Hessischer Rundfunk Hörfunk – Bildungsprogramm Redaktion: Dr. Regina Oehler WISSENSWERT Was ist Energie? (3) Speicherung Von Karl-Heinz Wellmann Sendung: 21.03.2007, 8:30 bis 8:45 Uhr, hr2 07-021 COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/ der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks. –1– O-Ton 1 khw WW 01 König Klassische Speicherform: Fett "Die klassische Speicherform von Energie im menschlichen Körper ist ja das Fett. Das hat der Körper eingerichtet dafür, dass in längeren Hungerzeiten ausreichend Energie zur Verfügung steht." Sprecher ... sagt Hartmut König. Er leitet die Ernährungsabteilung der Verbraucherzentrale Hessen. Fett ist die klassische Speicherform für Energie: beim Menschen, bei den Tieren und ganz besonders bei den Nutztieren. Ein fettes Schwein war Jahrhunderte lang Symbol für bäuerlichen Wohlstand, denn so lange die Tiere genug zu fressen hatten, ging es auch den Menschen gut. Als Schimpfwort ist das "fette Schwein" sogar bis heute in unserem Kulturkreis lebendig geblieben. 0-Ton 2 khw WW 02 König Fett und Zucker "Wenn man sich die Ernährungsgewohnheiten unserer Verbraucher anschaut, dann kommt der höchste Energieanteil aus Wurst und Wurstwaren. Das liegt an den Gewohnheiten der deutschen Bürger, dass Wurst einen sehr hohen kulturellen Wert hat bei uns. Die zweithäufigste Zufuhr von Energie ist über Kuchen und Backwaren, bei denen darf man den Zuckeranteil nicht vergessen. Zucker ist der zweitgrößte Ernährungsfehler, den wir leider machen, da sehr viele Süßigkeiten verzehrt werden, und in den Backwaren haben wir beides, sowohl Fett als auch Zucker, häufig enthalten, also Energie, die häufig über dem persönlichen Bedarf liegt und trotzdem aufgenommen wird und dann zu den Speicherenergie-Ringen rund um die Hüfte oder auch woanders führen." Sprecher Wobei gesunde Frauen deutlich mehr Fett speichern als Männer – Frauen können bekanntlich Kinder gebären und danach stillen, und hierfür benötigen sie das zusätzliche Körperfett als "stille Reserve". Bei normalgewichtige Frauen beträgt der Fettanteil am Körpergewicht ungefähr 25 Prozent, bei normalgewichtigen Männern ungefähr 15 Prozent. –2– Der Fettanteil am Körpergewicht ist nicht ganz einfach zu messen, nur die gesundheitsgefährliche Obergrenze der Speckringe kann man recht leicht ermitteln: Wenn der Bauchumfang bei Frauen deutlich mehr als 90 Zentimeter und bei Männern deutlich mehr als ein Meter beträgt, dann steigt das Risiko für Fettstoffwechselstörungen und auch für Diabetes merklich an. Fett ist also die übliche chemische Verbindung, in der Menschen und Tiere ihren Energievorrat mit sich umher tragen. Bei den Pflanzen sind hingegen Stärke und Zucker typische Speichersubstanzen. Aber auch Menschen und Tiere können Zuckervorräte anlegen. Hartmut König. 0-Ton 3 khw WW 03 König Speicher auffüllen "Es gibt auch eine Speicherform im Organismus, das so genannte Glykogen. In der Leber und in den Muskeln kann ich ganz schnell aus dieser Speicherform, wenn ich hohe Leistungen bringen will, die Energie mobilisieren, die ich dafür benötige, aber die Speicher sind schnell geleert. Ich muss also als Mensch, der viel Sport macht - oder auch häufig Denkleistungen vollbringt - muss ich mich trainieren, um diese Speicher aufzufüllen oder auch leicht zu vergrößern." Sprecher Glykogen wird oft auch als "tierische Stärke" oder als "Leberstärke" bezeichnet. Glykogen wird nämlich in der Leber in relativ großer Menge produziert wird: vor allem dann, wenn dem Körper rasch viele Kohlehydrate zugeführt werden; sei es in Form von Zucker, sei es in Form von stärkehaltigen Lebensmitteln wie Nudeln. Wenn wir uns danach aber zum Beispiel sportlich betätigen, wenn wir also den Energiebedarf des Körpers steigern, dann wird das Glykogen in der Leber und auch in den Muskeln wieder in Traubenzucker aufgespalten. Der Traubenzucker wird dann den aktiven Körperzellen als Energieträger zur Verfügung gestellt. Das gilt übrigens auch fürs Gehirn: Wenn wir intensiv nachdenken müssen, zum Beispiel in einer Prüfung, dann –3– unterstützt das Glykogen auch die Aktivität der Nervenzellen. Leicht verdauliche, überwiegend stärkehaltige Nahrungsmittel statt eiweißreicher Fleischprodukte gelten heute auch ganz generell als ratsam für eine gesunde Ernährung. 