Gefühlschaos Gerade wurde es 20 Uhr, als Ingrid an ihrem Schreibtisch im Schwesternzimmer saß und immer ungeduldiger wurde. „Oberschwester, wollen Sie nicht endlich Feierabend machen?“ In Yvonnes Stimme schwang etwas Sorge mit. „Ja, gleich Yvonne. Ich will nur noch diese Patientenakte fertig machen.“ „Das haben Sie vor einer halben Stunde auch schon gesagt, obwohl ich bereits um 19 Uhr zur Ablösung gekommen bin.“ Ingrid merkte, dass Yvonne sich durch ihre Anwesenheit etwas auf den Schlips getreten fühlte. „Entschuldigen Sie, Yvonne. Sie haben Recht. Ich geh dann jetzt wohl besser.“ „Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Oberschwester?“ „Ja, alles bestens. Machen Sie sich keine Gedanken.“ Da Ingrid sich schon vor einer Stunde umgezogen hatte, schnappte sie sich jetzt nur noch ihre Tasche und verließ das Schwesternzimmer. Einige Schritte vor dem Fahrstuhl hielt sie jedoch inne und überlegte, was sie wohl als Nächstes tun sollte. Doch bald entschied sie sich für das Naheliegendste und fuhr nach Hause. In der Villa Simoni machte sie sich noch eine Kleinigkeit zu essen, legte sich danach auf die Couch, döste bei leiser Musik und schlief dann richtig ein. Durch das Öffnen der Haustür, Gernots näherkommenden Schritte und seinem sanften Kuss auf ihre Wange, wurde sie geweckt. „Oh, entschuldige Ingrid. Ich wollte dich nicht wecken, aber warum bist du um diese Zeit nicht schon längst im Bett?“ Ingrid blickte auf ihre Armbanduhr, die ihr kurz nach zwölf anzeigte. „Dasselbe könnte ich auch dich fragen, Gernot“, entgegnete sie ihm verärgert und schob ihn etwas unsanft von sich weg. „He, was ist denn mit dir los?“ „Was mit mir los ist? Das fragst du noch?“ „Könntest du dich bitte etwas klarer ausdrücken, Ingrid!“ Nun wurde auch Gernot immer lauter. Beide standen sich mittlerweile im Wohnzimmer direkt gegenüber. „Typisch Herr Professor. Was die Klinik anbelangt, da ist man korrekt und tadellos auf alles vorbereitet, aber als Gernot Simoni, da kann man sich alles erlauben. Ist ja nicht so schlimm, bin ja nur ich, die stundenlang darauf wartet, dass wir wie vereinbart endlich mal wieder miteinander essen gehen.“ Mit diesen vorwurfsvollen Worten ließ sie ihn einfach stehen, stieg die Treppe nach oben und verschwand im Schlafzimmer. Jetzt endlich, als Gernot so verloren im Raum stand, erinnerte er sich, dass er Ingrid am heutigen Abend schick zum Essen ausführen wollte und es vor lauter Arbeit vergessen hatte. Und das, obwohl er ihr mit diesem Essen zeigen wollte, dass sie ihm sehr wichtig war, da er dies nicht oft tat. Schuldbewusst schlug er sich mit seiner offenen Hand auf die Stirn und blickte in die dunkle Nacht hinaus. „Ich Idiot, wie konnte ich das nur vergessen.“ Fünf Minuten später stieg auch er die Treppe hoch, um zunächst ins Badezimmer zu gehen, das mit ihrem Schlafzimmer verbunden war. Da die Schiebetür offen stand, bemerkte Ingrid Gernot sofort, obwohl sie sich schlafend stellte. Als er dann auf seiner Seite ins Bett schlüpfte, drehte ihm Ingrid langsam ihren Rücken zu, wobei sie dabei immer noch die Schlafende spielte, was Gernot allerdings sofort durchschaut hatte. Davon ließ er sich aber nicht beirren und rutschte nah an Ingrid heran, sodass er ganz eng an ihrem Rücken lag, seinen Arm um sie legte und ihr ins Ohr flüsterte: „Es tut mir leid, Ingrid. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir holen das nach, das verspreche ich dir!“ Nach diesen Worten küsste er sie sanft auf ihre Wange, strich ihr liebevoll durchs Haar und streichelte zärtlich ihre Taille, was in Ingrid ein verlangendes Gefühl auslöste, gegen das sie aber anzukämpfen versuchte, da sie Gernot nicht so einfach verzeihen wollte, selbst wenn ihr Körper ihr das Gegenteil signalisierte. Auch 2 Wochen später hatte Gernot sein Versprechen noch nicht eingehalten, da ihm beruflich immer etwas dazwischen gekommen war. Ingrid schob mittlerweile Nachtdienst, weshalb es nicht zu einer richtigen Aussprache kommen konnte. Was Gernot betraf, der bemerkte nicht, dass Ingrid immer verschlossener und ausweichender wurde, da er diese Reaktion auf ihre Strapazen des Nachtdienstes schob. Anstatt mit ihm über ihren Kummer zu reden, zog Ingrid sich weiter zurück. Eines Morgens, als Gernot schon längst in der Klinik war und sie von ihrer Einkaufstour zurück kam, öffnete sie den Briefkasten und hielt einen Brief für sie in Händen, der sie zunächst ins Grübeln brachte. Von ihrer Neugier übermannt, eilte sie ins Haus und las das Schreiben im Wohnzimmer auf der Couch. Nachdenklich blickte sie zum Fenster hinaus und die Erinnerungen an eine schöne, unbeschwerte Zeit brachten sie zum Weinen. Es dauerte einige Zeit, bis Ingrid sich wieder einigermaßen gefangen hatte und endlich wusste, was sie nun tun würde. Sie machte sich auf den Weg in die Klinik, wo sie sofort zu Gernot ins Büro gehen wollte, aber zu ihrem Ärger in seinem Sekretariat zunächst von Frau Grigoleit aufgehalten wurde, die sie nicht einlassen wollte. „Frau Grigoleit, ich muss jetzt sofort zum Professor.“ „Frau Rischke, auch wenn Sie mit dem Professor zusammen sind, gelten für Sie dieselben Regeln. Er will nicht gestört werden.“ „Das werden wir ja sehen!“ Damit schob sie Barbara bestimmt zur Seite und trat in Gernots Büro ein, der gerade vor seinem Computerbildschirm saß, sich Röntgenbilder anschaute und sich nun verärgert in Richtung Tür umdrehte. „Barbara, was zum...?“ Weiter kam er nicht, da er Ingrid erblickte. „Tut mir leid, Chef, aber ich konnte die Oberschwester nicht zurückhalten.“ „Schon gut, Barbara.“ Gernot wartete bis seine Sekretärin die Tür wieder von außen geschlossen hatte, ehe er Ingrid direkt ansprach. „Ingrid, was sollte das gerade eben?“, fragte er sie in einem verstimmten Tonfall, nahm seine Brille ab und blickte ihr erwartungsvoll von seinem Bürosessel aus in die Augen. „Tja, wenn ich mir dich so anschaue wie du wie auf einem Thron vor mir hockst, frag ich mich das ehrlich gesagt auch.“ Schnell drehte sie sich von ihm weg und wollte wieder gehen, als Gernot schnell aufstand, zu ihr eilte und sie am Oberarm festhielt. „Ingrid, bitte, lauf jetzt nicht davon.“ Erst jetzt bemerkte er, dass sie Tränen in den Augen hatte, was ihn schlagartig sanfter werden ließ. „Komm, setz dich erst mal.“ Liebevoll führte er sie zu seiner Couch, auf die sie sich beide nebeneinander setzten. Da Ingrid noch immer nichts sagte, legte er ihr beruhigend einen Arm auf ihren Rücken, den er zärtlich streichelte. „Was ist denn los?“, fragte er sie mit liebevoller Stimme. „Hier, lies erst mal.“ Ingrid überreichte ihm den Brief, den er neugierig entgegennahm und durchlas. Als er damit fertig war, legte er diesen vorsichtig vor sich auf den Couchtisch und schwieg zunächst, da er Ingrid zu nichts drängen wollte. „Ich weiß, ich hab dir nie etwas von meinem Onkel Hans erzählt, aber nur deshalb nicht, weil ich selbst schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm hatte. Er war der Bruder meiner Mutter, der viele Jahre jünger war als sie. Als Gisela und ich noch Kinder waren, waren wir oft auf dem Bauernhof meiner Großeltern, wo wir alle möglichen Dinge ausgeheckt haben. Es...“ Ingrids Stimme brach ab und sie begann zu weinen, weshalb Gernot seine Arme fest um sie schloss und seine Wange sanft an ihre drückte. „Nicht weinen, Liebling.“ Gernots wohltuende Nähe gab ihr wieder etwas Ruhe zurück. „Es war immer sehr schön auf dem Hof, bis meine Großeltern gestorben sind. Denn von da an erbte mein Onkel Hans den Bauernhof, den er als Bauer bewirtschaftete und meine Mutter ging leer aus. So jedenfalls hat sie es uns Kindern gesagt. Erst kurz vor ihrem Tod beichtete sie uns, dass sie von Hans doch ihren Anteil ausbezahlt bekommen hatte, ihm aber nie verzeihen konnte, dass er der Liebling ihrer Eltern war. Irgendwie hab ich’s aber dann doch nicht mehr geschafft, meinem Onkel unter die Augen zu treten und mich bei ihm auch für mein unfaires Verhalten zu entschuldigen. Vor einigen Jahren las ich dann in der Zeitung, dass seine Frau, meine Tante, gestorben war und auch da traute ich mich nicht ihm mein Beileid auszusprechen. Tja, und da die beiden keine Kinder haben und Gisela tot ist, bin ich nun die neue Erbin des Hofs, was mir, wie du gelesen hast, in dem Gerichtsschreiben mitgeteilt wird.“ Während Ingrid das erzählte, hatte sie die ganze Zeit ins Leere geblickt, doch nun schaute sie Gernot direkt in die Augen. „Was willst du jetzt tun?“, fragte Gernot vorsichtig. „Ich weiß es nicht.“ „Wie wär’s, wenn wir jetzt dorthin fahren und uns ein Bild des Hofs machen?“ Ingrid blickte Gernot erstaunt und dankbar an, denn diese Spontaneität hätte sie so nicht von ihm erwartet. „Ja, kannst du denn jetzt einfach so vor Feierabend gehen?“ „Lass das nur meine Sorge sein. Heute Nachmittag hab ich keine wichtigen Termine.“ Zärtlich strich Gernot ihr über die Wange, woraufhin Ingrid ihm über seine Brust fuhr und ihn leidenschaftlich auf den Mund küsste, was er sofort erwiderte und sich eine ganze Weile dafür Zeit nahm. Als sie sich lösten, klärte Gernot die Einzelheiten mit Barbara, um dann mit Ingrid Arm in Arm die Klinik zu verlassen und zum Bauernhof außerhalb Leipzigs zu fahren. Gernot folgte den Beschreibungen Ingrids und je näher sie dem Anwesen kamen, desto flauer wurde es in Ingrids Magengegend. Als Gernot dann im Hof des Bauernhauses parkte, zögerte Ingrid zunächst mit dem Aussteigen, schloss die Augen und atmete einmal tief durch und sog so den jahrhundertealten Duft des Anwesens ein. Zu viele Erinnerungen strömten nun auf einmal auf sie ein, mit denen sie erst fertig werden musste. Gernot beobachtete sie dabei genau und legte seine rechte Hand auf ihren linken Unterarm, um ihr die nötige Ruhe zu verschaffen. Voller Liebe lächelte Ingrid Gernot an, der ebenso liebevoll zurücklächelte. Erst jetzt bekam Ingrid den nötigen Mut aus dem Auto zu steigen. Wieder blieb sie stockend neben Gernot vor der Haustür stehen, weshalb es nun Gernot war, der die Initiative ergriff, ihre Hand fest in seine nahm und sie nach innen mit sich zog. Das Wohnhaus an sich war in einem relativ guten Zustand und Ingrid erzählte beim Rundgang immer wieder Geschichten, denen Gernot interessiert lauschte. Die Scheune und der Dachboden waren allerdings extrem renovierungsbedürftig. Als Gernot so neben Ingrid auf dem Dachboden stand, blickte er ziemlich skeptisch durch die Gegend, was sie nicht bemerkte, da sie in eigenen Gedanken versunken war. Es war sofort zu sehen, dass viel Arbeit in dieses Haus gesteckt werden musste, wenn man es behalten wollte, weshalb Gernot klugerweise zunächst schwieg. Stattdessen nahm er Ingrid dann und wann liebevoll in den Arm, wenn sie ihm ihre Kindheitserinnerungen mitteilte. Sie verbrachten noch einige Zeit auf dem Bauernhof, ehe sie zurück nach Leipzig fuhren, da Ingrid ihren Nachtdienst antreten musste. Da sie noch bis Ende der Woche nachts arbeiten musste, blieb für die beiden in den nächsten Tagen kaum Zeit, über das weitere Vorgehen bezüglich des Bauernhauses zu sprechen. Erst am darauffolgenden Sonntag hatten beide gleichzeitig frei, doch zunächst wagte keiner der beiden dieses Thema anzuschneiden. Gegen Nachmittag, als sie gemütlich bei einer Tasse Kaffee auf der Couch eng aneinandergekuschelt ausgestreckt lagen, machte Ingrid, die mit ihrem Kopf auf Gernots Schulter lag, den ersten Schritt. Dieser ruhte auf dem Rücken mit geschlossenen Augen und genoss es einfach, Ingrid ganz nah bei sich spüren zu dürfen, denn das kam in letzter Zeit nicht allzu oft vor, weil ihre unterschiedlichen Dienstzeiten dies oftmals verhinderten. „Du, Gernot?“ „Mhm?“, antwortete dieser mit immer noch geschlossenen Augen. „Wir haben seit Tagen nicht mehr darüber geredet, wie es nun mit dem Bauernhaus weitergehen soll.