Universität Leipzig Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Mikroökonomik Prof. Dr. Harald Wiese 5. Februar 2002 Klausur: Grundzüge der Mikroökonomik Wintersemester 2001/02 Bearbeitungszeit: 60 Minuten Maximal erzielbar: 60 Punkte zulässige Hilfsmittel: keine, insbesondere kein Taschenrechner Sonstige Vorbemerkungen: Schreiben Sie, bitte, leserlich! Geben Sie kurze, präzise Antworten! Machen Sie jeweils Ihren Rechenweg deutlich! Aufgabe 1 (10 Punkte) Willy besitzt eine Schokoladenfabrik in der Nähe eines Flusses, die 500 Euro wert ist. Bei einer Überschwemmung, die mit einer Wahrscheinlichkeit p von 0,1 eintritt, sinkt der Wert der Fabrik auf 250 Euro. Neben der Fabrik besitzt Willy noch 500 Euro auf einer Bank. Seine Präferenzen sind durch die von Neumann-MorgensternNutzenfunktion ux ln x, x0 gegeben. a) Ist Willy risikofreudig? b) Falls die Prämienzahlung ein Zehntel der Versicherungssumme beträgt, welche Versicherungssumme wählt Willy? (Hinweis: Es geht auch ohne großen Rechenaufwand!) Lösungsvorschlag a) u x 1 x 1 0 für x 0. x2 Nein, die Nutzenfunktion ist konkav, also ist Willy risikoavers. u x b) Hier bieten wir drei unterschiedliche Lösungsvorschläge an. 1. Möglichkeit Die Prämie P beträgt 1/10 der Versicherungssumme K: P =1/10K. Die Prämie je Euro Versicherungssumme ist also gleich der Wahrscheinlichkeit des Schadensereignisses p, es handelt sich daher um eine faire Versicherung. Bei einer fairen Versicherung wählt ein risikoaverser Haushalt eine Vollversicherung, die Versicherungssumme ist also gleich dem möglichen Schaden von 250 Euro. 2. Möglichkeit Wir bezeichnen die Versicherungssumme mit K. Bei der angegebenen Prämienzahlung steht Willy der Lotterie 1000 1 K ,1000 1 K 250 K ; 9 , 1 10 10 10 10 gegenüber. Der Erwartungswert dieser Lotterie beträgt 9 1 1 1 9 9 1000 K 1000 K 250 K 1000 K 25 K 975. 10 10 10 10 100 100 Aufgrund der Risikoaversion zieht Willy diesen Erwartungswert der Lotterie selbst vor. Willy stellt sich also am besten, wenn er K=250 und damit die sichere Auszahlung von 975 wählt. 3. Möglichkeit Die Prämie P beträgt 1/10 der Versicherungssumme K: P =1/10K. Um bei Überschwemmung eine Einheit zusätzliches Vermögen zu haben, muss die Versicherungssumme um ∆K so erhöht werden, dass ∆K -1/10∆K =1 gilt. Also hat man die Versicherungssumme um 10/9 zu erhöhen. Dies erhöht die Prämienzahlung und reduziert das Vermögen ohne Überschwemmung um 1/9. Dies ist der Betrag der Steigung der Budgetgeraden bei Unsicherheit. (Im Lehrbuch „Mikroökonomik, Eine Einführung in 365 Fragen“ ist eine andere Methode angegeben, diese Steigung zu ermitteln.) Für den erwarteten Nutzen pu(x1)+(1- p)u(x2) ergibt sich die Grenzrate der Substitution als MRS MU1 p u x1 , MU 2 1 p u x2 wobei x1 bzw. x2 die Endvermögen des Haushalts bezeichnen, wenn die Überschwemmung eingetreten bzw. nicht eingetreten ist. Im Versicherungsoptimum gilt, dass die Steigungen der Budgetgeraden und der höchsten erreichbaren Indifferenzkurve überstimmen. Also ! 1 MRS . 