interaktiv Biologie: Menschenkunde Nieren und Ausscheidung 19

Werbung
interaktiv
Biologie:
Menschenkunde
Nieren und Ausscheidung
19 19 88
Sekundarstufen I und II
Sachinformation
Aufgabe der Nieren
Nieren sind die Kontrollorgane unserer Körperflüssigkeiten. Durch die Bildung und Ausscheidung von Harn
– regulieren sie das Flüssigkeitsvolumen des Körpers;
– sorgen sie dafür, dass die Zusammensetzung der extrazellulären Körperflüssigkeiten, z. B. ihr Elektrolytgehalt
und damit ihr pH-Wert, konstant bleibt;
– reinigen sie das Blut von giftigen oder nicht mehr verwertbaren Stoffwechselprodukten, den sogenannten
„harnpflichtigen“ Stoffen; das sind insbesondere die
Produkte des Eiweißstoffwechsels, wie Harnstoff, Harnsäure, Kreatin und Kreatinin.
Darüber hinaus wirken die Nieren als Hormondrüsen. So
spielt z. B. das von ihnen produzierte Renin eine Rolle bei
der Regulation des Blutflüssigkeitsvolumens; das Nierenhormon Erythropoetin regelt die Produktion von roten Blutkörperchen.
Lage und Bau der Nieren
Die beiden bohnenförmigen, beim Erwachsenen je 150 g
schweren, zehn bis zwölf Zentimeter langen und fünf bis
sechs Zentimeter breiten Nieren liegen links und rechts der
Wirbelsäule hinter der Bauchhöhle, unterhalb von Leber
und Milz. Die rechte Niere liegt wegen der darüberliegenden
Leber etwa einen Wirbelkörper tiefer als die linke.
Jede Niere ist von einer festen Bindegewebskapsel, der
Nierenkapsel, umgeben und lagert in einer Fettschicht, die
das Organ vor Erschütterungen schützt. An der eingedellten
Seite, der Nierenpforte, treten Blutgefäße und Nervenfasern
ein. Hier befindet sich auch das Nierenbecken, das den aus
dem Nierenmark kommenden Urin auffängt und das in den
Harnleiter übergeht. Das eigentliche Nierengewebe besteht
aus zwei Schichten, der Rindenschicht und der Markschicht.
In der Rindenschicht befinden sich die Nierenkörperchen, in denen der Primärharn gebildet wird, und die gewundenen Teile der Nierenkanälchen. Das fein gestreifte
Nierenmark setzt sich aus den Nierenpyramiden zusammen, die von den geradeverlaufenden Teilen der Nierenkanälchen, von den Sammelröhren und den Blutgefäßen
gebildet werden. Sie laufen spitz zu und münden mit ihren
Enden, den Nierenpapillen, in das etwa 30 ml Harn fassende Nierenbecken. Durch die mikroskopisch kleinen
Öffnungen jeder Nierenpapille tröpfelt der Harn in die Nierenkelche, wo er aufgefangen und in das Nierenbecken
weitergeleitet wird.
Harnbildung
Die Leistungen der Niere beruhen auf der Ultrafiltration
des Blutes, der Regulation des so gewonnenen Primär-
harns durch Resorption und Sekretion sowie dessen Konzentration zum Endharn bei gleichzeitiger Rückgewinnung
der noch für den Körper wichtigen Stoffe. Dazu werden
konstant in jeder Minute 1,2 l Blut durch die Niere geschleust. An der Autoregulation der Nierendurchblutung ist
auch das Nierenhormon Renin beteiligt. Am stärksten
durchblutet wird hierbei die Nierenrinde, wo sich die etwa
1,2 Millionen Nephrone befinden, die Funktionseinheiten
der Niere. Ein Nephron besteht aus einem Nierenkörperchen und seinem Nierenkanälchen.
Ein Nierenkörperchen hat einen Durchmessser von 1/6
mm. Seine Wand wird als Bowman-Kapsel bezeichnet. Am
Gefäßpol der Kapsel tritt eine Arteriole ein, die sich zunächst im Kapselinneren in zahlreiche Kapillaren verzweigt,
die ein Gefäßknäuel, den Glomerulus, bilden, um sich dann
wieder zu einer ableitenden, gegenüber der zuführenden
aber engeren Arteriole zu vereinigen.
Am Harnpol des Nierenkörperchens setzt das Nierenkanälchen an. In der Umgebung seines Körperchens verläuft
es zunächst vielfach gewunden und verknäuelt, dann in
einer geraden Strecke in die äußere Markschicht auf seine
Pyramide zu. Vor ihrem Erreichen kehrt es in einer engen,
haarnadelförmigen Kurvenbahn, der Henle-Schleife, fast bis
zu seinem Nierenkörperchen zurück. Dabei liegt es immer
eng an einer Arterie, so dass ein Austausch von Substanzen zwischen Arterie und Nierenkanälchen möglich ist.
Die letzten Abschnitte des etwa 24 mm langen Nierenkanälchens sind wieder stark gewunden, bis es in ein Sammelrohr mündet, in das auch andere Nierenkanälchen ihren
Harn abgeben.
In seinem Verlauf zeigt das Nierenkanälchen unterschiedliche Weiten. Seine Zellen sind asymmetrisch strukturiert. An der flüssigkeitszugewandten Seite sind sie mit
einem dichten Bürstensaum ausgestattet, der die Ober- und
Austauschfläche und damit die Kontaktflüssigkeit zum Filtrat um das 40fache vergrößert. Eine weitere Oberflächenvergrößerung wird durch die spaltenbildenden Fußfortsätze der inneren Zellen erreicht.
In den Nierenkörperchen findet der Filtrationsprozess
des Blutes statt. Der nötige Filtrationsdruck wird weitgehend durch den Blutdruck in den Kapillaren bewirkt, der
durch das weite zuführende und das enge ableitende Gefäß
doppelt so hoch ist wie in anderen Gewebskapillaren. Das
Blut in den Kapillaren wird so in den „Glomerulusfilter“
gepresst, der aus drei Wirkschichten besteht: dem stark
gefensterten Kapillarendothel, der Basalmembran und dem
Epithel der Bowman-Kapsel.
– Kapillarendothel: Seine Poren sind jedoch nur 50 nm bis
100 nm groß, so dass die zellulären Bestandteile des
Blutes nicht hindurchwandern können.
– Basalmembran: Sie umgibt das Kapillarendothel und hält
die größeren Proteinmoleküle zurück.