0-Ton 3a khw WW 03a König energiegerechte Ernährung "Insgesamt ist eine pflanzenbetonte Ernährung diejenige, die im Moment die energiegerechteste ist." Sprecher Unsere Nahrungsmittel müssen im Körper zunächst verdaut und letztlich in der Regel in Traubenzucker umgewandelt werden. Das ist ein relativ kontinuierlicher Vorgang. Der Energiebedarf in den Muskelzellen kann aber zum Beispiel bei einem Spurt zur Bushaltestelle rasch ansteigen. Solche Spitzenwerte beim Energiebedarf können durch die Glykogenspeicher gedeckt werden. Ein Gramm Fett führt dem Körper übrigens 9 Kalorien zu, ein Gramm Zucker oder Stärke nur ungefähr 4 Kalorien. 0Ton 4 khw WW 04 König KH + Verdauung "Die Kohlenhydrate - das ist beispielsweise Stärke in Getreide, in Kartoffeln - bringen deutlich weniger, aber sie bringen Energie für den Menschen in einer Form, wie er sie ganz schnell verwerten kann. Diese Stärke wird abgebaut zu einfachen Zuckern, im Magen-/Darmtrakt, das ist die Verdauungsleistung, die der Mensch leisten muss, daraus entstehen Einfachzucker, die aufgenommen werden, und die versorgen die Muskeln beispielsweise direkt mit Energie zur Muskelbewegung oder das Gehirn zur Leistung von Denkvorgängen." –4– Sprecher Das ist auch der Grund dafür, dass Spezialgetränke für Ausdauersportler stets mit Traubenzucker angereichert werden: So können die Glykogenspeicher der Muskeln rasch wieder aufgefüllt werden. – Wo aber entsteht der Zucker, den wir zu uns nehmen? 0-Ton 5 khw WW 05 Büchel 01 Zucker entstehen "Zucker entsteht in den grünen Blattgeweben, oder - wenn man spezieller wird - in ganz bestimmten Untereinheiten der Zelle, nämlich den so genannten Chloroplasten. Dort findet die Fotosynthese statt, und die führt letztendlich dazu dass, primär Zucker gebildet werden." Sprecher Prof. Claudia Büchel, an der Universität Frankfurt erforscht sie das Innenleben von Pflanzenzellen. - Pflanzen sind nicht aus Zufall grün. Vielmehr reflektieren sie vom Sonnenlicht, das auf sie fällt, vor allem den grünen Anteil; andersfarbige Lichtanteile nehmen sie gleichsam in sich auf. Die absorbierte Lichtenergie wird dazu genutzt, um aus energiearmem Wasser und gleichfalls energiearmem Kohlendioxid energiereichen Traubenzucker herzustellen. Dieser Vorgang wird Fotosynthese genannt, und er führt somit dazu, dass die Energie der Sonne in Form von Traubenzucker speichert wird. Nun schmecken aber die grünen Blätter der Bäume im allgemeinen nicht süß, und grüne Früchte schon gar nicht. 0-Ton 6 khw WW 06 Büchel 02 Transport zur Wurzel "Das hängt damit zusammen, dass die Pflanze verschiedene Bedürfnisse hat in ihren verschiedenen Organen. Die Wurzel zum Beispiel sieht ja überhaupt kein Licht, d.h. auch die Wurzel muss ernährt werden wie wir, und dazu braucht sie eben Zucker. Also werden die Zucker erst mal exportiert aus den Plastiden und zum Beispiel in der Wurzel gespeichert. Die zweite Sache ist natürlich für die Nachkommen, sprich: für die Samen. Auch die benötigen Nahrung, bis sie so weit gekeimt sind, dass sie grünes Gewebe haben und sich selber ernähren können. –5– Auch dafür werden Zucker gleichsam 'reserviert' und im Samen gespeichert." Sprecher Plastiden sind jene grünen Unterabteilungen einer Pflanzenzelle, in denen unter anderem die Fotosynthese