“ „Na ja, es gibt da zwei Möglichkeiten. Entweder du verkaufst es wieder, oder du lässt es renovieren.“ „Ich will es auf keinen Fall verkaufen, das steht fest!“ Ingrid reagierte heftiger als beabsichtigt und löste sich schnell aus Gernots liegender Umarmung, so dass beide nun nebeneinander saßen. „Ist ja gut, Ingrid. Ich hab ja zunächst nur mal theoretisch drüber gesprochen ...“ „Ich weiß, worüber du gesprochen hast“, erwiderte Ingrid in lautem Ton. „Ingrid, hör bitte auf mich anzuschreien! Du willst das Haus behalten. Gut. Aber du sollst wissen, dass viel Arbeit dafür aufgewendet werden muss. Von den Kosten will ich gar nicht sprechen.“ „Ach, soll das also heißen, dass du mir das nicht zutraust, oder wie?“ In Ingrids Stimme lag große Verärgerung. „So hab ich das nicht gemeint, aber so ein Umbau ist sehr zeitintensiv und kann bei unseren Berufen sehr schwierig werden.“ „Gib’s zu, du hast gehofft, dass ich mich für den Verkauf des Anwesens entscheide, oder?“ „Ingrid, jetzt dreh mir doch nicht ständig das Wort im Mund rum. Ich will einfach nur, dass du nichts überstürzt und dir ganz sicher bist, was du wirklich willst. Nicht mehr und nicht weniger.“ Mittlerweile ging Ingrid vor Gernot im Wohnzimmer unruhig auf und ab. „Komm, setz dich bitte wieder zu mir! Du machst mich ganz nervös.“ Doch darauf ging sie nicht ein und wanderte auch weiterhin zornig umher. „Was hast du eigentlich mit den Kosten vorhin gemeint? Ich hab noch einiges gespart und für den Rest kann ich mir mit dem Haus als Sicherheit einen Kredit aufnehmen. Somit liege ich dir auf keinen Fall auf der Tasche, falls dir das Sorgen macht.“ „Ingrid, du tust mir Unrecht.“ „Ach ja, warum hab ich dann nicht das Gefühl, dass du mich unterstützen willst?“ Nach diesen Worten trat Gernot nah an Ingrid heran und legte sanft seine Arme um ihre Taille, die er mit seinen Fingern leicht streichelte. „Das ist Unsinn und du weißt es. Wenn du das Haus behalten willst, dann kannst du mit meiner Unterstützung rechnen. Und was das Finanzielle betrifft, da werde ich dir natürlich auch helfen, kein Thema. Allerdings müssen wir das alles erst mal von einem Experten prüfen lassen, damit wir definitiv wissen, was auf uns zukommt. So und jetzt lass uns nicht mehr streiten, mhm?“ Gernots versöhnliche Stimme und das, was er gerade gesagt hatte, zähmte Ingrid nun wieder etwas, so dass sie zärtlich seine Brust streichelte und ihm einen langen, stürmischen Kuss gab, den er nur allzu gern erwiderte. Seine Hände glitten währenddessen von ihrem Rücken auf ihren Po, den er liebevoll berührte. Ingrid ihrerseits begann sein Hemd aufzuknöpfen und küsste immer wieder seine zum Vorschein kommende nackte Brust. Auch Gernot zog ihr liebevoll ihr T-Shirt über den Kopf und berührte zärtlich ihre noch vom BH gestützten Brüste. Bei dieser Berührung schauten sie sich voller Liebe in die Augen. Ohne seine Hände von der Stelle zu nehmen, beugte er sich nach vorn, um Ingrids Hals und Dekolletee zu küssen. Voller Lust schloss sie die Augen und genoss Gernots Zärtlichkeiten. Gerade als er ihren BH öffnen wollte, klingelte das Telefon. Frustriert schloss auch er seine Augen und lehnte seine Stirn an ihre. „Nein, warum ausgerechnet jetzt?“ „Geh ran, Gernot. Vielleicht ist es wichtig.“ „Nichts ist im Moment wichtiger als das, Ingrid.“ In seinen Augen war seine ganze Liebe zu ihr sichtbar. Sanft streichelte sie ihm über die Wange. „Du könntest mir nichts Schöneres sagen, Gernot. Aber jetzt geh ran! Bestimmt ist es ein Notfall.“ Damit hatte sie Recht. Sofort knöpfte er sich wieder sein Hemd zu und eilte in die Klinik. In den nächsten Tagen kümmerten sie sich, neben ihrer beruflichen Tätigkeit in der Klinik, um einen geeigneten Bauexperten, der sich den Hof anschauen sollte. Wie es der Zufall wollte, tauchte zu dieser Zeit ein alter Schulfreund Gernots, Johannes Beling, ein Architekt, in der Klinik auf. Gernot kam von einer OP in sein Büro zurück, als Johannes gerade mit Barbara in seinem Sekretariat sprach. „Wollen Sie zu mir?“, fragte Gernot ihn höflich, da Johannes mit dem Rücken zu ihm stand und er ihn nicht sofort erkannte. „Na, ich dachte wir wären per du, Herr Professor?“, drehte Johannes sich grinsend zu ihm um. „Johannes, alter Junge, was machst du denn hier?“ Schnell umarmten sich die beiden Freunde herzlich, klopften sich gegenseitig auf die Schultern und traten dann in Gernots Büro ein, wo sie sich lässig auf die Couch setzten und wenige Minuten später durch Barbara mit Kaffee versorgt wurden. „Was treibt dich hierher nach Leipzig, Johannes?“ „Ach, weiß nicht. Heimweh vielleicht.“ „Heimweh, dass es so was bei dir überhaupt gibt.“ „Tja, ich werd eben auch nicht jünger.“ „Wem sagst du das?“, seufzte Gernot bedauerlich vor sich hin. „Aber mal ehrlich. Ich bin hergekommen, um ein paar Tage in der alten Heimat Urlaub zu machen. Ich war jetzt viele Jahre an so vielen Orten der Welt, aber schon lange nicht mehr hier in Leipzig. Es ist schön geworden, hat sich viel verändert.“ „Ja, das kannst du laut sagen. Wenn du willst, können wir gern mal die Gegend zusammen erkunden.“ „Hört sich toll an, warum nicht? Wie in alten Zeiten, oder?“ „Ja, wie in alten Zeiten!“ Eine Weile unterhielten sich die Männer über ihre gemeinsamen Erlebnisse und fingen hin und wieder bei besonders amüsanten Anekdoten von früher an zu lachen. „Wie wär’s, wenn wir nach meinem Feierabend heute noch irgendwo was trinken gehen und du mir alles erzählst, was du bisher so in deinem Leben gemacht hast?“ „Gute Idee, Gernot. Ich freu mich.“ „Ich mich auch.“ Daraufhin verabschiedeten sich die beiden, ehe sie sich gegen Abend wiedertrafen. Zuvor aber musste Gernot Ingrid von diesem Treffen erzählen, was nicht angenehm war, da sie beide eigentlich einen gemeinsamen Abend miteinander verbringen wollten. Mit einer gespielten Unschuldsmiene trat Gernot ins Schwesternzimmer ein, wo sich außer Ingrid momentan niemand befand. Diese saß mit dem Rücken zu ihm an ihrem Schreibtisch, doch hatte sie ihn bereits schon auf dem Flur näherkommen gehört. Ohne sich zunächst umzudrehen, sprach sie ihn an: „Was führt dich denn zu mir ins Schwesternzimmer, Gernot?“ „Ist das so ungewöhnlich?“ „Nein, im Grunde nicht, aber es ist schon lange nicht mehr außerhalb der Visite vorgekommen.“ Während sie das sagte, drehte sie sich zu ihm um, um ihm direkt in die Augen schauen zu können, was diesen wiederum schuldbewusst zu Boden blicken ließ. „Ja, ich weiß ja, dass ich dich in letzter Zeit etwas vernachlässige, Ingrid, aber du weißt, ich hab viel zu tun.“ „Klar, es war nie anders.“ Gernot bekam zunehmend ein schlechtes Gewissen, denn wie konnte er sie davon überzeugen, dass sie ihm wichtig war, wenn er ihr im selben Moment sagen wollte, dass der gemeinsame heutige Abend verschoben werden musste. Er schluckte betroffen und trat dann ganz nah an sie heran. Zärtlich schaute er ihr in die Augen, streichelte ungemein liebevoll ihre Wange und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss, dem sie trotz ihres Ärgers nicht widerstehen konnte. Als sie sich wieder etwas voneinander lösten und sich Ingrids rechte Hand unter seinem Hemd auf seiner nackten Haut gefühlvoll bewegte, da wusste er nicht, wie er das mit Johannes erzählen sollte. Aber als kluge Frau hatte Ingrid schon längst erkannt, dass Gernot ein schlechtes Gewissen hatte und kurz davor war, ihr etwas Unangenehmes mitzuteilen. „Na los, Gernot. Raus damit! Du willst mir sagen, dass unser gemeinsamer Abend heute ins Wasser fällt, oder?“ „Woher ...?“ „Ich kenn dich gut genug, Gernot. Du kannst mir nicht viel vormachen.“ „Ja, das glaub ich langsam auch.“ Er atmete nochmals tief durch, bevor er weitersprach. „Vor einer Stunde hat mich ein alter Schulfreund in meinem Büro besucht. Wir haben uns schon Jahre nicht mehr gesehen und da ... na ja ... da hab ich ihm vorgeschlagen, dass wir heute Abend zusammen irgendwo was trinken gehen. Du weißt ja wie das mit alten Bekannten so ist.“ „Ja, weiß ich. Besonders was deine alten Bekannten angeht. Entweder sind es Ärzte, die schon lange nicht mehr operieren, oder welche, die zu Spionen mutiert sind.“ Ingrid spielte auf Prof. Reutter und Gernots alten Kommilitonen Krumbiegel an. „Ingrid, was soll das? Johannes ist anders, glaub mir.“ „Schon gut, war ja nicht so gemeint. Aber du kannst es mir nicht verübeln, dass ich auf diesen Herrn sauer bin, da er im Begriff ist, uns unseren Abend zu ruinieren.“ „Ich versteh das ja und es tut mir auch aufrichtig leid, aber ein Gutes hat das Treffen mit Johannes auch für dich.“ „Und was sollte das sein?“ „Johannes ist ein hervorragender Architekt. Ich kann ihn ja mal fragen, ob er sich das Bauernhaus für uns ansehen würde. Was meinst du?“ „Mmh? Hört sich nicht schlecht an. Aber glaubst du, dass er dafür zu haben ist?“ „Lass mich das schon machen. So wie ich ihn kenne, kann er gar nicht nein sagen.“ „O.k., dann bin ich mal gespannt.“ Und schelmisch fügte sie noch hinzu: „Unter diesen Umständen kann ich es gerade so noch akzeptieren, dass ich heute ohne dich den Abend verbringen muss.“ „Ingrid, ich danke dir für dein Verständnis.“ Mittlerweile standen sich die beiden eng gegenüber, weshalb Gernot schon längst sein Arme um Ingrids Taille gelegt hatte und dabei liebevoll ihren Po streichelte, während sie ihm den Nacken graulte. „Ich liebe dich, Ingrid.“ „Ich liebe dich auch, Gernot.“ Diese Worte versiegelten sie noch mit einem weiteren Kuss, ehe jeder wieder seiner Arbeit nachging. Als Gernot dann spät in der Nacht und leicht beschwipst nach Hause kam, schlief Ingrid schon tief und fest, obwohl sie vorhatte, auf ihn zu warten, doch der Schlaf hatte sie irgendwann übermannt. Leise schlüpfte Gernot ins Bett, um sie nicht aufzuwecken. Glücklich beobachtete er sie beim Schlafen, indem er sich auf die Seite drehte und seinen Kopf mit der Hand abstützte. In solchen Momenten wurde ihm nur noch bewusster, wie sehr er sie liebte und dass er auf keinen Fall mehr ohne sie leben wollte. Sacht gab er ihr noch einen Kuss auf den Mund, was zur Folge hatte, dass sie sich schlafend ganz eng an ihn kuschelte, ihren Kopf auf seine Brust legte und ruhig weiter schlief. Schnell schlang er seine Arme um sie und schlief kurz darauf selbst ein. Am nächsten Morgen erwachte Gernot, tastete blind neben sich, da er Ingrid nicht mehr spürte und war etwas enttäuscht, dass sie nicht mehr neben ihm lag. Schnell zog er sich seinen Morgenmantel über, stieg die Treppe runter und nahm dort den Geruch frischgebrühten Kaffees wahr. „Mhm, wie das hier riecht“, murmelte er, als er Ingrid in der Küche hantieren sah, die schon geduscht und angezogen vor ihm stand. „Morgen, Gernot. Komm, das Frühstück ist schon fertig.“ „Du bist eine wunderbare Frau, Ingrid.“ Mit diesen Worten gab er ihr einen sanften Kuss auf den Mund, bevor sie sich an den liebevoll gedeckten Frühstückstisch setzten. Eine Weile aßen sie schweigend vor sich hin, bis Ingrids Neugier sie übermannte. „Und, wie war’s gestern so mit deinem alten Freund? Ich hab dich gar nicht kommen hören.“ „Nein, dafür hast du mich aber gleich gespürt, als ich neben dir lag.“ Warmherzig blickte Gernot ihr in die Augen, ergriff ihre Hand und nahm diese in seine. „Ach ja, wie denn das?“ „Na ja, du hast dich gleich eng an mich gekuschelt. Das fand ich sehr schön.“ „Tja, wenn du gestern Abend da gewesen wärst, hättest du noch mehr haben können.“ Gernot konnte in Ingrids Augen ein unstillbares Verlangen nach ihm ablesen. Daraufhin gab er ihr einen Kuss auf die Hand und hielt dabei ihrem Blick stand, was in Ingrid ein ungemein gutes Gefühl im Bauch auslöste. „Was nicht ist, kann ja noch werden“, grinste er sie an. Ingrid lenkte schnell vom Thema ab, da sie unbedingt erfahren wollte, wie der gestrige Abend gelaufen war. „Also sag schon. Wie war’s gestern?