1
– Epithel der Bowman-Kapsel: Es ist an den Berührungsstellen mit den Kapillaren zu besonderen Fortsätzen, den
Podozyten, umgeformt, die wie Füßchen der Basalmembran aufliegen. Diese Fußfortsätze sind miteinander
verzahnt und bilden Filtrationsschlitze mit einer Weite
von 20 nm bis 50 nm. Die Schlitze sind mit einem
Polysaccharid angefüllt und zur Basalmembran hin mit
einem dünnen Häutchen abgegrenzt. So bilden sie ein
Filtersystem, das Makromolekülen, z. B. roten Blutzellen,
Blutplättchen sowie den meisten Blutproteinen aufgrund
ihrer Größe, den Durchtritt verwehrt bzw. erschwert.
Wasser und kleinmolekulare Plasmabestandteile können
die Filtrationsschlitze passieren.
Durch das Filtersystem des Glomerulus wird etwa ein
Fünftel des Blutplasmas als Primärharn abfiltriert. Die restliche Blutmenge wird durch die ableitende Arteriole dem
Blutkreislauf wieder zugeführt.
Würden die Kapillaren eines Menschen aneinander
gereiht, ergäben sie eine Gesamtlänge von 25 Kilometern.
Die Gesamtfilterfläche betrüge dabei 1,5 Quadratmeter.
Durchschnittlich werden pro Minute 125 ml Primärharn abfiltriert. Die Primärharnproduktion schwankt jedoch im
Tagesverlauf und steigt zumeist nach Mahlzeiten an. Die
Bildung von Primärharn kann durch Schock akut gestört
werden.
Der Primärharn ist frei von zellulären Blutbestandteilen
und nahezu eiweißfrei. Seine Konzentration an Ionen (z. B.
Na+, K+, Ca+, Cl-, HCO-) und sein osmotischer Druck entsprechen in etwa den Werten des Blutplasmas. Bei Passage der Nierenkanälchen werden ihm aber ca. 99 % des
Wassers und ein Teil der gelösten Stoffe wieder entzogen
und in den Blutkreislauf zurückgeführt (rückresorbiert), so
z. B. Elektrolyte wie Chlor, Bikarbonat, Kalzium, Kalium,
aber auch Aminosäuren, Glukose und Wasser. Die Steuerung dieser Transport- und Resorptionsvorgänge erfolgt
dabei durch in der Niere selbst gebildete Mediatorensubstanzen und durch Hormone aus Hypothalamus, Hypophyse, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Nebennierenrinde
und Herz.
An der Resorption der im Primärharn gelösten Stoffe und
des Wassers sind die einzelnen Abschnitte des Nierenkanälchens in unterschiedlichem Maße beteiligt. Die
stärkste Resorption findet im Anfangsteil, dem proximalen
Tubulus, statt. Dieser wird eng von efferenten (wegführenden) Arteriolen umschlungen. Zwischen proximalem
Tubulus und Arteriolen findet eine intensive Resorption
statt. Sie richtet sich hier immer nach der Filtratmenge aus
dem Glomerulus und beträgt konstant 65 % des Filtratvolumens und des im Filtrat enthaltenen Natriumchlorids.
Daher spricht man von einer glomerulotubulären Balance.
Diese verhindert zum einen, dass bei einer geringen Primärharnmenge diese schon im proximalen Tubulus vollständig resorbiert wird. Zum anderen schützt sie bei größeren Priimärharnmengen die nachfolgenden Kanalabschnitte vor Überlastung. Der genaue Mechanismus der
glomerulotubulären Balance ist noch nicht hinreichend
geklärt.
Der proximale Tubulus verengt sich zur Henle-Schleife.
In deren absteigendem Schenkel werden weitere 15 % der
Filtratmenge wieder zurückgewonnen. Die Restresorption
erfolgt im Endteil des Nierenkanälchens, dem distalen
Tubulus, und im Sammelrohr. In diesen Abschnitten findet
auch die genaue Einstellung des Salz- und Wasserhaushaltes unter hormoneller Steuerung statt, bei der das
aus dem Hypothalamus stammende Hormon Adiuretin
(ADH) die entscheidende Rolle für die Wasserresorption
spielt, während das in den Herzvorhöfen produzierte
Hormon ANF (atrialer natriuretischer Faktor) die Natriumresorption steuert.
In den Nierenkanälchen werden jedoch nicht nur Inhaltsstoffe des Primärharns resorbiert. In den Bereichen
des proximalen Tubulus werden auch Stoffe aus den Zellen
ausgeschleust und in den Primärharn überführt (sezerniert).
So beschleunigt die Niere auch die Ausscheidung von
körperfremden Stoffen. Neben körpereigenen Abbaustoffen
wie Harnsäure sind es vor allem Medikamente, z. B.
Antibiotika, Sulfonamide und Barbiturate sowie Röntgenkontrastmittel.
Die Inhaltsstoffe des Primärharns werden sowohl transzellulär – durch die Tubuszellen hindurch – als auch parazellulär – zwischen den Zelleisten hindurch – transportiert.
Man unterscheidet dabei einen passiven und einen aktiven
Stofftransport.
Passive Transportkräfte sind vor allem Osmose und Diffusion. Eine Rolle spielen aber auch die sogenannten solvent drag, das sind Moleküle, die durch das strömende
Wasser mitgerissen werden, und der Transport durch Trägermoleküle.
Etwa vier Fünftel aller Inhaltsstoffe des Primärharns sind
Natriumsalze. Ein Drittel des Natriums wird durch aktiven
Transport, d. h. auf Energie verbrauchenden Wegen, transportiert. Daher ist der Energieaufwand der Niere in Abhängigkeit von der Natriumresorption zu sehen. Bei voller Nierenleistung ist er höher als der Energieverbrauch des
Herzmuskels. Die für einen aktiven Transport benötigte
Energie wird von einem ATP-spaltenden Enzym, der Na+K+-ATPase, freigesetzt und betreibt eine Na+-K+-lonenaustauschpumpe. Diese bewirkt, dass Natrium aus der
Tubenflüssigkeit in die Zelle bzw. den extrazellulären Raum
(Interstitium) gelangt. Dieser Natriumtransport geschieht
entweder als gekoppelter Transport, bei dem das Natrium
an ein Anion gebunden ist, oder durch einen Gegentransport, einen Na+-H+-Austausch.
