EUROPÄISCHES PARLAMENT 1999 2004 Sitzungsdokument ENDGÜLTIG A5-0387/2002 13. November 2002 BERICHT über die Richtlinie 86/609 zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (2001/2259(INI)) Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik Berichterstatterin: Jillian Evans RR\482223DE.doc DE PE 319.353 DE PE 319.353 DE 2/14 RR\482223DE.doc INHALT Seite GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE ............................................................................................ 4 ENTSCHLIESSUNGSANTRAG .............................................................................................. 5 BEGRÜNDUNG ...................................................................................................................... 12 RR\482223DE.doc 3/14 PE 319.353 DE GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE In der Sitzung vom 17. Januar 2002 gab der Präsident des Europäischen Parlaments bekannt, dass der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik die Genehmigung zur Ausarbeitung eines Initiativberichts gemäß Artikel 163 der Geschäftsordnung über die Richtlinie 86/609 zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere erhalten hat. Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik benannte in seiner Sitzung vom 22. Januar 2002 Jillian Evans als Berichterstatterin. Der Ausschuss prüfte den Berichtsentwurf in seinen Sitzungen vom 2. Oktober 2002 und 5. November 2002. In der letztgenannten Sitzung nahm der Ausschuss den Entschließungsantrag mit 24 Stimmen bei 17 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen an. Bei der Abstimmung waren anwesend: die Abgeordneten Caroline F. Jackson, Vorsitzende; Alexander de Roo und Anneli Hulthén, stellvertretende Vorsitzende; Jillian Evans, Berichterstatterin; María del Pilar Ayuso González, Jean-Louis Bernié, David Robert Bowe, John Bowis, Hiltrud Breyer, Martin Callanan, Dorette Corbey, Chris Davies, Avril Doyle, Anne Ferreira, Marialiese Flemming, Karl-Heinz Florenz, Cristina García-Orcoyen Tormo, Laura González Álvarez, Robert Goodwill, Françoise Grossetête, Cristina Gutiérrez Cortines, Marie-Thérèse Hermange (in Vertretung von Raffaele Costa), Marie Anne Isler Béguin, EijaRiitta Anneli Korhola, Bernd Lange, Giorgio Lisi (in Vertretung von Christa Klaß), Torben Lund, Minerva Melpomeni Malliori, Patricia McKenna, Emilia Franziska Müller, Riitta Myller, Giuseppe Nisticò, Marit Paulsen, Frédérique Ries, Dagmar Roth-Behrendt, Guido Sacconi, Giacomo Santini (in Vertretung von Peter Liese), Karin Scheele, Horst Schnellhardt, María Sornosa Martínez, Catherine Stihler, Nicole Thomas-Mauro, Antonios Trakatellis und Phillip Whitehead. Der Bericht wurde am 13. November 2002 eingereicht. PE 319.353 DE 4/14 RR\482223DE.doc ENTSCHLIESSUNGSANTRAG Entschließung des Europäischen Parlaments über die Richtlinie 86/609 zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (2001/2259(INI)) Das Europäische Parlament, – unter Hinweis auf die Richtlinie 86/609/EWG zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere1, – unter Hinweis auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf das dem Vertrag über die Europäische Union beigefügte Protokoll, wonach die Europäische Union und die Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Gemeinschaft in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr, Binnenmarkt und Forschung den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung tragen müssen, – unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarates ETS 123 vom 31. März 1986 zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere, dem