“ „Ja, es war sehr schön. Johannes und ich haben alte Geschichten ausgetauscht und ...“ „Gernot, du weißt was ich meine!“ Gernot liebte es, wenn Ingrid ungeduldig war, denn dann fand er sie zum Anbeißen süß, weshalb er sie schief angrinste. Ingrid ihrerseits stand auf und boxte ihm leicht in die Seite, was ihn dazu brachte, sie auf seinen Schoß zu ziehen. „O.k., o.k., ich ergebe mich ja. Also, gleich als ich Johannes von dem Bauernhaus erzählt habe, war er Feuer und Flamme. Da du doch ab morgen wieder Nachtdienst hast, hab ich ihm vorgeschlagen, dass du dich morgens mit ihm triffst und ihr nochmals zusammen das Haus erkundet. Was hältst du davon?“ „Nicht schlecht, aber mir wäre es lieber, wenn du dabei wärst.“ „Ach was, warum denn? So schüchtern, Oberschwester?“ „Ja, ja, mach dich nur lustig über mich.“ „Komm schon, jetzt wird nicht gekniffen! Johannes beißt dich schon nicht.“ „Wenn du meinst, dann machen wir das so. Trotzdem möchte ich aber auch, dass du dich ein bisschen am Umbau beteiligst.“ „Du weißt, dass ich viel zu tun habe, aber ich verspreche dir, dass ich mir hin und wieder Zeit dafür nehmen werde. Einverstanden?“ „Einverstanden!“ Sanft strich sie ihm über seine Brust und genoss seine Hände auf ihrem Rücken. „Schön, dann hab morgen einen schönen Tag.“ „Ja, danke.“ Sie küssten sich noch ein letztes Mal, ehe sie zusammen in die Klinik fuhren. Einerseits konnte es Ingrid kaum erwarten, sich endlich um das Haus zu kümmern, andererseits fand sie es schon komisch, sich so ganz allein mit einem wildfremden Mann zu treffen. Allerdings vertraute sie Gernot und wusste, dass er sie niemals in Gefahr bringen würde. Am nächsten Morgen wachte Ingrid mit einer gewissen Vorfreude auf. Da Gernot Johannes den Standort des Bauernhauses mitgeteilt hatte, trafen sich Ingrid und dieser erst dort, weshalb Ingrid Gernot zunächst in der Klinik ablieferte, ehe sie hinaus aufs Land fuhr. Kaum als sie am Haus angekommen war, näherte sich von der Ferne ein Taxi, aus dem wenig später Johannes Beling ausstieg, den Fahrer bezahlte und auf Ingrid, die vor der Haustür stand, lächelnd zutrat. „Sie müssen Frau Rischke sein. Gernot hat nicht übertrieben, als er meinte, Sie seien sehr hübsch.“ Verlegen blickte Ingrid etwas auf den Boden, denn mit Johannes’ Charme hatte sie nicht gerechnet. „Ich bin Johannes. Freut mich, Sie kennen zu lernen.“ Er streckte ihr seine rechte Hand aus, die Ingrid selbstbewusst zur Begrüßung drückte. „Guten Tag, Herr Beling. Freut mich auch, Sie kennen zu lernen.“ „Ach bitte, nennen Sie mich doch einfach Johannes.“ „O.k., aber dann müssen Sie mich schon auch Ingrid nennen.“ Es war ihr schon etwas komisch zu Mute, diesen Mann gleich beim Vornamen zu nennen, obwohl sie ihn erst jetzt kennen gelernt hatte, aber andererseits war sie hier nicht in der Klinik, wo alle Wände Ohren hatten. Insofern konnte sie mit diesem saloppen Ton hier besser umgehen. „Gernot sagte mir, dass Sie das ganze Anwesen mit Haus und Scheune umbauen wollen, richtig?“ „Ja, richtig. Bitte, kommen Sie doch einfach. Ich zeig Ihnen alles.“ Ähnlich wie einige Tage mit Gernot zuvor, zeigte sie Johannes das gesamte Anwesen und erzählte ihm die ein oder anderen Kindheitserlebnisse, die beide oftmals zum Lachen brachten. Es war beiden nicht so, als ob sie Fremde wären, sondern als ob sie sich schon immer gekannt hätten. Sie konnten sofort völlig unbefangen miteinander reden. „Ich kann gut verstehen, warum Sie sich hier richtig wohlgefühlt haben, Ingrid. Das Haus ist so verwinkelt, dass man sich hier als Kind wirklich gut verstecken kann.“ „Ja, wir haben hier oft Cowboy und Indianer gespielt.“ „Das glaub ich Ihnen aufs Wort. Die Abenteuerlust sieht man Ihnen schon von weitem an.“ Dabei schaute ihr Johannes tief in die Augen, was Ingrid etwas verlegen machte und seinem Blick sofort auswich. „Ähm, kommen Sie, ich möchte Ihnen noch was anderes zeigen.“ Einige Zeit später hatte Ingrid ihm alles gezeigt, so dass sie wieder im Innenhof gelandet waren. „So, das war’s. Was denken Sie?“ „Tja, so genau kann ich das jetzt noch nicht sagen, aber ich werde meine Notizen und Fotos auswerten und Ihnen dann Bescheid geben. Allerdings müsste ich wissen, ob Sie eine Baufirma mit den Renovierungsarbeiten beauftragen wollen oder nicht.“ „Um ehrlich zu sein, wollte ich Ihren Rat hören. Ich wollte vieles allein machen. Glauben Sie, das ist möglich?“ Johannes blickte Ingrid nun ganz genau an. Sie war eine sehr schmale und zerbrechlich wirkende äußere Erscheinung, aber er konnte ihre Entschlossenheit in den Augen ablesen, was ihm sehr gefiel. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, gefiel ihm Ingrid auf den ersten Blick sehr gut. Sie war intelligent, hatte Witz und war noch dazu sehr attraktiv. Alles Eigenschaften, die ihm bei einer Frau sehr begeisterten. „Wenn Sie das wirklich wollen, dann schaffen Sie das auch und ich helfe Ihnen dabei unter einer Bedingung ...!“ „Die da wäre?“ „Dass ich nicht nur die Planung übernehmen, sondern Ihnen auch aktiv beim Umbau helfen darf.“ Ingrid ihrerseits war ebenfalls von Johannes’ sofortiger Entschlossenheit begeistert, die Gernot so gar nicht aufwies, was sie sehr bedauerte. „Wenn Sie das wollen, Johannes, dann steh ich Ihnen nicht im Weg. Aber Gernot hat mir gesagt, dass Sie extra nach Leipzig gekommen sind, um etwas Urlaub zu machen. Ich will Sie davon auf keinen Fall abbringen.“ „Machen Sie sich darüber keine Gedanken, es würde mir sehr viel Spaß machen, Ihnen zu helfen. Das ist für mich so gut wie Urlaub, glauben Sie mir.“ Wieder schauten sich die beiden in die Augen und wussten, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. „Wenn das so ist, dann freu ich mich auf Ihre Mitarbeit!“ Ingrid streckte ihm ihre Hand aus, die er erfreut entgegennahm und ihr daraufhin einen leichten Handkuss gab. Wieder wurde Ingrid ganz verlegen und versuchte abzulenken. In ihr entstand ein Gefühlschaos, das sie so bei sich schon lange nicht mehr erlebt hatte. Damals, als sie sich in Gernot frisch verliebt und ihn jahrelang heimlich geliebt hatte, da hatte sie ebenfalls so ein Kribbeln im Bauch, aber warum passierte ihr das ausgerechnet jetzt? Sie wurde daraus im Moment nicht schlau und wollte auch nicht weiter darüber nachdenken. Stattdessen schaute sie auf ihre Uhr und stellte fest, dass in einer Stunde ihr Nachtdienst beginnen würde, den sie pünktlich antreten wollte. „Entschuldigen Sie, Johannes, ich will nicht unhöflich sein, aber mein Dienst beginnt bald und da muss ich zurück nach Leipzig. Kann ich Sie dahin mitnehmen?“ „Warum nicht? Ich werde mich dann gleich an den Plan machen und ihre tollen Ideen mit einbauen, so dass wir morgen schon darüber reden können.“ „Klingt toll, aber lassen Sie sich ruhig Zeit.“ „Keine Sorge, ich mach das gern, wie ich schon sagte.“ Lächelnd stieg er mit Ingrid in Gernots BMW ein, in dem sie gemeinsam zurück in die Stadt fuhren. Am folgenden Tag besuchte Johannes gegen Mittag mit seinem Laptop die Villa Simoni, wo er hoffte, Ingrid anzutreffen, um ihr sein Modell des Bauernhauses vorzustellen. Gernot war um diese Zeit bereits in der Klinik. Als Ingrid Johannes öffnete, war sie sichtlich erstaunt, dass sie ihn so schnell wiedersehen würde. „Nanu, Johannes, ich hätte wirklich nicht gedacht, dass Sie in so kurzer Zeit schon ein Modell erarbeitet haben.“ „Ich sagte Ihnen doch, dass sie mich ganz besonders inspirieren, Ingrid.“ Bewusst suchte er ihren Blick, dem sie nur für kurze Zeit stand hielt und ablenkte. „Ähm ..., ja, bitte, kommen Sie doch erst mal rein. Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“ „Ja, gern.“ „Lassen Sie mich raten, schwarz und ohne Milch und Zucker?“ „Richtig, woher wussten Sie das?“ Beide lächelten sich vergnügt an. „Och, sagen wir einfach weibliche Intuition.“ „Sie durchschauen wohl jeden, Ingrid, oder?“ „Nicht jeden, aber bestimmte Männer schon.“ „Bestimmte Männer, was soll das denn heißen?“ „Sagen wir mal so, Männer, die ihren eigenen Kopf haben und die sehr stark mit ihrem Beruf verbunden sind.“ „Lassen Sie mich raten: Gernot?“ „Unter anderem, ja. Aber bitte, setzen wir uns doch, wie unhöflich von mir.“ Ingrid und Johannes standen nämlich die ganze Zeit in der Küche, wo Erstere den Kaffee kochte. Als dieser nun trinkbereit war, setzten sich beide nebeneinander an den Wohnzimmertisch, wo Johannes Ingrid auf seinem Laptop sein 3D-Modell des Anwesens vorführte. „Das ist ja fantastisch, Johannes. Ich hätte nicht gedacht, dass man so viel aus dem Bauernhof rausholen könnte.“ Unbewusst hatte Ingrid ihre Hand auf Johannes’ Schulter gelegt, als sie ihm das Lob aussprach. „Aber Ingrid, seien Sie doch nicht so bescheiden. Ich hab doch hauptsächlich ihre Ideen in die Tat umgesetzt und na ja, das ist es nun. Natürlich können wir immer noch die ein oder anderen Dinge ändern, wenn sie wollen.“ „Um ehrlich zu sein, momentan hab ich nichts auszusetzen. Allerdings ...“ Während dieser Worte zog sie schnell ihre Hand von Johannes’ Schultern, dem diese abrupte Bewegung nicht entging. „Allerdings möchte ich, dass auch Gernot das Modell sieht. Mir ist auch seine Meinung wichtig.“ Gernots Erwähnung brachte eine gewisse Ernüchterung in das zuvor eher leger geführte Gespräch. „Natürlich, ich kann gern den Laptop hier lassen, damit Sie ihm alles zeigen können.“ „Gute Idee, danke.“ Wieder lächelten sich beide etwas schüchtern an, bis Johannes auf seine Armbanduhr blickte. „So, ich glaub, ich geh dann jetzt. Wenn Sie Gernot das Modell gezeigt haben und er mit allem einverstanden ist, dann können wir gern zusammen in den Baumarkt gehen, damit wir bald in die Tat schreiten können.“ „Das geht aber fix bei Ihnen, Johannes. Das muss ich schon sagen.“ „Man sollte im Leben eben keine Zeit verlieren. Das ist mein Motto.“ „Ich kann Ihnen da nur zustimmen.“ Wieder entstand eine Stille zwischen beiden, die Ingrid zunehmend in Verlegenheit brachte. „So, Johannes, ich bring Sie dann noch zur Tür.“ „Ja, danke. Und bis bald, Ingrid. Ich freu mich.“ In Johannes’ Augen war ein gewisses Funkeln zu erkennen, das auch Ingrid nicht entging. „Ich freu mich auch“, hörte sie sich verwundert selbst sagen und verabschiedete sich ebenfalls von ihm. Als sie nun so ganz allein in der Villa war, kam sie etwas ins Grübeln. Komisch, Johannes vereinte all die Spontaneität und Abenteuerfreude, die sie selbst hatte und die sie an Gernot leider sehr vermisste. Johannes brauchte man nicht lange zu bitten, er sprudelte nur so vor Energie und Ideen, dass es selbst ihr etwas „unheimlich“ wurde. Und der Glanz in seinen Augen, als sie sich verabschiedet hatten, ging ihr lange nicht aus dem Kopf. Johannes brachte sie ganz aus ihrem Konzept. Als sie wieder etwas ernüchtert war, fuhr sie eine Stunde vor ihrem Dienstbeginn mit Johannes’ Laptop in die Klinik, um Gernot das Modell zu zeigen. Natürlich war er, wie immer, sehr beschäftigt und auch wenn er Ingrid gegenüber so tat, als ob er richtig zuhörte, durchschaute sie ihn sofort. „Sag mal, Gernot. Du kannst mir ruhig sagen, wenn ich dich langweile.“ „Was soll denn das jetzt, Ingrid? Du langweilst mich doch nicht. Ich finde eure Ideen nicht schlecht ...“ „Nicht schlecht, aber?“ „Da gibt’s kein großes Aber, aber ...“ „Siehst du, da gibt es doch eins.“ „Herrgott, jetzt leg doch nicht alles auf die Goldwaage, was ich sage.“ Er wollte ihr beruhigend seinen Arm um ihre Schulter legen, als sie ihn verärgert von sich stieß und hastig von der Couch aufstieg. „Lass das, Gernot! Ich seh’ schon, es war ein Fehler, dir alles zu zeigen. Du siehst immer nur die negativen Seiten des Projekts, wie viel Arbeit und Zeit das alles kostet, aber du versuchst dir nicht auszumalen wie es wäre, wenn wir beide Zeit auf dem Land miteinander verbringen würden. Wie schön das alles werden könnte und vor allem, wie erholsam für uns. Das alles verkennst du total.