Kraftstoff für die Stimme - 3 Tipps zum richtigen Atmen Unser Atem ist dafür verantwortlich, wie wir stehen oder gehen – gebeugt oder gerade, verkrampft oder locker. Er ist verantwortlich, wie wir auf andere wirken: energiegeladen oder schlapp, selbstbewusst oder unsicher. Atempädagogen sagen: "Wer am Atem arbeitet, der arbeitet an der eigenen Kraft." Dies bedeutet aber auch: Wenn wir an unserem Atem arbeiten, stärken wir unsere Wirkung auf uns selbst und auf die anderen. Atmen ist nicht nur ein biologischer Vorgang, sondern Ausdruck vieler seelischer Vorgänge. Der Atem kann hastig oder ruhig sein, verklemmt oder gelöst, stockend oder frei, eng oder weit, oberflächlich oder tief. Dahinter verbergen sich seelische Zustände wie Angst, Aufregung, Erschrecken, Verzweiflung oder aber Zuversicht, Zufriedenheit, Gelöstheit und inneres Gleichgewicht. Die folgenden Übungen sind z. B. hochwirksames Gegengift für Lampenfieber. Es sind Techniken, mit denen indische Fakire den Schmerz auf dem Nagelbrett vergessen, mit denen Yogis sich in tiefe Ruhe und Meditation versetzen können, mit denen Igel in den Winterschlaf wechseln. 1. Den Stress wegatmen Schritt 1: Atmen Sie ganz tief und langsam aus und zählen Sie dabei innerlich bis acht. Schritt 2: Atmen Sie nun langsam ein, ganz tief aus dem Zwerchfell heraus, zählen Sie dabei bis vier. Ihr Bauch muss sich beim Einatmen vorwölben und nicht der Brustkorb. Heben Sie auf keinen Fall die Schultern. Atmen Sie nach Gefühl. Schritt 3: Halten Sie dann den Atem an – vier Sekunden lang. Danach atmen Sie – innerlich bis acht zählend – wieder langsam aus. Diesen Rhythmus – ausatmen, einatmen, Atem anhalten – wiederholen Sie fünfmal. Achten Sie darauf, dass Sie immer länger ein- als ausatmen. Danach werden Sie feststellen, dass Ihr Puls deutlich langsamer schlägt. Sie sind spürbar ruhiger geworden. Diese Technik sollten Sie immer dann anwenden, wenn im Bauch die "Schmetterlinge flattern", wenn die Spannung überschießt und Sie Ihr Lampenfieber auf ein Normalmaß herabsenken wollen. Diese Atemtechnik – von den Yogis praktiziert – wirkt fast wie eine Beruhigungspille, nur viel schneller. Und sie hat den Vorteil, dass Sie Ihre Konzentration behalten, Ihr Kopf kühl und klar bleibt. 2. Entspannung durch Gähnen und Strecken Ziehen Sie sich kurz vor dem wichtigen Redeauftritt, einem Gespräch oder einer Verhandlung in eine ruhige Ecke zurück, wo Sie sich herzhaft räkeln und ungeniert gähnen können. Dehnen und strecken Sie Ihre Arme und Ihren Oberkörper nach allen Seiten und in alle Richtungen. Sperren Sie Ihren Mund zum Gähnen weit wie ein Nilpferd auf. Gähnen und Strecken sind kein Zeichen der Müdigkeit, wie viele glauben, sondern Ausdruck der Entspannung! Diese Übung macht den Kopf frei und hilft uns, wieder mehr in unserem Körper zu fühlen. Außerdem verhindert sie, dass wir vor Situationen der Anspannung die Luft zu lange anhalten. 3. Energie tanken Stellen Sie sich locker hin und legen Sie Ihre Hände übereinander auf Ihre Bauchmitte. Bewegen Sie dann mit einem Ruck eine Hand flach nach oben, den Unterarm winkeln Sie dabei ab. Stoßen Sie dabei ein energisches "Hara" aus. Das gleiche wiederholen Sie dann mit der anderen Hand. Was erreichen Sie mit dieser Übung? Sie aktivieren damit eine Kraft aus dem Bauch heraus, die die Japaner "Hara" nennen. Diese "Hara"-Kraft hat jeder Mensch, die wenigsten aber wissen um sie. Wollen Sie sie einmal testen? Drücken Sie Daumen und Zeigefinger einer Hand fest zusammen. Bitten Sie jetzt jemanden sie auseinanderzuziehen. Wenn Sie sich auf die beiden Finger konzentrieren, wird dies Ihrem Partner leicht gelingen. Konzentrieren Sie sich aber auf "Hara", die Kraft im Unterbauch, fällt es dem anderen wesentlich schwerer, Ihre Finger auseinander zuziehen. Gerade in emotionsgeladenen Situationen bei Reden und Verhandlungen hilft Ihnen Hara Rückgrat zu beweisen und Energie geladen aufzutreten. "Der Atem ist der Regler aller Dinge", sagt ein indisches Sprichwort. Stimmt. Ohne Luft, das heißt ohne den Atem, würden wir kein einziges Wort hervorbringen. Die Qualität des Atems, die Menge der Luft, die durch unsere Stimmbänder fließt, bestimmt, ob unsere Töne klar und die Lautstärke der Stimme ausreichend ist, ob wir röcheln oder röhren, flüstern oder schreien – ja, ob unsere Zuhörer überhaupt ein Wort hören können – für all das ist der Atem verantwortlich. Quelle: Gerhard Reichel, Institut für Rhetorik