 Gl. 6.7 Gl. 6.8 Vernachlässigt man die mechanischen Reibungsverluste, ergibt sich die mechanische Leistung an der Welle aus der Luftspaltleistung abzüglich der Läuferverluste. Pmech = PL − PVCu 2 Mechanische Leistung: Gl. 6.9 Betrachtet man das Ersatzschaltbild (Bild 6.4), dann erkannt man, dass die über den Luftspalt R' 2 in den Läufer übertragene Wirkleistung PL im Widerstand umgesetzt wird. s Wir können für die Luftspaltleistung also auch ansetzen: PL = 3 ⋅ R '2 ⋅ I' 2 2 s Gl. 6.10 und mit Gl. 6.8 ( PVCu 2 = 3 ⋅ I '2 ⋅R ' 2 ) ergibt sich: 2 PVCu 2 = s ⋅ PL Gl. 6.11 Pmech = (1 − s) ⋅P L Gl. 6.12 und 6.3.2 Luftspaltleistung und Drehmoment Der allgemeingültige physikalische Zusammenhang zwischen mechanischer Leistung und Drehmoment an einer Welle lautet: M= Prof. Dr. W. Höger Pmech 2π ⋅ n El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 6.13 FH München SS 2002 mit Gl. 6.12 ergibt sich 78 Pmech = (1 − s) ⋅P L und n = (1 − s) ⋅ n1 (n1 : synchrone Drehzahl) R '2 2 ⋅ I'2 3 ⋅ PL ⋅(1 − s) PL s M= = = 2π ⋅ n1 ⋅ (1 − s ) 2π ⋅ n1 2π ⋅ n1 Gl. 6.14 6.3.3 Vereinfachte Herleitung der Drehzahl-/Drehmomentkennlinie Es ist möglich, aus dem gerade angegebenen Zusammenhang zwischen Luftspaltleistung und Drehmoment und dem Ersatzschaltbild der ASM die Drehzahl-/Drehmomentkennlinie der Asynchronmaschine herzuleiten. Um die Darstellung und Rechnung zu vereinfachen, wollen wir hierzu ein vereinfachtes Ersatzschaltbild benutzen. Die vorgenommene Vereinfachung hat nur geringen Einfluss auf die Genauigkeit der Darstellung und kann daher problemlos verwendet werden. Bei der Vereinfachung in Bild 6.6 werden die Größen Xh und RFe an den Eingang der Ersatzschaltung verlagert, was bedeutet, dass der Eisenverluststrom und der Magnetisierungsstrom als belastungsunabhängig angenommen werden. Die stator- und läuferseitige Streureaktanz lässt sich so zu einer Gesamt-Streureaktanz Xσ zusammenfassen Weiterhin hängt die Funktion I’2 = f (U1 ,s) nur noch von den Größen R1, Xσ und R’2 ab, was die weiteren Betrachtungen wesentlich einfacher und übersichtlicher macht. Bild 6.6 Vereinfachtes Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine Ausgangspunkt der Herleitung ist die bereits oben angegebene Gleichung (Gl. 6.14)für das Drehmoment: R' 1 2 M = 3 ⋅ 2 ⋅ I' 2 ⋅ s 2π ⋅ n1 Mit Hilfe des Ersatzschaltbilds (Bild 6.6) lässt sich I’2 als Funktion der konstanten Statorspannung U1 angeben: I' 2 = Prof. Dr. W. Höger U1 R' R 1 + 2 + jX σ s El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 6.15 FH München SS 2002 79 und I' 2 = U1 2 2 Gl. 6.16 2 R '2 2 R1 + + Xσ s Setzt man den Ausdruck für I '2 2 in die erste Gleichung (Gl. 6.14) ein, erhält man für das Drehmoment: R' 2 3 ⋅U 1 s M= ⋅ 2 2π ⋅ n 1 R'2 2 R1 + + Xσ s 2 Gl. 6.17 Durch Differenzieren nach der Variablen s (Schlupf) und Nullsetzen erhält man den Kippschlupf sK, bei dem das maximale Drehmoment (Kippmoment MK) auftritt: R'2 sK = ± Gl. 6.18 Xσ + R1 2 2 Setzt man dann den Ausdruck für den Kippschlupf sK aus Gl. 6.18 in die Drehmomentgleichung Gl. 6.17 ein, dann erhält man den Ausdruck für das Kippmoment MK : MK = 3⋅ U 1 2 1 ⋅ Gl. 6.19 4π ⋅ n 1 R1 + X + R σ 1 2 2 6.3.4 Weitere Vereinfachung für R1 = 0 (Kloss’sche Drehmomentgleichung) Eine weitere, häufig verwendete Vereinfachung der Gleichungen Gl. 6.17 bis Gl. 6.19 ergibt sich, wenn man den Statorwiderstand R1 vernachlässigt, was für große Maschinen vertretbar sein kann. Für R1 = 0 ergibt sich aus Gl. 6.18 : sK ≅ R' 2 Xσ Gl. 6.20 Und aus Gl. 6.19: 3 ⋅ U1 1 ⋅ 4π ⋅ n1 X σ 2 MK ≅ Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 6.21 FH München SS 2002 80 Die Drehmomentgleichung Gl. 6.17 lässt sich für R1 = 0 folgendermaßen umformen: R '2 3 ⋅U 1 3 ⋅U12 1 2 s M= ⋅ = ⋅ ⋅ 2 s⋅ Xσ 2π ⋅ n 1 R' 2 2π ⋅ n1 2 ⋅ X σ R ' 2 2 + + Xσ s ⋅ Xσ R '2 s 2 Vergleicht man diesen Ausdruck mit Gl. 6.20 und Gl. 6.21 erkennt man, dass der Ausdruck das Kippmoment MK und den Kippschlupf sK enthält. Durch Einsetzen erhält man die bekannte Kloss’sche Drehmomentgleichung : M ≅ MK ⋅ 2 Gl. 6.22 s sK + sK s Darstellung der Drehzahl- / Drehmomentkennlinie im Kennlinienfeld : Im untenstehenden Bild ist eine typische Motorkennlinie der ASM für Nennfrequenz dargestellt. Für die Darstellung wurde angenommen: Kippschlupf sK = 0,2 und das normierte Kippmoment MK /MN = 2,5 n/n0N MK = 2,5 M N 1,0 0,8 sK = 0,2 0,6 0,4 0,2 1,0 2,0 2,5 M/MN Bild 6.7 Motorkennlinie einer ASM (im 1. Quadranten) Für die Konstruktion ist es empfehlenswert, die Kloss’sche Gleichung Gl. 6.22 für s << sK und für s >> sK getrennt zu berechnen und damit die asymptotischen Näherungen der Gleichung für große und kleine Schlupfwerte zu berechnen. Für kleine Schlupfwerte s << sK kann die Kennlinie linearisiert werden. Hier gilt näherungsweise: M ≅ MN ⋅ Prof. Dr. W. Höger s 2⋅s ≅ MK ⋅ sN sK El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 6.4 81 Stromortskurve Eine einfache und übersichtliche Darstellung des stationären Betriebsverhaltens der Asynchronmaschine ist (ähnlich wie bei der Synchronmaschine) durch Auswertung der Ortskurve des Statorstroms möglich. 6.4.1 Konstruktion Der komplexe Statorstrom I1 ergibt sich als Summe aus dem Leerlaufstrom (I0 = Iµ + IFE) und dem Läuferstrom I’2 . I 1 = I 0 + I' 2 = I µ + I FE + I' 2 Gl. 6.23 Wenn man das vereinfachte, einsträngige Ersatzschaltbild nach Bild 6.6 zugrundelegt, dann ist der Leerlaufstrom (I0 = Iµ + IFE) belastungsunabhängig und damit konstant. Der Läuferstrom I’2 ist dagegen belastungsabhängig und somit eine Funktion des Schlupfes s. U1 R' R 1 + 2 + jX σ s Diese Funktion für I’2 beschreibt einen Kreis in der komplexen Ebene. I' 2 = Gl. 6.24 Bild 6.8 Stromortskurve der ASM Folgende markante Punkte (die auch für die Konstruktion verwendet werden können) liegen auf dem Ortskurvenkreis: R' 2 →∞ s I' 2 → 0 Leerlauf: s=0 Maximaler Läuferstrom s=− Anlauf, Stillstand s =1 I ' 2A = U1 R1 + R '2 + jX σ s→∞ I ' 2∞ = U1 R 1 + jX σ Prof. Dr. W. Höger R '2 R1 I ' 2 max = U1 U = − j⋅ 1 jX σ Xσ El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 82 Aus Messungen an der Maschine kann zum Beispiel der komplexe Leerlaufstrom und der komplexe Anlaufstrom bestimmt werden. Wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass der Realteil des Kreismittelpunkts bekannt ist (IFe), dann lässt sich der Kreis mit Hilfe des Anlaufund Leerlaufpunkts in der komplexen Ebene konstruieren. Bild 6.9 Konstruktion des Kreismittelpunkts 6.4.2 Maßstabsfaktoren zur Auswertung der Stromortskurve Aus der Stromortskurve der ASM können (wie bei der SM) außer den komplexen Strömen und ihren Wirk- und Blind-Komponenten auch Leistungen und das Drehmoment abgelesen werden. Hierzu wählt man den Maßstabsfaktor mI für den Strom: Strommaßstab: mI in [A/cm] Aus dem Strommaßstab ergibt sich dann der Leistungsmaßstab: m P = 3 ⋅U1 ⋅m I in [W/cm] Drehmomentmaßstab: mM = mP in [Nm/cm] 2π ⋅ n1 und der bei Einsetzen von n1 in [1/s] 6.4.3 Aufteilung der Wirkleistung Um das Diagramm hinsichtlich der Wirkleistungsaufteilung auswerten zu können, zeichnet man die Verbindungslinien P0PA (Leistungslinie) die Verbindung P0 P∞ (Drehmomentlinie). Für einen beliebigen Betriebspunkt (siehe Punkte s2, s3 und s4 in Bild 6.10) ergibt sich dann die in Bild 6.10 dargestellte Aufteilung der gesamten zugeführten elektrischen Wirkleistung. Der Wirkungsgrad und Leistungsfaktor lässt sich durch Auswertung der Ortskurve entsprechend Bild 6.10 ebenfalls einfach ermitteln. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 83 Bild 6.10 Aufteilung der Wirkleistung Die Summe aus mechanischer Leistung Pmech und Läuferverlustleistung P V2 ergibt die Luftspaltleistung PL. Da das Drehmoment proportional zur Luftspaltleistung ist (vgl. Gl. 6.14), ist also die Vertikale vom Betriebspunkt zur Verbindung P0 P∞ ein Maß für das abgegebene Drehmoment (Drehmomentlinie). 6.4.4 Schlupfgerade Zur Skalierung des Kreises hinsichtlich Schlupf (und damit Drehzahl) bedient man sich der Hilfskonstruktion einer „Schlupfgeraden“. (Anmerkung: Es gibt verschiedene Methoden zur Konstruktion der Schlupfgeraden; hier ist nur eine von mehreren Möglichkeiten angegeben) (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) Beliebigen Kreispunkt PB wählen (zweckmäßig aber nicht zwingend: PB senkrecht unterhalb P∞ wählen) Verbindung PB - P∞ (s → ∞) zeichnen Verbindung PB - P0 (s = 0) zeichnen Verbindung PB - PA (s = 1) zeichnen und über PA hinaus verlängern Schlupfgerade zeichnen: Parallele zur Verbindung PB - P∞, links vom Punkt PA in der Zeichenebene. Bereich der Schlupfgeraden zwischen den Schnittpunkten mit der Geraden durch PB P0 und der Geraden PB - PA zwischen den Skalierungswerten (s=0) und (s=1) linear unterteilen. (Hinweis: dies geht besonders einfach, wenn man die Schlupfgerade vorher so in die Zeichenebene gelegt hat, dass die zu teilende Strecke z.B. 10 cm oder einen ähnlich glatten Wert hat) Die Schlupfwerte auf der Stromortskurve kann man an der Skala der Schlupfgeraden ablesen, wenn man einen Kreispunkt zwischen (s=0) und (s=1) mit dem Punkt PB verbindet. Die Lage des Schnittpunkts mit der Schlupfgeraden gibt den zugehörigen Schlupfwert an. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 6.5 84 Verfahren zur Drehzahlsteuerung Für die Drehzahl der Asynchronmaschine gilt die allgemeine Beziehung: n= f1 ⋅ (1 − s ) p Die Möglichkeiten für eine Drehzahlveränderung lassen sich aus dieser Gleichung entne hmen, die Frequenz f1 , die Polpaarzahl p oder der Schlupf s können geändert werden, um die Drehzahl zu beeinflussen. 