abläuft und der Zucker produziert wird. Dass die Blätter nicht zugleich auch Speicherorgane für Zucker sind, hat letztlich einen ganz einfachen Grund: Wären die Blätter süß, würden sie noch stärker Opfer von Pflanzenfressern, als sie es ohnehin schon sind. Das würde die Pflanzen derart schädigen, dass sie im Verlauf der Evolution keine große Chance fürs Überleben hätten. Es ist also kein Zufall, dass sich die kalorienreichen Speicherorgane der Pflanze in der Regel unter der Erde befinden. Allerdings schmecken auch die unterirdischen Energiespeicher der Pflanzen in der Regel nicht süß, wie zum Beispiel ein Biss in das wohl bekannteste Speicherorgan verrät: in eine Kartoffel. Prof. Claudia Büchel. 0-Ton 7 khw WW 07 Büchel Kartoffelstärke "Da haben wir etwas vorliegen, was der Chemiker auch noch als Zucker bezeichnen würde, allerdings einen Mehrfachzucker - also Zuckereinheiten hintereinander geschaltet. Wir kennen das unter dem Namen 'Stärke'. Diese Stärke hat einen ganz einfachen Vorteil: Zuckerlösungen ziehen Wasser an, Stärkelösungen tun das nicht. Das heißt, die Kartoffelknolle unterliegt jetzt nicht der Gefahr, immer weiter aufzuschwellen, sondern sie bleibt in einem konstanten Volumen. Sie kann also ihre Kohlenhydrate, also ihre Energie, in einer Form abspeichern, die sozusagen keine anderen Gefahren birgt." –6– Sprecher //Wenn Kartoffeln Frost abbekommen, wird die Stärke teilweise zerstört, einzelne Zuckereinheiten werden abgespalten, und die Kartoffeln schmecken dann tatsächlich süß. // Die vielen an einander gekoppelten Zuckereinheiten der Stärke sind schlecht wasserlöslich, und die schlechte Wasserlöslichkeit ist auch der Grund dafür, dass bei den Tieren Glykogen als Speicherform für Traubenzucker vorkommt: Glykogen ist ähnlich aufgebaut wie die Stärkekörner der Pflanzen. // Warum aber legen Pflanzen ihre Energievorräte vor allem in Form von Stärke an und nicht – wie die Tiere – als Fett? 0-Ton 8 khw WW 08 Büchel Fett in Samen "Pflanzen tun es teilweise auch, gerade auch in ihren Samengeweben, ansonsten ist der Grund eigentlich der, dass man auf geringerem Raum mehr Kalorien sozusagen 'speichern' kann. Fette sind höher-energetisch als Zucker." Sprecher Tiere müssen auf der Nahrungssuche in der Regel umherlaufen; es leuchtet daher ein, dass es für sie vorteilhaft ist, wenn ihre Energievorräte in Form von kalorienreichem Fett gespeichert sind. Aus einem Kilo Fett kann schließlich mehr als doppelt so viel Energie gewonnen werden als aus einem Kilo Stärke. Umgekehrt ist es für die Pflanzen vorteilhaft, die im Blatt gewonnenen Zuckereinheiten untereinander zu verbinden und dann sofort als Stärke einzulagern. Die festsitzenden Pflanzen können die Stärke ja ohne besondere Rücksichtnahme auf deren Gewicht einfach am Boden ablegen. Der Aufbau von Fettreserven würde unnötig viel Energie verbrauchen. Der nächsten Generation einer Pflanze hingegen werden Fett und auch Eiweiß oft als Energievorrat mitgegeben – Raps und Soja sind bekannte Beispiele hierfür. Claudia Büchel. –7– 0-Ton 9 khw WW 09 Büchel Samen und Zucker "Es kommt immer darauf an, was für die Pflanzen von Vorteil ist. Wenn wir jetzt von Samen reden, ist es ja oft so, dass sie verbreitet werden sollen, ich könnte mir vorstellen, dass das auch eine Rolle spielt, was jetzt wirklich abgelagert wird. Nicht direkt im Samen natürlich, sondern in der Frucht." Sprecher Süße Samen würden gewiss zerbissen und so zerstört. Das süße Fruchtfleisch hingegen verlockt zwar zum Beispiel Vögel zum Fressen der Früchte, aber viele Samen werden unbeschädigt wieder ausgeschieden. Pflanzen speichern jedoch den Zucker nicht allein in Form der uns vom Kochen bekannten Stärke. Auch ein kräftiger, alter Baumstamm besteht zu einem erheblichen Teil aus Zucker. Nur heißt er Zucker hier: Zellulose. 