die Gemeinschaft beigetreten ist, – unter Hinweis auf den Beschluss des Rates 1999/575/EG über den Abschluss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere durch die Gemeinschaft2, – unter Hinweis auf das Sechste Umweltaktionsprogramm, das die Entwicklung eines kohärenten Systems vorantreiben soll, um die Notwendigkeit von Tierversuchen auf ein Minimum zu reduzieren und alternative Testmethoden zu entwickeln, – gestützt auf Artikel 163 seiner Geschäftsordnung, – in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik (A5-0387/2002), A. in der Erwägung, dass gegen Österreich im Jahr 2000 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde, weil es die Richtlinie nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt hatte, B. in der Erwägung, dass Belgien im Jahr 1998 verurteilt wurde, weil es die Richtlinie nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt hatte, und insbesondere weil die Versuchsdaten aus anderen Mitgliedstaaten nicht ausreichend anerkannt wurden; in der Erwägung, dass Belgien im Jahr 2001 ein mit Gründen versehenes Gutachten übermittelt wurde, weil es die weit verbreitete Verwendung von streunenden Katzen und Hunden für Versuchszwecke zugelassen hatte, 1 2 ABl. L 358 vom 18.12.1986, S. 1. ABl. L 222 vom 24.8.1999, S. 29. RR\482223DE.doc 5/14 PE 319.353 DE C. in der Erwägung, dass Frankreich ein mit Gründen versehenes Gutachten übermittelt wurde, weil es Artikel 4, Artikel 7 Absatz 3, Artikel 12 Absatz 2, Artikel 18 Absätze 1 und 3 sowie Artikel 22 Absatz 1 nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte, D. in der Erwägung, dass Irland im Jahr 2001 verurteilt wurde, weil es die Richtlinie, und insbesondere Artikel 2 Buchstabe d sowie Artikel 11 und 12, nicht umgesetzt hatte, und dass diesem Land ferner ein Aufforderungsschreiben übermittelt wurde, weil die Definition des Begriffs „Versuch“ zu eng gefasst war, E. in der Erwägung, dass die Kommission gerichtlich gegen Luxemburg vorgeht, weil es die Richtlinie nicht angemessen in nationales Recht umgesetzt hat, F. in der Erwägung, dass am 18. Mai 2001 eine Klage gegen die Niederlande beim Europäischen Gerichtshof eingereicht wurde, G. in der Erwägung, dass formelle rechtliche Schritte gegen Portugal eingeleitet wurden, weil es die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte, und insbesondere weil die Verwendung von streunenden Katzen und Hunden für Forschungszwecke vorgesehen war, H. in der Erwägung, dass Spanien ein mit Gründen versehenes Gutachten übermittelt wurde, weil es die Richtlinie in Andalusien nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte, I. in der Erwägung, dass das Verfahren gegen das VK im August 1998 eingestellt wurde, nachdem das Gesetz über wissenschaftliche Verfahren, bei denen Tiere verwendet werden, geändert worden war, J. in der Erwägung, dass in mindestens einem Fall im VK Forschungseinrichtungen nachweislich Genehmigungen für eine weitaus geringere Zahl unangenehmer und schmerzhafter Versuche erhalten haben, als dann tatsächlich durchgeführt wurden, K. in der Erwägung, dass Wissenschaftler in mindestens einem Fall im VK nachweislich die Zahl der Tiere, für die sie eine Genehmigung erhalten haben, überschreiten, hierüber jedoch nicht Bericht erstatten, L. in der Erwägung, dass in mindestens einem Fall im VK Tiere nachweislich über lange Zeit unbeaufsichtigt blieben, sogar wenn sie sich von traumatischen Versuchen erholten, und dass ihnen Futter und/oder Wasser vorenthalten wurde, M. in der Erwägung, dass die Richtlinie 86/609/EWG nicht in allen Mitgliedstaaten zufrieden stellend