Abb. 1: Lokalisation der Transportvorgänge im Nephron
Ein Großteil der gelösten Substanzen wird im proximalen
Tubulus resorbiert. Ein weiterer Resorptionsschwerpunkt
liegt im dickeren Teil des aufsteigenden Schenkels der
Henle-Schleife (distaler Tubulus). Dessen Epithel ist jedoch
wasserundurchlässig, so dass hier keine Wasserresorption
stattfinden kann. Daher sinkt in der Tubulusflüssigkeit der
osmotische Druck, während das Resorbat gegenüber dem
Plasma einen erhöhten osmotischen Druck aufweist. Diese
Druckunterschiede im Nierenmark ermöglichen es der
Niere, den Endharn je nach Bedarf sowohl osmotisch zu
konzentrieren als auch zu verdünnen. Die osmotische Konzentration des Endharns ist dabei von dem Ausmaß der
Wasserresorption und von der Menge der auszuscheidenden harnpflichtigen Substanzen abhängig. Das bedeutet, dass in der Regel der Endharn osmotisch konzentriert
werden muss.
Der osmotische Druck einer Lösung wird von der Anzahl
der im Lösungsmittel frei beweglichen Teilchen bestimmt.
Seine Maßeinheit ist das Osmol, das ist 1 mol, geteilt durch
die Anzahl der gelösten Teilchen. 1 mmol ist der tausendste
Teil eines Osmols. Blutplasma hat eine Osmolarität von ca.
300 mmol/1. Lösungen mit der gleichen Osmolarität nennt
man isoton. Bei hypertonen Lösungen ist der osmotische
2
Druck höher als im Plasma, bei hypotonen Lösungen
geringer. Die Harnkonzentrierung, also die Produktion eines
hypertonen Endharns, erfolgt durch einen Gegenstrommechanismus, der durch die Struktur der Henle-Schleife
und die unterschiedliche Durchlässigkeit ihres Epithels für
Wasser und Harnstoff ermöglicht wird.
Das Glomerulusfiltrat ist zunächst isoton. Durch Wasserentzug und Diffusion von Natrium und Harnstoff aus dem
aufsteigenden Schenkel wird der osmotische Druck im absteigenden Schenkel der Henle-Schleife zunehmend vergrößert, und er ist an der Schleifenspitze am höchsten. Weil
das Epithel des aufsteigenden Schenkels wasserundurchlässig ist, kann hier kein Wasserentzug erfolgen. Da
aber Natrium und Harnstoff resorbiert werden, verringert
sich in seinen Abschnitten zunehmend die Osmolarität der
Tubulusflüssigkeit. Diese wird schließlich hypoton. Durch
Wasserresorption im Endabschnitt des Nierenkanälchens
wird die Tubulusflüssigkeit dann volumenmäßig halbiert und
daher wieder isoton. Weiterer Wasserentzug, das Eindringen von Harnstoff und die Feinregulation der Natriumresorption während des Durchgangs im Sammelrohr sorgen
für ein zunehmendes Ansteigen des osmotischen Druckes,
so dass schließlich ein gegenüber dem Plasma osmotisch
stark konzentrierter Endharn das Sammelrohr verlässt.
Alle Transportmechanismen dienen dazu, für den Körper
wichtige Stoffe zu resorbieren. Während viele Inhaltsstoffe
des Primärharns quantitativ unbeschränkt resorbierbar sind,
gibt es Substanzen, die ab einer bestimmten Konzentration,
die man „Nierenschwelle“ nennt, nicht mehr resorbiert,
sondern mit dem Endharn ausgeschieden werden. So wird
z. B. Glucose bei normaler Konzentration im Plasma wieder
vollständig aus dem Primärharn resorbiert. Ist aber, z. B.
diabetisch bedingt, die Blutzuckerkonzentration so stark
erhöht, dass sie im Glomerulusfiltrat eine Konzentration von
2 g/l übersteigt, ist der Überschuss im Endharn nachweisbar. Einer Nierenschwelle unterliegen neben Glucose auch
Sulfat, Phosphat, Aminosäuren und Bicarbonat.
Bei einem erwachsenen Menschen werden täglich etwa
1,5 Liter Endharn gebildet. Er besteht zu 95 % aus Wasser.
Sein wichtigster Bestandteil ist der in der Leber gebildete
Harnstoff, ein Endprodukt des Eiweiß-Stoffwechsels.
Durch den Harn werden in 24 Stunden durchschnittlich
ausgeschieden:
– organische Stoffe
25 bis 30 g Harnstoff
1,3 g Kreatinin
0,5 bis 1,0 g Harnsäure
– anorganische Stoffe
5,9 g Na+
2,7 g K+
0,5 g Ca+
0,4 g Mg2+
0,7 g NH3+
8,9 g CI4,1 g PO2,4 g SODie gelbe Farbe des Harns wird vor allem durch das
Urobilinogen, ein Abbauprodukt des Blutfarbstoffs Hämoglobin und durch das Urochrom (Produkt des Eiweiß- und
Hämoglobinstoffwechsels) erzeugt.
Die ableitenden Harnwege
Aus den Sammelröhrchen tropft der Endharn in die acht
bis zehn Nierenkelche, die sich zum Nierenbecken vereinigen. Dieses geht in den 25 cm bis 30 cm langen und 3
bis 7 mm breiten Harnleiter über, dessen Peristaltik den
Harn – durchschnittlich 3 bis 6 Tropfen pro Minute – zur
Harnblase befördert.
Die Harnblase ist ein Hohlorgan, das schüsselförmig im
vorderen Teil des Beckens liegt. Ihre Wand, außen elastische Fasern und innen glatte Muskulatur, ist dehnbar und
kann sich unterschiedlichen Füllungszuständen bis zu maximal 1,5 Litern anpassen. Die Blaseninnenfläche ist mit
Schleimhaut ausgekleidet, die im Bereich des Blasengrundes stark schmerzempfindlich ist. Hier liegen auch etwa
3 cm bis 5 cm voneinander entfernt die schrägen Einmündungen der beiden Harnleiter und die Ausmündung der
Harnröhre.
Die Harnröhre ist bei Frauen gerade, nur wenige Zentimeter lang und mündet in den Scheidenvorhof. Bei Männern vereinigt sie sich in der Prostata mit den Samenleitern
und verläuft als Harnsamenröhre durch das Geschlechtsglied.
