Partizipialkonstruktionen und ihre syntaktische Funktion, Konkurrenz

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PARTIZIPIALKONSTRUKTIONEN UND IHRE SYNTAKTISCHE FUNKTION;
KONKURRENZ DER NEBENSÄTZE MIT INFINITIV ODER PARTIZIP
Das Partizip I wird durch Anhängen von –d an den Infinitiv gebildet:
Arbeiten-d, schlagen-d, kommen-d
In Verbindung mit einem finiten Verb ist das Partizip I in der Form unveränderlich, in
Verbindung mit einem Substantiv übernimmt es die adjektivischen Formenmerkmale. Oft ist
das Partizip durch notwendige und freie Glieder erweitert. Sein logisches Subjekt wird in der
Regel durch das Subjekt des finiten Verbs ausgedrückt.
der fahrende Zug
zur Zeit ist sie anwesend
….. Attribut
….. Prädikat
Die attributive Partizipien I sind syntaktisch abzuleiten
(1) aus dem Präsens Aktiv transitiver und intransitiver Verben:
das lesende Mädchen ← Das Mädchen liest.
(2) aus dem Präsens reflexiver Verben:
der sich nähernde Zug ← Der Zug nähert sich.
(3) aus dem Passiv mit modaler Bedeutung (Notwendigkeit, Möglichkeit) bei transitiven
Verben:
die anzuerkennende Leistung
← Die Leistung ist anzuerkennen.
← Die Leistung muss/kann anerkannt werden.
Gerundium …. „zu + Partizip I“
die Tiere, die man beobachten kann /die Tiere, die beobachtet werden können /die Tiere, die
beobachtet werden konnten /die Tiere, die sich beobachten lassen (ließen) /die Tiere, die zu
beobachten sind (waren) /die zu beobachtenden Tiere
! einige Partizipien haben andere Bedeutung als das Verb!
treffen – treffend
dringen – dringend
Das Partizip II wird bei den regelmäßigen Verben durch Anhängen von –t an den
Verbalstamm, bei den unregelmäßigen durch Anhängen von –en an den Verbalstamm und
Veränderung des Stammvokals gebildet. Bei velen Verben erscheint außerdem das Prefix ge-.
ge-lob-t, ge-arbeit-et
ge-troff-en, ge-leg-en
der übersetzte Text
..... attributive Stellung
Die attributiven Partizipien II sind syntaktisch abzuleiten
(1) aus dem Perfekt Vorgangspassiv bei transitiven Verben:
das gelesene Buch ← Das Buch ist gelesen worden.
(2) aus dem Perfekt Aktiv bei intransitiven Verben, die perfektiv sind und ihre
zusammengesetzten Vergangenheitsformen mit sein bilden:
der eingefahrene Zug ← Der Zug ist eingefahren.
Das Partizip II der übrigen Intransitiva ist nicht attribuierbar.
(3) aus dem Perfekt der Reflexivkonstruktion über das Zustandsreflexiv bei reflexiven
Verben:
das verliebte Mädchen
← Das Mädchen ist verliebt.
← Das Mädchen hat sich verliebt.
Partizipialkonstruktionen
Der über die Brücke fahrende Zug ….nominaler Ausdruck …. in der geschriebenen Sprache
( Fachtexte …. kurz, dicht, mehr Informationen)
Der Zug, der über die Brücke fährt ….verbaler Ausdruck …. in der gesprochenen Sprache
In einzelnen Fällen können statt der Nebensätze Partizipialkonstruktionen verwendet werden.
Diese Partizipialkonstruktionen haben grundsätzlich die Funktion von Attributsätzen im
engeren Sinne (=Relativsätzen), da sie Reduzierungen von Relativsätzen darstellen:
Der Autofahrer, der am Kopf schwer verletzt worden war, musste sofort in das Krankenhaus
eingewiesen werden.
→ Der am Kopf schwer verletzte Autofahrer musste sofort in das Krankenhaus eingewiesen
werden.
Wie jedes Attribut, so ist auch jede Partizipialkonstruktion in verschiedener Weise (modal,
temporal, kausal usw.) semantisch interpretierbar, z.B.:
Indem die Kinder ein frohes Lied sangen, zogen sie auf den Sportplatz.
→ Ein frohes Lied singend, zogen die Kinder auf den Sportplatz. (modal)
Nachdem er in Dresden angekommen war, suchte er sofort seinen Freund auf.
→ In Dresden angekommen, suchte er sofort seinen Freund auf. (temporal)
Ein Nebensatz kann im allgemeinen nur dann durch eine Partizipialkonstruktion ersetzt
werden, wenn das Subjekt in HS und NS identisch ist. Nur in Ausnahmefällen ist ein anderer
Bezug möglich
(1) auf ein Objekt des HS:
Der Arzt las ein Buch, überladen mit fremden wissenschaftlichen Termini.
(2) auf ein Glied im HS, das als logisches Subjekt fungiert:
Entsprechend seiner Gewohnheit langsam arbeitend, gelang ihm die Arbeit nicht.