“ „Das stimmt doch nicht und das weißt du! Es wäre schon nicht schlecht, aber wir haben doch auch noch unser Ferienhaus, wo wir uns entspannen können und Ruhe haben.“ „Genau das meine ich. Du nimmst meine Wünsche und Ideen nicht ernst. Du ...“ Ingrid wurde durch die eintretende Barbara im Satz unterbrochen. „Chef, entschuldigen Sie, ich will nicht stören, aber ...“ „Sie stören aber, Frau Grigoleit“, erwiderte Ingrid giftig, was Barbara allerdings zu überhören versuchte. „Die Herren von der Ärztekammer sind jetzt da.“ „Herrje, die hätte ich fast vergessen, Barbara. Schicken Sie sie rein und machen Sie uns doch bitte ihren wunderbaren Kaffee.“ „Geht klar, Chef.“ Ingrid blickte Gernot ungläubig angesichts seiner Reaktion an. Wie konnte er sie nur in dieser Situation so missachten. Schon traten die Männer von der Ärztekammer in Gernots Büro ein. „Guten Tag, meine Herren. Bitte, nehmen Sie doch Platz!“ Und zu Ingrid gewandt: „Wir waren dann so weit fertig, nicht wahr, Oberschwester?“ „Das kann man wohl sagen, Herr Professor. Wir sind mehr als nur fertig miteinander.“ Selbst den anderen Männern entging Ingrids aggressiver Tonfall nicht. In Windeseile stürmte sie aus Gernots Büro, eilte in die Wäschekammer, schloss sich dort ein und weinte bitterlich. Wie konnte Gernot sie nur so dermaßen vor diesen Männern demütigen? Ingrid erinnerte sich noch gut daran, wie er sie vor ihrer Trennung behandelt hatte. Da kam es auch des Öfteren vor, dass er sie einfach in seinem Büro stehen ließ, wenn es für ihn unangenehm wurde. Unter anderem war dieses Verhalten Gernots mit der Grund, warum sie sich damals von ihm getrennt hatte. Als sie ihrer Beziehung eine zweite Chance gab, da hatte sie am meisten davor Angst, dass Gernot in sein altes Verhaltensmuster zurückverfallen würde. Anfangs schien es so, als ob er sich geändert hätte und nun mehr auf ihre Wünsche einging, aber jetzt, jetzt war es genauso wie zuvor und sie wusste nicht, ob sie so weitermachen konnte. Jedenfalls wollte sie sich von Gernot nicht wieder so behandeln lassen. Sie brauchte einige Zeit bis sie sich wieder beruhigt hatte und ihren Dienst wieder aufnehmen konnte. Ingrids und Gernots Umgang in den darauffolgenden Tagen war sehr distanziert, was nicht nur auf die unterschiedlichen Dienstzeiten, er tagsüber, sie nachts, zurückzuführen war. Ingrid ging ihm bewusst aus dem Weg, kümmerte sich am Tage mit Johannes um den Bau und schlief nur morgens nach ihrem Dienst einige Stunden. Schnell merkte sie, dass sie an ihre Grenzen stieß, denn die Doppelbelastung machte ihr mehr zu schaffen als sie dachte. Auch Johannes schien das aufzufallen, denn er beobachtete sie Tag für Tag mit mehr Sorge. Man konnte Ingrid die Müdigkeit schon ansehen. Als die beiden gerade so in der Scheune zu tun hatten, knickte Ingrid mit ihrem Fuß um, was ihr einen Schmerzenschrei entlockte und Johannes sofort zu ihr eilte. „Ingrid, was ist passiert?“ Er konnte sehen, dass sie sich ihren Knöchel hielt, weshalb er sie sofort abstützte, sie hochhob und sie vorsichtig auf eine umherstehende Bank setzte. Als sich ihre Blicke trafen, konnte er Tränen in ihren Augen sehen, aber erkannte sofort, dass diese nicht nur auf ihre Schmerzen am Fuß zurückzuführen waren. Sanft wischte er ihr mit seinen Fingern die Tränen vom Gesicht, streichelte liebevoll ihre Wange und näherte sich Ingrids Mund, den er mit seinem verschloss. Zunächst war Ingrid etwas von Johannes’ Reaktion erschrocken, aber dann war sie dankbar für seine Nähe und gab sich eine Weile dem Kuss hin, ehe sie Johannes sanft mit ihrer Hand auf seiner Brust von sich wegdrückte. „Entschuldige, Ingrid. Ich wollte dich nicht ...“ „Pscht, schon gut.“ Vorsichtig hatte Ingrid ihren Zeigefinger auf Johannes’ Mund gelegt, um ihn am Weiterreden zu hindern. Es war das erste Mal, dass sie sich duzten. „Kannst du mich einfach nur mal festhalten?“ „Natürlich, Liebes. Komm her.“ Schnell schloss Johannes sie in seine Arme, in die sie sich dankbar kuschelte und ihren Kopf auf seine Schulter bettete. Tief im Innern hatte sie zwar ein schlechtes Gewissen, aber dieses Gefühl versuchte sie zu ignorieren, denn es tat einfach gut, sich mal fallen zu lassen. Nach einer Weile lösten sie sich wieder etwas voneinander. „Wie geht’s deinem Fuß, Ingrid?“ „Es geht schon wieder. Bin nur etwas umgeknickt, aber gerissen scheint nichts zu sein.“ „Da bin ich aber erleichtert. Ingrid, ich ...“ Johannes schaute ihr eingehend und leuchtend in die Augen. „Ich hab mich vom ersten Tag an in dich verliebt.“ „Johannes, ich ... ich glaub, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“ Leicht humpelnd eilte sie zum Auto. „Ingrid, bleib hier, bitte!“ Doch sie hörte nicht mehr auf ihn und fuhr schnell davon. Sie wusste nun nicht mehr, was sie empfand. Johannes war ein sehr interessanter und charmanter Mann, an dessen Seite man als Frau sicher sehr glücklich werden konnte, aber da war eben noch Gernot in ihrem Leben. Gernot, wenn sie schon daran dachte, ihm jetzt über den Weg laufen zu müssen, wurde ihr ganz übel. Schon seit Tagen hatten sie keine vernünftige Unterhaltung mehr geführt. Alles kulminierte im Streit, so dass sie es beide lieber vorzogen, einander aus dem Weg zu gehen. Gerade als sie einige Minuten in der Villa angekommen war, kam Gernot früher als erwartet nach Hause. Beiden war es anzusehen, dass sie nicht wussten, wie sie miteinander umgehen sollten. „Hallo, Gernot. Du bist schon da?“ Ingrids Tonfall war etwas unterkühlt. „Du ja offenbar auch, wie ich sehe.“ „Ja, wir sind heute etwas früher fertig geworden.“ Als sie einige Schritte im Wohnzimmer hin und her ging, bemerkte Gernot, dass sie leicht humpelte und sie besorgt betrachtete, weshalb seine Stimme schlagartig sanfter wurde. „Ingrid, was ist denn mit deinem Fuß passiert?“ Selbst Ingrid entging seine ernstgemeinte Sorge nicht, die sie aber bewusst ignorieren wollte. „Nichts, bin nur etwas umgeknickt. Geht schon wieder.“ „Bist du sicher? Lass mich mal einen Blick drauf werfen!“ Gernot hatte sich bereits zu ihr hinuntergebeugt und wollte ihren Fuß abtasten, als Ingrid diesen sofort zurückzog. „Nein, das ist nicht notwendig, Herr Professor! Wenn ich mich von Ihnen untersuchen lassen möchte, lasse ich mir von Ihrer Sekretärin einen Termin geben“, schrie sie ihn heftiger an als sie es beabsichtigt hatte. „Ingrid, ich wollte dir nur helfen.“ „Helfen. Ha, dass ich nicht lache. Du weißt doch gar nicht was das ist. Du denkst nur an dich und deine blöde Klinik. Alles andere ist dir doch völlig egal.“ „Das stimmt nicht und das weißt du genau.“ „Du hast mich bisher immer noch nicht vom Gegenteil überzeugen können, Gernot. Seit Wochen hältst du mich nur hin. Machst mir Versprechen, die du doch nicht halten kannst, weil angeblich immer etwas Wichtigeres dazwischen gekommen ist. Und wenn ich daran erinnern darf: Bis zum heutigen Tag haben wir unser vor langem geplantes Abendessen im Restaurant nicht umgesetzt. So viel dazu, dass ich dir wichtig bin.“ „Ingrid, so kann es mit uns doch nicht weitergehen.“ „Das merkst du früh.“ „Mit deinem Sarkasmus kommen wir auch nicht weiter.“ „Ehrlich gesagt, Gernot. Ich weiß gar nicht, ob ich mit dir weiter kommen will. Und falls es dich interessiert, es gibt Männer, die mehr Verständnis und Zeit für mich aufbringen als du.“ „Ach ja, wer sollte das denn sein?“ „Das ist doch typisch für dich. Du merkst anscheinend auch nichts, was vor deiner Nase vor sich geht. Ich meine natürlich Johannes.“ „Was hat denn Johannes damit zu tun?“ „Viel Gernot, sehr viel sogar. Und falls du’s genau wissen willst, wir haben uns heute sehr intensiv geküsst und ich bereue nichts, hörst du? Nichts bereue ich, im Gegenteil es war wunderschön.“ Gernots Augen weiteten sich geschockt, die Ingrid ungläubig anschauten. Alles hätte er gedacht, nur das nicht. Sein Freund und seine Lebensgefährtin führten hinter seinem Rücken ein Verhältnis und er merkte es noch nicht mal. Er fühlte sich wie ein gehörnter Ehemann, der nicht bemerkte, was seine Frau hinter seinem Rücken trieb. Nur langsam fand er seine Sprache wieder. „Seit wann geht das schon so?“, schrie er sie an. „Das spielt keine Rolle, Gernot.“ Gernot trat nah an Ingrid heran, klammerte seine Hände fest an ihre Oberarme und begann sie zu schütteln. „Ich hab gefragt, wie lange das jetzt schon so geht?“ „Lass mich los, Gernot. Du tust mir weh!“ In der nächsten Sekunde ließ er sie sofort los, denn seine heftige Reaktion erschrak ihn selbst etwas. Er wusste, dass er im Moment nicht weiterkommen würde, weshalb er seinen Mantel nahm und das Haus türenknallend verließ. Ingrid blieb allein zurück und wusste, dass sie mit ihrer Beichte nur alles schlimmer gemacht hatte, aber sie konnte nicht anders. Weinend starrte sie durchs Fenster und wusste nicht, was sie nun tun sollte. Während Ingrid mit ihrem Schmerz in der Villa blieb, war Gernot nicht wiederzuerkennen. Er fuhr wie ein Wilder zu Johannes ins Hotel, in dem dieser schon seit Wochen wohnte. Es war ein Wunder, dass Gernot keinen Unfall verursachte. Völlig außer sich eilte er zu Johannes ins Hotelzimmer und klopfte an. „Hallo, Gernot, was ...?“ Gerade, als dieser die Tür öffnete, schlug Gernot ihm völlig unerwartet mit voller Wucht ins Gesicht, weshalb er sofort nach hinten taumelte und sich seine nun blutende Nase hielt. „Ein toller Freund bist du. Spannst mir die Frau aus und tust die ganze Zeit so, als ob alles in Ordnung sei. Du widerst mich an.“ „Gernot, es ist nicht so, wie du denkst.“ „Ach ja, wie dann? Ist sie so im Bett, wie du’s dir erhofft hast?“ Gernot wusste, dass das gerade sehr geschmacklos war, aber angesichts der Umstände war ihm das egal. „Du spinnst doch, Gernot.“ Johannes hielt sich noch immer die blutende Nase, die er mittlerweile mit einem Stofftaschentuch vergebens zu stoppen versuchte. Gernot trat ganz nah an Johannes heran und blickte im ernst in die Augen. „Ich warne dich, Johannes. Lass Ingrid in Ruhe, sie gehört zu mir, verstanden!“ „Das ist wohl Ingrids Entscheidung, meinst du nicht auch? Außerdem ist sie nicht glücklich an deiner Seite. Du merkst wohl gar nicht, dass du sie vollkommen vernachlässigst.“ „Deshalb übernimmst du ja besonders gern diesen Part, wie sich jetzt herausgestellt hat. Ich sag’s dir nur noch ein einziges Mal. Lass Ingrid in Ruhe, oder es bleibt nicht bei einer blutenden Nase.“ Gernot war momentan nicht mehr Herr seiner Sinne, denn als Arzt lehnte er prinzipiell jede Form von Gewalt ab, aber diese Situation war anders. Es ging um Ingrid, die Frau, die er noch immer, trotz allem, über alles liebte und die er nicht noch ein zweites Mal verlieren wollte. „Du hast mir die Nase gebrochen, Gernot!“ Vorwurfsvoll schaute nun auch Johannes Gernot an. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Außerdem kennst du nun ja, dank mir, eine gute Krankenschwester, die dich wunderbar pflegen kann.“ Damit verließ Gernot genauso wütend wie er gekommen war das Hotel. Zunächst fuhr er wirr in der Gegend herum, bis er sich dafür entschied, sich in seiner Lieblingsbar zu betrinken. Nach einigen Whiskys weigerte sich der Barkeeper, ihm noch weiter Alkohol auszuschenken. „Kommen Sie, gehen Sie nach Hause, Herr Professor!“, sagte der Keeper, der Gernot schon oft mit Günther zusammen bedient hatte und deshalb wusste, wer er war. Lallend gab Gernot ihm Kontra. „Was interessiert Sie denn das? Los, geben Sie mir noch einen!“ Auffordernd hob er ihm sein geleertes Whiskyglas entgegen. „Sie sollten jetzt nichts mehr trinken.