9 Nach Einsetzen und Umformung der Optimalitätsbedingung erhält man ln 750 0.9 K 0.1 0.9 ln 1000 0.1K 0.9 0.1 1000 0.1K 750 0.9 K 250 K . Aufgabe 2 (12 Punkte) Gegeben sei die Kostenfunktion c y y 2 8 y 30 für y 0. a) Warum kann dies keine langfristige Kostenfunktion sein? b) Ermitteln Sie die Grenzkostenfunktion, die Funktion der durchschnittlichen variablen Kosten, und skizzieren Sie die beiden Funktionen! c) Ermitteln Sie die Angebotsfunktion! (Fallunterscheidung!) d) Sollte das Unternehmen bei einem Preis von p = 10 eine positive Menge anbieten? Wie hoch ist der maximale Gewinn bei p = 10 ? Lösungsvorschlag a) In der langen Frist sind alle Faktoren variabel. Langfristige Kostenfunktionen c müssen daher c(0) 0 erfüllen. Daher ist die obige Kostenfunktion eine kurzfristige, hier gilt nämlich c(0) 30. b) MC dc 2y 8 dy AVC cv y 2 8 y y 8 y y MC MC AVC AVC 10 9 8 0 1 y Abbildung 1 c) Zunächst bestimmt man den Schnittpunkt der Grenzkostenkurve und der Kurve der durchschnittlichen variablen Kosten: MC y AVC y 2y 8 y 8 y 0. Das entspricht einem Preis von p=MC(0)=8. Durch Auflösen der Grenzkostenfunktion nach y bekommt man y p 4. 2 Die kurzfristige Angebotsfunktion lautet für p 8 0 y S p 1 . 2 p 4 für p 8 d) Bei dem Preis von 10 > 8 bietet das Unternehmen eine positive Menge an. 10 4 1, 2 p y c y 10 1 1 8 30 29. y Der maximale Gewinn bei diesem Preis beträgt –29, das Unternehmen macht also den Verlust von 29. (Bei Wahl von y=0 wäre der Verlust mit 30 noch höher.) Aufgabe 3 (8 Punkte) Wahr oder falsch? Begründen Sie Ihre Antwort im Rahmen des zweiperiodigen Modells aus der Vorlesung! Erstellen Sie jeweils eine geeignete Grafik! a) Bei einem Zinssatz von 0 wird nicht gespart. b) Steigt das Einkommen der zweiten Periode, dann wird in der zweiten Periode auch mehr konsumiert. c) Durch eine Zinssenkung kann ein Schuldner nicht zum Gläubiger werden. Lösungsvorschlag a) Falsch. Ein Zinssatz von 0 bedeutet lediglich, dass der Konsum in beiden Perioden gleich teuer ist, d.h. ein zusätzlicher Konsum von einem Euro heute kostet morgen lediglich einen Euro. Es sind Einkommen (Anfangsausstattung) und Präferenzen denkbar, bei denen trotzdem gespart wird, d.h. in der ersten Periode weniger konsumiert wird als das Einkommen der ersten Periode. Die Abbildung 2 stellt eine solche Situation dar: Für den Zinssatz 0 ist der Anstieg der Budgetgeraden –1. Und in der ersten Periode wird weniger konsumiert (k1 ) als das Einkommen (m1 ). Der Betrag m1 - k1 wird also gespart. c2 Indifferenzkurve intertemporales Haushaltsoptimum k2 Anfangsausstattung m2 Budgetgerade Anstieg –1 k1 m1 c1 Abbildung 2 Sparen bei einem Zinssatz von 0 b) Falsch. Mit steigendem Einkommen in der zweiten Periode verschiebt sich die (intertemporale) Budgetgerade parallel nach außen. Ist der Konsum der zweiten Periode inferior, dann geht der Konsum in der zweiten Periode zurück. In der Abbildung 3 ist dies dargestellt: Durch die Erhöhung des Einkommens in der zweiten Periode verschiebt sich die Anfangsausstattung von A nach B, die Budgetgerade