6.5.1 Änderung der Polpaarzahl Die Polpaarzahl der Maschinen kann bei polumschaltbaren Motoren geändert werden. Bei der Dahlanderschaltung werden beispielsweise Spulengruppen in Reihe oder parallel geschaltet, so dass sich eine Änderung der Polpaarzahl im Verhältnis 2:1 ergibt. • • Vorteile o einfach o kostengünstig Nachteile o nur grobe Abstufung der Drehzahl möglich 6.5.2 Änderung des Rotorwiderstands Bei Asynchronmaschinen mit Schleifringläufer können zusätzliche Widerstände RV in den R' Rotorkreis geschaltet werden. Aus dem Kippschlupf s K ≅ 2 wird dann: Xσ sK ≅ R '2 + R V Xσ Gl. 6.25 Das Kippmoment bleibt durch den Zusatzwiderstand unverändert. Der zu einem bestimmten Wert des Drehmoments zugehörige Wert des Schlupfes steigt durch den Zusatzwiderstand an, und die Rotorverluste PVCu2 = s PL werden größer. • • Vorteile o einfach Nachteile o Schleifringläufer erforderlich o schlechter Wirkungsgrad o begrenzter Drehzahlstellbereich 6.5.3 Untersynchrone Stromrichterkaskade Diese Verfahren zur Drehzahlsteuerung wird nur noch selten verwendet und soll daher hier nicht näher betrachtet werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 85 6.5.4 Änderung der Statorspannung Das Kippmoment der Asynchronmaschine ist proportional zum Quadrat der Statorspannung. MK ~ U1 2 Bei reduzierter Spannung und Belastung stellen sich daher größere Werte des Schlupfes ein. • Vorteile o kostengünstig o stufenlose Stellmöglichkeit • Nachteile o Änderung der Drehzahl nur in geringem Umfang möglich o erhöhte Verluste, schlechter Wirkungsgrad 6.5.5 Änderung der Spannung und Frequenz (Frequenzumrichter) Die Asynchronmaschine wird mit einem Drehspannungssystem mit einstellbarer Spannung und Frequenz versorgt, das durch einen Frequenzumrichter bereitgestellt wird. Im einfachsten Fall wird die Spannung am Ausgang des Frequenzumrichters so eingestellt, dass der Fluss in der Maschine möglichst gleich dem Fluss bei Nennbetrieb ist, d. h. dass der Magnetisierungsstrom I µ unabhängig von der Frequenz des Drehfelds ist. Wegen Iµ = U1 U1 = X h 2π ⋅ f 1 ⋅ L h Gl. 6.26 erfordert dies eine Einstellung der Umrichterausgangsspannung U1 ~ f1 . Das Kippmoment ist dann unabhängig von der Drehfeldfrequenz, da gilt: 3 ⋅ U 12 1 3 ⋅ p ⋅ U12 1 U1 2 MK ≅ ⋅ = ⋅ ~ 2 4π ⋅ n1 X σ 4π ⋅ f 1 2π ⋅ f 1 ⋅ L σ f1 Gl. 6.27 Wegen des Wicklungswiderstands der Maschine muss allerdings die Umrichterausgangsspannung bei kleinen Frequenzen gegenüber der linearen U/f-Kennlinie angehoben werden. Da die Spannung am Ausgang des Umrichters nicht beliebig weit angehoben werden kann und im allgemeinen nicht größer als die Nennspannung des Motors werden kann, bleibt die Ausgangsspannungen bei höheren Frequenzen konstant gleich der maximalen Umrichterausgangsspannung. Für den Motor bedeutet dies, dass der Magnetisierungsstrom und damit der Fluss in der Maschine bei größeren Frequenzen abnimmt. Man spricht hier vom Feldschwächbetrieb. • • Vorteile o großer Drehzahlstellbereich, stufenlos o guter Wirkungsgrad o 4-Quadrantenbetrieb möglich o hohes Anlaufmoment (Anlaufmoment = Kippmoment ist möglich) Nachteile o vergleichsweise aufwendig Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7 86 Grundlagen elektrischer Antriebe Die Bedeutung elektrischer Antriebe lässt sich aus den folgenden zwei Vergleichen erkennen: • • in industrialisierten Ländern werden ca. 60 % der insgesamt erzeugten elektrischen Energie mittels elektromechanischer Wandler in mechanische Energie umgesetzt; etwa 30 % der elektrischen Antriebe werden geregelt betrieben, d.h. sie sind in der Drehzahl und im Drehmoment im Betriebsbereich frei einstellbar. Dieser Typ von Antrieben hat kontinuierlich Zuwächse aufzuweisen z.B. aufgrund steigender Anforderungen aus den technologischen Verfahren und/oder aufgrund von Energieeinsparungsmaßnahmen. Das Einsatzgebiet der elektrischen Antriebe ist sehr weit und soll deshalb nur an wenigen Beispielen dargestellt werden. Als Beispiel für den ersten Vergleich kann die Anordnung einer Motorpumpe dienen. Hier wird als elektrischer Antrieb (Motor) nur ein elektromechanischer Wandler alleine eingesetzt, d.h. der elektromechanische Wandler (meist Asynchronmaschine) wird über einen Schalter direkt an das versorgende Drehspannungsnetz angeschlossen. Der elektromechanische Wandler und beispielsweise die Pumpe bilden eine Einheit, die allerdings häufig nur einen sehr engen Arbeitsbereich der Pumpe und damit des Motors ausnützen. Eine Verstellung des Materialstroms bzw. des Drucks ist daher mit dieser Einheit alleine nicht möglich. Um eine Verstellung des Materialstroms bzw. des Drucks zu erreichen, kann entweder ein steuerbares Druck-Reduzierventil in der Wirkungsrichtung oder ein steuerbares RückspeiseVentil entgegen der Wirkungsrichtung eingebaut werden. Wesentlich bei beiden Lösungen ist, dass der elektromechanische Wandler und die Pumpe auf den ungünstigsten Betriebszustand ausgelegt und damit kontinuierlich mit maximaler Leistung und höchstem Energieverbrauch arbeiten müssen. Es ist einsichtig, dass derartige Lösungen nur dann wirtschaftlich sind, wenn die laufenden Energiekosten gegenüber den Anschaffungskosten gering sind. Bei Pumpen, die hohe Leistungen - z.B. Kesselspeisepumpen von 20 MW in Kraftwerken - aufweisen und steuerbar sein müssen, sind derartige Lösungen unwirtschaftlich. Günstiger ist in diesem Fall, das System Motor und Pumpe um eine leistungselektronische Energiewandlung und eine Steuerung und Regelung für den elektromechanischen Wandler zu erweitern, um eine elektronische Steuerung bzw. Regelung des Drucks bzw. des Materialstroms zu erreichen. Der finanzielle Mehraufwand für die leistungselektronische Wandlung und die zugehörige Steuerung und Regelung kann durch Einsparungen beim Energieverbrauch in ein bis zwei Jahren amortisiert sein. Bahnantriebe: Sie benötigen im Stillstand und bei niedrigen Drehzahlen ein hohes Drehmoment. Bei hohen Drehzahlen wird dagegen ein Betrieb mit konstanter Leistung angestrebt. Dies bedeutet, dass Bahnantriebe prinzipiell in der Drehzahl und im Drehmoment verstellbar sein müssen. Eine Lösung, die viele Jahre eingesetzt wurde, war die Reihenschlussmaschine, deren Stromaufnahme und damit Drehzahl durch stufig verstellbare Serienwiderstände eingestellt werden konnte. Nachteilig ist bei dieser Lösung vor allem die verlustbehaftete und lastabhängige Drehzahl- und Drehmomenteinstellung. Heutige Lösungen verwenden leistungselektronische Stellglieder und die zugehörige elektronische Signalverarbeitung, um höhere Wirkungsgrade, Energieflüsse in beiden Richtungen und somit auch Energierückspeisung und stufenlose Einstellung des Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 87 Drehmoments an der Reibkennlinie des Systems Rad-Schiene zu gewährleisten. Produktionsanlagen mit kontinuierlicher Verarbeitung des Materials (Dressierstraßen, Druckmaschinen, Kalander- oder Papiermaschinen): Bei derartigen Aufgabenstellungen muss eine große Zahl von elektrischen Antrieben so in der Drehzahl geregelt werden, dass beispielsweise der Zug bzw. die Bahnkraft zwischen den Bearbeitungsstationen so einstellbar ist, dass die technologischen Bedingungen erfüllt werden. Werkzeugmaschinen und Handhabungsgeräte: Das Werkzeug folgt einer mehrdimensionalen Bahn. Die elektrischen Antriebe müssen bei derartigen Anwendungen nicht nur in der Drehzahl und im Drehmoment sondern auch im Drehwinkel (Lage) regelbar sein. Aus diesen wenigen Beispielen ist zu erkennen, dass das technologische Verfahren und das zugehörige physikalische System - im folgenden Arbeitsmaschine genannt - nach Aufgabenstellung, statischem und dynamischem Verhalten, Grenzdaten, optimalen bzw. zulässigen Betriebszuständen bekannt sein muss, um die Anforderungen an den elektrischen Antrieb festzulegen. Aufgrund dieser Anforderungen ist dann zu entscheiden, welches technische Antriebssystem diesen Anforderungen genügt. Beispielsweise wird in diesem Arbeitsschritt der Projektierung des Antriebssystems entschieden, ob das Antriebssystem in der Drehzahl und/oder im Drehmoment verstellbar sein muss, welcher Drehzahl-, Drehmoment- und Leistungsbereich erforderlich ist, ob Ein- oder Mehrquadrantenbetrieb (Antreiben, Bremsen, Drehrichtungsumkehr), Steuerung oder Regelung etc. notwendig ist. Weiterhin sind Belastungsspiele aufgrund der Produktionsanforderungen zu berücksichtigen. Weitere Aspekte sind der mechanische Aufbau, die Art der Übertragung der Drehzahl und des Drehmoments vom Antrieb zur Arbeitsmaschine und die räumlichen und klimatischen Sonderbedingungen. Neben diesen rein technischen Anforderungen und Randbedingungen sind auch wirtschaftliche Fragestellungen von Bedeutung, beispielsweise: was sind die Investitions- und was sind die laufenden Kosten. Aus diesen Ausführungen ist zu erkennen, dass unterschiedlichste Wissensgebiete und Fragestellungen bei der Festlegung und Auslegung des elektrischen Antriebssystems zu berücksichtigen sind. Im Rahmen dieser einführenden Vorlesung können all diese Aspekte naturgemäß nicht ausführlich behandelt werden. Das folgende und gleichzeitig letzte Kapitel dieses Skripts behandelt daher nur stichpunktartig einige der oben genannten Themen. Zur Vertiefung insbesondere der Thematik „Re gelung elektrischer Antriebe“ sei auf weiterführende Literatur bzw. auf die Vorlesung „Mechatronik“ verwiesen. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.1 88 Struktur eines elektrischen Antriebssystems Unabhängig von der Vielgestaltigkeit der Ausführungsformen eines elektrischen Antriebes lassen sich stets die gleichen mechatronischen Funktionseinheiten finden, die in jedem Antrieb mehr oder weniger ausgeprägt sind. Die Struktur eines elektrischen Antriebes ist im Bild 7.1 dargestellt. Bild 7.1 Struktur eines elektrischen Antriebssystems In diesem Bild bedeuten: A Ü Motor SG SE die Arbeitsmaschine, die mechanische Übertragungseinrichtung (Getriebe, Kupplung), das elektrische Antriebsmittel (im allgemeinen Elektromotor), das Stellglied (heute vorzugsweise Stromrichter), die Schutzeinrichtung. Die Steuereinrichtung ist das informationsverarbeitende Teilsystem, das in den meisten Fällen eine elektronische Einrichtung ist, die je nach Umfang der zu verarbeitenden Informationsmenge auch ein Rechner sein kann. Die internen und externen Signale sind: w y x r v xn z Prof. Dr. W. Höger Führungsgrößen, Stellgrößen, Steuer- bzw. Regelgröße, Rückführgrößen, Meldegrößen, Nebenwirkungen, Störgrößen. El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 89 Das Antriebssystem hat drei Schnittstellen: • Arbeitsmaschine bzw. technologischer Prozess - Antriebssystem, • Energiequelle (Netz, Batterie) - Antriebssystem, • Bedienebene - Antriebssystem. Störgrößen können sein: • Kräfte, Drehmomente, Trägheitsmomente der anzutreibenden Einrichtung, • Spannungs- und Frequenzänderungen der Energiequelle, • elektrische und magnetische Felder, die von anderen elektrischen Einrichtungen hervorgerufen werden, • Umwelteinflüsse, wie Temperatur, Staub, Luftfeuchtigkeit usw. Als unerwünschte Nebenwirkungen können auftreten: • mechanische Schwingungen, Vibrationen, Geräusche, • Wärmeentwicklung, • Abstrahlung elektrischer und magnetischer Felder, die andere elektrische Einrichtungen beeinflussen. Der elektronischen Antriebsregelung kann in vielen Fällen noch eine Regelung von Prozessgrößen der Arbeitsmaschine überlagert sein. In diesem Fall sind noch weitere Rückführgrößen (Messgrößen) aus dem Prozess bzw. der Arbeitsmaschine in das informationsverarbeitende Teilsystem vorhanden. Als Antriebsmotoren kommen grundsätzlich alle in den vorange henden Kapiteln besprochenen Grundtypen zum Einsatz also • Gleichstrommaschinen • Asynchronmaschinen und • Synchronmaschinen Darüber hinaus findet man im Bereich kleiner Leistungen auch • Schrittmotore und • Reluktanzmaschinen. Eine besondere Bedeutung als Regelantrieb für kleine Leistungen (etwa bis 10 kW, aber auch darüber) hat heute der permanenterregte Synchronmotor, der mit einer elektronischen Kommmutierungseinrichtung betrieben wird und hervorragende Regeleigenschaften besitzt. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.2 90 Bewegungsvorgänge Die von elektrischen Antrieben zu erfüllenden Bewegungsaufgaben lassen sich in translatorische und rotatorische Bewegungen einteilen, wobei beide Bewegungsformen kontinuierlich oder diskontinuierlich ablaufen können. Die Kenngrößen der Bewegungsvorgänge sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Ruck Beschleunigung Rotation d2 ω && = 2 ω dt dω ω& = 2 dt ω = f (t) Translation d2 v &v& = 2 dt dv v& = 2 dt v = f (t) Geschwindigkeit 1 Winkel bzw. Weg ϕ = ωdt x = vdt ∫ ∫ Tabelle 7.1 Kenngrößen von Bewegungsvorgängen Der integrale Zusammenhang dieser Kenngrößen kann grafisch als Zeitfunktion dargestellt werden, wie dies im Bild 7.2 am Beispiel eines Positionierantriebes geschehen ist. Bild 7.2 Positioniervorgang als Zeitfunktion 1 Winkelgeschwindigkeit ω = 2π n Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 91 7.2.1 Bewegungsgleichung Der Zusammenhang zwischen Antriebskraft fa und Beschleunigung v& eines translatorische bewegten Körpers bzw. zwischen dem Drehmoment mM an der Motorwelle und der & wird durch die Newton’sche Bewegungsgleichung beschrieben. Winkelbeschleunigung ω 7.2.1.1 Translation: Eine Masse M werde mit der Geschwindigkeit v(t) auf einer horizontalen Unterlage in Richtung der x-Achse bewegt. Bild 7.3 Translatorisch bewegte Masse mit Kräften Die Newton’sche Bewegungsgleichung (Impulssatz) lautet dann: fb = fa − fW = fa : fW : fb : v: M: d (M ⋅ v) dv dM = M⋅ + v⋅ dt dt dt Gl. 7.1 Antriebskraft Widerstandskraft (entgegengesetzt wirkend) Beschleunigungskraft Geschwindigkeit Masse Gewöhnlich ist die Masse M = M0 = const.; dann gilt die Vereinfachung: f b = f a − f W = M0 ⋅ 7.2.1.2 dv dt Gl. 7.2 Rotation: In der Antriebstechnik ist es üblich, Bewegungsvorgänge auf die rotierende Motorwelle umzurechnen. Dort gilt die Newton’sche Bewegungsgleichung für Drehbewegungen: Bild 7.4 Rotierende Masse mit Momenten Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 92 mb = mM − mW = d( J ⋅ ω) dω dJ = J⋅ + ω⋅ dt dt dt Gl. 7.3 Dabei sind: mb : mM : mW : ω: J: Beschleunigungsmoment Motormoment Widerstandsmoment Winkelgeschwindigkeit ( 2 ⋅ π ⋅ n ) Trägheitsmoment [kg m2 ] dJ ist nur bei Antrieben mit veränderlichem Trägheitsmoment dt (z.B. Zentrifugen) von Bedeutung. Bei konstantem Trägheitsmoment J = J0 lautet die Bewegungsgleichung: Der Anteil ω ⋅ m b = m M −m W = J 0 ⋅ 7.2.1.3 dω dt Gl. 7.4 Rotation und Translation: Häufig treten geradlinige und drehende Bewegungen kombiniert auf. Das gilt insbesondere, wenn geradlinige Bewegungen durch rotierende Antriebe (Elektromotoren) erzeugt werden. Bild 7.5 Bewegung einer Masse über Seilrollen Die Masse M werde reibungsfrei über trägheitslose Seilrollen mit dem Radius r bewegt. Es gilt: mM = r ⋅fa m W = r ⋅ fW v = r ⋅ ω = r ⋅ 2π ⋅ n daraus resultiert die Bewegungsgleichung fa − fW = mM m W d (M ⋅ v) − = r r dt Gl. 7.5 beziehungsweise mM − mW Prof. Dr. W. Höger d( M ⋅ v) d( M ⋅ r 2 ⋅ ω) dω = r⋅ = = J ers ⋅ dt dt dt El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 7.6 FH München SS 2002 93 In Gl. 7.6 ist das „Ersatzträgheitsmoment“ J ers = M ⋅ r 2 der auf die Antriebswelle umgerechnete Beitrag der linear bewegten Masse zum Gesamtträgheitsmoment. Wenn wir die Annahme trägheitsloser Seilrollen fallen lassen und stattdessen für die Seilrollen jeweils das Trägheitsmoment J S ansetzen ergibt sich als Gesamtträgheitsmoment für die Anordnung in Bild 7.5 J ges = J ers + 2 ⋅ J S 7.2.2 Getriebe 7.2.2.1 Widerstandsmoment bei verlustfreiem Getriebe Bild 7.6 Getriebe Bei einem verlustfreien Getriebe ist die mechanische Leistung an der Antriebsseite und an der Abtriebsseite gleich groß: P1 = m M1 ⋅ ω1 = P2 = m W 2 ⋅ ω2 Gl. 7.7 Daraus folgt für die Relation der Drehmomente: m M1 = m W 2 ⋅ 7.2.2.2 ω2 = mW2 ⋅ ü ω1 Gl. 7.8 Verlustbehaftetes Getriebe: Bei einem Getriebe mit dem Wirkungsgrad ηG = P2 m W 2 ⋅ ω2 = ≤1 P1 m M 1 ⋅ ω1 Gl. 7.9 gilt entsprechend m M1 = m W 2 ⋅ ω2 1 1 ⋅ = mW2 ⋅ ü ⋅ ω1 ηG ηG Gl. 7.10 Achtung: Getriebeverluste betreffen nur das Widerstandsmoment, nicht das Trägheitsmoment! Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.2.2.3 94 Trägheitsmoment und Getriebe Bild 7.7 Kopplung zweier rotierender Schwungmassen über Getriebe Es soll das Gesamtträgheitsmoment der Anordnung ermittelt werden, bezogen auf die Welle 1 (z.B. Motorwelle). Aufgrund des Getriebes dür fen die beiden Trägheitsmomente J1 und J2 nicht einfach addiert werden, sondern es muss das Übersetzungsverhältnis ü des Getriebes berücksichtigt werden. Ansatz über die Energieinhalte der rotierenden Massen: Wges = W1 + W2 = 1 1 2 2 ⋅ J 1 ⋅ ω1 + ⋅ J 2 ⋅ ω 2 2 2 1 1 2 2 ⋅ J 2 ⋅ ω 2 = ⋅ J 2 ⋅ ü 2 ⋅ ω1 2 2 Das Gesamtträgheitsmoment, bezogen auf die Welle 1 ist daher W2 = J ges = J 1 + J 2 ⋅ ü 2 à Gl. 7.11 Das Trägheitsmoment wird durch ein Getriebe mit dem Quadrat des Übersetzungsverhältnisses ü2 transformiert. Beispiel: Bild 7.8 Übungsbeispiel zur Berechnung von Trägheitsmomenten Gegeben: Mges JM, JG JT ü = ωT / ωM Gesamtmasse des Fahrzeugs Trägheitsmomente, auf ωM bezogen Trägheitsmoment der Räder, auf ωT bezogen Getriebeübersetzungsverhältnis Gesucht: Jges Gesamtträgheitsmoment, auf die Motorwelle bezogen Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 95 7.2.3 Kennlinien von Motoren und Arbeitsmaschinen Die in der Bewegungsgleichung enthaltenen Kenngrößen „Motormoment“ mM und das „Widerstandsmoment“ mW sind in der Regel keine konstanten, sondern drehzahl- bzw. geschwindigkeits- oder zeitabhängige Größen. Zur Darstellung des stationären Zusammenhangs zwischen Drehzahl und Drehmoment benutzt man in der Regel Drehzahl-/Drehmoment-Kennlinienfelder. Die natürlichen (d.h. ohne Beeinflussung durch eine Regelung) Kennlinien von elektrischen Maschinen haben wir bereits in den entsprechenden vorangehenden Kapiteln kennengelernt. 7.2.3.1 Motorkennlinien: Bei den Elektromotoren kann man in Bezug auf ihr stationäres Verhalten vier Grundtypen unterscheiden, deren stationäre Drehzahl-Drehmoment-Kennlinien im Bild 7.9 dargestellt sind: Bild 7.9 Stationäre Kennlinien rotierender Elektromotoren a) Nebenschlussverhalten: Die Winkelgeschwindigkeit ändert sich mit steigender Belastung nur geringfügig. b) Reihenschlussverhalten: Es besteht ein näherungsweise hyperbolischer Zusammenhang zwischen Winkelgeschwindigkeit und Drehmoment. c) Asynchronverhalten: Die Kennlinie weist ein Maximum im Drehmoment (Kippmoment) auf. Im normalen Betriebsbereich zwischen Leerlauf und Bemessungsmoment (Nennmoment) haben diese Motoren Nebenschlussverhalten. d) Synchronverhalten: Die Drehzahl ist bis zum Erreichen des Maximalmomentes (Kippmoment) konstant. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.2.3.2 96 Kennlinien von Arbeitsmaschinen In sehr vielen Fällen sind die Widerstandsmomente zeitlich konstant, so dass diese durch die stationäre Drehzahl- Drehmoment-Kennlinie beschrieben werden können. Die wichtigsten Grundtypen, auf die sich eine Vielzahl von Arbeitsmaschinen zurückführen lässt, sind im Bild 7.10 zusammengestellt. Bild 7.10 Kennlinien stationärer Widerstandsmomente Bei diesen idealisierten Kennlinien handelt es sich im Einzelnen um folgende Zusammenhänge: a) Hubmoment: Diese Widerstandsmomente treten bei Arbeitsmaschinen zur Überwindung der Schwerkraft, wie z.B. bei Hebezeugen, auf (durchziehende Last). b) Trockene Reibung: Durch diese Kennlinie werden Arbeitsmaschinen zur Überwindung trockener Reibung oder Arbeitsmaschinen mit Formänderungsarbeit beschrieben. c) Flüssigkeitsreibung: Hierbei handelt es sich um Arbeitsmaschinen mit viskoser Reibung (Papier- und Kunststoffkalander). d) Luftreibung, turbulente Strömung: Diese Kennlinie charakterisiert Gebläse, Lüfter, Kreiselpumpen u.