Klinik für Ernährungsmedizin Klinikum rechts der Isar, TU München Uptown München Campus D Georg-Brauchle-Ring 60/62 München Direktor: Univ.-Prof. Dr. Hans Hauner Ernährungsempfehlungen bei Kurzdarmsyndrom Die Ausprägung der Symptomatik bei Kurzdarmsyndrom richtet sich nach dem Ausmaß der Resektion (wieviel Darm entfernt wurde) und nach dem Resektionsort (welcher Teil des Darms entfernt wurde). Beschwerden treten insbesondere dann auf, wenn obere Dünndarmabschnitte entfernt wurden. Zu dem oberen Teil rechnet man den Zwölffingerdarm (Duodenum), und den Leerdarm (Jejunum), der untere Teil wird als Krummdarm (Ileum) bezeichnet. In jedem dieser Darmabschnitte findet eine spezifische Nährstoffaufnahme statt, z.B. werden im ersten Teil wasserlösliche Vitamine, Mineralien, Spurenelemente, und Aminosäuren (Eiweiße) aufgenommen, im letzten Teil Vitamin B 12, die Fette, fettlösliche Vitamine sowie die Gallensäuren. Der Verlust des ersten Darmabschnittes führt meist zu größeren Problemen als der Verlust der letzteren Dünndarmteile. Es muß jedoch nicht zwangsläufig zu Problemen kommen, zumal es (nach einer unbestimmten Zeit) häufig zur Kompensation in den verbliebenen Dünndarmanteilen kommt. Wenn weniger als 25-30% des Dünndarms verbleiben, spricht man von einem Kurzdarm. Die normale Dünndarmlänge eines Erwachsenen beträgt ca. 4-6m, bei einem Kurzdarm weniger als 1,5m. I. Ernährungsempfehlungen Die Ernährungsempfehlungen richten sich nach der Phase, in der sich der Patient befindet. Man unterscheidet 3 Phasen: Phase 1: Hypersekretion Nach der Operation erfolgt die Nährstoff- und Flüssigkeitszufuhr zunächst parenteral (per Infusion). Sobald die postoperative Situation es zulässt, sollte mit der Ernährung (Kostaufbau) begonnen werden, um die maximale Adaptation des Restdarms zu erreichen. Phase 2: Adaption Die Adaption des Restdarms kann mehrere Wochen bis zu einem Jahr dauern. In dieser Phase wird eine Trink- bzw. Sondennahrung angeboten, die rückstandsfrei vom Darm verwertet wird. Je nach Ausmaß der Resektion kann auf die Gabe von Trink- bzw. Sondennahrung verzichtet werden und ein Kostaufbau mit folgenden Lebensmitteln erfolgen: Tee (kein Pfefferminztee), stilles Wasser Schleim, Zwieback, leichte Suppen (keine Tomatensuppe), Klare Brühe 1 Bei guter Verträglichkeit Erweiterung der Lebensmittelauswahl um: Weißbrot, Butter, Marmelade, Honig Banane, Kompott, Naturjoghurt, Milchbreie Püree, Reis, Nudeln leichte Gemüsesorten, wie gekochte Karotten, Zucchini, Kürbis, Spinat, Sellerie, Schwarzwurzeln, Spargel fettarme Fleisch- und Fischgerichte Bitte beachten Sie: 6-8 kleine Mahlzeiten über den Tag verteilen Flüssigkeitszufuhr ca. ½-1 Stunde nach den Mahlzeiten Phase 3: Stabilisation In dieser Phase stabilisiert sich der Darm, d.h. der verbleibende Teil übernimmt die Funktionen der entfernten Darmabschnitte. Die Ernährung sollte leicht verträglich, eiweiß- und energiereich sein. Kohlenhydrate werden am besten und Fett am schlechtesten vertragen. II. Ernährungsprinzipien: 1. Leicht verträglich: Lebensmittel, die häufig Unverträglichkeiten auslösen aufgrund ihrer blähenden Wirkung bzw. des hohen Ballaststoffgehaltes, sollten gemieden werden. Erfahrungsgemäß sind dies: Hülsenfrüchte, Gurkensalat, Pilzgerichte, Kohlgemüse, frisch gebackenes Brot, frittierte Speisen, sehr säurehaltige Lebensmittel und kohlensäurehaltige Getränke. Auch frisches Obst (außer Banane), frische Salate, Rohkost, Tomaten, Blumenkohl, Broccoli, Kohlrabi, Erbsen, und grüne Bohnen sollten gemieden werden. Es empfiehlt sich ein Tagebuch bzw. ein „Beschwerdeprotokoll“ zu führen (siehe Anlage) um individuelle Unverträglichkeiten von Lebensmitteln, Speisen und Getränken feststellen zu können. 2. Eiweißreich: Eiweiß ist ein lebensnotwendiger Nährstoff mit vielen Funktionen im Körper. Ein Mangel an Eiweiß führt zu Verlust an Muskulatur sowie Körpergewicht, zu Organfunktionsstörungen sowie zur Beeinträchtigung des Eiweiß- und Enzymstoffwechsels. Die Folge können erhöhte Infektanfälligkeit, Fieberzustände, Wundheilungsstörungen sowie Mangelernährung sein. Günstige Eiweißlieferanten sind: mageres Fleisch von Geflügel, Kalb, Schwein und Rind magerer Fisch fettarme Wurst, Quark und fettarmer Käse 2 Werden Milch und Milchprodukte aufgrund des hohen Lactosegehaltes (Milchzucker) schlecht vertragen, können sie auf lactosefreie Milchprodukte auseichen. Die Eiweißzufuhr kann durch zusätzliche Gabe von Eiweißkonzentraten ergänzt werden: (in der Apotheke erhältlich) Resource Protein 88 Resource Meritene Instantpulver (Neutral, Schoko, Vanille, Erdbeere) Eiweißreiche (hochkalorische) Trink- bzw. Zusatznahrung 3. Kalorienreiche Ernährung Gesundheitliches Wohlbefinden und eine intakte Immunabwehr hängen maßgeblich von einem guten Ernährungszustand ab. Durch einseitige Ernährung wird die Entstehung einer Mangelernährung begünstigt, die sowohl Lebensqualität als auch Lebensdauer beeinflusst. Fett ist ein wichtiger Energielieferant und wird bei einer normalen Zufuhr von 80g/Tag meist gut vertragen. Sollte es trotzdem zu Unverträglichkeiten wie Fettstühlen kommen, kann auf MCTFette zurückgegriffen werden. Ihr Vorteil ist, daß sie auch bei eingeschränkter Verdauungsleistung verwertet werden können. Erhältlich sind: MCT-Basis Plus und Ceres: jeweils Öl, Margarine, erhältlich im Reformhaus Die Energiezufuhr sollte wegen der verminderten Nährstoffausnutzung deutlich über der von Gesunden liegen. Die Patienten müssen wesentlich mehr essen als Gesunde um ihr Gewicht zu halten. Zur Kalorienanreicherung sind geeignet: 1 Eßl. Butter (15g) 1 Eßl. Sahne (10g) 1 Eßl. Honig (15g) 120 Kalorien 30 Kalorien 60 Kalorien Verwenden Sie zum Süßen von Speisen und Getränken Traubenzucker anstelle von Haushaltszucker. Traubenzucker hat den gleichen Energiegehalt wie Haushaltszucker aber nur die halbe Süßkraft, d.h. Sie können die doppelte Menge Zucker und somit Energie zufügen, um den gleichen Süßegrad zu erreichen. Ist trotz all dieser Maßnahmen keine ausreichende Energiezufuhr möglich, kann auf spezielle Produkte (in der Apotheke erhältlich) zurückgegriffen werden: MaltoCal, BiCal Duocal Calogen® hochkalorische Trink- bzw. Zusatznahrungen 3 4. Viele kleine Mahlzeiten: Wichtig ist, den verbliebenen Darm während des gesamten Tages und nicht nur zu drei Hauptmahlzeiten zu nutzen. Dies bedeutet mehrere kleine Mahlzeiten. Bei großen Portionen wird die Darmtätigkeit unnötig stark angeregt, sodass die Nahrung schlechter ausgenutzt wird und es zu Durchfall kommen kann. 5. Gründlich kauen: Während der relativen kurzen Verweildauer im verbliebenen Darm muß eine gute Durchmischung mit Verdauungssäften stattfinden. Durch gründliches kauen wird eine Durchmischung gefördert und die Nährstoffausnutzung positiv beeinflusst. Evtl. kann der Verdauung mit Bauchspeicheldrüsenfermenten nachgeholfen werden. 