umgesetzt wurde und dass die Umsetzung der Anforderungen und längerfristigen Ziele bestenfalls nur sehr langsam vonstatten gegangen ist, N. in der Erwägung, dass fünf Mitgliedstaaten (Österreich, Irland, Italien, Luxemburg und Portugal) die Ratifizierung des Übereinkommens noch nicht abgeschlossen haben bzw. ihm noch nicht beigetreten sind, O. in der Erwägung, dass die Erfassung und Abgleichung statistischer Informationen über die Verwendung von Tieren bei Versuchen nach wie vor problematisch ist, PE 319.353 DE 6/14 RR\482223DE.doc P. in der Erwägung, dass die geforderten statistischen Angaben nicht die Detailinformationen liefern, die für die Überwachung der Umsetzung von Artikel 17 der Richtlinie erforderlich sind, Q. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten immer noch unterschiedliche Maßstäbe bei der Genehmigung, der Überwachung und der Überprüfung von Testvorhaben anlegen und oft über kein formelles System für eine kritische ethische Überprüfung verfügen, R. in der Erwägung, dass die Wirksamkeit der Kontrollen je nach Mitgliedstaat unterschiedlich ist, S. in der Erwägung, dass die Anwendung des „3R-Konzepts“ (Replacement, Reduction and Refinement) je nach Forschungsinstitut erheblich variiert, T. in der Erwägung, dass die Auflage, eine unnötige doppelte Durchführung von Versuchen zu vermeiden, nicht angemessen durchgesetzt wird, U. in der Erwägung, dass die Entwicklung und der Einsatz alternativer Methoden trotz der Fortschritte durch die Arbeit des Europäischen Zentrums für die Validierung alternativer Methoden (ECVAM) nicht in allen Mitgliedstaaten angemessen gefördert wurden, V. in der Erwägung, dass neue Erkenntnisse über die physiologischen, ethologischen und psychologischen Bedürfnisse von Labortieren eine bessere Haltung und Pflege und damit die Anwendung der Standards des Anhangs II dringend notwendig machen, W. in der Erwägung, dass aufgrund der Entwicklungen in Wissenschaft und Technik, die zur Verwendung von Tieren für neue Zwecke führen, die Richtlinie 86/609/EWG dringend überprüft werden muss, X. in der Erwägung, dass nicht alle Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, in der Richtlinie genannt werden und insbesondere die sehr große Zahl von Tieren, die in der Grundlagenforschung verwendet werden, nicht abgedeckt ist, Y. in der Erwägung, dass im Jahr 1986 noch nicht hinreichend bekannt war, wie vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten genetischer Manipulationen sein können, dass aber Statistiken zufolge die Zahl der bei solchen Versuchen verwendeten Tiere erheblich steigt und dass ein weiterer Anstieg pro Jahr prognostiziert wird, Z. in der Erwägung, dass sich die Forschung im Zusammenhang mit der Entwicklung der Xenotransplantation - eine Technologie, die Fragen über den Status von Tieren aufwirft, rasch ausgeweitet hat, Anm.d.Ü.: Als Ersatzmethode (Replacement) werden alle Verfahren bezeichnet, die an nicht fühlender Materie durchgeführt werden und damit den Versuch an schmerz- und leidensfähigen Tieren ersetzen. Zur zweiten Gruppe zählen die Tierversuche, die mit einer geringeren Zahl an Tieren als üblich auskommen (Reduction). Die Auswahl der vermeintlich richtigen Tierart und die Anwendung statistischer Methoden sind die Mittel, um die Tierzahlen zu reduzieren. Zur dritten Gruppe der Verfeinerung (Refinement) gehören Tierversuche, die den Tieren auf Grund einer besseren Technik weniger Schmerzen und Leiden zufügen. Heute werden verbesserte Haltungsbedingungen auch als Refinement-Methode betrachtet. RR\482223DE.doc 7/14 PE 319.353 DE AA. in der Erwägung, dass die anhaltende Verwendung von nicht menschlichen Primaten für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke Anlass zu großer Sorge gibt, und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in dem Beschluss des Rates 1999/575/EG bereits erklärt wurde, dass die Verwendung dieser Lebewesen/Tiere eingeschränkt werden muss, BB. in der Erwägung, dass die Techniken für das Erkennen von Schmerzen, Leiden und Angst bei Tieren und die Schmerzbehandlungsmethoden in vielen Forschungseinrichtungen unangemessen sind, CC. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner Empfehlung für die zweite Lesung zur Änderung der Richtlinie des Rates 76/768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel die Ansicht vertritt, dass das Verbot von Tierversuchen bei Kosmetika von grundlegender Bedeutung ist, DD. in der Erwägung, dass bereits im Guidance on the Operation of Animals (Scientific Procedures) Act des Vereinigten Königreichs von 1986 niedergelegt ist, dass ein Verfahren als grausam gelten sollte, wenn zu erwarten ist, dass auch nur ein Tier erheblich unter dessen Folgen leidet, EE. in der Erwägung, dass die Berücksichtigung der ethologischen Bedürfnisse der Tiere nicht verpflichtend vorgeschrieben ist, FF. in der Erwägung, dass die Mindeststandards für Unterbringung und Pflege nicht verpflichtend vorgeschrieben sind, 1. fordert, dass die Kommission bei der Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Tierversuche den Empfehlungen des Europarats nachkommt und sicherstellt, dass den physiologischen und ethologischen Bedürfnissen der Tiere so weit wie möglich Rechnung getragen wird; 2. fordert die Kommission auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen und gemäß dem Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens bis spätestens Ende 2003 einen Vorschlag vorzulegen, um die Bestimmungen der Richtlinie 86/609/EWG1 anzupassen und die folgenden Änderungen und Verfahrensregeln aufzunehmen; 3. ist der Auffassung, dass der Geltungsbereich der Richtlinie am Geltungsbereich des Übereinkommens des Europarates ausgerichtet werden sollte, das sich auch auf die Verwendung von Tieren in Unterricht und Ausbildung bezieht, 4. ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sein sollten, ein ethisch begründetes Überprüfungsverfahren als Teil des Systems für die Genehmigung von Tierversuchen einzurichten; 1 Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Änderungsprotokolls des Europäischen Übereinkommens zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere (KOM(2001) 704). PE 319.353 DE 8/14 RR\482223DE.doc 5. stellt fest, dass Tierversuche umstritten sind und ethische Probleme aufwerfen und gebührend berücksichtigt werden sollte, unter welchen Umständen ihr Einsatz angemessen ist; 6. ist der Auffassung, dass bestimmte ethisch nicht hinnehmbare Zwecke für Tierversuche nicht gestattet werden sollten, u.a.: ▪ Tests mit Waffen und medizinische Forschung im Zusammenhang mit dem Einsatz von Waffen, ▪ Entwicklung und Versuche für kosmetische Mittel, einschließlich der Bestandteile von kosmetischen Mitteln, ▪ die Verwendung von in freier Wildbahn gefangenen Primaten; 7. vertritt die Auffassung, dass als Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung für die Durchführung von Tierversuchen zur Auflage gemacht wird, dass der Antragsteller die Ziele des Versuches klar darlegt und nachweist, dass die Versuche für Tiere oder Menschen von Nutzen sind; die Genehmigung kann ohne weiteres erteilt werden, wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass die gewünschten Resultate nur durch die Verwendung lebender