Medizinsoziologie-Zusammenfassung fürs Examen Chronische Erkrankung + Behinderung 6. Chronische Erkrankung und Behinderung 6.1 Chronische Krankheiten Def.: Krkh., die längeren Verlauf nehmen, „Auf nicht absehbare Zeit“ krank; fangen oft schleichend an, häufig schwer behandelbar, Folgen bis zur Behinderung (z.B. Diabetes mellitus, Asthma) Krank werden Gesund sein Krank bleiben Krank sein Gesund werden Behindert sein Sterben akute chronische Erkrankungen Charakteristika chronischer Krankheiten: Heilung meist nicht möglich Ursachen, Symptome + Verlausformen unterliegen außergewöhnlicher Vielfalt Verlauf oft zyklisch Ungewissheit d. Zukunft prägt Situation Kontinuierliche Behandlungsnotwendigkeiten entstehen: Behandlung durch Ärzte + Heilberufler; Problem: Kommunikation, Informationsweitergabe Abhängigkeit von anderen Menschen oder Institutionen Einschränkungen der Lebensqualität Belastung für Betroffene + Angehörige 6.2 Behinderung Klassifikation von Behinderung der WHO: 1. Schädigung einer Körperfunktion (impairment) 2. funktionelle Einschränkung (disability) 3. soziale Beeinträchtigung (handicap) (Bsp: 1. Schädigung des Hörnervs; 2. Gehörlosigkeit; 3. Beruf des Lehrers kann nicht mehr ausgeführt werden) Definition: Ein Mensch gilt als behindert, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht und er daher in seiner Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehinderung: liegt vor, wenn Grad der Behinderung mindestens 50 Recht auf Inanspruchnahme besonderer Hilfen und Rechte (SGB IX) (z.B. steuerliche Vorteile) - 18 - Medizinsoziologie-Zusammenfassung fürs Examen Chronische Erkrankung + Behinderung 6.2.1 Soziologische Sichtweise auf Behinderung aus soziologischer Sichtweise ist nicht nur die Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit wichtig, sondern v.a. deren soziale Bewertung und die Reaktion auf Menschen mit Behinderung. die Bewertung von Behinderung ist negativ, führt aber nicht zwangläufig zu negativen Reaktionen der Mitmenschen. Nicht der Defekt ist ausschlaggebend, sondern die Folgen für den Einzelnen, dadurch ist Behinderung nicht absolut, sondern relativ zu sehen. Relativität von Behinderung: Zeitliche Dimension: Mensch kann zeitlich begrenzt als behindert gelten (Lernbehinderung auf Dauer der Schulpflicht) Subjektive Auseinandersetzung mit der Behinderung: nicht Grad der Behinderung ist entscheiden, sondern Umgang mit Beeinträchtigung (Verlust des kleinen Fingers für Berufspianisten enorme Auswirkungen) Verschiedene Lebensbereiche und Lebenssituationen: Beh. kann im Beruf andere Konsequenzen haben als in Familienleben und Freizeit (z.B. blinde Telefonistin voll berufstätig, aber in Freizeit eingeschränkt) Abhängigkeit von der (kulturspezifischen) sozialen Reaktion: Länderabhängig, z.B. Unfruchtbarkeit gilt in manchen Ländern als Beh.; auch Reaktion auf psych. andersartige Menschen sehr unterschiedlich. 6.2.2 Stigmatisierung und Diskriminierung 1. Stima Behinderung wird oft als Stigma gesehen Ein Stigma bezeichnet ein Merkmal oder Verhalten, das von anderen als negativ betrachtet und somit nicht akzeptiert wird. Merkmal an sich nicht pos./neg.; entscheidend ist soz. Bewertung Beurteilung hängt von Werten / Normen / Macht der Kulturen ab Goffmann unterscheidet zwei Gruppen von Personen mit Stigma: Diskreditierte: Person nimmt an, dass ihr Anderssein bekannt und sofort ersichtlich ist Diskreditierbare: Zustand der Person ist noch nicht bekannt bzw. noch nicht wahrnehmbar Das kann zu unterschiedlichen Handlungsweisen führen, z.B. wenn das unerwünschte Anderssein verborgen werden soll. Stigmatisierung: Stigmata wirken auf der Ebene der Einstellungen. Stigmatisierung ist dagegen das Verhalten aufgrund eines zueigen gemachten Stigmas. Folgen für stigmatisierte Menschen: auf Ebene gesellschaftlicher Teilhabe: Diskriminierung (Ungleichbehandlung, Benachteiligung) best. soz. Positionen können nicht erreicht werden, Isolation, Ausgrenzung (Bsp. Diskriminierung: Fehlende Hilfen zur Mobilität Behinderter, Behinderung an Teilhabe öffentl. Lebens, z.B. zu hohe Bordsteinkanten, Überangebot an Hilfen – somit Abhängigkeit, Verweigerung von Behinderteneinrichtungen in Wohngebieten) - 19 - Medizinsoziologie-Zusammenfassung fürs Examen Chronische Erkrankung + Behinderung auf Ebene sozialer Interaktion: soz. Interaktion orientiert sich ausschließlich am Stigma Unsicherheit + Spannungen erschweren soz. Interaktion auf Ebene der Identität: Veränderung d. Identität, geringeres Selbstwertgefühl 2. Rechtliche Situation 2 Gesetzeswerke: „Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen“ = BGG SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen BGG: Ziel: - Benachteiligung von beh. Menschen im öffentlich-rechtlichen Bereich beseitigen. - Gleiche Chancen wie Nichtbehinderte an gesellschaftl. Leben teilzunehmen. Wesentliche Bestimmungen: Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen: - Bau (Neubauten, Um- und Erweiterungsbauten z.B. von Behörden) - Verkehr (Verkehrsanlagen, Öffentl. Verkehrsmittel, Ampeln) - Systeme der Informationsverarbeitung (Internetseiten der öffentlichen Verwaltung für Sehbehinderte, Formulare auf Kassetten) Anerkennung der Gebärdensprache als eigene Sprache Berücksichtigung der Belange behinderter Frauen (oft doppelt diskriminiert) SGB IX: Ziel: - Sicherung der Selbstbestimmung Behinderter - Gleichberechtigte Teilhabe an Gesellschaft Ziele + Leistungen in 3 Gruppen: Zur medizinischen Rehabilitation - Ziel: Behinderung abwenden, Minderung / Beseitigung der Folgen - Leistungen: Früherkennung, Frühförderung; Medizinische Behandlung, Hilfsund Heilmittel Zur Teilhabe am Arbeitsleben - Ziel: Erwerbstätigkeit herstellen, erhalten + dauerhaft sichern - Leistungen: Umschulungen, Arbeitsplatzanpassungen, Aus- und Weiterbildungen, bes. Hilfen für Schwerbeh. (Kündigungsschutz, Urlaub) Zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft - Ziel: über die anderen Bereiche hinausgehende Unterstützung zu unabhängigem und selbstbestimmten Leben - Leistungen: beh.gerechte Wohnungen, Schaffung von Freizeitmglk., Fahrdienste, barrierefreie Umwelt… - 20 -