wandert nach außen. Die beiden miteinander verträglichen Indifferenzkurven implizieren dann das Haushaltsoptimum C mit dem ursprünglichen Einkommen der zweiten Periode und das Haushaltsoptimum D mit dem erhöhten. Der Konsum in der zweiten Periode sinkt offenbar von C nach D. c2 B C D A c1 Abbildung 3 Steigendes Einkommen und sinkender Konsum in der zweiten Periode c) Wahr. Man kann sich dies leicht anhand der Abbildung 4 klarmachen: Sei E die Anfangsausstattung. Eine Zinssenkung bewirkt eine Drehung der Budgetgeraden (durch B und C) um diesen Punkt, so dass diese flacher verläuft (durch A und D). Angenommen, der Haushalt würde vom Schuldner (konsumiert in der ersten Periode mehr als das Einkommen, Punkt C) zum Gläubiger (konsumiert in der ersten Periode weniger als das Einkommen, Punkt A). Wählt der Haushalt vor der Zinssenkung etwa das Güterbündel C, obwohl auch B leistbar wäre, dann gilt B C. Da B vom Konsum beider Perioden mehr enthält als A, gilt – monotone Präferenzen unterstellt – B A, also C A. Wählte der Haushalt nach der Zinssenkung A, obwohl auch D leistbar wäre, dann gilt D A. Da D vom Konsum beider Perioden mehr enthält als C, gilt – wiederum monotone Präferenzen unterstellt – D C, also A C, im Widerspruch zu C A. c2 B A E D C c1 Abbildung 4 Durch Zinssenkung kann ein Schuldner nicht zum Gläubiger werden Aufgabe 4 (8 Punkte) Zwei Unternehmen – 1 und 2 – produzieren in unmittelbarer Nähe voneinander und haben die folgenden Gewinnfunktionen G1 x1 , x2 4 x1 x1 4 x2 , 2 G2 x1 , x2 6 x2 x2 2 x1 , 2 wobei x1 die von Unternehmen 1 und x2 die von Unternehmen 2 produzierte Menge ist. a) Treten externe Effekte auf? Wenn ja, was für welche? Begründen Sie! b) Gehen Sie davon aus, dass beide Unternehmen unabhängig voneinander ihren Gewinn maximieren. Welche Mengen werden sie produzieren? Wie hoch ist dann jeweils der Gewinn? c) Gehen Sie nun davon aus, dass die beiden Unternehmen Teile eines Konzerns sind, der den Gesamtgewinn maximiert. Welche Mengen werden jetzt produziert? Wie hoch ist dann der gemeinsame Gewinn? Lösungsvorschlag a) Einerseits wird der Gewinn von Unternehmen 1 durch Unternehmen 2 positiv beeinflusst, der Term +4x2 in der Gewinnfunktion von Unternehmen 1. Von Unternehmen 2 geht also ein positiver externer Effekt in Bezug auf das Unternehmen 1 aus. Andererseits wird der Gewinn von Unternehmen 2 durch Unternehmen 1 negativ beeinflusst, der Term -2x1 in der Gewinnfunktion von Unternehmen 2. Von Unternehmen 1 geht also ein negativer externer Effekt in Bezug auf das Unternehmen 2 aus. Der externe Effekt ist somit wechselseitig. b) Die Gewinnmaximierungsbedingung für Unternehmen 1 lautet x1 4 2 x1 0, G1 ! die gewinnmaximierende Menge beträgt also x1* 2. Analog lautet die Gewinnmaximierungsbedingung für Unternehmen 2 ! G2 6 2 x2 0, x2 und die gewinnmaximierende Menge beträgt x2* 3. Die Gewinne betragen dann G1* G1 ( x1* , x2* ) 4 2 2 2 4 3 16 und G2* G2 ( x1* , x2* ) 6 3 32 2 2 5. c) Der gemeinsame Gewinn beträgt G x1 , x2 G1 x1 , x2 G2 x1 , x2 4 