“ „Was wissen Sie denn, was ich sollte? Gut, wenn ich hier nichts mehr kriege, geh ich eben woanders hin.“ Als Gernot sich vom Hocker erhob, schwankte er stark und konnte sich nicht mehr selbständig auf den Beinen halten, weshalb ihn der Keeper wieder zurück auf den Hocker hievte, Günther Keller anrief und diesem Gernots Situation kurz schilderte. Eine Viertelstunde später traf dieser auch ein. „He, Gernot, was machst du denn für Sachen?“ „Günther, alter Junge, willst auch du mir jetzt Ingrid wegnehmen?“ „Gott, Gernot. Hast du eine Fahne.“ „Hast du Ingrid auch schon mal geküsst?“ Plötzlich fing Gernot völlig unkontrolliert an zu lachen. „Und ich ... ich bin der Idiot, der sie noch zusammengebracht hat. Darauf müsste ich eigentlich was trinken. Günther, willst du nicht auf meinen neuen Job als Partnervermittler mit mir anstoßen?“ „Sag mal, was redest du denn da zusammen? Weiß Ingrid eigentlich, wo du bist?“ „Ingrid? Das ist ihr egal.“ „Na komm erst mal. Ich bring dich nach Hause.“ Günther legte Gernot seinen Arm um die Schulter und wollte ihn gerade zu seinem Auto bringen, als er merkte, dass es diesem schlecht wurde. „Günther, ich glaub ...“ Günther schaffte es noch rechtzeitig mit ihm zu einem Blumenkübel zu kommen, in den Gernot sich sofort übergab. „Oh Mann, schöne Sauerei. Gernot, was ist denn nur passiert, dass du dich so gehen lässt?“ „Is alles egal .. .alles soooo egal ...“ Wieder brach Gernot in schallendes Gelächter aus, was Günther nur noch mehr irritierte. Es dauerte noch eine Weile, bis Günther ihn im Wagen hatte und sie heil in der Villa ankamen. Um zu verhindern, dass sich Gernot nochmals während der Fahrt übergeben musste, hatte er ihm zur Sicherheit eine Tüte in die Hand gedrückt, die er aus Gernots Arztkoffer genommen hatte. Mit dem taumelnden Gernot stand er dann vor dessen Haustür und klingelte. Als niemand öffnete, schloss Günther mit Gernots Schlüssel auf. Ingrid war nicht da, da sie wegen des Umbaus in letzter Zeit nur noch Nachdienste schob. Günther zog Gernot nur die Schuhe und die Hosen aus, da sich letzterer beim Anblick seines Betts sofort auf selbiges warf und sofort einschlief. Kurz vergewisserte sich Günther, ob er Gernot so auch allein lassen konnte und fuhr in die Sachsenklinik, da er hoffte Ingrid dort vorzufinden. Er traf sie im Schwesternzimmer an, wo sie gerade eine Pause eingelegt hatte und mit zittrigen Händen eine Tasse Tee trank. Sie war völlig von der Rolle, denn Johannes hatte sie, kurz nachdem Gernot ihn geschlagen hatte, angerufen und war in die Klinik gekommen, wo man seine Nase verarztete. Sie war wirklich gebrochen. Ingrid konnte es noch gar nicht glauben, was sie da angerichtet hatte. Aber dass Gernot Johannes so zurichten würde, das hätte sie nicht von ihm erwartet. Einerseits, tief im Innern, fühlte sie sich von dieser Tat geschmeichelt, denn es bedeutete ja nichts anderes, als dass sie ihm sehr wichtig war, andererseits aber verurteilte sie diese Tat. Hinzu kam noch die Sorge um Gernot, denn sie wusste ja nicht wo er war und ob er nicht noch mehr Dummheiten machen würde. Günthers Klopfen brachte sie ins Hier und Jetzt zurück. „Günther, was machst du denn hier?“ „Es geht um Gernot ...“ Schnell stand sie auf und trat nah an ihn heran. „Gernot? Ist ihm was passiert? Ich ... ich mach mir Sorgen um ihn.“ „Ganz ruhig, Ingrid. Er hat sich in unserer Bar betrunken. Aber keine Sorge, ich hab ihn nach Hause gebracht, wo er erst mal seinen Rausch ausschläft.“ Etwas beruhigter setzte sie sich wieder an den Tisch, an den sich auch Günther setzte und ihr alle Einzelheiten von Gernots Zustand berichtete. Als er mit seinen Schilderungen fertig war, wollte er seinerseits einiges erfahren. „Sag mal, Ingrid. Was ist denn passiert, dass Gernot sich so betrinkt? Ehrlich gesagt, so betrunken hab ich ihn seit unserer Studienzeit nicht mehr erlebt, denn wie du weißt kann er ’ne ganze Menge vertragen.“ „Ich fürchte, ich bin schuld daran ...“ Ingrid erzählte ihm die ganze Geschichte vom geerbten Bauernhaus, über den Kuss mit Johannes bis hin zu der letzten Auseinandersetzung zwischen ihr und Gernot und natürlich von Johannes’ gebrochener Nase. Hin und wieder stockte sie, da sie in Tränen ausbrach. Günther erwies sich als guter Zuhörer und machte ihr keinesfalls Vorwürfe, denn er kannte seinen besten Freund nur zu gut. „Ingrid, mal ehrlich. Liebst du diesen Johannes?“ „Ich weiß es nicht ...“ Wieder rannen ihr Tränen die Wangen herunter. „... Ich weiß es einfach nicht.“ Günther atmete tief durch. Das war schon eine vertrackte Situation, in die seine beiden Freunde da geraten waren. „Lass dir einfach Zeit, Ingrid! Überstürz jetzt erst mal nichts, dann wirst du schon die richtige Entscheidung treffen.“ „Danke, Günther, dass du mir zugehört hast. Ich glaub, ich hab das grad nicht verdient.“ „Komm, beruhig dich erst mal. Gernot wird das auch und dann versucht ihr wieder wie normale Menschen miteinander zu reden. Das wird schon wieder!“ Danach verabschiedeten sich beide voneinander und Ingrid versuchte sich, wie immer, durch Arbeit abzulenken. Als sie von der Arbeit nach Hause in die Villa kam, überkam sie ein ungutes Gefühl, denn sie wusste, dass Gernot um diese Zeit sicher noch schlafen würde. So war es auch. Kurz wagte sie es, ins Schlafzimmer zu blicken und Gernots Anblick erschrak sie schon etwas. Er sah sogar im Schlaf ziemlich mitgenommen aus. Sofort machte sie sich wieder Selbstvorwürfe, weshalb sie sich zunächst einmal in die Küche zurückzog, um sich Frühstück zu machen. Am liebsten wäre sie sofort wieder gegangen, aber sie wäre sich dann nur noch schäbiger vorgekommen, wenn sie sich der Situation mit Gernot jetzt nicht gestellt hätte. Nachdem sie gegessen hatte, setzte sie sich auf die Couch, auf der sie angespannt darauf wartete, bis Gernot endlich nach unten kam. Kurz nach 12 Uhr mittags hörte sie, dass er oben duschte und wenige Minuten später die Treppe zu ihr herunter kam. Man sah ihm seinen übermäßigen Alkoholkonsum an. Gernot fühlte sich hundselend, was allerdings nicht nur die Schuld des Alkohols war. Zunächst sah er Ingrid nicht auf der Couch sitzen, die ihn die ganze Zeit beobachtet hatte. Als er sie dann wahrnahm, zuckte er fast unmerklich etwas zusammen und wusste im ersten Moment nicht, wie er sich verhalten sollte. „Ingrid, was machst du denn hier? Ich dachte du spielst die Privatkrankenschwester bei deinem Traummann.“ Gernots Ton war mehr als nur giftig und traf Ingrid sehr. „Gernot, du weißt nicht, was du da sagst.“ „Und du anscheinend nicht, was du willst.“ Wieder trafen Gernots Worte sie tief in ihrem Innern, denn das Schlimmste war, dass er noch nicht mal Unrecht damit hatte. Sie wusste momentan wirklich nicht, was, bzw. wen sie eigentlich wollte. Aber warum setzte sie sich dann unmittelbar mit Gernot auseinander und war nicht bei Johannes? Irgendwie konnte sie sich ihr Verhalten auch nicht richtig erklären. Gernot seinerseits schenkte sich gerade eine Tasse Kaffee ein und setzte sich an den Wohnzimmertisch, wo er völlig fertig seinen Kopf in seine Hände bettete. Es tat Ingrid schon sehr weh ihn so zu sehen, denn das hatte sie nicht gewollt. Um ihm etwas zu helfen, holte sie aus dem Medizinschrank eine Kopfschmerztablette, löste sie in einem Glas Wasser auf und stellte dieses neben Gernot auf den Tisch. „Was soll denn das?“, fragte Gernot ziemlich gereizt. „Trink einfach, dann wird es dir besser gehen.“ „Ach ja, wird es mir dann wirklich besser gehen?“ Vorwurfsvoll blickte Gernot Ingrid in die Augen. Sie konnte seine stummen Schuldzuweisungen nicht mehr länger ertragen, weshalb sie die Villa verließ. „Ich geh dann wohl lieber.“ „Zu Johannes, dem unschlagbaren Frauentröster?“ Alles, was Gernot von sich gab, triefte vor Sarkasmus. Ingrid gab darauf keine Antwort mehr, sondern ging einfach. Für kurze Zeit besuchte sie Johannes, um sich bei ihm für Gernots Verhalten zu entschuldigen und um ihm mitzuteilen, dass sie in nächster Zeit allein am Umbau weiterarbeiten wollte. „Das geht jetzt nicht gegen dich, Johannes, aber ich brauch einfach ein bisschen Zeit für mich.“ „Das versteh ich doch, Ingrid. Ich will nur, dass du weißt, dass ich jederzeit für dich da bin, wenn du mich brauchst. Ich bin noch eine Zeitlang hier in Leipzig.“ Dankbar lächelte sie ihn an, was dieser gern erwiderte. „Das ist sehr lieb von dir, danke. Ich melde mich bei dir, versprochen.“ „Und Ingrid, was ich dir gestern gesagt habe, was ich für dich empfinde, das hab ich ernst gemeint.“ „Ich weiß.“ Ohne weiter darauf einzugehen fuhr sie allein ins Bauernhaus, wo sie über die nächsten Wochen ohne Hilfe arbeitete und dort fast die ganze Zeit über wohnte. Nur ab und zu schlief sie noch in der Villa, weil sie es nicht übers Herz brachte, ganz bei Gernot auszuziehen. Zumindest so lange nicht, ehe sie sich nicht vollkommen sicher war, was sie noch für ihn empfand. Gernots Laune wurde zunehmend schlechter, was auch den Kollegen in der Klinik nicht entging. Jeder wusste nun, dass Ingrid und Gernot in einer schweren Beziehungskrise steckten. Wenn beide aufeinander trafen, dann beredeten sie nur Dienstliches miteinander. Da es Ingrid langsam nicht mehr aushielt und Klarheit wollte, kaufte sie zwei Theaterkarten für Shakespeares Viel Lärm um nichts und wollte ihn bei nächster Gelegenheit dazu einladen. Vielleicht würden sie es dann wieder schaffen, vernünftig miteinander zu sprechen. Johannes hatte sie seit längerer Zeit nicht mehr gesehen, denn die Aussprache mit Gernot war ihr zunächst wichtiger. An einem Freitagmorgen kam sie direkt nach ihrem Nachtdienst in die Villa, um mit Gernot zusammen zu frühstücken, was sie schon lange nicht mehr getan hatten. Bei dieser Gelegenheit hoffte sie auf eine Aussprache und wollte ihm die Theaterkarten zeigen. Als Gernot ins Wohnzimmer kam, war er doch etwas überrascht, dass Ingrid den Frühstückstisch für sie beide gedeckt hatte und scheinbar auf ihn wartete. „Bist du dir sicher, dass du mit mir frühstücken willst, Ingrid?“, fragte er ziemlich skeptisch. „Wäre ich sonst hier? Komm setz dich, ich glaub, wir sollten mal reden.“ „Wie du meinst.“ Etwas bockig wie ein beleidigter kleiner Junge, setzte er sich ihr gegenüber und nahm die Zeitung in die Hand, um darin zu lesen. Eine Weile schwiegen sich die beiden an und aßen stumm vor sich hin. „Gernot, bitte. Lass uns reden!“ „Ich wüsste nicht, was das noch bringen sollte.“ „Heißt das, dass dir unsere Beziehung nichts mehr bedeutet?“ „Ich glaub eher, dass ich dich das fragen sollte.“ „Gernot, du bist mir nicht egal, wenn du das meinst. Es tut mir weh, dass wir schon seit Wochen kein privates Wort mehr miteinander gewechselt haben.“ „Ich glaub nicht, dass ich daran schuld bin. Ich hab mich nicht für einen anderen entschieden.“ Ingrid versuchte Gernots Bemerkung zu überhören. „Warum bist du nur so stur? Merkst du nicht, dass ich gerade versuche einen Schritt auf dich zuzugehen?“ Darauf gab er keine Antwort. „Hier, ich hab uns zwei Karten für’s Theater besorgt. Wollen wir morgen Abend zusammen hingehen?“ Sie versuchte ihn etwas anzulächeln und reichte ihm eine Karte. „Viel Lärm um nichts. Soll das ein Hinweis sein?“ „Nichts dergleichen. Ich will einfach nur mit dir ins Theater und einen schönen Abend verbringen.“ „Nee, lass mal. Auf Shakespeare hab ich jetzt grad keine Lust. Ich hab in der Klinik schon Theater genug.“ „O.k., wie du meinst.“ Ingrids Miene verfinsterte sich urplötzlich, denn sie hätte nicht gedacht, dass er ihre Einladung abschlagen würde. Sie hatte zwar damit gerechnet, dass er zunächst blocken würde, aber dass er so gar kein Interesse zeigte, schockierte sie etwas. Vielleicht liebte er sie wirklich nicht mehr. Manchmal musste man auch loslassen können. Sie musste richtig um ihre Fassung ringen, denn davor hatte sie am meisten Angst, Gernot ein zweites Mal verlieren zu müssen. „Falls du es dir doch noch anders überlegst, sag mir Bescheid. Ich geh dann mal wieder.