Bei Partizipialkonstruktionen mit konditionaler Bedeutung liegt keine Identität der Subjekte
vor; entweder enthält der HS (a) oder der NS (b) ein unbestimmt-persönliches Subjekt:
(a) Falls vom Arzt nicht anders verordnet, muss man drei Tropfen nehmen.
(b) Streng genommen hat der Kandidat seine Thesen nicht bewiesen.
Anmerkung:
(1) Die Partizipialkonstruktion kann manchmal noch weiter – um bedeutungsleere Partizipien
wie habend, seiend, haltend – verkürzt werden. Auf diesem Wege entstehen verkürzte
Partizipialkonstruktionen (oder „freie Fügungen“), meist bei Attributsätzen im engeren Sinne
und mit Bezug auf das Subjekt des HS:
Der Direktor, der den Hut in der Hand hatte, betrat das Zimmer.
→(*) Den Hut in der Hand habend (haltend), betrat der Direktor das Zimmer.
→ Den Hut in der Hand, betrat der Direktor das Zimmer.
Infinitivkonstruktionen
Statt der Nebensätze können unter bestimmten Bedingungen auch Infinitivkonstruktionen
verwendet werden.
1. Der Subjektsatz kann durch eine Infinitivkonstruktion vertreten werden,
(1) wenn das Subjekt des NS identisch ist mit dem Objekt des HS:
Dass er das Spiel gewonnen hat, freut ihn.
→ Das Spiel gewonnen zu haben freut ihn.
(2) wenn als Subjekt des NS das unbestimmt-persönliche man erscheint:
Dass man pünktlich kommt, ist ratsam.
→ Pünktlich zu kommen ist ratsam.
2. Der Objektsatz kann durch eine Infinitivkonstruktion vertreten werden,
(1) wenn das Subjekt des NS identisch ist mit dem Subjekt des HS:
Er entschließt sich (dazu), dass er bald abreist.
→ Er entschließt sich (dazu), bald abzureisen.
(2) wenn das Subjekt des NS identisch ist mit dem Objekt des HS:
Die Lehrerin erlaubt dem Schüler, dass er früher nach Hause geht.
→ Die Lehrerin erlaubt dem Schüler, früher nach Hause zu gehen.
(3) wenn das Subjekt des NS identisch ist mit dem logischen Subjekt des HS, das aber nur i
der Grundstruktur, nicht im konkreten Satz als grammatisches Subjekt erscheint:
Sein Bemühen, dass er die Prüfung gut besteht, wurde belohnt.
→ Sein Bemühen, die Prüfung gut zu bestehen, wurde belohnt.
3. Der Adverbialsatz kann durch eine Infinitivkonstruktion ersetzt werden,
(1) wenn das Subjekt des NS identisch ist mit dem Subjekt des HS:
Er ging durch den Regen, ohne dass er einen Mantel trug.
→ Er ging durch den Regen, ohne einen Mantel zu tragen.
(2) wenn das Subjekt des NS identisch ist mit dem logischen Subjekt des HS (das als
grammatisches Objekt erscheint);
Ein kleiner Hinweis genügte dem Schüler, damit er die Aufgabe löste.
→ Ein kleiner Hinweis genügte dem Schüler, um die Aufgabe zu lösen.
(3) wenn als Subjekt des NS das unbestimmt-persönliche man erscheint:
Das Theater ist groß genug, dass man darin die Feier durchführen kann.
→ Das Theater ist groß genug, um darin die Feier durchführen zu können.
Anmerkung:
(1) Bei den Adverbialsätzen, die in Infinitivkonstruktionen verwandelt werden können,
handelt es sich um solche, die mit damit (→ um zu), ohne dass (→ ohne zu), als dass ( → um
zu) eingeleitet sind.
(2) Bei Identität des grammatischen Subjekts in HS und NS können auch Sätze mit (an)statt
dass und so …. dass durch Infinitivkonstruktionen mit zu ersetzt werden.
? Konkurrenz der Nebensätze mit Infinitiv oder Partizip
Die Partizipial- und Infinitivkonstruktionen stellen eine Form der Reduzierung dar. Sie sind
reduzierte Nebensätze, üben die Funktion von Nebensätzen aus und bilden zusammen mit
übergeordneten Sätzen Satzgefüge.
Partizipialkonstruktionen sind (im Unterschied zu den Infinitivkonstruktionen) niemals
valenzbedingt und können folglich auch nicht Subjekte oder Objekte des übergeordneten
Satzes vertreten.
Sowohl bei den Infinitiv- als auch bei den Partizipialkonstruktionen regelt sich der Gebrauch
von Infinitiv I und Infinitiv II, von Partizip I und Partizip II nicht nach der absoluten, sondern
nach der relativen Zeit. Infinitiv I und Partizip I stehen bei Gleichzeitigkeit von HS und NS,
Infinitiv II und Partizip II bei Vorzeitigkeit des NS vor dem HS:
Den Freund zu treffen freut mich.
Das Spiel gewonnen zu haben freut die Mannschaft.
Ein Lied singend, ging er über die Straße.
In Hamburg angekommen, besuchte er seinen Freund.
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