0-Ton 10 khw WW 10 Energie Bio 07 Zellwände "Ein großer Anteil des produzierten Zuckers wird dazu verwendet, Zellwände aufzubauen bei Pflanzen, also das Gewebe, das die Pflanzen stabilisiert. Das wird aber bei den meisten Pflanzen nicht wieder abgebaut, das bleibt da. Es gibt allerdings Pflanzen, die diese Zellwände auch verdicken für eine gewisse Zeit und das wirklich als Vorrat nutzen, sprich: da wieder drangehen und das wieder abbauen, wenn sie es brauchen. Dazu gehören bestimmte Palmenarten." Sprecher Solche im Prinzip energiereichen Zellwände waren es auch, aus denen im Verlauf der Erdgeschichte ganz andere energiereiche Stoffe entstanden sind: Kohle und Erdöl. Abgestorbene und unter Luftabschluss gelagerte Baumfarne wurden zu Steinkohle. Kleinstlebewesen der Ozeane wie Algen oder Plankton standen am Beginn der Erdölentstehung. Ein gefüllter Benzintank und eine Kohlenhalde sind nichts anderes als Speicher für Energie, die frühere Erdbewohner aus Licht, Luft und Wasser erzeugt haben. –8– Hier gibt es übrigens eine bemerkenswerte Parallele zwischen der Energiespeicherung bei den Pflanzen und in der Technik: Bis heute ist es auch unseren Ingenieuren nicht gelungen, Energie effizient in anderer Weise zu speichern, als in Form von chemischer Energie. Kraftwerke zur Erzeugung von Elektrizität benötigen daher eine komplizierte Regeltechnik, erläutert Werner Hartwig vom hessischen Stromerzeuger Mainova. 0-Ton 11 khw WW 11 Hartwig 01 nicht speicherbar "Man kann ja Strom nicht speichern, man muss ihn immer dann erzeugen, wenn er definitiv gebraucht wird. Es gibt also keine Lagerkapazitäten, wenn man mal von den kleinen bis mittelgroßen Batteriesystemen absieht. Dafür gibt es im Kraftwerk eine entsprechende Leistungsregelung, mit deren Hilfe wir das Kraftwerk entsprechend rauf- oder runterfahren und somit auch die Netzfrequenz halten." Sprecher Die Netzfrequenz: Das sind jene 50 Hertz, mit denen der Wechselstrom zuhause aus der Steckdose kommt. Und was passiert, wenn gegen Mitternacht alle Leute zu Bett gegangen sind? 0-Ton 12 khw WW 12 Hartwig 06 Überproduktion "Dann ist es genau umgekehrt. Wenn wir zu viel Strom produzieren, dann sieht unsere Regelungstechnik auch das und die Anlagen werden entsprechend zurück gefahren. Das heißt, die Turbinen-Stellventile werden gedrosselt, und dann produziere ich weniger Strom." Sprecher In Kraftwerken wäre die Vorratshaltung von Strom in Batterien viel zu teuer, daher sind noch immer Kohlehalden und große Erdöltanks nötig, damit konventionelle Kraftwerke stets genug elektrischen Strom ins Netz einspeisen können. Oder ein großer Wassertank, hoch über dem Turbinenraum des Kraftwerks. Werner Hartwig. –9– 0-Ton 13 khw WW 13 Hartwig 02 Pumpstrom "Das ist schon eine Möglichkeit, um auch kurzfristig aus diesem Pumpstrom - so nennt man diesen Strom - wo man dann überschüssigen Strom zu Zeiten, wo wenig Stromabnahme ist. In diesen Phasen nutzt man den überflüssigen Strom als Pumpstrom man pumpt Wasser in höher gelegene Gebiete. Zum Beispiel gibt es an der Edertalsperre einen See, er nennt sich Peterskopf, wo solche Wassermengen dann eingespeist werden, die man dann kurzfristig nutzen kann, indem man dann diese Wasserspeicher wieder entlässt. Man fährt sie dann über Wasserturbinen, die wieder Strom ins Netz einspeisen. Aber das ist auch die einzige Möglichkeit, um Energie - ich sag jetzt mal: - zu speichern." Sprecher Pflanzen und Tiere haben recht effiziente Mechanismen entwickelt, um Lichtenergie zu speichern. Eine ähnlich effiziente Speicherform für überschüssigen Strom, der zum Beispiel mit Hilfe von Solarzellen gewonnen wird, steht hingegen noch aus. Die menschliche Technik hat mit der Natur – auf diesem Gebiet jedenfalls – noch lange nicht gleichgezogen.