ä. 7.2.4 Stabilität des Arbeitspunktes Wenn Arbeitsmaschine und Motor über das Übertragungsglied miteinander verbunden sind, ergibt sich für die an der Motorwelle wirksamen Drehzahl-Drehmomentkennlinien von Motor und Arbeitsmaschine ein Schnittpunkt, der Arbeitspunkt P0 des Systems (siehe Bild 7.11). Zur Untersuchung, ob ein solcher Arbeitspunkt stabil oder instabil ist, werden wieder die elektrischen Ausgleichsvorgänge vernachlässigt. Es wird außerdem angenommen, dass auf Grund einer äußeren Störung kleine Abweichungen von diesem Punkt auftreten: Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 97 Bild 7.11 Arbeitspunkt des Antriebssystems Bei Vernachlässigung der elektrischen Ausgleichsvorgänge wird das Zeitverhalten des Antriebs durch die im allgemeinen nichtlineare Bewegungs-Differentialgleichung beschrieben (siehe auch Gl. 7.4): m M (ω, t ) − m A (ω, t ) = J ⋅ dω dt Gl. 7.12 Ihre Gültigkeit ist wegen der Vernachlässigungen auf langsame Vorgänge beschränkt. Ein stationärer Arbeitspunkt ergibt sich dort, wo sich die Kennlinien für das Motormoment und das Widerstandsmoment der Arbeitsmaschine schneiden: m M ( ω) − m A (ω) = 0 ⇒ m M ( ω) = m A (ω) Gl. 7.13 Zur Prüfung der Stabilität im Arbeitspunkt wird geprüft, ob bei kleinen Auslenkungen aus dem Arbeitspunkt ein Beschleunigungsmoment entsteht, das die Anordnung in den Arbeitspunkt zurückführt. Ein stabiler Arbeitspunkt liegt vor wenn für kleine Auslenkungen ∆ω aus dem Arbeitspunkt folgendes gilt: ∆ω > 0 ⇒ ω > Ω 0 ∆ω < 0 ⇒ ω < Ω 0 ⇔ m A > m M , mb < 0 ⇔ mA < mM , mb > 0 Gl. 7.14 In beiden Fällen kehrt nach einer kleinen Auslenkung z.B. infolge einer Störung der Betriebspunkt zum stabilen Arbeitspunkt bei Ω 0 zurück. Umgekehrt liegt ein instabiler Betriebspunkt vor, wenn gilt: ∆ω > 0 ⇒ ω > Ω 0 ∆ω < 0 ⇒ ω < Ω 0 ⇔ mA < mM, mb > 0 ⇔ m A > mM , m b < 0 Gl. 7.15 In diesem Fall wird die Anordnung nach einer kleinen Auslenkung aus dem Schnittpunkt der Kennlinien noch weiter „wegbeschleunigt“. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.3 98 Projektierung elektrischer Antriebe Auswahl und Bemessung elektrischer Antriebe erfordern eine langjährige Erfahrung und ein breites Grundlagenwissen. Prinzipiell lassen sich Antriebe in zwei Gruppen teilen: • Bewegungsantriebe und • Positionier- oder Stellantriebe. Antriebe für Bewegungsvorgänge sind z.B. solche die an • Pumpen, Lüftern und Zentrifugen • Hebezeugen und Transportanlagen • Kalander, Verdichter, Wickler • Schneckenpressen (Extruder) und Rührwerken oder • Werkzeugmaschinen (Hauptspindel) sitzen. Antriebe für Positionierung oder zum Stellen sind z.B. an • Werkzeugmaschinen (Vorschubachsen, C-Achse) • Handhabungs- und Dosierautomaten - Robotern oder • Ventilen und Schiebern eingesetzt. Nach dieser Zuordnung und der Klärung der Umgebungsbedingungen, der Netzverhältnisse, den Fragen zu Service, Personal und Kosten entscheidet sich die Wahl der Maschine, ob • Gleichstrom- oder • Drehstrom-Antriebe eingesetzt werden sollen. Eine wichtige Rolle bei der endgültigen Auswahl spielen der Preis, die Lieferzeit und die Qualität des Lieferanten. 7.3.1 Konstruktive Ausführung des Antriebsmotors 7.3.1.1 Bauformen Hinsicht lich der konstruktiven Anpassung des Motors an die Arbeitsmaschine ist zu beachten, dass nur bestimmte Bauformen von Elektromotoren nach DIN 42950 bzw. DIN IEC 34 - 7 zur Verfügung stehen. Zur Kennzeichnung gibt es zwei Möglichkeiten: a) Code I umfasst eine begrenzte Anzahl von Varianten. Hierzu zwei Beispiele: o IM B 3 - Maschine mit zwei Lagerschilden mit Füßen und einem freien Wellenende; waagerechte Anordnung, o IM V 2 - Maschine mit zwei Lagerschilden ohne Füße, Flanschanbau unten, ein freies Wellenende oben; senkrechte Anordnung. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 99 b) Code II ist ein allgemeiner, umfassenderer Code. Das Kurzzeichen ist wie folgt aufgebaut: IM - -- - Grundkennzeichnung (International Mounting) mit 4 nachfolgenden Ziffern 1. Ziffer Bauform 2. und 3. Ziffer Aufstellung 4. Ziffer Art des Wellenendes Auch hierzu zwei Beispiele: o IM 1 00 1 - Maschine mit zwei Lagerschilden, horizontale Aufstellung, Fußbefestigung, 1 Wellenende zylindrisch, o IM 2 01 1 - Maschine mit zwei Lagerschilden, senkrechte Aufstellung, Flanschfestigung, 1 Wellenende zylindrisch. 7.3.1.2 Umweltbedingungen Randbedingungen des Aufstellortes, wie Temperatur, Staub, Luftfeuchtigkeit, explosive oder chemisch aggressive Atmosphäre, Lage über dem Meeresspiegel u. ä. sind ebenfalls zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sind die Schutzgrade elektrischer Maschinen (DIN 40050 bzw. DIN VDE 0530 Teil 5) von Bedeutung. Sie werden durch zwei Ziffern hinter der Kennzeichnung IP (International Protection) charakterisiert. Die erste Ziffer betrifft den Berührungsschutz und Schutz vor dem Eindringen fester Körper: 0 ungeschützt 1 geschützt gegen feste Fremdkörper größer 50 mm 2 geschützt gegen feste Fremdkörper größer 12 mm 3 geschützt gegen feste Fremdkörper größer 2,5 mm 4 geschützt gegen feste Fremdkörper größer 1 mm 5 geschützt gegen Staubablagerung 6 geschützt gegen Staubeintritt. Die zweite Ziffer betrifft den Wasserschutz: 0 ungeschützt 1 geschützt gegen Tropfwasser 2 geschützt gegen Tropfwasser bei Schrägstellung bis zu 15° 3 geschützt gegen Sprühwasser 4 geschützt gegen Spritzwasser 5 geschützt gegen Strahlwasser 6 geschützt gegen schwere See 7 geschützt beim Eintauchen 8 geschützt beim Untertauchen. 7.3.1.3 Kühlung Die in der Maschine erzeugte Verlustwärme wird durch die Kühlung abgeführt. Welche Variante der Kühlung gewählt werden kann, hängt u.a. mit der Schutzart zusammen. Bei Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 100 einem gekapselten Motor mit hoher Schutzart (z.B. IP 65) ist es nicht möglich, im Motor ein Lüfterrad mit offenen Belüftungsschlitzen im Gehäuse zu betreiben. Meist haben die Maschinen Luftkühlung; Sondermaschinen, z.B. Hauptspindelmaschinen, werden auch wassergekühlt. Bei Luftkühlung teilt VDE 0530 nach der Wirkungsweise ein in • Innenkühlung und • Oberflächenkühlung sowie nach dem Zustandekommen in • Selbstkühlung (ohne Lüfter) • Eigenkühlung (Kühlung drehzahlabhängig durch den Lüfter auf der Maschinenwelle) und • Fremdkühlung (drehzahl- unabhängig durch einen angebauten Fremdlüfter) Kühlungsvarianten elektrischer Maschinen Bei der Innenkühlung (durchzugsbelüftete Maschinen) umspült der Kühlmittelstrom unmittelbar die Wärmequellen, z.B. den Stromwender, die Eisenteile und die Wicklungen. Dadurch haben solche Maschinen höhere Nenndrehmomente und bei gleicher Drehzahl höhere Nennleistungen gegenüber geschlossenen Maschinen gleicher Baugröße mit Oberflächenkühlung; diese haben dafür eine höhere Schutzart. Bei der Oberflächenkühlung muss die Wärme, die meist in Luftspaltnähe entsteht, mit möglichst geringem Wärmegefälle an die verrippte Maschinenoberfläche transportiert werden. Die Oberflächentemperatur solcher Maschinen ist jedoch kein Maß für die Beurteilung der Erwärmung im Inneren! Bei der Eigenkühlung erzeugt ein auf der Welle sitzender Lüfter den Kühlluftstrom. Da die Lüfterleistung stark von der Drehzahl abhängt, muss das Drehmoment und damit die Verlustleistung bei längerem Betrieb mit niedrigen Drehzahlen reduziert werden. Für drehzahlvariable Antriebe eignen sich daher Maschinen mit Fremdkühlung durch Fremdlüfter besonders gut, weil die Wärmeabfuhr dann drehzahl-unabhängig ist. Hat man sich unter Berücksichtigung dieser vier Gesichtspunkte für eine bestimmte MotorBauform entschieden, so muss als nächstes das Drehmoment und die notwendige Bemessungsleistung des Motors bestimmt werden. 7.3.2 Bemessung von Leistung und Drehmoment Bei der Festlegung der Be messungsleistung des Motors muss man davon ausgehen, dass eine zu knappe Bemessung die Lebensdauer des Motors herabsetzt, während eine zu großzügige Bemessung einen schlechten Wirkungsgrad η und gegebenenfalls einen schlechten Leistungsfaktor cos ϕ zur Folge hat. Allgemein erfolgt die Motordimensionierung nach zwei Gesichtspunkten: 1. Die Motortemperatur darf einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten (Thermische Auslegung). Diese Grenztemperaturen bzw. Grenz-Übertemperaturen sind in Abhängigkeit von der verwendeten Isolierstoffklasse nach DIN VDE 0301 und DIN VDE 0530 Teil 1 festgelegt (vgl. Tabelle 7.2): Isolierstoffklasse Grenztemperatur in °C A 105 E 120 B 130 F 155 H 180 Tabelle 7.2 Übersicht über Isolierstoffklassen Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 101 Eine Überschreitung dieser Grenztemperaturen beschleunigt den Alterungsprozess des Isolierstoffes und setzt damit die Lebensdauer des Motors herab. 2. Der Motor muss in der Lage sein, das größte Drehmoment aufzubringen, das von der Arbeitsmaschine gefordert wird (Kontrolle der Überlastung). 