“ „Mach dir keine Hoffnungen, ich werde auf keinen Fall mit dir ins Theater gehen.“ Gernot brauchte nicht mehr zu sagen. Es war alles gesagt, was zu sagen war. Traurig flüchtete sie aus der Villa. Erst jetzt wurde es Gernot mehr als nur klar, dass er Ingrid nun womöglich wirklich verloren hatte. Er setzte seine Brille ab, die er wütend auf den Tisch vor sich warf. „Ich Idiot, warum hab ich das nur gesagt? Ich liebe sie doch noch. Trotz allem.“ Wenn er jetzt nicht bald etwas unternahm, würde es endgültig zu spät sein. Als Ingrids erste Enttäuschung langsam etwas abgeebbt war, entschloss sie sich dafür, Johannes nach all der langen Zeit wiederzusehen. Dieser war freudig überrascht, als sie ihn bei sich im Hotel besuchte. „Das ist aber eine Überraschung. Ingrid. Schön, dass du gekommen bist.“ Er lächelte sie so charmant an, dass sie nicht anders konnte und zu weinen begann. „Komm mal her, Liebes.“ Liebevoll nahm er sie in seine Arme, in die sie sich gerne flüchtete und sich eng an seine Schulter schmiegte. Es tat so gut, einfach nur festgehalten zu werden. Eine ganze Weile standen die beiden eng umschlungen im Zimmer. „Geht’s wieder einigermaßen?“, fragte Johannes besorgt. „Ja, es geht schon wieder. Mach dir keinen Sorgen.“ „Mach ich mir aber. Du siehst ziemlich mitgenommen aus.“ „Ich sehe nicht nur so aus, das bin ich auch.“ „Was kann ich da tun, dass sich das bald ändert?“ „Hast du Lust mit mir morgen Abend ins Theater zu gehen? Ich hab Karten.“ „Sicher. Ich würde nichts lieber tun, als dich zu begleiten.“ Beide strahlten sich an, aber als Johannes Anstalten machte, Ingrid zu küssen, wich sie ihm schnell aus. „Ich glaub, ich muss dann mal wieder. Bis morgen dann. Ich freu mich.“ „Ich mich auch.“ Ingrid und Johannes verbrachten einen schönen Samstagabend miteinander. Es tat ihr gut, mal von ihrem Alltagstrott rauszukommen und den Kummer mit Gernot zu vergessen. Allerdings war dies schwieriger als gedacht, denn als sie die beiden Streithähne, Benedikt und Beatrice in Viel Lärm um Nichts auf der Bühne streiten sah, da dachte sie sofort an sich und Gernot. Genau wie Benedikt und Beatrice sich nicht einander ihre Liebe gestehen konnten, genauso wenig konnten sie und Gernot das nicht. Aber im Gegensatz zu Shakespeares Komödie, konnte ihre Beziehung nicht durch eine List gerettet werden. Johannes bemerkte ihre Unruhe während des Stücks, weshalb er ihre Hand in die seine nahm und sie liebevoll drückte. Ingrid entzog ihm ihre nicht. Nach der Aufführung entschieden sie sich, noch irgendwo etwas trinken zu gehen. „Johannes, wie wär’s, wenn wir ins ’Charlotto’ gehen? Das ist ganz hier in der Nähe und sehr gemütlich.“ „Klar, ich hab nichts dagegen. Na dann los!“ Arm in Arm machten sie sich auf den Weg dort hin. Doch als sie dort ankamen, wurde es Ingrid doch etwas mulmig. Wieso hatte sie sich ausgerechnet für’s ’Charlotto’ entschieden, obwohl sie wusste, dass Charlotte und Otto dort waren und es dann bald in der Klinik die Runde machen würde, dass sie heute mit Johannes den Abend verbracht hat. Aber vielleicht war es gerade das, was sie wollte. Sollte doch die ganze Welt, bzw. die ganze Klinik, Bescheid wissen. Gernot schien es ja nicht mehr sonderlich zu interessieren, was sie tat. Also, warum sollte sie dann noch auf ihn Rücksicht nehmen? Als sie sich an einen netten Tisch gesetzt hatten, kam sofort Charlotte auf sie zu, die neugierig die Bestellung aufnahm. „Ober ... Ich meine, Frau Rischke. Schön, dass sie auch mal wieder bei uns zu Gast sind.“ „Ja, wirklich sehr schön. Ingrid machte gute Miene zum bösen Spiel, denn sie wusste, was jetzt kommen würde. „Wo ist denn der Professor heute Abend?“ Gerade als Ingrid nach einer Ausrede suchte, kam ihr Johannes entgegen. „Der Professor ist ein alter Freund von mir und da er keine Zeit hatte, mir selbst die Stadt zu zeigen, hat er Ingrid gebeten für ihn das zu tun.“ „Ach, das ist ja interessant“, murmelte Charlotte ungläubig vor sich hin. „Ja, nicht wahr, Frau Gauss?“ Spätestens jetzt bereute sie es zutiefst, hierher gekommen zu sein. Sie bestellten zwei Gläser Rotwein, die sie wenige Minuten später nun von Otto Stein serviert bekamen. „Guten Abend, Frau Rischke. Hier, ich hoffe, Ihnen bekommt unser guter Tropfen. Ihnen auch, Herr ...?“ „Beling, mein Name. Sicher wird uns der Wein schmecken, keine Sorge.“ „Ja, ja, natürlich.“ Schwerfällig entfernte sich Otto wieder vom Tisch und trat zu Charlotte, die hinter dem Tresen stand und die beiden Gäste eindringlich musterte. Ingrid und Johannes hörten, wie die beiden über sie tuschelten. „Es tut mir leid, Johannes. Ich glaub, ich hätte dich vorwarnen sollen. Die beiden betreiben die Klinikcafeteria und nun wird es sicher nicht lange dauern, bis die ganze Sachsenklinik von unserem Abend erfährt.“ „Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist mir egal, ob jemand hinter dem Rücken über uns redet. Hauptsache wir sind zusammen, das ist es, was für mich zählt.“ Während er das sagte, berührten seine Fingerkuppen sanft Ingrids Hände, die ihr Weinglas festhielten. Einige Zeit schauten sie sich stumm in die Augen, was für Charlotte und Otto nur ein gefundenes Fressen war. „Ein alter Freund des Professors, pah, dass ich nicht lache, Otto. Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass da was zwischen den beiden läuft.“ „Ich weiß nicht, Charlotte. Warum sollten die dann ausgerechnet zu uns kommen, wenn das so wäre? Die Oberschwester weiß doch genau, dass der Professor davon erfährt.“ „Tja, meine Rede. Vielleicht will sie das ja, dass der Professor erfährt, was sie so in ihrer Freizeit treibt.“ „Aber Charlotte, so hart würde ich das jetzt nicht ausdrücken.“ „Und was glaubst du, was dieses Händchenhalten auf sich hat?“ „Welches Händchenhalten?“ „Na, bist du blind? Schau doch mal genau hin! Ihre Fingerspitzen berühren einander.“ „Is ja auch kein Wunder, wenn beide ihre Weingläser festhalten.“ „Ach, mir reicht’s mit dir! Du kapierst aber auch nichts. Geh lieber wieder an die Arbeit! Der Tisch da hinten wartet schon lange auf die Bedienung.“ Währenddessen an Ingrids Tisch, blickten sich beide noch immer tief in die Augen. „Du bist eine fantastische Frau, Ingrid. Hat dir das schon mal jemand gesagt?“ „Na ja, Gernot. Früher mal, aber das ist lange nicht mehr vorgekommen.“ Betrübt blickte sie in ihr Glas. „...zu lange nicht mehr.“ „Bereust du’s, dass du Ärger mit Gernot hast?“ „Was heißt bereuen? Ich glaub, das mit Gernot, das ist vorbei. Ich bin ihm mittlerweile ziemlich egal geworden. Aber bitte, können wir nicht über was anderes reden, ich wollte doch einen schönen Abend mit dir verbringen.“ „Ja, natürlich. Entschuldige. Dann lass uns doch auf diesen besonderen Abend anstoßen. Vielen Dank für die Einladung, Ingrid. Ich hab mich sehr gefreut – prost!“ „Gern geschehen – prost!“ Sie genossen noch eine ganze Weile die Zeit miteinander, bis sie das Lokal wieder verließen. „Fährst du jetzt in die Villa zurück, Ingrid?“ „Nein, auf keinen Fall. Heute kann ich Gernot nicht mehr unter die Augen treten. Ich nehme mir ein Taxi und lass mich ins Bauernhaus bringen.“ „Ich könnte dich auch hinfahren, ich hab mir seit ein Paar Tagen ein Auto gemietet.“ „Das ist lieb von dir, aber ich komm schon allein zurück. Mach dir keine Gedanken.“ „O.k., wie du willst.“ Er blieb noch bis Ingrids Taxi kam, nahm sie dann noch schnell in den Arm, gab ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund und eilte mit den Worten davon: „Es war ein wunderschöner Abend, Ingrid. Bis bald.“ Schon war er um die Ecke verschwunden, ohne auf ihre Reaktion zu warten. Verwirrt stieg sie ins Taxi ein, das sie aufs Land brachte. Wie zu erwarten machte das gemeinsame Treffen von Ingrid und Johannes schnell die Runde, so dass jeder spätestens am Montagmorgen in der Klinik darüber informiert war. Wie es auch der Zufall wollte, kamen an diesem Morgen ausgerechnet Ingrid und Gernot zur selben Zeit vor der Klinik an. Für einen Augenblick standen sie sich verlegen gegenüber, aber versuchten sich nichts vor den Kollegen anmerken zu lassen, obwohl Ingrid ahnte, dass schon alle Bescheid wussten. Trotzdem bemühte sie sich, sich unauffällig zu verhalten. Gernot allerdings wusste noch nichts von seinem „Glück“, denn er hatte nicht die geringste Ahnung, dass Ingrid mit Johannes im Theater war, weshalb er sogar sehr höflich zu Ingrid war, was diese schon etwas irritierte. „Morgen, Ingrid.“ „Morgen, Gernot.“ Schüchtern lächelte er sie an, doch sie blieb davon unbeeindruckt, weshalb er schnell in sein Büro flüchtete. Dort kam ihm Barbara sofort mit einem Tablett voll Kaffee und Kekse entgegen. „Morgen, Chef. Ich dachte, den können Sie jetzt gebrauchen.“ „Kaffee, danke Barbara. Sie verwöhnen mich wirklich sehr.“ „Na aber hallo, wenn ich es nicht tue, wer denn dann?“ Gernot blickte Barbara etwas überrascht an, denn er konnte ihre Bemerkung nicht richtig deuten. Ob seine Krise mit Ingrid schon rumgegangen war? Das konnte er sich nicht vorstellen, denn bisher hatten sie doch beide versucht, normal in der Klinik miteinander umzugehen. Während des ganzen Tages bekamen Ingrid und Gernot unabhängig voneinander mit, dass hinter ihrem Rücken geredet wurde. Ingrid versuchte das alles zu ignorieren und Gernot wunderte sich, was es denn da alles zu reden gab. Er zog zwar den Schluss, dass alle über seine Beziehungskrise informiert waren, aber hatte nicht die leiseste Ahnung, dass es hier auch um das Treffen von Ingrid und Johannes ging. Davon bekam er, typisch Gernot, zunächst nichts mit. Er überlegte sogar, wie er sich dafür entschuldigen wollte, dass er Ingrids Theatereinladung abgelehnt hatte. Ihm kam die Idee, dass er mit Blumen und einer guten Flasche Rotwein bei ihr um Verzeihung bitten wollte. Er sah ein, dass er Mist gebaut und Ingrid in letzter Zeit ziemlich vor den Kopf gestoßen hatte. Das wollte er jetzt wieder gut machen, weshalb er am Nachmittag bei Ingrid im Schwesternzimmer anrief. „Ingrid. Es ist mir zwar etwas unangenehm, aber ich habe wichtige Akten zu Hause vergessen. Ich bräuchte sie unbedingt um 6. Ich würde sie ja gern selbst holen, aber leider kann ich hier nicht weg.“ „Was ist denn mit Barbara? Die freut sich doch sicher, wenn sie dich verwöhnen kann.“ „Da liegt ja das Problem. Auch sie kann nicht weg. Es ist ein Notfall, sonst würde ich dich nicht bitten. Machst du’s, Ingrid?“ Ingrid zögerte einige Sekunden, denn so ganz nahm sie Gernot die Geschichte nicht ab, doch falls sie sich doch täuschte, wollte sie nicht daran schuld sein, wenn ihm wichtige Akten fehlten. „Ich mach’s, aber glaub ja nicht, dass das zur Dauereinrichtung wird.“ „Natürlich nicht, Ingrid! Ich danke dir sehr.“ Zufrieden mit sich und seinem Plan, legte er vergnügt auf. Unbemerkt schlich sich Gernot aus der Klinik und fuhr nach Hause. Dort rief er seinen Lieblingsitaliener an, der eine halbe Stunde später Essen lieferte. Liebevoll deckte er den Tisch und zog sich schnell noch etwas Legeres an. Gerade als er die Weinflasche aus dem Keller geholt hatte, schloss Ingrid die Tür auf und trat ein. „Gernot, was soll das denn? Hab ich mir doch gedacht, dass das mit den Akten nicht stimmt.“ „Zugegeben, es war ein kleiner Trick, aber wärst du sonst gekommen?“ Liebevoll lächelte er sie an, trat nah an sie heran und wollte gerade seine Arme um ihre Taille legen, als diese ihn grob von sich stieß. „Lass das, Gernot! So geht das nicht.“ „Ingrid, bitte. Es tut mir leid, dass ich deine Theatereinladung abgeschlagen habe. Es war dumm von mir. Ehrlich. Ich will es auch wieder gut machen.