x1 x12 4 x2 6 x2 x22 2 x1 2 x1 x12 10 x2 x22 . Die Gewinnmaximierungsbedingungen lauten x1 2 2 x1 0 G ! und ! G 10 2 x2 0, x2 die gewinnmaximierenden Mengen also x1** 1 und x2** 5. Damit ergibt sich der gemeinsame Gewinn G** Gx1** , x2** 2 1 12 10 5 52 26. Aufgabe 5 (14 Punkte) Ein Haushalt verfügt über ein Einkommen in Höhe von 16. Seine Nutzenfunktion sei durch ux1 , x2 x1 x2 gegeben. Der Preis für das erste Gut ist p1 = 1 und bleibt unverändert, während der Preis für das zweite Gut von p2 = 4 auf p2 = 1 sinkt. a) Ermitteln Sie die Haushaltsoptima! b) Ermitteln Sie das Nutzenniveau vor und nach der Preisänderung! c) Ermitteln Sie die kompensatorische Variation des Einkommens und interpretieren Sie diese! Lösungsvorschlag a) Durch die streng monoton steigende Transformation u1/2 kann die gegebene Nutzenfunktion in die Cobb-Douglas-Nutzenfunktion überführt werden: u1/ 2 x11/ 2 x12/ 2 . Bei diesem Nutzenfunktion ist das Haushaltsoptimum durch die Formel x , x a m , 1 a m * 1 gegeben. * 2 p1 p2 Das Haushaltsoptimum vor der Preisänderung lautet x1* , x2* 1 16 , 1 16 8,2. 2 1 2 4 Das Haushaltsoptimum nach der Preisänderung lautet x , x 1 16 , 1 16 8,8. * 1 * 2 2 1 2 1 b) Das Nutzenniveau vor der Preisänderung beträgt u x1* , x2* x1* x2* 8 2 16. Das Nutzenniveau nach der Preisänderung beträgt u x1* , x2* x1* x2* 8 8 64. c) Es handelt sich hier um eine Verbesserung der Umwelt (Preissenkung). Die m m 2 p1 2 p2h Nutzen bei altem, hohen Preis m CV m CV 2 p1 2 pn 2 Nutzen bei neuem, niedrigen Preis und kompensierender Variation 16 CV 16 CV 2 2 CV 8. Kompensatorische Variation für diese Preissenkung ist derjenige Geldbetrag, den der Haushalt maximal für sie zu zahlen bereit wäre. Man erhält sie aus der Gleichung 8 2 Aufgabe 6 (8 Punkte) Ein Monopolist mit der Kostenfunktion C y 2 y 2 steht einer aggregierten Marktnachfrage von D p 10 2 p gegenüber. Wie hoch ist der Gewinn des Monopolisten, wenn er Preisdiskriminierung ersten Grades betreibt? (Hinweis: Fertigen Sie eine Skizze an!) Lösungsvorschlag Für einen Monopolisten, der Preisdiskriminierung ersten Grades betreibt, der also von jedem Konsumenten einen Preis in Höhe seiner Zahlungsbereitschaft verlangt, ist der Grenzerlös gleich dem Preis. Die Gewinnmaximierungsbedingung lautet dann Preis=Grenzkosten. Ausgehend von der vorgenannten Kostenfunktion erhalten wir die (konstanten) Grenzkosten MC y 2, und aus der Nachfragefunktion gewinnt man durch einfaches Auflösen die inverse Nachfragefunktion y p y 5 . 2 Die Gewinnmaximierungsbedingung lautet damit yM 5 2, 2 die gewinnmaximierende Menge beträgt also y M 6. Abbildung 5 stellt diese Situation dar: Der Deckungsbeitrag des Monopolisten entspricht der grau unterlegten Fläche und beträgt mit der Dreiecksflächenformel DB M 52 6 9. 2 Zur Ermittlung des Gewinns GM sind jetzt nur noch die Fixkosten (F = 2) abzuziehen: G M DB M F 9 2 7. p MC 5 (inverse) Nachfrage Deckungsbeitrag MC 2 6 10 y Abbildung 5 Der Deckungsbeitrag des Preisdiskriminierung ersten Grades betreibenden Monopolisten