7.3.3 Thermische Auslegung der Motorleistung Wie gerade erwähnt, muss verhindert werden, dass der Motor im Betrieb zu heiß wird, da dies zur Minderung der Lebensdauer oder gar zur Zerstörung des Motors führen kann. Die Ursache der Erwärmung sind die beim Energiewandlungsprozess in der Maschine entstehenden Verluste PV die man im Wesentlichen in zwei Gruppen einteilen kann: PV = PV0 + PVL Gl. 7.16 Die Leerlaufverluste P V0 enthalten u.A. die Lager- und Luftreibungsverluste sowie die Ummagnetisierungsverluste (Wirbelstrom- und Hystereseverluste). Alle diese Verlustanteile hängen von der Drehzahl bzw. elektrischen Frequenz ab. Beim Betrieb mit konstanter Drehzahl kann PV0 näherungsweise als konstant betrachtet werden. Die Lastverluste P VL werden hauptsächlich durch die Stromwärmeverluste I2 ⋅R in den Wicklungen bestimmt. Es kann deshalb angesetzt werden: PV L = k ⋅ I 2 Gl. 7.17 PV = PV 0 + k ⋅ I 2 Gl. 7.18 und Eine reale elektrische Maschine stellt ein Mehrstoffsystem (Eisen, Kupfer, Isolierstoff, Luft) dar, bei dem die Wärmequellen (Entstehungsort der Verluste) vor allem auf die Wicklungen, das Blechpaket und die Lager der Welle konzentriert sind. Die thermischen Vorgänge in der Maschine lassen sich aber nur dann übersichtlich darstellen, wenn einige Vereinfachungen eingeführt werden. Diese Vereinfachungen sind im Einzelnen: 1. Der Motor ist ein homogener Körper. 2. Die Wärmequellen sind in diesem homogenen Körper gleichmäßig verteilt. 3. Die Wärmeabgabe erfolgt nur durch Konvektion, d.h., Wärmestrahlung und - leitung werden vernachlä ssigt. Diese Vereinfachungen sind sehr einschneidend aber es ist damit möglich, eine vereinfachte Wärmebilanz der Maschine aufzustellen. Die im Intervall dt zugeführte (d.h. in der Maschine entstehende) Wärmeenergie PV⋅dt teilt sich auf in eine gespeiche rte Wärmemenge Cdϑ, die durch die Wärmekapazität C und die Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 102 Temperaturerhöhung dϑ im Intervall dt bestimmt wird, sowie in eine abgeführte Wärmemenge Aϑdt, die vom Wärmeabgabevermögen A und von der Übertemperatur ϑ (Differenz zwischen Umgebungs- und Motortemperatur) abhängt: Bild 7.12 Wärmebilanz eines homogenen Körpers PV ⋅ dt = C ⋅ dϑ + A ⋅ ϑ ⋅ dt Gl. 7.19 Die Wärmekapazität C ist proportional der Masse des Körpers, während das Wärmeabgabevermögen A von der Oberfläche des Körpers und von der Art der Kühlung (man unterscheidet selbstbelüftete und fremdbelüftete sowie geschlossene Maschinen) abhängt. Der zeitliche Verlauf der Temperatur wird durch die Lösung einer Differentialgleichung (Gl. 7.20) wie folgt beschrieben: C⋅ dϑ − A ⋅ ϑ = PV ( t ) dt Gl. 7.20 Dies ist eine Differentialgleichung erster Ordnung. Bei zeitlich konstanter Verlustleistung erhält man als Zeitverlauf der Übertemperatur die bekannte e-Funktion. Der Motor wird zum Zeitpunkt t = 0 eingeschaltet. Zu diesem Zeitpunkt soll sprunghaft die Verlustleistung PV auftreten. Beginnt der Erwärmungsvorgang bei Umgebungstemperatur (ϑ = 0), so gilt t − Tϑ ϑ = ϑ∞ ⋅ 1 − e Gl. 7.21 mit dem stationären Endwert der Übertemperatur ϑ∞ = PV A Gl. 7.22 Tϑ = C A Gl. 7.23 und der thermischen Zeitkonstante Die thermische Zeitkonstante ist von der Baugröße des Motors und von der Art der Kühlung abhängig und liegt in der Größenordnung zwischen etwa 5 Minuten und bis zu 5 Stunden. Die Abkühlung des Motors, nachdem er vorher auf die Übertemperatur ϑA erwärmt worden war, erfolgt mit einer abklingenden e-Funktion: Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 103 ϑ = ϑA ⋅ e − t Tϑ Gl. 7.24 Die Zeitverläufe der Übertemperatur für die Erwärmung und Abkühlung bei jeweils sprungförmiger Änderung der Verlustleistung PV(t) ist im folgenden Bild dargestellt. ϑ∞ ϑA Bild 7.13 Erwärmung und Abkühlung (Sprungantwort) 7.3.4 Nennbetriebsarten Da die thermische Zeitkonstante relativ groß ist (ggf. über eine Stunde), muss der Antrieb nicht notwendigerweise für Dauerbetrieb ausgelegt werden, wenn die tatsächliche Betriebsdauer nur von kurzer Dauer ist. Die Anzahl der möglichen Betriebsarten ist unbegrenzt. In den DIN/VDE-Bestimmungen werden dieser Vielfalt neun Nennbetriebsarten gekennzeichnet mit „S1 bis S9" - zugeordnet. Für die Bemessung der Maschine ist die Zuordnung der Belastung zu einer der Nennbetriebsarten hilfreich. S1 = Dauerbetrieb Bei konstanter Belastung wird der Antrieb so lange betrieben bis er seine konstante Beharrungstemperatur erreicht. Die stündliche Beharrungstemperatur darf sich dann höchstens um 2 Kelvin ändern. Die Betriebsdauer t b ist wesentlich länger als die thermische Zeitkonstanten Tϑ. Ist keine besondere Angabe gemacht, ist die Maschine für S1-Betrieb ausgelegt. S1-Betrieb gilt z.B. für einen Extruderantrieb, der den ganzen Tag durchläuft. S2 = Kurzzeitbetrieb Die Maschine läuft mit konstanter Belastung. Der stationäre Endwert der Übertemperatur wird nicht erreicht. Die folgende Pause führt zu einer Abkühlung auf die Ausgangstemperatur (Kühlmitteltemperatur). Die Betriebszeit t b ist sehr klein gegen die thermische Zeitkonstante Tϑ. Auf dem Leistungsschild ist eine Zusatzangabe zur Betriebsdauer notwendig. S2-10 min kennzeichnet z.B. einen Hebezeugantrieb. S3 = Aussetzbetrieb ohne thermischen Einfluss des Anlaufs Der Betrieb setzt sich aus einer Folge gleichartiger Spiele zusammen. Jedes Lastspiel umfasst eine Zeit mit konstanter Belastung und eine Pause. Der Anlauf ist so kurz, dass er zu keiner zusätzlichen thermischen Belastung führt. Eine Zusatzangabe auf dem Leistungsschild gibt das Verhältnis von Betriebs- zu Spielzeit (ts) an. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 104 Zum Beispiel S3 - 15% für den Hilfsantrieb einer Werkzeugmaschine. S4 = Aussetzbetrieb mit thermischen Einfluss des Anlaufs Die Verluste beim Anlauf machen sich thermisch bemerkbar. Die Zahl der Anläufe wird begrenzt. S4 - 25%, 60 Anläufe/Stunde (60c/h) zum Beispiel ein Zentrifugenantrieb. Bild 7.14 Betriebsarten elektrischer Maschinen (DIN/VDE 0530) mit Verlauf der Leistung (P2), Verlustleistung (V) und Übertemperatur Weitere Betriebsarten sind: Ø Ø Ø Ø Ø S5 = Aussetzbetrieb mit thermischen Einfluss des Anlaufs und der elektrischen Bremsung S6 = Durchlaufbetrieb mit Aussetzbelastung S7 = Ununterbrochener Betrieb mit Anlauf und elektrischer Bremsen S8 = Ununterbrochener Betrieb mit Drehzahländerung S9 = Ununterbrochener Betrieb mit nichtperiodischer Last- und Drehzahländerung Von den beschriebenen Betriebsarten findet man in der Praxis nur den Dauerbetrieb S1 in reiner Form. Die anderen Betriebsarten treten nicht so klar in Erscheinung. Weicht die Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 105 Betriebsart von einem reinen Dauerbetrieb ab, kann die Maschine u.U. eine höhere Leistung abgeben. Bei genauer Untersuchung der Betriebsarten von S2 bis S9 kann man erkennen, dass sie zwei Gruppen bilden: o Betriebsarten, die gegenüber der Betriebsart S1 eine oft merkliche Leistungserhöhung zulassen. Dies sind die Betriebsarten S2, S3 und S6, sowie o Betriebsarten, die gegenüber der Betriebsart S1 eine Leistungsreduzierung notwendig machen. Es sind dies die Betriebsarten S4, S5 sowie S7 bis S9. Leistungssteigerung Die Leistungsangaben der Hersteller (Typenschild) beziehen sich ausnahmslos auf die Betriebsart S1, wenn keine Zusatzangaben gemacht werden. Bei kurzzeitiger Belastung im Verhältnis zur thermischen Zeitkonstante (t b < Tϑ) der Maschine können diese etwas höher belastet werden, ohne Schaden zu nehmen. Dieser Leistungsgewinn durch die Überlastungsfähigkeit ist produktspezifisch verschieden. Die Hersteller geben dafür pauschale Werte an oder erbitten Rückfragen zu den geplanten Einsatzbedingungen. Bild 7.15 zeigt Anhaltswerte zur Überlastung im Verhältnis zu S1-Betrieb für die Betriebsarten S2, S3 und S6. Die gezeigten Werte sollten als Hinweise gelten, die u.U. vor der Ausnutzung nachgefragt werden sollten. Bild 7.15 Leistungssteigerung gegenüber S1-Betrieb Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.4 106 Leistungselektronische Stellglieder (Stromrichter) Wenn wir uns noch einmal das Strukturbild eines elektrischen Antriebssystems (Bild 7.1) vor Augen halten, finden wir dort als weiteren wichtigen Baustein das sogenannte „Stellglied“. Neben anderen Stellgliedern wie Widerständen, Gleichstromgeneratoren usw. nehmen in modernen Antriebssystemen leistungselektronische Stellglieder eine Vorrangstellung ein, die u.a. durch einen hohen Wirkungsgrad, große Verstärkung, völlige Kontaktfreiheit, praktisch verzögerungsfreie Arbeitsweise, geringen Wartungsaufwand und geringen Raumbedarf begründet ist. Stromrichter werden heute mit nichtsteuerbaren und steuerbaren Leistungshalbleiter-Bauelementen (Dioden, Transistoren, Thyristoren) realisiert. Ein Stromrichter ist ein Gerät, das in der Lage ist, elektrische Energie einer bestimmten Stromart in elektrische Energie einer anderen Stromart umzuformen. 7.4.1 Grundfunktionen der Stromrichter Elektrische Energie zur Speisung größerer Antriebe ist heute fast nur noch als Wechselstrom oder Drehstrom verfügbar. Die Antriebe benötigen die Energie jedoch in angepasster Form: o Gleichstromantriebe mit variabler Drehzahl als Gleichstromenergie mit variabler Spannung - positiver und negativer Polarität - und o Drehstromantriebe mit variabler Drehzahl als Wechselstrom/Drehstromenergie mit variabler Frequenz und Spannung. Bild 7.16 Drehzahlvariabler Gleichstromantrieb und Drehstromantrieb mit Stromrichterspeisung Die Aufgabe der zwischen Netz und elektrischer Maschine geschalteten Stellglieder ist die Umwandlung der angebotenen elektrischen Energie in die gewünschte Energieform und die Steuerung des Energieaustauschs zwischen Netz und Maschine u.U. in beiden Richtungen. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 107 Die Stellglieder mit Halbleiterschaltern, die hierfür eingesetzt werden, heißen Stromrichter. Die in der Antriebstechnik wichtigen Funktionen sind: o Gleichrichten mit der Umwandlung von Wechselstrom/Drehstrom in Gleichstrom mit der Energieflussrichtung zum Gleichstromsystem o Wechselrichten mit der Umwandlung von Gleichstrom in Wechselstrom/Drehstrom mit der Energieflussrichtung zum Wechselstrom/Drehstromsystem o Wechselstrom-Umrichten mit der Umwandlung von Wechselstrom/Drehstrom einer gegebenen Spannung, Frequenz und Strangzahl in Wechselstrom/Drehstrom einer anderen Spannung, Frequenz und Strangzahl. Bei Gleichstromantrieben wird hauptsächlich die Betriebsart Gleichrichten eingesetzt. Bei Bremsvorgängen mit Energierückspeisung wird im Wechselrichterbetrieb gearbeitet, vgl. Bild 7.17a. Bei Drehstromantrieben wird die Betriebsart Wechselstromumrichten eingesetzt, die für beide Energierichtungen gleichermaßen gilt, vgl. Bild 7.17b. Bild 7.17 Möglichkeiten der Energieumformung mit Stromrichtern Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 108 7.4.2 Arbeitsweise der Stromrichter Die Umformung der elektrischen Energie in den Stellgliedern soll möglichst mit Verfahren erfolgen, die prinzipbedingte Verluste vermeiden. Ohne Verluste ist eine Energieumwandlung praktisch nur über ideale Schalter möglich. Ein solcher idealer Schalter hat die Eigenschaften: • Schalter offen (Aus, Sperren): es fließt kein Strom; es kann eine fast beliebige Spannung am geöffneten Kontakt anliegen • Schalter geschlossen (Ein, leitend): es fließt ein (lastbestimmter) Strom; es tritt kein Spannungsfall am Schalter auf. . • Schalterbetätigung durch Steuerbefehle Ein/Aus • Kein Schalterverschleiß • Möglichst hohe Schaltfrequenz Halbleiterbauteile kommen den genannten Anforderungen ziemlich nahe. Sie haben aber im Gegensatz zum idealen Schalter Verluste und Grenzwerte, die nicht überschritten werden dürfen. Verluste entstehen beim Halbleiterschalter als • Sperrverluste beim Anliegen einer Sperrspannung - Durchlassverluste beim Stromfluss • Schaltverluste wegen der endlichen Schaltzeit, d.h. beim Übergang vom stationären Schaltzustand „Aus" in den Zustand „Ein" und umgekehrt. Beim Betrieb des Halbleiterschalters sind folgende Grenzwerte zu beachten • die Höhe der Sperrspannung • die Höhe des Schaltstromes • die Höhe der Schaltfrequenz (Schaltverluste) und - die Betriebstemperatur. 7.4.3 Leistungselektronische Bauelemente Als elektronische Schalter oder Ventile werden in den verschiedenen Stromrichterarten • Dioden • Transistoren in verschiedener Ausführung und • Thyristoren in verschiedener Ausführung in diversen Schaltungen eingesetzt. Da die Energieumwandlung verschleißfrei und u.U. mit hohen Frequenzen erfolgen soll, scheiden mechanische Schalter aus. Im folgenden soll die Wirkungsweise der Halbleiterschalter kurz beschrieben werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.4.3.1 109 Dioden Die einfachsten Halbleiterschalter (Ventile) sind Dioden. Dioden haben zwei Anschlüsse: Die Anode (A) und Kathode (K). Liegt eine positive Spannung zwischen Anode und Kathode, so ist das Ventil leitend. Die Diode ist in Durchlassrichtung gepolt; der fließende Strom wird von der Last bestimmt. Bei umgekehrter Polarität der Spannung UAK sperrt die Diode. Die anliegende Spannung „steuert" das Verhalten des Bauteils; das Bauteil selbst ist nicht steuerbar. Werden mit Dioden Stromrichter aufgebaut spricht man von „ungesteuerten" Stromrichtern. Die Ventil- Eigenschaften der Dioden nutzt man aus, um damit in verschiedenen Schaltungsvarianten aus Wechsel- oder Drehspannung eine Gleichspannung zu erzeugen. Die Höhe der Ausgangsgleichspannung dieser Schaltungen hängt fest mit der angelegten Eingangsspannung zusammen. 7.4.3.2 Thyristoren Thyristoren gibt es in mehreren verschiedenen Ausführungen • Netz-Thyristoren (50 - 60 Hz) • Frequenz- Thyristoren • GTO-Thyristoren (Gate Turn Off, Gate- abschaltbar) und • Triacs. Zunächst soll die Arbeitsweise des Thyristors erläutert werden. Der Thyristor hat drei Anschlüsse: die Anode (A), die Kathode (K) und die Steuerelektrode, das Gate (G). Wie die Diode erlaubt auch der Thyristor nur einen Stromfluss in Durchlassrichtung von der Anode zur Kathode, vgl. Bild 7.18. Bild 7.18 Steuerbares Halbleiterventil: Thyristor Während die Diode bei positiver Spannung UAK sofort leitet, sperrt der Thyristor eine solche Spannung in Vorwärtsrichtung bis er über einen Steuerstromimpuls (Zündimpuls) am Steueranschluss (Gate) angesteuert wird. Einmal eingeschaltet (angesteuert, gezündet, leitend) leitet er dann den Strom I bis der Haltestrom unterschritten wird; bei Betrieb am Wechselstromnetz ist das kurz vor dem Nulldurchgang des Stromes. Werden mit Thyristoren Stromrichter aufgebaut, lässt sich die Ausgangsspannung steuern. Durch den Steuerimpuls kann man die Eingangsspannung sofort oder verzögert auf den Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 110 Ausgang schalten. Der Steuerwinkel α bestimmt die Höhe der Ausgangsspannung; man spricht von „gesteuerten" Stromrichtern. Im Gegensatz zu Netz-Thyristoren lassen sich GTO-Thyristoren über einen negativen Steuerstrom am Gate abschalten (löschen). Dadurch entfallen die aufwendigen Löschschaltungen, die man für diesen Fall beim normalen Thyristor einsetzen muss. GTOThyristoren werden in Wechselrichterschaltungen bei Frequenzumrichtern großer Leistung (ab ca. 600 kVA) eingesetzt. Im Bereich kleiner Leistungen wurden sie von den Leistungstransistoren fast vollständig verdrängt. Triacs sind prinzipiell nichts anderes als zwei integrierte antiparallele Thyristoren in einem Gehäuse. Sie werden über einen gemeinsamen Steueranschluss (Gate) angesteuert und verhalten sich wie zwei Thyristoren. Sie werden bei Wechsel/Drehstromstellerschaltungen kleiner Leistung eingesetzt („Dimmer-Schaltung“). 7.4.3.3 Transistoren Transistoren werden in mehreren Ausführungen gebaut. Es gibt • bipolare Transistoren (LTR, Leistungstransistoren) • unipolare Transistoren (MOS, Feldeffekttransistoren) und • den Mischtyp IGBT (Insulated Gate Bipolar-Transistor). Alle Transistoren haben drei Anschlüsse: Die bipolaren: Den Kollektor (C), den Emitter (E) und den Steueranschluss, die Basis (B). Die unipolaren: Drain (D), Source (S) und den Steueranschluss, das Gate (G). Beim IGBT sind es: Kollektor (K), Emitter (E) und der Steueranschluss, das Gate (G). Im Gegensatz zum Thyristor kann der Stromfluss beim Transistor durch die Steuerung am Steueranschluss direkt ein- und ausgeschaltet werden. Transistoren benötigen aber während der Leitphase (Ein-Zustand) dauernd eine Ansteuerung über die Steuerelektrode. Um den Steuerstrom zu reduzieren werden Darlington-Schaltungen eingesetzt. Während bei den bipolaren Transistoren der relativ hohe Steuerstrom IB an der Basis stört, ist es bei den MOS-Transistoren der relativ hohe Durchlasswiderstand ROn. Bild 7.19 Halbleiterschalter IGBT: Schaltsymbol (a) und interner Aufbau (b) Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 111 Beim IGBT werden diese Nachteile vermieden. Er vereint gerade die positiven Eigenschaften des Biopolartransistors - den geringen Durchlasswiderstand - mit dem geringen Steueraufwand des MOS-Transistors. Somit hat man mit dem IGBT ein leicht steuerbares Schaltelement mit geringen Durchlassverlusten entwickelt, das dem idealen Schalter sehr nahe kommt. Das Ersatzschaltbild eines IGBT zeigt Bild 7.19. Eine Übersicht über die Einsatzgebiete der einzelnen Halbleiterschalter in bezug auf Spannung, Strom und Schaltfrequenz zeigt Bild 7.20. Dabei ist zu beachten, dass die Grenzwerte sich laufend zu höheren Werten hin verschieben. Bild 7.20 Einsatzgebiete von Halbleiterschaltern 7.4.4 Stellglieder für Gleichstromantriebe Die Stromrichterstelglieder für Gleichstromantriebe lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: • Netzgeführte Thyristorstromrichter in Brückenschaltung und • Gleichstromsteller mit Spannungszwischenkreis In beiden Fällen wird aus dem Drehstromnetz eine veränderbare Gleichspannung erzeugt, so dass die Gleichstrommaschine mit Ankerspannungssteuerung betrieben werden kann. Mit einem weiteren Stromrichter für die Steuerung des Erregerstroms kann auch eine kombinierte Ankerspannungs- und Feldsteuerung betrieben werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.4.4.1 112 Netzgeführte Stromrichter in B6-Brückenschaltung Die B6-Brückenschaltung ist die bekannteste und am häufigsten eingesetzte Schaltung zur Steuerung von größeren Gleichstrommaschinen. Bild 7.21 Schaltung einer Gleichstrommaschine mit Ankerspannungssteuerung über eine B6-Brückenschaltung und Feldspeisung über eine ungesteuerte B2-Brücke Bild 7.21 zeigt die entsprechende Schaltung der 6 Thyristoren (V1 bis V6) für die Ankerspannungssteuerung. Mit Hilfe des „Impulssatzes“ (auch Steuersatz genannt) werden die Thyristoren gegenüber dem Zeitpunkt, ab dem eine Spannung in Durchlassrichtung anliegt, verzögert gezündet (d.h. eingeschaltet). Durch Variation der Verzögerungszeit lässt sich die Ankerspannung stufenlos mit positiven und negativen Spannungswerten einstellen. Die Stromflussrichtung (Vorzeichen von IA) ist aufgrund der Ventilwirkung der Halbleiter allerdings fest vorgeben und kann nicht verändert werden (2-Quadranten-Betrieb). Rechts im Bild 7.21 ist eine ungesteuerte B2-Diodenbrücke zur Erzeugung der Erregerspannung dargestellt (Ventile V7 bis V10). Wenn diese Brücke ebenfalls mit Thyristoren und einem Steuersatz ausgerüstet wird, kann der Erregerstrom ebenfalls variiert werden, was für die Maschine die Möglichkeit des Feldschwächbetriebs eröffnet. Ein schwerwiegender Nachteil der obigen Schaltung ist, dass sie nur für eine Richtung des Drehmoments ausgelegt ist. So kann damit weder aktiv gebremst werden, noch kann in die entgegengesetzte Drehrichtung beschleunigt werden. Für den Betrieb in allen vier möglichen Quadranten des Drehzahl-/Drehmoment-Kennlinienfeldes ist eine aufwendigere Schaltung erforderlich, wie sie beispielhaft in Bild 7.22 dargestellt ist. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 113 Bild 7.22 B6-Brücke in Gegenparallelschaltung für den 4 -Quadrantenbetrieb einer Gleichstrommaschine In dieser Schaltung sind zwei komplette steuerbare Gleichrichterbrücken in antiparalleler Schaltung vorhanden. Eine Auswahllogik benutzt – je nach erforderlicher Stromrichtung – entweder die Brücke SR1 (positiver Ankerstrom IA) oder die Brücke SR2 (negativer Ankerstrom IA). 7.4.4.2 Selbstgeführte Stromrichter für Gleichstromantriebe (Gleichstromsteller) Alternativ zur Drehstrombrückenschaltung werden – vor allem für kleine und mittelgroße Antriebe – auch selbstgeführte (d.h. getaktete) Gleichstromsteller verwendet, die aus einem Gleichstromnetz (Gleichstrom-Fahrdraht, Batterie, ...) mit konstanter Spannung gespeist werden. Gleichstromsteller erzeugen dann aus der konstanten Spannung eine veränderliche Gleichspannung durch zyklisches Betätigen eines Halbleiterschalters und Pulsweitenmodulation (PWM). Steht kein Gleichstromnetz zur Verfügung, kann die konstante Spannung auch durch einen ungesteuerten Netzgleichrichter erzeugt werden (siehe Bild 7.23). Bild 7.23 zeigt eine einfache Schaltung für Motorbetrieb (1. Betriebsquadrant). Durch die Gleichrichterbrücke (im Bild links) wird eine konstante Zwischenkreisspannung Ud erzeugt, und mit Hilfe einer Kapazität C geglättet. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 114 Bild 7.23 Steuerung einer Gleichstrommaschine mit Gleichstromsteller am Gleichstromnetz Das Ventil V1 des Gleichstromstellers wird nun mit einer festen Taktfrequenz fP = 1 T Gl. 7.25 zyklisch geöffnet und geschlossen. Über das Verhältnis von Einschaltdauer TE zur Periodendauer T ergibt sich der veränderbare Mittelwert U 2 der Motorspannung. U2 = Ud ⋅ TE T Gl. 7.26 Eine Freilaufdiode V2 sorgt dafür, dass der Motorstrom während der Sperrzeit des Schalters V1 weiterfließen kann. Als Schalter für Gleichstromsteller werden bei großen Leistungen GTO’s eingesetzt, bei mittleren Leistungen IGBT’s und bei kleinen Leistungen auch Transistoren. Das heute bei weiten am häufigsten eingesetzte Bauelement ist der IGBT. Die Schaltung in Bild 7.23 ist, wie bereits gesagt nur für einen Betriebsquadranten (Motorbetrieb, Rechtslauf) geeignet. Durch eine Brücken-Anordnung von insgesamt vier Schaltern und Freilaufdioden kann der Gleichstromsteller aber auch für den Vierquadrantenbetrieb ausgelegt werden. Bild 7.24 zeigt einen Gleichstromsteller für 4-Quadranten-Betrieb (Treiben und Bremsen in beiden Drehrichtungen). Die konstante Versorgungsspannung U1 wird z.B. über eine ungesteuerte B6-Brückenschaltung aus dem Drehstromnetz erzeugt. Durch Ansteuerung zweier jeweils diagonal gegenüberliegender Schalter (IGBT V1 und V4 bzw. IGBT V3 und V2) kann die Maschine wahlweise rechts- oder linkslaufend als Motor betrieben werden. Darüber hinaus erlaubt die Schaltung generatorische Rückspeisung in den Gleichstromzwischenkreis. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 115 Bild 7.24 Gleichstromsteller für 4 -Quadrantenbetrieb 7.4.5 Stellglieder für Drehstromantriebe Für die verlustarme Steuerung von Drehstromantrieben benötigt man eine Drehstromquelle mit veränderlicher Spannung und Frequenz. Mit der Stromrichtertechnik besteht heute die Möglichkeit, diese Forderung durch statische Frequenzumformer (Umrichter) zu erfüllen. Dabei gibt es zwei Grundtypen: • Den Direktumrichter und den • Zwischenkreisumrichter. Auf den Direktumrichter soll hier nicht weiter eingegangen werden, da seine Bedeutung und Verbreitung im Vergleich zum Zwischenkreisumrichter nur gering ist. 7.4.5.1 Zwischenkreis-Umrichter Alle Zwischenkreis-Umrichter arbeiten entsprechend Bild 7.25 nach dem gleichen Grundprinzip. Der Steuer- und Regelkreis steuert die übrigen Komponenten (Leistungskomponenten) so, dass die Ausgangsspannung und die variable Ausgangsfrequenz zusammenpassen. Wie an anderer Stelle beschrieben, muss das Verhältnis zwischen Spannung und Frequenz konstant gehalten werden, damit der Motor ein konstantes Nenndrehmoment, unabhängig von der Drehzahl, abgeben kann. Somit muss sich die Ausgangsspannung proportional mit der Ausgangsfrequenz ändern. Der Aufbau der vier Hauptkreise (Gleichrichter, Zwischenkreis, Wechselrichter, Steuer- und Regelkreis) ist sehr vom Frequenzumrichtertyp abhängig. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 116 Bild 7.25 Grundprinzip eines Zwischenkreisumrichter Zwischenkreisumrichter lassen sich wiederum in zwei Gruppen einteilen: • Stromzwischenkreis-Umrichter und • Spannungszwischenkreis-Umrichter Der Stromzwischenkreis-Umrichter ist gekennzeichnet durch eine große Drosselspule im Zwischenkreis (Glättung der Zwischenkreis-Stroms) und soll hier nicht weiter behandelt werden. Die häufiger verwendete Umrichtervariante ist der Spannungszwischenkreis-Umrichter. 7.4.5.2 Spannungszwischenkreis-Umrichter mit Pulsamplitudenmodulation Beim Umrichter, der in Bild 7.26 dargestellt ist, wird die Anpassung der Spannung an die Frequenz bzw. Motordrehzahl durch einen Gleichstromsteller (Chopper) im Zwischenkreis vorgenommen. Bild 7.26 PAM-Frequenzumrichter mit Zwischenkreischopper Das Ergebnis ist eine variable Gleichspannung am Kondensator. U1 = const . f1 Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen Gl. 7.27 FH München SS 2002 117 Die Frequenz f1 der Ausgangsspannung wird im Wechselrichter (rechts) durch die Änderung der Periodendauer variiert. Diese kann direkt vom Eingangssignal oder von der variablen Gleichspannung, die proportional dem Eingangssignal ist, gesteuert werden. Letzteres bietet erhebliche Vorteile bei der Beschleunigung und der Spitzenbelastung. Nachteilig ist die nichtsinusförmige Spannung, was zu Oberschwingungen und ungleichförmigem Motormoment führen kann. 7.4.5.3 Spannungszwischenkreisumrichter mit Pulsweitenmodulation Beim PWM-Umrichter wird mit einer konstanten Zwischenkreisspannung Ud gearbeitet. Das bedeutet, dass sowohl die Änderung der Spannung als auch die Änderung der Frequenz im Wechselrichter erfolgen muss. Die Ventile des Wechselrichters werden hierzu nicht einfach im Takt der Grundfrequenz des Motors ein- und ausgeschaltet. Vielmehr wird der Mittelwert der Spannung an den Ausgängen der Brücke quasi kontinuierlich durch Pulsweitenmodulation (PWM) oder auch von Pulsbreitenmodulation verändert. Bild 7.27 Wechselrichterteil eines PWM-Umrichters mit IGBT’s und Schutzbeschaltung Der Steuer- und Regelkreis steuert die Schalter im Wechselrichter in einer Art und Weise, dass sich die Phasenspannung wie in Bild 7.28 verhält. Der Steuerkreis findet die Ein- und Ausschaltzeitpunkte der IGBT’s als Schnittpunkte zwischen einer Sinus- und einer Dreieckspannung. Die Frequenz der Sinusspannung muss gleich der gewünschten Grundfrequenz des Frequenzumformers sein. Das Verhältnis der Amplituden von Sinus- und Dreiecksspannung bestimmt die Impulsbreite der Motorspannung. Hier ändert sich innerhalb jeder Halbperiode bei gleicher Pulsfrequenz die Pulsweite periodisch, und zwar in der Nähe des Nulldurchganges schmäler ist als in der Mitte des Impulspakets. Dadurch ist der Mittelwert der Spannung besser an die Sinusform angeglichen. Man spricht hier von einer sinusbewerteten PWM. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 118 Bild 7.28 Spannungsverlauf beim PWM-Umrichter Das sinusbewertete Pulsmuster wird bei Steuerungen in Analogtechnik kontinuierlich erzeugt; bei digital arbeitenden Umformertechnologien wird jedoch häufig auf in Datenspeichern abgelegte Muster zurückgegriffen, was den Zeitbedarf reduziert. PWM-Frequenzumrichter haben folgende Vorteile: • Gleichmäßiger Motorenlauf bei niedrigen Drehzahlen • Brems-Chopper möglich • Gut geeignet für den Parallelbetrieb von Motoren. • Guter Systemwirkungsgrad • Teilweise kurzschlusssicher Nachteile sind: • Motorgeräusche durch die Spannungskurvenform Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 7.5 119 Regelung elektrischer Antriebe (Einführung) Das Thema „Regelung elektrischer Antriebe“ kann und soll in dieser Einführung nicht eingehend behandelt werden. Es sei hierzu auf weiterführende Vorlesungen bzw. Literatur verwiesen. Das Grundprinzip einer Antriebsregelung sei deshalb nur ganz kurz (und vereinfacht) am Beispiel einer geregelten Gleichstrommaschine mit Stromrichterspeisung über eine B6Thyristorbrücke beschrieben. • Antriebsregelkreise werden überwiegend als Kaskadenregelung ausgeführt. • Mit dem innersten Kreis der Kaskadenregelung wird das Motormoment geregelt. Dies ist im Falle einer Gleichstrommaschine besonders einfach, da als Ersatzgröße für das Motormoment der leicht messbare Ankerstrom der Maschine geregelt werden kann. • Der Drehzahlregelkreis ist dann dem Drehmomentregelkreis (bzw. Ankerstromregelkreis) überlagert. • Bei Bedarf werden dem Drehzahlregelkreis weitere Regelkreise überlagert (z.B. Positionsregelung) • Durch Begrenzung des Stromsollwerts am Ausgang des Drehzahlreglers kann der Motor auf einfache Weise vor Überlastung geschützt werden nw iA w Drehz.