“ „Du glaubst also, dass du mich mit ein paar Blumen, Wein und einem guten Essen wieder versöhnlich stimmst?“ Bedächtig blickte sie über den schön gedeckten Tisch und wurde etwas wehmütig, denn Gernot hatte sich in der Tat viel Mühe gemacht. Trotz allem konnte sie nicht vergessen, was in den letzten Wochen zwischen ihnen passiert war. „Wenn du das am Freitag für mich getan hättest, hätte ich deine Entschuldigung wahrscheinlich angenommen. Aber heute. Nein, jetzt ist es nicht mehr so einfach. Du hast mich in den letzten Wochen fast nur ignoriert, Gernot. Du hast mich behandelt, als ob ich Luft wäre. Glaubst du, ich kann das jetzt einfach so vergessen? Du hast mir sehr, sehr weh damit getan. Genau davor hatte ich immer Angst. Als wir damals beschlossen haben, uns ein zweites Mal aufeinander einzulassen, da war ich mir sicher, dass du dich ändern könntest, aber ich hab mich wohl getäuscht.“ Voller Tränen in den Augen schaute Ingrid ihn an. Sie schluckte stark. „Ich wollte dir nie wehtun, Ingrid. Glaub mir. Dafür bist du mir einfach zu wichtig. Ingrid ... ich ... ich liebe dich.“ Gernot hatte nun ein zweites Mal versucht auf Ingrid zuzugehen und konnte ihr diesmal wirklich seine Hände um die Taille legen, wo seine Finger sie streichelten. Für den Moment stieß sie ihn nicht von sich. „Gernot, es ... es ist zu spät.“ „Zu spät? Was heißt das? Willst du dich ein zweites Mal von mir trennen?“ Schockiert blickte er in ihre Augen, die ihm allerdings auswichen. Jetzt löste sie sich von ihm, um sich etwas zu distanzieren. „Um ehrlich zu sein, wäre es für uns beide in der jetzigen Situation wahrscheinlich das Beste.“ „Ingrid, bitte, lass uns noch mal in Ruhe darüber reden!“ Langsam brach in Gernot Panik aus. Nie hätte er auch nur im Traum daran gedacht, dass es so weit zwischen ihnen kommen könnte. „Das wollte ich am Freitag auch, schon vergessen?“ „Nein, natürlich nicht, aber ich sagte ja bereits, dass das ein Fehler war. Bitte, lass uns das jetzt nachholen! Ingrid, ich liebe dich doch.“ Wieder machte er einen Schritt auf sie zu. „Gernot, bitte bleib! Komm nicht näher, das macht es nur noch schlimmer.“ Abrupt blieb er stehen und Tränen bildeten sich in seinen Augen. Er musste mit seiner Fassung ringen. „Liebst ... liebst du mich noch, Ingrid?“ Als sie so in seine traurigen Augen sah, spürte sie fast körperlich seinen Schmerz und sie bedauerte es umso mehr, dass sie ihm darauf keine klare Antwort geben konnte. Auch ihre Stimme war tränenerstickt. „Ich ... ich weiß es nicht, Gernot.“ „Ingrid, mein Liebling. Ich brauche dich doch.“ Nun liefen ihm die Tränen direkt die Wange hinunter, was Ingrid einen Stich versetzte. Es tat ihr unendlich leid, ihn so sehen zu müssen, aber sie konnte im Augenblick nicht anders. Eigentlich wollte sie ihm ihren gemeinsamen Abend mit Johannes beichten, aber unter diesen Umständen brachte sie es nicht über’s Herz, ihm das zu sagen. Sie wollte ihm überhaupt nicht wehtun, aber doch tat sie es. Irgendwie hasste sie sich in diesem Moment selbst für ihr grobes Verhalten. „Lass mir noch etwas Zeit, Gernot.“ Das war das einzige, was sie noch zu sagen wagte. Schnell rannte sie aus der Villa und ließ Gernot einfach so stehen. Plötzlich fing er am ganzen Leib an zu zittern und es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder etwas gefangen hatte. Ihm wurde durch diese körperliche Reaktion nur noch bewusster, dass er ohne Ingrid nicht leben konnte. Er brauchte sie, brauchte sie mehr, als er es je für möglich gehalten hätte. Er wusste, wenn er sie jetzt verlieren würde, dann wäre alles aus, denn dann gäbe es keine dritte Chance mehr. Dann könnte er nicht mehr einfach so mit ihr zusammenarbeiten als wenn nichts gewesen wäre. Nein, wenn sich Ingrid nun entschloss, sich wieder von ihm zu trennen, würde er sofort aufhören zu arbeiten. Da war er sich ganz sicher. Am nächsten Tag arbeitete Ingrid wieder tagsüber auf Station, so dass es für beide durchaus schwierig wurde, sich aus dem Weg zu gehen. Gernot wurde wegen eines Notfalls in ein Krankenzimmer gerufen, so dass Ingrid ihm Yvonne zur Seite stellte. Die Krankenversorgung sollte auf keinen Fall unter ihren privaten Spannungen leiden, das war ihre Devise. Als Gernot nach einiger Zeit den Patienten stabilisiert hatte und wieder auf den Klinikflur trat, wurde er unfreiwillig Zuhörer einer Unterhaltung zweier Pflegekräfte, die ihn nicht wahrnahmen. „Ich an Simonis Stelle könnte nicht so cool bleiben, wenn ich wüsste, dass meine Freundin am Wochenende mit einem anderen unterwegs war.“ „Ja, da gebe ich dir vollkommen Recht.“ Gernot hatte genug gehört und flüchtete regelrecht in sein Büro. Wieder begann er am ganzen Leib zu zittern und hielt sich so lange an der Kopflehne seines Sessels fest, bis er sich allmählich beruhigt hatte. Jetzt wurde ihm langsam klar, warum Ingrid ihm gestern nicht verzeihen konnte, wenn sie anscheinend am Wochenende wieder mit Johannes unterwegs war. Ob es überhaupt Johannes war? Er ging davon aus, dass er es war. Irgendwie versuchte er sich mit Arbeit abzulenken und setzte sich dafür an seinen Schreibtisch, aber so recht wollte ihm das nicht gelingen. Eine halbe Stunde später wurde er wieder zu einem Notfall gerufen, allerdings in den OP. Ohne zu denken eilte er dorthin und machte sich OP-fertig. Wenige Minuten später leitete er diese mit Dr. Stein in der Assistenz. Eine ganze Weile konnte er konzentriert arbeiten, als er plötzlich wieder völlig unkontrolliert zu zittern begann. Schockiert blickte er auf seine Hände, die er sofort vom Patienten wegzog, um diesen nicht zu gefährden. Die Augen seines ganzen OP-Teams waren alle auf ihn gerichtet. Es war ihm noch nie als Chirurg passiert, dass ihm die Hände zitterten. „Herr Professor, ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Martin Stein besorgt. „Übernehmen Sie Stein und rufen Sie Brentano als Assistenten!“ Schnell eilte er aus dem OP-Saal und wusch sich die Hände. Selbst unter dem Wasserstrahl zitterte er wie Espenlaub. Um nicht noch weiter von seinen Mitarbeitern beäugt zu werden, verließ er ohne Abmeldung die Klinik. Er konnte jetzt einfach nicht mehr arbeiten. In der Zwischenzeit drang die Geschichte des OP-Vorfalls auch zu Ingrid durch. Sie hörte wie sich Yvonne und Arzu darüber unterhielten. „Ja und dann hat Dr. Stein Phillip erzählt, dass der Professor plötzlich ohne ersichtlichen Grund am ganzen Körper zu zittern begonnen hat. Mich wundert das ja nicht, bei dem privaten Stress, den er hat. Das war doch bei Dr. Heilmann auch mal so, als er ’ne Beziehungskrise hatte.“ Jetzt trat Ingrid ins Schwesternzimmer ein, die unfreiwillig gelauscht hatte. „Haben Sie nichts zu tun?“ „Ja, klar. Ich geh dann mal den Blutdruck bei Herrn Winkler messen.“ Arzu machte sich schnell davon und ließ Yvonne mit der Oberschwester allein. „Entschuldigen Sie, Oberschwester.“ „Schon gut, Yvonne. Sie können ja nichts dafür. Ich sollte meine Wut nicht bei anderen auslassen.“ Erschöpft setzte sie sich zu ihr an den Tisch und betrachtete ihre gefalteten Hände. „Oberschwester, ich will nicht neugierig sein, aber wenn sie jemanden zum Reden brauchen ...“ „Danke Yvonne, aber ich fürchte, da gibt’s nicht viel zu reden. Alle wissen hier doch, dass der Professor und ich gerade ziemliche Probleme haben.“ „Ja, das ist keinem entgangen.“ „Stimmt es wirklich, dass Ger ..., ich meine der Professor, die OP abbrechen musste, weil er extrem gezittert hat?“ „Ja, er hat Dr. Stein gebeten, Dr. Brentano rufen zu lassen und dann ist er wie gehetzt aus dem OP-Saal verschwunden. Dr. Stein meinte, er mache sich große Sorgen um ihn, denn sein Zittern sei sehr stark gewesen.“ Ingrid legte ihren Kopf in ihre Hände, die sie auf dem Tisch abstützte und fing an zu weinen. „Ich fürchte das ist alles meine Schuld. Nicht nur der Professor, sondern auch ich habe in letzter Zeit mehr Porzellan zertrümmert als nötig gewesen wäre.“ „Gehen Sie nicht so hart mit sich ins Gericht, Oberschwester. Jede Beziehung steckt mal in einer Krise.“ „Yvonne, wenn es nur das wäre. Wir stecken leider nicht nur mehr in einer Krise.“ „Soll das etwa heißen, Sie wollen sich trennen?“ „Ich will nicht, aber es geht nicht anders.“ „Wenn Sie nicht wollen, dann gehen Sie auf den Professor zu! Sie wollen ihn doch nicht ganz verlieren, oder?“ „Wir beide hatten gestern einen riesengroßen Krach, aber seit dem ist mir klar geworden, dass es Gernot ist, den ich liebe und keinen anderen. Ich konnte es in seinen Augen ablesen, wie sehr er mich liebt.“ „Wenn sie beide sich noch immer lieben, dann ist es auf keinen Fall zu spät. Sie müssen nur kämpfen.“ „Ja, vielleicht haben Sie Recht. Danke, Yvonne, mir ist jetzt einiges klarer geworden.“ Nach Feierabend besuchte sie Johannes im Hotel. Dort teilte sie ihm mit, dass sie Gernot trotz allem immer noch sehr liebte und bei ihm bleiben wollte. „Es tut mir leid, Johannes, wenn ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe. Das wollte ich nicht, glaub mir!“ „Schon gut, Ingrid. Ich hab irgendwie immer gemerkt, dass du Gernot nie richtig vergessen konntest, wenn wir uns gesehen haben. Du bist eine wunderbare Frau und ich hoffe, dass Gernot auch erkennt, was er an dir hat. Ich wäre gern an seiner Stelle gewesen. Werd glücklich mit Gernot, versprich mir das, Ingrid!“ „Du bist auch ein wundervoller Mann, Johannes. Wenn ... wenn wir uns zu einem anderen Zeitpunkt getroffen hätten, dann wäre aus uns wahrscheinlich ein glückliches Paar geworden. Aber es gibt Gernot und er ist ein großer Teil meines Lebens, auch wenn ich das in den letzten Wochen verdrängt habe. Ich liebe ihn noch immer sehr. Kannst du mir verzeihen, dass ich dir Grund zur Hoffnung gegeben habe?“ „Es gibt nichts zu verzeihen, Ingrid. Die Zeit mit dir war unvergesslich. Ich werde noch lange an dich denken.“ „Wohin gehst du jetzt?“ „Ich habe einen tollen Auftrag in Südamerika bekommen, den ich angenommen habe. In zwei Tagen geht’s los.“ „Dann wünsche ich dir viel Erfolg dort.“ „Danke, kann ich gebrauchen.“ Verlegen standen sie einander gegenüber und es war Johannes, der Ingrid ein letztes Mal freundschaftlich umarmte und ihr einen Abschiedskuss auf die Wange gab. Etwas traurig und erleichtert zugleich, verabschiedete sich Ingrid von ihm. Sie war froh, dass sie ihn als Freund behielt. Als sie nun so allein war, wusste sie nicht, was sie tun sollte. Wie sollte sie sich jetzt Gernot gegenüber verhalten? Sie konnte nur hoffen, dass er in seinem Zustand keine Dummheiten machte wie damals, als er Johannes die Nase gebrochen hatte. Sie beschloss, ihn zunächst in der Villa zu suchen, doch dort war er nicht. Nachdenklich stand sie am Wohnzimmerfenster und überlegte, wo Gernot wohl sein könnte. Sie rief zur Sicherheit Günther an, der allerdings auch nichts wusste. Danach schaute sie in seine Lieblingsbar, falls er sich dort wieder betrank, aber auch hier war er nicht zu sehen. Wo konnte er nur sein? Langsam stieg Sorge in ihr hoch. Hoffentlich hatte er sich nichts angetan. Normalerweise käme sie bei Gernot nicht auf solche Horrorgedanken, aber nachdem, was heute in der Klinik war, wäre es nicht allzu abwegig. Er hatte sich in den letzten Wochen hin und wieder völlig untypisch verhalten. Sie hätte nie gedacht, dass Gernot jemanden um ihretwillen schlagen würde. Sie versuchte es nun zum xten Mal auf seinem Handy, doch leider meldete sich nur seine Mailbox. „Verdammt, Gernot. Wo bist du nur?