Die Entleerung der Blase wird durch zwei Schließmuskeln geregelt, dem aus glatter Muskulatur bestehenden
Blasenschließmuskel und dem Harnröhrenschließmuskel
aus quer gestreifter Muskulatur. Der Harndrang wird
normalerweise vom Füllungszustand der Blase – etwa bei
400 cm3 – ausgelöst, kann aber auch durch Reizung der
Blasenschleimhaut bei einer Entzündung oder durch Erregungs- und Angstzustände verursacht werden. Die Blasenentleerung erfolgt zunächst reflektorisch. Die Beherrschung
der Schließmuskulatur wird im Laufe der Kindheitsentwicklung gelernt, so dass die Blasenentleerung in der Regel
willkürlich vorgenommen wird.
Erkrankungen der Niere und der Harnwege
Erkrankungen der Niere und der Harnwege können vor
allem durch Harnuntersuchungen festgestellt werden. Im
Normalfall ist der Harn klar und von gelblicher Färbung.
Trübungen weisen in der Regel auf Erkrankungen hin. Sie
werden durch Beimengungen von roten und weißen Blutkörperchen, Eiweiß, Bakterien sowie Gewebeteilchen aus
Blase und Niere hervorgerufen. Weitere Hilfsmittel zur Diagnose von Nierenerkrankungen sind Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen sowie die Computertomographie.
Grundsätzlich sollte ein Arzt aufgesucht werden, wenn
folgende Symptome auftreten:
– Brennen in der Harnröhre,
– vermehrter Harndrang,
– Verfärbung und Trübung des Harns,
– Schmerzen in der Nierengegend,
– Kopfschmerzen und Sehstörungen,
– Wasseransammlungen im Gesicht, am Leib und an den
Beinen.
Nicht ausgeheilte Nierenerkrankungen, aber auch wiederholte Harnwegsinfektionen und Nierenbeckenentzündungen, können zu einer chronischen Niereninsuffizienz
führen.
Mit fortschreitendem Funktionsverlust der Nieren häufen
sich dann die harnpflichtigen Stoffe im Blut so an, dass es
schließlich zu einer Harnvergiftung (Urämie) kommt, die
zum Tode führen kann. Daher müssen die Funktionsverluste bei einem chronischen Nierenversagen, bei dem
Nierengewebe zerstört ist, durch Blutwäschen ausgeglichen
werden. Bei einem akuten Nierenversagen, das durch
Schock, Vergiftungen, größeren Blutverlust oder ausgedehnte Verbrennungen ausgelöst wird, können dagegen die
Nierenfunktionen wiederhergestellt werden.
Vorbeugung von Harnwegsinfektion und Nierenerkrankung
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft
empfiehlt:
– Intimsprays, Schaumbäder, desinfizierende Lösungen
und schärfere Seifen vermeiden, weil sie Haut und
Schleimhaut im Bereich der Geschlechtsorgane schädigen und dadurch für Bakterien einen besseren Nährboden schaffen.
– Bei Ausfluss immer einen Arzt zu Rate ziehen, weil
Ausfluss die Gefahr von Infektionen erhöht.
– Viel trinken (Durchspülung) hemmt die Besiedlung der
Harnröhre mit Bakterien.
– Harn nicht zu lange anhalten, weil eine starke Blasenfüllung die Abwehr gegen Bakterien schwächt.
Rezepturen für Blasen- und Nierentees:
– 20 g Birkenblätter
20 g Queckenwurzelstock
20 g Riesengoldrutenkraut
20 g Hauhechelwurzel
20 g Süßholzwurzel
3
–
5 g Ringelblumenblüten
10 g Heidekrautblüten
15 g Bärentraubenblätter
10 g Brennnesselblätter
10 g Hagebutten, geschnitten
20 g Wacholderbeeren, gestoßen
10 g Schließgraswurzel
10 g Hauhechelwurzel
Harnsteine
Harnsteine können sich in der Niere, in den Nierenkelchen, im Nierenbecken, in den Harnleitern und in der
Blase befinden. Ihre Entstehungsursachen sind noch nicht
restlos geklärt. Man nimmt jedoch an, dass Stoffwechselstörungen und/oder eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen dabei eine Rolle spielen. Eine Steinbildung wird begünstigt durch Harnstauungen, Infektionen und Verletzungen der Nierenbeckenschleimhaut. Männer leiden häufiger
an Harnsteinbildungen als Frauen.
Harnsteine entstehen aus ausgefällten Harnsalzen und
Kolloiden. Sie sind aus organischer Gerüstbausubstanz und
kristallinen Steinbildnern aufgebaut. Nach ihrer chemischen
Zusammensetzung unterscheidet man u. a. Urat-, Oxalat-,
Cystin-, Kreatin-, Phosphat- und Carbonatsteine. Farbe,
Form und Konsistenz sind von der chemischen Zusammensetzung abhängig. Die Größe der Steine ist sehr variabel, Ausguss- oder Korallensteine können das gesamte
Nierenbecken ausfüllen.
Während Blasensteine relativ wenig Beschwerden verursachen, kann es bei der Wanderung von Nierensteinen zu
äußerst schmerzhaften Koliken und zu Harnstauungen
kommen. Ob Steine auf chemischem Weg aufgelöst werden können, hängt von ihrer Zusammensetzung ab. Leider
ist dies nur in wenigen Fällen möglich und sehr langwierig.
Blasensteine können in den meisten Fällen bei einer Blasenspiegelung problemlos zertrümmert werden. Dies geschieht durch Einführung eines geeigneten Instrumentes
von außen in die Blase. Bleiben Harnsteine im unteren
Drittel eines Harnleiters oder in der Blase stecken, kann der
Arzt versuchen, sie unter Röntgenkontrolle mittels einer
Schlinge herauszuziehen. Nierensteine müssen dagegen in
10 bis 15 % der Fälle operativ entfernt werden.
Seit 1980 werden Nierensteine mit großem Erfolg durch
Ultraschall zertrümmert. Bei diesem Verfahren wurde der
Patient anfangs in Vollnarkose oder nach einer Rückenmarksbetäubung so in einer wassergefüllten Wanne postiert, dass sich der Nierenstein im Brennpunkt der Schallwellen befand.
Diese wirken einerseits beim Durchlauf als Druckwellen,
zum anderen agieren sie, an der Rückseite des Steines
reflektiert, als Zugwellen und lockern so das mineralische
Gefüge des Steins auf. In einer 45- bis 60-minütigen
Behandlung wirken 800 bis maximal 1500 Stoßwellen auf
den Stein ein, bis er in sandkorngroße Teilchen zerlegt ist,
die mit dem Harn ausgespült werden können. Um den
Abgang der Steinteilchen zu fördern, muss der Patient
zusätzlich bei jeder Therapie viel trinken.