- BeRegler grenzung Sollwert n Stromregler UA T M iA Bild 7.29 Blockschaltbild einer geregelten Gleichstrommaschine Bild 7.29 zeigt das Blockschaltbild einer Gleichstrommaschine mit Strom-/DrehzahlKaskadenregelung. Die Ankerspannung wird in der gezeigten Anordnung durch einen ThyristorUmkehrstromrichter (vgl. auch Bild 7.22) erzeugt. Aufgabe des Stromreglers in der Anordnung ist, die Ankerspannung so zu steuern, dass sich der gewünschte Motorstrom iA = iAW einstellt. Auf die Regelstrecke und Optimierung des Ankerstromreglers soll hier nicht näher eingegangen werden. Wir wollen der Einfachheit halber davon ausgehen, dass der Ankerstromregelkreis bereits fertig optimiert sei und das Übertragungsverhalten des Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 120 geschlossenen Ankerstromregelkreises im Laplace-Bereich durch eine Verzögerungsglied erster Ordnung mit der „Ersatzübertragungsfunktion“ Fersi beschrieben werden kann: Fersi = i A ( s) 1 = i AW (s) 1 + s ⋅ Tersi Gl. 7.28 Da bei konstantem Motorfluss das Motormoment mM direkt proportional zum Ankerstrom iA ist, stellt Gl. 7.28 gleichzeitig die Ersatzübertragungsfunktion vom Sollwert des Motormoments auf das Motormoment dar. Die Übertragungsfunktion vom Motormoment auf die Drehzahl ergibt sich aus der Newton’schen Bewegungsgleichung (Gl. 7.4): m b = m M −m W = J ⋅ dω dt mit ω = 2π⋅ n ergibt sich aus Gl. 7.4 nach Transformation in den Laplace-Bereich: n (s ) = 1 ⋅ (m M (s ) − m W (s) ) (2 π ⋅ J ) ⋅ s Gl. 7.29 Damit erhält man den in Bild 7.30 dargestellten Signalflussplan für die Strecke des Drehzahlregelkreises: Bild 7.30 Signalflussplan der Strecke des Drehzahlregelkreises Regelstrecke (IT1): FSn (s) = n (s) 1 1 = ⋅ m M ( s) 1 + s ⋅ Tersi s ⋅ 2π J Gl. 7.30 Bei Verwendung normierter Größen m* und n* für das Drehmoment und die Drehzahl, lässt sich aus den Bezugsgrößen MN und N0N für das Drehmoment und die Drehzahl und dem Trägheitsmoment dir mechanische „Hochlaufzeitkonstante“ TH des Antriebs berechnen: TH = 2π J ⋅ N 0N MN Gl. 7.31 De normierte Übertragungsfunktion der Strecke lautet dann: Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 121 FSn (s) = n * (s ) 1 1 = ⋅ m M * (s ) 1 + s ⋅ Tersi s ⋅ TH Gl. 7.32 Als Regler käme für die IT1-Strecke ohne weiteres ein P-Regler in Betracht, da aufgrund des Integrators in der Streckenübertragungsfunktion keine bleibende Regelabweichung im Führungsverhalten zu erwarten ist. Von einer Drehzahlregelung wird aber in den meisten Fällen an erster Stelle ein gutes Störverhalten gefordert, d.h. Änderungen im Lastmoment mW sollen zu keiner bleibenden Drehzahlabweichung führen, sondern möglichst schnell ausgeregelt werden. Aus diesem Grund wird im allgemeinen ein PI-Regler verwendet. Die Übertragungsfunktion des offenen Regelkreises lautet dann: FOn (s ) = K Pn ⋅ 1 + sT Nn 1 1 ⋅ ⋅ sTNn 1 + s ⋅ Tersi s ⋅ TH Gl. 7.33 Gute Ergebnisse liefert hier eine Einstellung der Nachstellzeit TNn = 4 ⋅ Tersi Gl. 7.34 und einer Einstellung der Proportionalverstärkung K Pn = TH 2 ⋅ Tersi Gl. 7.35 Aufgrund der bei dieser Einstellung symmetrischen Anordnung der Betragskennlinie im Bodediagramm bezeichnet die Einstellung auch als „Symmetrisches Optimum“. Die Übertragungsfunktion des geschlossenen Drehzahlregelkreises lautet: Fn (s ) = 1 + s 4Tersi Gl. 7.36 1 + s 4Tersi + s 8Tersi + s 8Tersi 2 2 3 3 Es ist zu beachten, dass die Eigenschaften des geschlossenen, optimierten Drehzahlregelkreises nur noch von der Schnelligkeit (Ersatzzeitkonstante) des unterlagerten Strom- bzw. Drehmomentregelkreises abhängen. In Bild 7.31 ist die Sprungantwort des geschlossenen, optimierten Drehzahlregelkreises dargestellt. Aufgrund der Nullstelle im Zählerpolynom kommt es dabei zu einem erheblichen Überschwingen von ca. 40%. Das unerwünschte Überschwingen kann auf einfache Weise reduziert werden, indem man in den Sollwertkanal des Reglers ein Verzögerungsglied mit der Zeitkonstante TWn = 4 ⋅ Tersi = TNn Gl. 7.37 schaltet. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 122 Durch die Sollwertglättung TWn wird die Nullstelle in Gl. 7.36 kompensiert und es ergibt sich als neue Führungs-Übertragungsfunktion: Fn (s ) = 1 Gl. 7.38 1 + s 4Tersi + s 8Tersi + s 8Tersi 2 2 3 3 Die zugehörige Sprungantwort (mit TWn = TNn) ist ebenfalls in Bild 7.31 dargestellt. t / Tersi Bild 7.31 Führungsverhalten der optimierten Drehzahlregelung mit und ohne Sollwertglättung Abschließend kann festgestellt werden, dass die in diesem Kapitel am Beispiel der Gleichstrommaschine vorgestellte Methode zur Drehzahlregelung auch auf Synchronmaschinen und Asynchronmaschinen übertragen werden kann. Bei Synchronmaschinen ist es relativ einfach, mit Hilfe leistungselektronischer Schaltungen das Betriebsverhalten einer Gleichstrommaschine einer Gleichstrommaschine nachzubilden und den Strom- bzw. Drehmomentregelkreis einzustellen. Bei Asynchronmaschinen ist die Regelung des Drehmoments mit Hilfe einer „feldorientierten Regelung“ vergleichsweise aufwendig, mit Hilfe moderner Signalprozessoren bzw. Mikrocontroller aber durchaus machbar. In jedem Fall – und unabhängig von der Motortechnologie – setzt die Drehzahlregelung auf dem optimierten Drehmomentregelkreis auf. Damit können alle Antriebe „außerhalb“ des Drehmomentregelkreises in gleicher Weise wie im obigen Beispiel beschrieben, behandelt werden. Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München SS 2002 8 1 Inhaltsverzeichnis Einführung 1.1 2 3 123 2 Elektrische Maschinen als Energiewandler 2 1.2 Klassifizierung elektrischer Maschinen 1.2.1 Ruhende Elektrische Maschinen (Transformatoren) 1.2.2 Rotierende Elektrische Maschinen 1.2.3 Linearmaschinen 3 3 3 4 1.3 Elektrische Antriebe 1.3.1 Komponenten eines elektrischen Antriebs 1.3.2 Gleichstrom oder Drehstrom? 1.3.3 Vernetzung - Kommunikation 4 4 6 7 Theoretische Grundlagen 8 2.1 Erzeugung magnetischer Felder 2.1.1 Das Durchflutungsgesetz 2.1.2 Größen des magnetischen Feldes 8 8 10 2.2 Anordnung magnetischer Kreise 2.2.1 Analogie zum Elektrischen Stromkreis 2.2.2 Serienschaltung (Eisenkern mit Luftspalt) 2.2.3 Parallelschaltung 2.2.4 Rotierende elektrische Maschinen 2.2.5 Magnetischer Grundkreis mit konzentrierter Erregerwicklung 2.2.6 Magnetischer Grundkreis mit räumlich verteilter Erregerwicklung 11 12 12 14 14 15 16 2.3 Eisenverluste 2.3.1 Hystereseverluste 2.3.2 Wirbelstromverluste 2.3.3 Eigenschaft von Elektroblechen 18 18 19 20 2.4 Induktionsgesetz 2.4.1 Allgemein 2.4.2 Transformatorische Spannung 2.4.3 Bewegungsspannung 2.4.4 Selbstinduktion 21 21 21 22 23 2.5 24 Kraftwirkung im Magnetfeld Gleichstrommaschinen 3.1 Allgemeines 25 3.2 Aufbau und Wirkungsweise 3.2.1 Grundsätzlicher Aufbau 3.2.2 Bauteile 3.2.3 Prinzip der Kommutierung (Stromwendung) 3.2.4 Hauptfeld 3.2.5 Ankerrückwirkung 3.2.6 Induzierte Ankerspannung 3.2.7 Drehmoment Prof. Dr. W. Höger 25 El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen 25 25 26 27 28 29 31 32 FH München SS 2002 4 124 3.3 Ersatzschaltbild und Systemgleichungen 3.3.1 Ersatzschaltbild 3.3.2 System-Differentialgleichungen 3.3.3 Stationäre Gleichungen und Nenngrößen 33 33 34 34 3.4 36 Schaltungsarten der Erregerwicklung 3.5 Betriebsverhalten von fremderregten Nebenschlussmaschinen 3.5.1 Stationäre Betriebskennlinien 3.5.2 Spannungssteuerung bei konstantem Nennfluss 3.5.3 Widerstandssteuerung 3.5.4 Kombinierte Ankerspannungs- und Feldsteuerung 37 37 39 40 43 3.6 Reihenschlussmaschinen 45 3.7 Wechselstrom-Kommutatormaschinen 47 Drehfelder 49 4.1 Definition des Drehfelds 49 4.2 Erzeugung eines Drehfelds durch ein rotierendes Polrad 50 4.3 Drehfeldwicklungen 4.3.1 Prinzipieller Aufbau einer 3-strängigen Drehfeldwicklung 4.3.2 Erzeugung eines Drehfelds durch die dreisträngige Drehstromwicklung 5 6 Drehstromsynchronmaschinen 51 51 53 55 5.1 Aufbau und Wirkungsweise 5.1.1 Bauarten der Synchronmaschine 5.1.2 Der Aufbau der Innenpolmaschine 5.1.3 Allgemeine Beschreibung der Wirkungsweise einer Synchronmaschine 5.1.4 Raumzeigerdiagramme 56 56 57 58 59 5.2 Betrieb am starren Netz 5.2.1 Generator im Leerlauf (Phasenschieberbetrieb) 5.2.2 Generator- und Motorbetrieb 63 63 64 5.3 Stromortskurve 5.3.1 Konstruktion der Stromortskurve 5.3.2 Leistung und Drehmoment 66 67 68 5.4 69 Anlauf von Synchronmotoren am starren Netz Drehstromasynchronmaschinen 72 6.1 Aufbau und Wirkungsweise 6.1.1 Aufbau 6.1.2 Wirkungsweise der Asynchronmaschine 72 72 73 6.2 75 Ersatzschaltbild 6.3 Leistungsfluss und Drehmoment 6.3.1 Die Leistungsbilanz (Beispiel Motorbetrieb) 6.3.2 Luftspaltleistung und Drehmoment 6.3.3 Vereinfachte Herleitung der Drehzahl-/Drehmomentkennlinie 6.3.4 Weitere Vereinfachung für R1 = 0 (Kloss’sche Drehmomentgleichung) Prof. Dr. W. Höger El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen 76 76 77 78 79 FH München SS 2002 7 6.4 Stromortskurve 6.4.1 Konstruktion 6.4.2 Maßstabsfaktoren zur Auswertung der Stromortskurve 6.4.3 Aufteilung der Wirkleistung 6.4.4 Schlupfgerade 81 81 82 82 83 6.5 Verfahren zur Drehzahlsteuerung 6.5.1 Änderung der Polpaarzahl 6.5.2 Änderung des Rotorwiderstands 6.5.3 Untersynchrone Stromrichterkaskade 6.5.4 Änderung der Statorspannung 6.5.5 Änderung der Spannung und Frequenz (Frequenzumrichter) 84 84 84 84 85 85 Grundlagen elektrischer Antriebe 7.1 8 125 86 Struktur eines elektrischen Antriebssystems 88 7.2 Bewegungsvorgänge 7.2.1 Bewegungsgleichung 7.2.2 Getriebe 7.2.3 Kennlinien von Motoren und Arbeitsmaschinen 7.2.4 Stabilität des Arbeitspunktes 90 91 93 95 96 7.3 Projektierung elektrischer Antriebe 7.3.1 Konstruktive Ausführung des Antriebsmotors 7.3.2 Bemessung von Leistung und Drehmoment 7.3.3 Thermische Auslegung der Motorleistung 7.3.4 Nennbetriebsarten 98 98 100 101 103 7.4 Leistungselektronische Stellglieder (Stromrichter) 7.4.1 Grundfunktionen der Stromrichter 7.4.2 Arbeitsweise der Stromrichter 7.4.3 Leistungselektronische Bauelemente 7.4.4 Stellglieder für Gleichstromantriebe 7.4.5 Stellglieder für Drehstromantriebe 106 106 108 108 111 115 7.5 119 Regelung elektrischer Antriebe (Einführung) Inhaltsverzeichnis Prof. Dr. W. Höger 123 El. Maschinen u. Antriebe Grundlagen FH München