Tiere erzielt werden können und dass es keine alternativen Testmethoden gibt; bevor eine Genehmigung erteilt wird, wird eine ethische Beurteilung und eine Tierschutzbewertung vorgenommen, bei der Grenzen für die Belastungen festgesetzt werden, denen die Tiere ausgesetzt werden dürfen; selbst wenn belegt werden kann, das die Versuche zum Nutzen von Tieren oder Menschen sind, sollten sie nicht genehmigt werden, wenn die Belastung der Versuchstiere die Höchstbelastungsgrenze überschreitet; 8. ist der Auffassung, dass Experimente an Tieren, die gemäß CITES-Anhang 1 und Anhang C. I der Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 als gefährdete Arten gelten, verboten werden sollten; 9. vertritt die Ansicht, dass die Notwendigkeit der weiteren Verwendung von nichtmenschlichen Primaten in der Forschung und für Versuche, im Lichte der wissenschaftlichen Kenntnisse kritisch beurteilt werden sollte mit dem Ziel, ihre Verwendung einzuschränken und schließlich ganz einzustellen; 10. ist der Ansicht, dass die Definition des Begriffs Tier weiter gefasst werden sollte, damit auch Cephalopoden und Decapoden abgedeckt sind; 11. hält es für erforderlich, dass eine zentrale Datenbank für genehmigte Tierversuche mit Angaben über alle aktuellen und bereits abgeschlossenen Tierversuche eingerichtet wird, um sicherzustellen, dass Tests nicht wiederholt werden; die Datenbank soll auch Informationen über Tierversuche enthalten, die keine unmittelbar anwendbaren Ergebnisse erbracht haben, sodass nicht nur die veröffentlichten Untersuchungen registriert werden; schließlich soll die Datenbank auch Informationen über alternative Testmethoden enthalten, die die Verwendung von Versuchstieren vermeiden oder die Zahl der verwendeten Tiere verringern können; 12. vertritt die Auffassung, dass die Daten, die gemäß der Richtlinie 86/609 gesammelt RR\482223DE.doc 9/14 PE 319.353 DE werden müssen, detaillierter sein und die Zahl der verwendeten transgenen Tiere enthalten sollten sowie das Ausmaß der erlittenen Schmerzen berücksichtigen sollten ; 13. ist der Ansicht, dass die Verwendung eines einheitlichen Formats für die Vorlage der in den Mitgliedstaaten erhobenen Daten verpflichtend vorgeschrieben werden sollte und die Daten jährlich und nicht alle drei Jahre vorgelegt werden sollten; 14. vertritt die Ansicht, dass Artikel 22 besser umgesetzt werden sollte, damit Versuche nicht unnötigerweise doppelt durchgeführt werden, und dass es außerdem nicht aufgrund von Vorschriften notwendig sein sollte, Experimente zu wiederholen, damit ein Erzeugnis in einem bestimmten Land in Verkehr gebracht werden darf; 15. ist der Ansicht, dass transgene Tiere in der Richtlinie erfasst und über ihre gesamte Lebensdauer umfassend dokumentiert werden müssen so dass sie rückverfolgbar sein müssen; 16. ist der Ansicht, dass genetisch veränderte Tiere und Tiere, die infolge vorheriger Versuche mit erheblichen Missbildungen geboren werden, die anfallsweise oder dauerhaft Schmerzen oder Leid verursachen, bei der frühestmöglichen Gelegenheit auf humane Weise getötet werden müssen; 17. vertritt die Auffassung, dass die Genehmigungsverfahren strikter sein sollten als in der Richtlinie 86/609/EWG und die Anträge auf Genehmigung eine Kosten-Nutzen-Analyse sowie Angaben über das Ausmaß der durch die Versuche verursachten Schmerzen enthalten sollten; 18. hält die Einrichtung einer zentralen EU-Inspektionsbehörde für erforderlich als Leitungsinstanz für die Inspektoren, die in den Mitgliedstaaten zu unangekündigten Kontrollen privater und öffentlicher Einrichtungen, die Tierversuche durchführen, befugt