Abb. 2: Niere mit Harnsteinen
Da es immer wieder zu einer neuen Steinbildung kommen kann, wird den Betroffenen vorsorglich empfohlen,
– viel zu trinken,
– sich ausreichend körperlich zu betätigen,
– für eine geregelte Verdauung zu sorgen,
– unter Umständen eine bestimmte Diät einzuhalten.
Mit diesem Verfahren wurden alleine in der Urologischen
Klinik in Wuppertal-Barmen seit 1983 mehr als 9000 Nierensteine zertrümmert. Seit 1991 gibt es Apparaturen, bei
denen der Patient während der Behandlung nicht mehr im
Wasser liegen muss, sondern im Bett unter das Gerät
gerollt werden kann bzw. auf dem Gerät liegt. Die Steine
werden dann mittels Ultraschall geortet und durch Stoßwellen zerstört.
Dialyse
Menschen, deren Nieren chronisch oder akut versagen,
kann durch Blutwäsche mittels einer künstlichen Niere
(Dialyse) geholfen werden. Für ca. 28.000 Menschen in
Deutschland ist die Dialyse lebensnotwendig.
Unter „Dialyse“ versteht man ein physikalisches Verfahren, bei dem lösliche Stoffe mit niedrigem Molekulargewicht
mit Hilfe semipermeabler (halbdurchlässiger) Membranen
aus Lösungen hochmolekularer Stoffe entfernt werden.
Dabei nutzt man aus, dass wässrige Lösungen mit unterschiedlicher Konzentration bestrebt sind, einen Konzentrationsausgleich herbeizuführen, wenn sie durch eine semipermeable Membran getrennt sind.
Für eine Blutwäsche müssen Membranen mit einer Porengröße gewählt werden, durch die Salze, Glukose, Endprodukte des Eiweißstoffwechsels, z. B. Harnstoff, sowie
Medikamentenrückstände und ähnliche Stoffe in die Spülflüssigkeit hinüberwandern können, während Blutzellen,
Eiweiße und Fette in der Blutflüssigkeit zurückgehalten
werden.
Zur Dialyse wird eine Trennflüssigkeit benutzt, die in ihrer Zusammensetzung weitgehend der Gewebeflüssigkeit
entspricht. Wird die Dialyse in Vergiftungsfällen eingesetzt,
z. B. bei Pilzvergiftungen, kann die Flüssigkeit so zusammengestellt werden, dass sie die spezifischen Gifte herauswäscht.
Bei der Blutwäsche unterscheidet man die Hämodialyse,
die außerhalb des Körpers mittels einer künstlichen Niere
durchgeführt wird, von der Peritonealdialyse, die im Körper
des Patienten selbst durchgeführt wird, indem die Gefäßwände im Bauchfell als Membranen genutzt werden. Zur
Hämodialyse
werden
unterschiedliche
Apparaturen
(Dialysatoren) eingesetzt, die sich durch den Aufbau der
Membraneinheiten unterscheiden:
– Spulendialysator: Membranschläuche aus Zellophan
werden auf Zylinder gewickelt und durch ein Kunststoffmaschennetz zusammengehalten. Das Blut wird durch
die Zellophanschläuche gepumpt, während die Spülflüssigkeit an der Außenwand der Schläuche entlangfließt.
– Plattendialysator: Je zwei Zellophanmembranen werden
zwischen Kunststoffplatten zusammengepresst. Das Blut
fließt zwischen den Membranen hindurch, während die
Spülflüssigkeit im Gegenstrom an den Außenseiten
vorbeigeleitet wird.
– Kapillardialysator: Er besteht aus etwa 10.000 gebündelten hohlen Zellulosefasern mit einem Durchmesser
von 1/200.000 mm. Das Blut fließt durch diese künstlichen Haargefäße, die von der Dialyseflüssigkeit
umspült werden.
Ein Patient mit chronischem Nierenversagen muss sich
lebenslang drei- bis viermal wöchentlich einer Blutwäsche
unterziehen. Das Verfahren dauert vier bis acht Stunden
und kann bei entsprechender Einrichtung auch zu Hause
durchgeführt werden.
Um die sich ständig wiederholende Dialyse zu erleichtern, bei der das Blut des Patienten mehrere Male durch
das Dialysegerät geleitet wird, werden dem Dialysepatienten Kunststoffkatheter in je eine Arterie und Vene des
Unterarms oder Unterschenkels eingelegt. Sie werden mit
einem Verbindungsstück verschlossen, das zur Dialyse
abgenommen wird. Dann wird das Blut aus der Arterie in
4
die Dialyseapparatur geleitet, dort „gewaschen“, das heißt
von den harnpflichtigen Stoffen befreit, und in die Vene
zurückgeführt.
Dialysepatienten müssen sich in ihrer ganzen Lebensführung nach dem Dialyserhythmus richten und außerdem
eine spezifische Diät einhalten, z. B. kein Salz, Alkohol oder
zu üppige Mahlzeiten. Die Dialyse stellt auf Dauer eine
große psychische und physische Belastung für den Kranken dar. Als alleiniger Ausweg bietet sich die Transplantation einer Spenderniere an.
Nierentransplantation
Die Transplantation von Organen wird vorgenommen,
wenn es keine anderen auf Dauer Erfolg versprechenden
Mittel oder Methoden zur Rettung eines Kranken mehr gibt.
Dabei ist es heute möglich, nahezu alle Organe von
Mensch zu Mensch zu übertragen. Vorrangig werden dabei
Organe von Toten verwendet. Sie stammen in der Regel
von Unfallopfern.
In Deutschland ist eine Organentnahme nur möglich,
wenn die Angehörigen einwilligen, bzw. wenn eine
schriftliche Willenserklärung (Spenderpass) des Verstorbenen vorliegt. Vor einer Organentnahme müssen zwei nicht
am Transplantationsverfahren beteiligte Ärzte den Hirntod
des Spenders festgestellt haben.
Eine Organentnahme aus einem lebenden Spender
(Niere, Knochenmark) wird nur vorgenommen, wenn dieser
volljährig ist und nach umfassender ärztlicher Aufklärung
seine Zustimmung gegeben hat. Ein neues Transplantationsgesetz ist in Vorbereitung. Die in der ehemaligen
DDR praktizierte Regelung, eine Organentnahme nicht von
einer Einwilligung abhängig zu machen, sondern sie zu
erlauben, wenn keine Widerspruchserklärung des Verstorbenen vorliegt, trifft in den Diskussionen nicht immer auf
Zustimmung.