“ Ihr kam die Idee, nochmals Günther anzurufen, um ihn zu bitten, dass er ihr sein Auto auslieh, was dieser gerne tat. Damit fuhr sie hinaus ins Ferienhaus, doch auch dort war er nicht. Ihre Sorge um ihn wurde größer und größer. Aber halt, könnte es möglich sein, dass er ...? Ja, es gab nur noch einen Ort, wo er noch sein konnte. Genau dorthin fuhr sie nun auch. Als sie ihrem Ziel näher kam, sah sie schon von weitem sein Auto stehen, was sie schlagartig erleichterte. Bedächtig parkte sie Günthers Auto neben Gernots und stieg langsam aus. Sie suchte ihn auch hier überall, bis sie ihn schließlich in Gedanken vertieft und seinen Kopf in seine Hände gestützt vorfand. Er schien sie nicht kommen gehört zu haben, denn er rührte sich nicht. Als sie etwas näher kam, erkannte sie, dass sein ganzer Körper unkontrolliert zitterte und dieser Anblick schockierte sie sehr. Sie schien ihn verletzter zu haben, als sie es jemals für möglich gehalten hatte. Ohne zu zögern setzte sie sich neben ihn und nahm ihn fest in ihre Arme. Sofort bettete er seinen Kopf auf ihre Schulter, wo er hemmungslos zu weinen anfing. Ingrid wusste zunächst nicht, wie sie mit Gernots Reaktion umgehen sollte, denn so heftig hatte er noch nie in ihrer Nähe geweint. Auch das war für sie ein Liebesbeweis. „Lass alles raus, Gernot! Du musst dich dafür nicht schämen.“ Aber auch sie selbst bekam Tränen in die Augen, denn die ganze Situation nahm sie genauso mit wie ihn. Es dauerte noch eine ganze Zeitlang bis Gernots Zittern nachließ und ganz verschwand. Erst dann konnte er sie direkt ansehen und mit ihr reden. „Ingrid, warum bist du hier?“ „Das fragst du noch? Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.“ „Um mich? Aber was ist mit Johannes? Du warst doch am Wochenende mit ihm aus, oder?“ „Ja, aber doch nur, um dich eifersüchtig zu machen. Herrgott, wie hätte ich denn sonst reagieren sollen, nachdem du meine Theatereinladung ausgeschlagen hattest?“ „Aber ich dachte, du liebst ihn.“ Betreten blickte sie auf den Boden. „Um ehrlich zu sein, anfangs wusste ich es nicht so genau. Sicher, Johannes war mir gleich sympathisch und ich hätte mir gewünscht, du wärst auch so abenteuerlustig wie er. Aber dann, dann wurde mir klar, dass mich ein Leben mit ihm nicht zwangsläufig glücklich machen würde. Wenn sich zwei Menschen zu ähnlich sind, funktioniert es meist auch nicht.“ „Warum hast du dann meine Entschuldigung nicht angenommen?“ „Es fiel mir wirklich sehr schwer, nein zu sagen, aber ich war noch immer zu sehr verletzt von deinem Verhalten. Du hast mich in den letzten Wochen sehr durch dein ignorierendes Verhalten verletzt, Gernot.“ „Ich weiß das. Ich hab mal wieder dieselben Fehler gemacht wie damals. Ich hab dich vernachlässigt und das tut mir aufrichtig leid. Glaubst du mir das?“ Er legte seine linke Hand unter ihr Kinn und schob es sanft nach oben, um ihr tief in die Augen schauen zu können. „Jetzt ja. Deine eifersüchtige Reaktion hat mir gezeigt, dass du mich noch immer lieben musst. Ich hätte nie gedacht, dass du dich wie Rambo verhalten könntest, Gernot.“ Mit einem schiefen Lächeln blickte sie ihn an. „Genau genommen, ich auch nicht.“ Plötzlich mussten beide laut loslachen. Gernots Geständnis war einfach zu komisch. Sie legte ihre Stirn liebevoll an seine. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir wieder miteinander lachen werden. Ich bin so erleichtert.“ „Und ich erst. Wir werden in der nächsten Zeit wieder viel miteinander lachen können, das verspreche ich dir, Ingrid.“ Zärtlich strich er ihr über die Wange und ließ seine Hand dort liegen. Ingrid ihrerseits legte ihre Hand auf seine Brust, die sie genussvoll streichelte. „Ich ... ich hatte solche Angst, dich ein zweites Mal zu verlieren. Wenn du nicht gekommen wärst, ich wüsste nicht, was...“ „Pscht, es ist jetzt nicht mehr wichtig, Gernot.“ Beruhigend legte sie ihm ihren Zeigefinger auf seinen Mund. „Ich hab mir große Sorgen um dich gemacht, als ich vom heutigen Zwischenfall im OP gehört hab. Und ich konnte mir vorhin davon ja selbst ein Bild machen.“ Ingrid spielte auf Gernots Zittern an. „Es ist zum ersten Mal aufgetreten, nachdem du meine Entschuldigung nicht angenommen hast und fortgegangen bist. Ich konnte nichts dagegen tun. Genauso wenig wie heute im OP. Ich hab versucht mich vollkommen auf den Eingriff zu konzentrieren, als meine Gedanken zu dir drifteten. Ich dachte, ich würde den Boden unter den Füßen verlieren.“ „Es tut mir leid, was ich dir angetan habe. Ich bin sehr erleichtert, dass dein angegriffenes Herz dieser Belastung standgehalten hat.“ Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn Gernot einen dritten Herzinfarkt erlitten hätte. Sie legte ihm ihre Hand auf sein Herz und schaute ihm tief in die Augen. „Jetzt weiß ich, dass es möglich ist, an gebrochenem Herzen zu sterben.“ „Ach, mein Schatz. Was hab ich dir nur angetan?“ Diesmal warf sie sich ihm schluchzend in die Arme. Sanft streichelte er ihren Rücken. „Ingrid, ich muss dich noch was fragen? Hast du...hast du mit Johannes geschlafen?“ Sofort löste sie sich von seiner Umarmung, legte beruhigend wieder ihre Hand auf seine Brust und schaute ihm ernst in die Augen. „Nein, Gernot. Das habe ich nicht. Ich schlafe nur mit dem Mann, den ich liebe und das bist du!“ „Es ist schön, das zu hören.“ Erleichtert gab er ihr einen stürmischen Kuss, den beide eine Zeit lang enorm genossen. Als sie sich wieder etwas voneinander lösten, hielten sie sich noch immer im Arm. „Ingrid, ich hab mir was überlegt.“ „Ja, was denn?“ „Ich werde die Villa verkaufen, um mit dir zusammen hier im Bauernhaus zu leben.“ Ungläubig löste sie sich wieder etwas von ihm, um ihn ansehen zu können. „Wirklich, das würdest du tun?“ „Ja, ich will dir beweisen, dass es mir mit dir wirklich sehr ernst ist.“ „Alle Achtung, Gernot. Du überraschst mich doch immer wieder und das nach all den Jahren.“ „Ist doch schön, dann wird es wenigstens nicht langweilig. Aber im Ernst. Das Landleben wird uns beiden gut tun. Hier könnten wir uns so richtig von unserem harten Klinikalltag zurückziehen. Und wenn wir irgendwann nicht mehr arbeiten, könnten wir den Rest unsres Lebens hier glücklich werden. Na, was sagst du?“ „Wenn du das wirklich willst, Gernot, würde ich sehr gern mit dir hier leben. Es gibt nichts Schöneres für mich.“ „Na, dann sind wir uns ja einig.“ Wieder lächelten sie einander an. „Ich liebe dich, Gernot.“ „Es tut mir gut, dass du mir das sagst. Ich liebe dich auch, Ingrid. Ich kann gar nicht sagen wie sehr. Ich werde mich bemühen, dir das in Zukunft öfter zu zeigen.“ „Och, es reicht mir einfach, wenn du in meiner Nähe bist und Zeit mit mir verbringst. Das macht mich schon glücklich genug.“ Sie begann damit seine Krawatte zu öffnen und sein Hemd langsam aufzuknöpfen. „Aber jetzt lass uns an was anderes denken, mein Schatz“, meinte sie verlangend. Verschmitzt grinsten sie sich an. Da sie in der Scheune des Bauernhauses waren, legten sie sich auf das dort liegende frische Heu und entspannten sich zum ersten Mal seit Wochen wieder. Als Ingrid Gernots Hemd nun ganz aufgeknöpft hatte, schob sie es ihm vorsichtig über dessen Arme und warf es auf die Seite. Sofort streichelten ihre Finger Gernots nackten Oberkörper und sie beobachtete dabei liebevoll seine Reaktion. Sie wusste, wo und wie sie ihn berühren musste, dass es ihm gefiel. Er lag auf dem Rücken mit geschlossenen Augen und genoss Ingrids Zärtlichkeiten sehr. „Ach, Ingrid. Ich hab dich so vermisst.“ „Ich dich doch auch, Gernot.“ Nun begann sie seine männliche Brust mit ihren Lippen und ihrer Zunge zu küssen, was in Gernot ein leidenschaftliches Verlangen auslöste. Nach einer Weile wurde aber auch er aktiv und zog Ingrid ihr T-Shirt über den Kopf. Voller Liebe betrachtete er sie. „Du bist wunderschön, mein Liebling.“ Sofort berührten seine Hände ihre noch vom BH gestützten Brüste und massierte diese vorsichtig mit seinen Daumen, während er ihr gleichzeitig den Hals und das Dekolletee küsste. Auch Gernot wusste genau, was Ingrid am liebsten mochte, was er ebenfalls an ihrer Reaktion ablesen konnte, denn ihr Rücken krümmte sich immer stärker und ihr Oberkörper streckte sich ihm mehr und mehr entgegen. Ihre Sehnsucht nach ihm war unübersehbar, was er mit einem zärtlichen Blick in ihre Augen ebenfalls bestätigt bekam. Während er sie unendlich liebevoll verwöhnte, strich sie ihm immer wieder über die Wange und sein Haar, kraulte seinen Nacken und streichelte seinen Rücken. Endlich öffnete Gernot Ingrids BH, betrachtete sie einen Augenblick und brachte schließlich seinen Mund an die nun entblößte Haut, was ihr einen Freudenseufzer entlockte. Seine Zunge, die er dort sanft kreisen ließ, bekräftigte die wunderbare Wirkung noch um einiges. Ingrid verging fast vor Verlangen, weshalb sie all ihre verbliebene Kraft zusammen nahm, um Gernot die Hosen zu öffnen. Wieder trafen sich ihre Blicke, in denen sie ihre gegenseitige tiefe Liebe zueinander ersehen konnten. Schnell half er ihr, seine Hosen zu öffnen und zog diese eilig aus. Sofort sah Ingrid, dass nicht nur sie fast vor Sehnsucht starb, sondern auch er. Hastig trennte sie sich schließlich von ihren Hosen. Gernot hielt ihre Hände sanft fest, als sie ihren Slip ausziehen wollte, denn das wollte er an ihrer Stelle tun. Sein Mund wanderte ihren Bauch entlang bis zu ihrer Taille und Gernots leichte Bartstoppeln verursachten ein zusätzliches Prickeln auf ihrer Haut, was sie fast in denn Wahnsinn trieb. Endlich zog er ihr den Slip aus und drückte sie für den Moment ganz fest an sich, um sie nah bei sich zu spüren. Es war für beide ein unendlich wohltuendes Gefühl, die nackte Haut des anderen auf dem eigenen Körper zu spüren. Ingrid fühlte ganz deutlich Gernots Männlichkeit, weshalb sie ihm nun auch seine Unterhosen auszog. Abwechselnd blickte sie zu dieser Stelle und in seine Augen. Kurz, bevor sie sich einander hingaben, führte Gernot Ingrids Hand dorthin, um ihr noch deutlicher zu zeigen, wie sehr er sich nach ihr verzehrte. Auch Ingrid genoss diese Berührung sehr, da sie wusste, was er wünschte. Doch lange hielten es beide nicht mehr aus, weshalb Gernot sich daran machte, mit Ingrid im Gleichtakt zu den Sternen zu fliegen. Erschöpft, aber unglaublich glücklich und zufrieden, kuschelten sich die beiden eng im Heu aneinander. Ingrids Kopf ruhte auf Gernots Brust, der seinerseits seine Arme beschützend um sie gelegt hatte und ihren Rücken streichelte. „Es war wunderschön, Gernot.“ „Ja, das war es, Ingrid.“ Vorsichtig gab er ihr einen Kuss auf die Stirn, wobei sie ihren Kopf keinen Millimeter von seiner Brust nahm. „Wir waren dabei, genau die Fehler zu begehen, vor denen wir uns am meisten gefürchtet haben.“ „Ich weiß. Aber glaubst du nicht, dass das hier nicht schon ein guter Anfang für unser neues Leben hier ist?“ Verschmitzt lächelte er sie an, was sie gern erwiderte. „Ja, du hast Recht. Hier können wir wirklich noch mal richtig von vorn beginnen. Ohne unangenehme Erinnerungen, im Gegenteil, wir schaffen uns unsere Erinnerungen hier völlig neu. Wir werden uns hier richtig wohlfühlen, Gernot. Ich spür das.“ „Ich auch. Wir haben beide aus dieser Lektion gelernt, dass das Glück schnell vorbei sein kann, wenn man es nicht selbst in die Hand nimmt. Nach alldem, was wir durchgemacht und trotzdem wieder zueinander gefunden haben, hab ich keine Bedenken mehr, hier zu leben.“ „Das freut mich wirklich, das zu hören. Ich freu mich auf unseren Neuanfang.“ „Ich mich auch. Warte, wenn hier alles renoviert ist, dann wird uns jeder um unser kleines Paradies beneiden.“ Wieder strahlte Gernot sie an, weshalb sie ihm liebevoll über die Wange strich. „Ja, das ist es. Ein Paradies auf Erden, wo wir uns bedingungslos unsere Liebe beweisen.“ Überglücklich küssten sich die beiden intensiv, bis sie erschöpft in den Armen des geliebten Partners einschliefen. Beide träumten von ihrer Liebe, die ab jetzt nie wieder aufhören sollte und die sie für immer festhalten wollten. So wie es aussah, schien es ihnen sogar zu gelingen.