sind, sowie mit der Befugnis, bei Nichteinhaltung der Vorschriften Lizenzen abzuerkennen; 19. spricht sich dafür aus, für die Wissenschaftler, die bei ihren Forschungsvorhaben Tiere verwenden, sowie für die Verantwortlichen, die sich um die bei Versuchen verwendete Tiere kümmern, EU-weit obligatorische Fortbildungskurse einzuführen; mit diesen Fortbildungskursen soll auch gewährleistet werden, dass die Wissenschaftler und Pfleger, soweit dies sinnvoll ist, sich um das Training und die Sozialisierung der Versuchstiere kümmern, damit die Versuchstiere mit anderen Tieren, mit den beteiligten Personen und mit der jeweiligen Versuchsanordnung vertraut werden; 20. tritt dafür ein, dass nur qualifizierte Fachleute sich um die bei Versuchen verwendeten Tiere kümmern dürfen und ein Mindestverhältnis Personal/Tiere eingehalten wird, insbesondere, wo es um Tiere geht, die sich von Versuchen und/oder Prozeduren unter Betäubung erholen; 21. ist der Ansicht, dass Analgetika oder andere geeignete Methoden zur Schmerzbehandlung verwendet werden sollten, damit ein Tier auch keinen mäßigen oder leichten Schmerzen oder Leiden und schon gar nicht starken Schmerzen, Angst oder Leid ausgesetzt ist; PE 319.353 DE 10/14 RR\482223DE.doc 22. fordert, dass die Mindeststandards für die Haltung und Verpflegung der Tiere, die in Anhang II aufgelistet sind, verbindlich gemacht werden; 23. fordert angesichts der Tatsache, dass in der EU jedes Jahr 9 Millionen „überzählige“ Tiere geboren und getötet werden, eine Überprüfung und Verbesserung der Zuchtverfahren; 24. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln. RR\482223DE.doc 11/14 PE 319.353 DE BEGRÜNDUNG In der EU werden jährlich schätzungsweise 12 Millionen Wirbeltiere bei der Entwicklung und bei Tests von Chemikalien, biologischem Material und anderen Erzeugnissen benutzt. Die Verwendung von Tieren zu solchen Zwecken ist zu Recht Gegenstand umfassender Debatten und des öffentlichen Interesses, dies insbesondere weil die Richtlinie zur Kontrolle dieser Versuche – Richtlinie 86/609/EWG – sowie ihre wissenschaftliche Grundlage und die ihr zugrunde liegende politische Debatte fast zwanzig Jahre alt. Vieles hat sich geändert, seit die Richtlinie verabschiedet wurde – die Wissenschaft hat sich in einer von der ursprünglichen Richtlinie nicht vorgesehenen Weise entwickelt, und die öffentliche Meinung in Bezug auf Tiere hat sich verändert, mit dem Ergebnis, dass das Thema des Wohlergehens der Tiere bei mehr Leuten Grund zur Besorgnis ist. Es ist daher nicht angemessen, dass diese Richtlinie über den Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere ursprünglich nicht die Sorge um das Wohlergehen dieser Tiere zur Grundlage hat, sondern das Anliegen eines reibungslosen Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Dies erklärt, warum verschiedene Arten von Versuchen, wie die in der Grundlagenforschung und in Lehre oder Ausbildung nicht unter diese Richtlinie fallen. Die Kommission hat selbst die Notwendigkeit der Aktualisierung der Richtlinie 86/609/EWG anerkannt und sich bereit erklärt, diesen Prozess vor Ende 2003 einzuleiten. Informationsmaterial über die Umsetzung und Durchsetzung, das während der Forschungsarbeiten für diesen Bericht gesammelt wurde, macht deutlich, dass diese Reformen besser früher als später erfolgen sollten. Es bestehen grundlegende Mängel bei der Umsetzung; während einige Mitgliedstaaten im eigenen Land strengere Gesetze erlassen haben, als die Richtlinie 86/609/EWG vorsieht, haben andere einige die der Richtlinie zugrunde liegenden Prinzipien nicht umgesetzt und durchgesetzt – was noch deutlicher wird durch die derzeitigen Vertragsverstoßverfahren, die die Kommission gegen bestimmte Mitgliedstaaten eingeleitet hat. Erfassung von Daten Eines der wichtigsten Beispiele für die Mängel der jetzigen Richtlinie sind die Schwierigkeiten, die bei der Abgleichung und Auslegung der Datenaufgetaucht sind, die gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 86/609 erfasst werden sollten. Obwohl das Format für die Erfassung von Daten bis zu einem gewissen Grad vereinheitlicht ist, ist es doch weiterhin fast unmöglich, die genaue Zahl von Tieren zu ermitteln, die für die einzelnen Arten von Versuchsverfahren verwendet werden, und es gibt keine Bestimmung, die Angaben über die Schwere der Eingriffe bei Tierversuchen vorschreibt. Derzeit ist es unmöglich, aus den vorliegenden Daten zu erkennen, ob Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie angemessen angewandt wird. Durch veröffentlichte statistische Belege muss nachgewiesen werden, dass keine andere wissenschaftlich zufrieden stellende Methode ohne Tierversuche verfügbar war. Nicht alle Mitgliedstaaten erfassen die Daten in denselben Zeitabständen. Während einige über die geltende Anforderung der Erfassung alle drei Jahre hinaus gehen, halten sich andere an diese PE 319.353 DE 12/14 RR\482223DE.doc zeitliche Vorgabe und veröffentlichen keine internen Ergebnisse zwischendurch. Die Hauptmängel bei der Datenerfassung sollten behoben werden, wenn die Richtlinie überarbeitet wird. Damit solche Daten nützlich sind, sollten die Zahlen jährlich in allen Mitgliedstaaten detailliert gegliedert und in einheitlicher Weise veröffentlicht werden. Da diejenigen, die mit Tieren experimentieren, insbesondere die Pharmaunternehmen, diese Daten bereits erfassen, dürfte dies keine besondere Schwierigkeit darstellen. Unterschiedliche Standards in den verschiedenen Mitgliedstaaten Es hat sich herausgestellt, dass die Standards in den verschiedenen Mitgliedstaaten in verschiedenen Aspekten der Umsetzung und Durchsetzung der Richtlinie 86/609 voneinander abweichen. Dem Wohlergehen der Tiere scheint in einigen Mitgliedstaaten ein unterschiedliches Maß an Bedeutung beigemessen zu werden, was dazu führt, dass die Genehmigung, Überwachung und Kontrolle der Versuchsprojekte voneinander abweichen. Während einige Mitgliedstaaten versuchen, ihre nationalen Rechtsvorschriften durch ad-hocBesuche von Inspektoren in Einrichtungen, wo Tierversuche durchgeführt werden, durchzusetzen, haben andere die Richtlinie in viel weniger strenger Weise angewandt. Die Vereinheitlichung der Standards ist in dieser Hinsicht offenkundig nicht gelungen, und eine Überarbeitung der Richtlinie 86/609 sollte nicht nur darauf abzielen, dass die niedrigsten Standards angehoben werden, sondern auch, dass alle Mitgliedstaaten Fortschritte im Sinne einer effizienteren Überwachung von Tierversuchen machen. Das von Russell und Burch1 stammende „3R-Konzept“ – Replacement, Reduction und Refinement (Ersetzen, Verringern und Verfeinern der Methoden) – bei Tierversuchen spielt jetzt eine wichtige Rolle bei den Debatten in der Europäischen Union über dieses Thema. Dies ist zwar zu begrüßen, doch ist wesentlich, dass der Ansatz akzeptiert und in allen Mitgliedstaaten gleichmäßig angewandt wird. Dass die Zahl der Tierversuche sich keineswegs verringert, sondern sich im Gegenteil verdoppelt hat, beweist, dass der Grundsatz der Verringerung nicht befolgt wird; auch wird die Bestimmung zur Verhinderung von unnötigen Doppelversuchen in der Richtlinie 86/609 nicht eingehalten. Geltungsbereich der Richtlinie 86/609/EWG Ein