6. Reichlich trinken: Bei Durchfall besteht ein erhöhter Wasserverlust, der ausgeglichen werden muss. Trinken 2-3l kohlensäurearme Mineralwässer, fettarme Brühe, Schwarz-, Kräuteroder Früchtetee. Es empfiehlt sich zwischen den Mahlzeiten zu trinken (1/4 Std. vor und ½-1 Std. nach den Mahlzeiten), um die Passagezeit nicht zusätzlich zu erhöhen. Vorsicht: Pfefferminztee und Kaffee nur bei individueller Toleranz! III. Abhilfe schaffen bei individuellen Beschwerden 1. Durchfall: Mehrere Ursachen kommen für Durchfälle nach Dünndarmresektion in Frage, entsprechend findet eine medikamentöse Therapie statt. Positiv wirken sich folgende Lebensmittel bei Durchfall aus: Eine stopfende Wirkung haben: geschlagene Banane, geriebener Apfel, Heidelbeeren (-saft) Haferschleim, Haferflocken gekochte Karotten Zwieback, Knäckebrot, gekochter Reis, Weißbrot, Wasser-Kartoffelpüree, Nudeln Kakaopulver (Schokolade, Wasserkakao) Bitte beachten sie: Tipp: -keine kalten und keine kohlensäurehaltigen Getränke trinken -meiden von Milch und Milchprodukten, die Milchzucker enthalten (siehe Punkt 2) -keine fetten Lebensmittel und Speisen essen Weizenkleie und Flohsamen haben aufgrund der quellenden Wirkung die Fähigkeit, flüssigen Stuhl eindicken und formen zu können. 4 2. Milchzuckerunverträglichkeit/Laktoseintoleranz Eine Milchzuckerunverträglichkeit wird durch einen Laktasemangel hervorgerufen. Das Enzym Laktase wird im Dünndarm gebildet und sorgt dafür, dass Milchzucker abgebaut und resorbiert werden kann. Bei Dünndarmresektion kann es zu einem Laktasemangel kommen. Es sind folgende Lebensmittel zu meiden: Milch, Pudding, Milchbreie Milchprodukte nach Verträglichkeit: Joghurt, Kefir, Buttermilch, Quark, Weichund Hartkäse, Butter Instantprodukte, Püreepulver, Fertigprodukte Brot und Gebäck, die mit Milch, Milchpulver, Casein, Molkenpulver od. Milchzucker hergestellt sind Backwaren und -mischungen, süße Riegel, Milch- und Sahneeis, Pralinen, NussNougatcreme 3. Prophylaxe von Nierensteinen: Die Bildung von Nierensteinen ist eine häufige Folgeerkrankung nach Ileumresektion. Normalerweise bindet sich Oxalsäure im Darm mit Calcium zu KalziumOxalat. Da dieser Schutzmechanismus nach Ileumresektion nicht funktioniert, ist eine oxalsäurearme Ernährung notwendig. Meiden Sie oxalsäurereiche Lebensmittel, wie: Kakao (Schokolade, schokohaltige Getränke, Nuss-Nougat-Creme) Obstsorten, wie Rhabarber, Beerenfrüchte, Pflaumen Nüsse Gemüse: Spinat, Mangold, Rote Bete, Bohnen Schwarztee Dunkle Brotsorten 4. Zuckerunverträglichkeit: Bei unvollständiger Kohlenhydratresorption verursachen Zucker erhebliche osmotische Durchfälle. Zucker und zuckerhaltige Lebensmittel (Süßigkeiten etc.) sollten dann gemieden werden. Stand: Dezember 2011 5 Anlage 1: Tagebuch – Beschwerdeprotokoll Tag Uhrzeit Was / wieviel gegessen? Bemerkungen 6