Nieren waren die ersten Organe, die erfolgreich übertragen werden konnten. Die erste Nierentransplantation fand
1961 in den USA statt. 1967 wurde dieses Verfahren erstmalig in Deutschland (Bonn) angewandt. 1990 wurden in
Deutschland 2358 Nieren transplantiert; davon stammten
3 % von lebenden Spendern.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Organübertragung
ist, dass Spenderorgan und Gewebe des Empfängers immunologisch weitgehend übereinstimmen. Da eine funktionstüchtige Niere genügt, um alle Aufgaben im Körper zu
erfüllen, wird jeweils nur eine Niere übertragen. Das
Ersatzorgan wird in der Regel im rechten Unterbauch an die
Blutgefäße angeschlossen. Dieser Transplantationsort hat
sich bewährt, weil die Niere dort geschützt liegt, problemlos
mit der Blase verbunden werden kann und gut zugänglich
ist. Abstoßreaktionen des Körpers können heute meist
erfolgreich mit Medikamenten bekämpft werden.
Das Verfahren ist technisch und medizinisch so ausgereift, dass nach einem Jahr noch etwa 90 %, nach fünf
Jahren noch 50 % der transplantierten Nieren funktionsfähig sind. Selbst wiederholte Nierentransplantationen sind
möglich.
Eine Nierentransplantation verschafft dem Kranken die
nötigen körperlichen Funktionen, befreit ihn von der belastenden maschinellen Therapie und gibt ihm seine Lebensqualität zurück. Insbesondere bei chronisch nierenkranken
Kindern ist sie wegen der Bedeutung der Nieren für das
Wachstum und für die Produktion wichtiger Hormone
unumgänglich.
In Deutschland besteht zurzeit ein jährlicher Bedarf an
3500 Spendernieren, der jedoch nur zu Zweidritteln gedeckt
werden kann. Nierenkranke müssen so bis zu drei Jahren
auf eine Transplantation warten. Oft können lebensnotwendige Transplantationen nicht durchgeführt werden,
weil es in breiten Bevölkerungskreisen an Wissen um das
Verfahren und um die Notwendigkeit von Organspenden
fehlt.
Der folgende Text ist ein Auszug aus der Erklärung der
Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Organtransplantationen:
„Der Fortschritt der Medizin rückt vieles von dem, was
einst schicksalhaft hinzunehmen war, in den Bereich
menschlicher Planung und damit menschlicher Verantwortung. So stellen sich mit den heutigen Möglichkeiten der
Gewebe- und Organtransplantation auch ethische Fragen.
Die ethische Beurteilung von Organtransplantationen erstreckt sich zunächst auf die Belange des Empfängers und
des Spenders sowie auf die Aufgaben des Arztes. Daneben
sind auch kulturelle und soziale Auswirkungen sowie rechtliche Bestimmungen mitzubedenken. Die beiden ärztlichen
Grundsätze „Das Wohl des Kranken ist das oberste Gesetz“
und „Dem Kranken nicht schaden“ gelten auch für die
Transplantation.
Auf Seiten des Empfängers ist der zu erwartende Nutzen
gegen den möglichen Schaden abzuwägen. Transplantationen sollen Leben erhalten, verlängern und verbessern; sie
können bestimmte Leiden verringern und bestimmte Erkrankungen heilen. Niemand hat allerdings einen Anspruch
auf Körperteile eines lebenden oder toten Mitmenschen.
Kranke dürfen jedoch zu ihrer Behandlung freiwillig gespendete Gewebe und Organe als Geschenk von anderen
annehmen; sie müssen aber auch wissen, dass nicht alle
Transplantationen gelingen. Der Empfänger eines Organs
braucht keine Änderung seines Wesens zu befürchten,
kann aber zuweilen bedenken, dass er das Organ eines
anderen, meist eines verstorbenen Menschen in sich trägt.
Auf Seiten des Spenders bestehen neben medizinischen
und rechtlichen auch ethische Grenzen der Organentnahme. Ein lebender Spender darf mit einer Organspende nicht
seinen Tod herbeiführen. Er darf also nur ein paariges Organ (z. B. eine Niere) spenden, von unpaarigen Organen
und Geweben nur Teile. Ganze, lebensnotwendige Organe
dürfen überhaupt nur von Toten entnommen werden.
Kein Lebender darf aus irgendeinem Grund zu einer Organspende genötigt werden. Eine Organspende aus ökonomischen Motiven ist ebenso wie der Organhandel ethisch
nicht vertretbar. Der Verkauf eigener Organe ist ein Verstoß
gegen die Würde des Menschen.
Handelt es sich um einen toten Spender, so gebührt dem
Leichnam respektvolle Behandlung und dem Willen des
Verstorbenen besondere Beachtung. Wer sich zu Lebzeiten
zur Organspende nach seinem Tod äußert, nimmt seinen
Angehörigen die zuweilen schmerzliche Last einer Entscheidung ab und erspart ihnen die Not von Mutmaßungen
über seinen Willen.
Die Regeln und Richtlinien sind für die einzelnen Organe
unterschiedlich: Herz- und Lebertransplantationen werden
nach ihrer Dringlichkeit durchgeführt. Bei der Nierentransplantation gibt die bestmögliche Gewebeübereinstimmung
und damit der langfristige Erfolg den Ausschlag. Dank der
künstlichen Niere gibt es bei Erwachsenen kaum akut
dringliche Nierentransplantationen. Bei Kindern allerdings
gilt die Nierentransplantation wegen deren Bedeutung für
das Wachstum grundsätzlich als vordringlich. Bei gleicher
oder weitgehend ähnlicher Gewebeverträglichkeit entscheidet die Wartezeit.“
In der Bundesrepublik Deutschland werden die Organe
vor allem über die Zentrale der Eurotransplant Foundation
im niederländischen Leiden verteilt. Hier sind alle wichtigen
Daten der Kranken registriert, die auf eine Niere, ein Herz,
eine Leber oder eine Bauchspeicheldrüse warten. Eine
mögliche Organspende wird sofort diesem Zentrum gemeldet; dort werden die Empfänger im Eurotransplant-Bereich
(Benelux-Staaten, Deutschland, Österreich) ermittelt, für die
sich die entnommenen Organe besonders eignen.