Streitpunkt seit Verabschiedung der Richtlinie ist, dass nicht alle Tiere unter diese Vorschriften fallen. Seit 1986 hat es im Bereich der Tierversuche umfassende Entwicklungen gegeben – z.B. die damals nicht vorauszusehende, doch beträchtliche Zunahme der Zahl genetisch veränderter Tiere, die erzeugt und benutzt werden. Dass eine Richtlinie, mit der die Verwendung von Tieren für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke geregelt werden soll, nicht alle Tiere umfasst, mit denen experimentiert wird, geht nicht an. Transgene Tiere sollten bei einer Überarbeitung der Richtlinie einbezogen werden, wie auch alle Tierstadien und Tierarten – einschließlich Tierembryonen und Tierföten und leidensfähige Wesen, wie Kopffüßler und Zehnfüßer. Als akzeptables Kriterium sollte die Möglichkeit der Schmerzempfindung gelten. Versuche sollten auch nicht unternommen werden. 1 Russell, William M.S. und Rex L. Burch, Principles of Humane Experimental Technique, Methuen, London, 1959. RR\482223DE.doc 13/14 PE 319.353 DE Auch ist zu beanstanden, dass die Richtlinie Versuche nicht erfasst, die von bestimmten Einrichtungen durchgeführt werden, was dazu führt, dass Millionen von Tieren, die jährlich zu Ausbildungszwecken und zu Zwecken der Grundlagenforschung verwendet werden, nicht berücksichtigt werden. Angesichts der jüngsten Debatte über die ethischen Aspekte der Tierversuche im Rahmen von Ausbildungsgängen ist dies ein Bereich der Richtlinie, der dringend Aufmerksamkeit verdient. Die Zukunft der Tierversuche an Primaten muss ebenfalls einer Überprüfung unterzogen werden. Pflege und Behandlung der Tiere Es hat sich gezeigt, dass Mängel hinsichtlich der Art und Weise bestehen, wie die Tiere während sie Versuchen ausgesetzt sind, behandelt werden. Zwar gibt es freiwillige Leitlinien für die Ausbildung und Schulung von Personal, das mit Labortieren arbeitet (FELASA)1, doch besteht derzeit kein EU-weit standardisierter Kurs, den man absolvieren kann. Ein vor kurzem erschienener Bericht über die Universität von Cambridge (VK) führt auf, welchen Leiden die Tiere unterzogen werden. Dass dies in einem Land geschehen kann, von dem oft gesagt wird, es hätte die strengsten Rechtsvorschriften für das Wohlergehen der Tiere, ist ein beklagenswerter Beweis der mangelhaften Umsetzung und Durchsetzung der Richtlinie 86/609. Alle beteiligten Personen, nicht nur die benannten verantwortlichen Personen oder vor Ort arbeitenden Tierärzte, sollten einen anerkannten Kurs über das Wohlergehen der Tiere einschließlich der Ethik wissenschaftlicher und sonstiger Tierversuche absolvieren. Ein standardisierter Kurs, mit dem ein solches Zertifikat erworben werden kann und der in allen Mitgliedstaaten gültig und anerkannt ist, würde nicht nur das Niveau der Tierpflege anheben, sondern es den Arbeitgebern auch gestatten, qualifizierte Fachkräfte für diesen Bereich aus jedem EU-Land einzustellen. Überarbeitung der Richtlinie 86/609 Nach dem Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere von Amsterdam, das am 1. Mai 1999 in Kraft getreten ist, ist den Bedürfnissen der Tiere mit Blick auf ihr Wohlergehen uneingeschränkt Rechnung zu tragen. Dies zusammen mit dem Umstand, dass das Übereinkommen ETS 123 von der EG unterzeichnet wurde, macht eine unverzügliche Überarbeitung der Richtlinie vordringlich, wobei die Ausweitung der Rechtsgrundlage wichtig ist. Dieser Bericht sollte als ein Vorläufer dafür angesehen werden, und die Anmerkungen und Empfehlungen sollten übernommen werden. 1 Federation of European Laboratory Animal Science Associations PE 319.353 DE 14/14 RR\482223DE.doc