Aus christlicher Sicht gibt es keinen grundsätzlichen Einwand gegen eine freiwillige Organspende. Bedenken ergeben sich nur aus der Möglichkeit des Missbrauchs (z. B.
Organhandel).
Für die Transplantation von Geweben und Organen eines Verstorbenen müssen folgende Bedingungen erfüllt
sein:
– Die Möglichkeit einer Organentnahme darf die Bemühungen um das Leben des Spenders und seine Behandlung nicht behindern oder einschränken.
5
– Der Tod des Spenders muss vor der Explantation zweifelsfrei feststehen.
– Die rechtlichen Voraussetzungen der Extransplantation
müssen erfüllt sein.
– Der Eingriff muss die Würde des Verstorbenen achten
und darf die Empfindungen von Angehörigen nicht leichtfertig verletzen.
– Die Organe müssen nach sachlich und ethisch vertretbaren Regeln verteilt werden.
Kopiervorlagen [Abb. 08 - interaktiv ]
Arbeitsblatt 1: Erkrankungen der Blase und Nieren
_______________________________________________________________________
Krankheit
Blasenentzündung
Nierenbeckenentzündung
_______________________________________________________________________
Ursachen
Unterkühlung,
Durchnässung
vorangegangene
Mandelentzündung oder
Scharlach
Erreger
Bakterien
Bakterien
(Kolibakterien)
Bakterien
(Streptokokken)
betroffener
Personenkreis, v. a.
Symptome
Mädchen
und Frauen
Mädchen
und Frauen
Kinder und
Jugendliche
Methodisch-didaktische Hinweise
Das Kapitel „Ausscheidung – Niere“ bietet Material für
einen Unterricht, der
– Kenntnisse über den Bau und die Funktion der Nieren
vermittelt,
– über Erkrankungen des Nieren-Harnwegesystems sowie
über entsprechende Vorbeugungsmaßnahmen informiert,
– Einblick in moderne, apparative Behandlungsmethoden
gewährt,
– für die Problematik und die Notwendigkeit einer Organspende sensibilisieren will.
Anhand von Abb. 01 und 02 kann der Aufbau der Niere
erarbeitet werden. Die Schemazeichnung des Nephrons
bildet die Anschauungsgrundlage für die unterschiedlichen
Strukturen der Niere und ihrer entsprechenden Funktionen.
Information über die Endharnbereitung sind den
Möglichkeiten
der
Lerngruppe
anzupassen.
Als
Basiswissen gilt, dass
– in den Nierenkörperchen das Blut gefiltert wird;
– das Filtrat, der Primärharn, neben den harnpflichtigen
Stoffen noch für den Körper wichtige und verwertbare
Substanzen enthält;
– diese Substanzen auf dem Weg durch das Tubulussystem des Nephrons zurückgewonnen werden;
– der Großteil des Wassers wieder resorbiert wird;
– bei der Aufarbeitung des Primärharns zum Endharn
gleichzeitig der Mineralstoffhaushalt (Salzhaushalt) und
der Wasserhaushalt des Körpers reguliert werden.
Es empfiehlt sich zur Vertiefung, die Nephronzeichnung
auf ein Arbeitsblatt zu kopieren. Die Schüler können dann
die einzelnen Strukturen benennen und die Funktionen zuordnen sowie den Vorgang der Endharnbereitung schriftlich
festhalten.
Arbeitsblatt 1 informiert über die häufigsten Erkrankungen von Blase und Niere. An seine Bearbeitung sollte sich
die Ableitung von Regeln zur Gesunderhaltung dieser Organe anschließen. Ergänzend kann ein Nierentee zusammengestellt, aufgebrüht und probiert werden.
Da von Blasen- und Nierenbeckenentzündungen vor allem Frauen betroffen sind, können anschließend die Bildung von Harnsteinen und deren Zertrümmerung besprochen werden.
Anhand der Abbildung des Dialysators (Abb. 05) kann
mit
der
Funktionsbeschreibung
gleichzeitig
eine
Wiederholung der Nierenfunktionen erfolgen.
Mit diesem Bild kann auch der Unterrichtsschwerpunkt
„Nierentransplantation“ beginnen. Hierbei sollten die Schüler ausreichend Gelegenheit erhalten, die Problematik der
Organtransplantation und der Organspende zu diskutieren
und ihre eigenen Ängste zur Sprache zu bringen.
An einem realen Beispiel will das Arbeitsblatt 2 Informationen über die Problematik geben. Die Bedeutung einer
Nierentransplantation für den Empfänger des Transplantates soll dabei herausgestellt und die Notwendigkeit von
Organspenden ins Bewusstsein gerufen werden.
Die Schemazeichnung auf Abb. 06 erklärt wie und wo
das Transplantat (die Spenderniere) im Körper des
Empfängers eingesetzt und angeschlossen wird.
Zum Abschluss der Unterrichtseinheit kann das Arbeitsblatt 3 eingesetzt werden, das wichtige Begriffe der Thematik noch einmal aufgreifen und festigen will.
Nierenentzündung
häufiger Harn- hohes Fieber,
drang
Kopfschmerzen,
Schmerzen
In der Nierengegend beim
Wasserlassen
aufgedunsenes
Gesicht, Fieber,
Kopf- und Nierenschmerzen,
hoher Blutdruck,
zuweilen Erbrechen
Beschaffentrüb, zuweilen trüb und dunkel trüb und dunkel,
heit des Harns eitrig/blutig
Menge nur gering
Medikamente
Sulfonamide
Antibiotika
Antibiotika
Antibiotika
Verhaltensregeln
Bettruhe,
viel trinken
strenge Bettruhe, viel
trinken
strenge Bettruhe,
wenig trinken,
salz- und eiweißarme Kost
_______________________________________________________________________
Arbeitsblatt 2: Nierentransplantation
Lösungen:
1. Die Niere stammte von einem 18-jährigen Unfallopfer.
2. Der sicher festgestellte Hirntod des jungen Mannes
(zweimaliges Messen der Hirnströme im Abstand von 6
Stunden) und die Einwilligung seiner Eltern waren nötig,
um die Nieren entnehmen zu dürfen.
3. Die Nieren können außerhalb des Körpers höchstens 24
Stunden (im Notfall bis zu 30 Stunden) aufbewahrt
werden.
4. Die Grobauswahl tätigte der Zentralcomputer in Leiden,
die Feinauswahl wurde vom Institut für Immungenetik in
Essen vorgenommen. Auswahlkriterien waren
– die Übereinstimmung der Gewebeeigenschaften,
– die Verträglichkeitsprobe mit dem Gewebe des Spenders und
– die Wartezeit auf eine Transplantation.
5. Die Empfängerin musste seit ihrem 15. Lebensjahr dreimal in der Woche eine Blutwäsche vornehmen lassen.
Sie musste sich beim Essen und Trinken nach ihren
Diätvorschriften richten. Sie konnte keinen Beruf erlernen und keiner geregelten Berufstätigkeit nachgehen.
Sie konnte nicht in Urlaub fahren.
Arbeitsblatt 3: Nieren sind lebenswichtige Organe
Lösung:
1. Harnuntersuchung
N
2. Filtern
I
3. Nierenmark
E
4. Nierenkörperchen
R
5. Blase
E
6. Mineralstoffhaushalt
N
7. Blasentee
T
8. Harnröhre
R
9. Nierenpyramide
A
10 Bakterien
N
11 Nierenkapsel
S
12 Primärharn
P
13. Ultraschall
L
14. Diabetes
A
15. Harnstein
N
16. Harnleiter
T
6
17. Sammelröhrchen
A
18. Bettruhe
T
19. Dialyse
I
20. Antibiotika
O
21. Nierenbecken
N
Lösungswort: Nierentransplantation
meist nicht entfernt (Ausnahme: Krebs), sondern weiterhin
durchblutet. Die Spenderniere übernimmt die Funktionen
der funktionsuntüchtigen Nieren (Schrumpfnieren).
Inhalt der interaktiven Tafelbilder
Abb. 01 und 02: Bau und Funktion der Niere
Ein detaillierter Längsschnitt durch die Niere zeigt die
inneren Baumerkmale und die zu- und ableitenden Gefäße.
Abb. 03: Nierenkörperchen
Vergrößerter Ausschnitt aus der Nierenrinde. Die Schemazeichnung zeigt ein Nephron, die Filtrationseinheit einer
Niere. Das Nierenkörperchen (Glomerulus mit Bowman’
scher Kapsel) befindet sich in der Nierenrinde, das Tubulussystem im Nierenmark.
Abb. 04: Glomerulus
Die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme zeigt
Kapillarschlingen eines Glomerulus in 7000facher Vergrößerung. Deutlich sind die Podozyten des Kapselepithels,
ihre Fußfortsätze und die von ihnen gebildeten Filtrationsschlitze zu sehen.
Abb. 04: Funktion des Glomerulus
Die Zeichnung stellt schematisch Filtriervorgänge im
Glomerulus sowie Resorptions- und Sezernierungsmechanismen im Tubulussystem dar.
Durch das Filtersystem des Glomerulus werden alle
zellulären Blutbestandteile sowie die Makromoleküle des
Plasmaeiweißes (Albumine und Globuline) zurückgehalten.
Die Resorption im Tubulusbereich erfolgt vorwiegend
durch aktive Transportmechanismen und durch Diffusion:
Aktive Transportmechanismen: z. B. Natrium (Na +) durch
die Na+-K+-Austauschpumpe, in geringem Maße auch
Calcium (Ca2+) durch Na+-Ca2+-Austauschpumpe. Zu den
aktiven Transportmechanismen zählt auch die Koppelung
an Anionen, wie Cl- (z. B. Natrium als Natriumchlorid: NaCI)
und -HCO3 (z. B. Natrium als Natriumcarbonat: NaHCO3).
Sekundär aktiv transportiert werden auch Aminosäuren und
Glucose (bis zum Schwellenwert) durch Koppelung mit Na +Transporten.
Diffusion: Auf diesem Wege werden Na +-, Ca2+- und
Mg2+-Ionen, Ammoniak (NH3) sowie Wasser resorbiert. Mit
dem Wasserstrom können auch andere Substanzen, z. B.
Harnstoff, mitgerissen und so resorbiert bzw. sezerniert
werden. Vorrangig ist bei allen Resorptionsvorgängen die
Aufnahme von Natrium, da etwa 80 % aller im Primärharn
gelösten Stoffe Natriumsalze sind. Nicht resorbierbar sind
dagegen z. B. Saccharose und Lactose.
Abb. 06 und 07: Nierenerkrankungen und Behandlung
Abb. 06: In der Schemazeichnung sind Aufbau und Anschluss eines Dialysegerätes, eines Plattendialysators,
dargestellt. Zur Blutwäsche wird eine Vene des Patienten
blockiert und durch einen „Shunt“ (engl.: Nebengleis) mit
einer Arterie verbunden. Das arterielle Blut kann so aus der
Vene entnommen und in den Dialysator geleitet werden.
Hier fließt es durch Zellstoffmembranen, die durch Kunststoffplatten ummantelt sind.
Die Poren der Membranen sind so klein, dass Blutzellen,
Eiweiße und Fette im Blut zurückgehalten werden, während
die harnpflichtigen Stoffe passieren und in die Spülflüssigkeit übergehen. Diese entspricht in ihrer Zusammensetzung der Gewebeflüssigkeit und wird im Gegenstrom an
den Außenwänden der Membranplatten vorbeigeleitet. Das
so gereinigte Blut wird in eine Vene des Patienten zurückgeleitet.
Abb. 07: Die Schemazeichnung „Nierentransplantation“
zeigt, wie die Spenderniere im oberen rechten Beckenbereich an das Gefäßsystem des Empfängers angeschlossen ist. Die nicht mehr funktionsfähigen Nieren werden
Autorin:
Grafik:
Fotos:
Rosemarie Schatz
Mario Bongartz
Hagemann Bildungsmedien
Step-Ani-Motion
Rüdiger Sternal
Prof. Wilhelm Kriz, Heidelberg
Werner Müller, Stuttgart
Siemens AG, Erlangen
Die gesundheitlichen und medizinischen Aspekte in diesem Text sind von
Autorin und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. In Zweifelsfällen ist allerdings immer ein Arzt zu konsultieren. Eine Haftung der Autorin bzw. des
Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
© Copyright 1995/2000/2010
by Lehrmittelverlag Wilhelm Hagemann GmbH, Düsseldorf
Herstellung und Vertrieb:
Hagemann & Partner Bildungsmedien Verlagsgesellschaft mbH,
Postfach 10 35 45, D-40026 Düsseldorf
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwendung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf
deshalb der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
7
Herunterladen