Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss NAT/499 "Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance" Brüssel, den 22. September 2011 STELLUNGNAHME des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance" KOM(2011) 363 endg. Beitrag der europäischen organisierten Zivilgesellschaft _____________ Berichterstatter: Hans-Joachim WILMS _____________ NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË Tel. +32 25469011 — Fax +32 25134893 — Internet: http://www.eesc.europa.eu DE -1- Die Europäische Kommission beschloss am 20. Juni 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance" KOM(2011) 363 endg. Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 6. September 2011 an. Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 474. Plenartagung am 21./22. September 2011 (Sitzung vom 22. September) mit 141 gegen 2 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme: * * * 1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen 1.1 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist der Meinung, dass von der VN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Rio 2012 ein deutliches Signal an die Weltgemeinschaft ausgehen muss, mit konkreten Vorschlägen für den Übergang zu einer Wirtschaftsordnung, die auf einem qualitativen wirtschaftlichen Wachstum gründet, das Armut und soziale Ungerechtigkeit abzubauen hilft und zugleich die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen erhält. 1.2 Der Ausschuss begrüßt die Mitteilung der Kommission1 als wichtigen Ausgangspunkt für eine gemeinsame Analyse und Positionierung der EU-Institutionen in Vorbereitung auf die Rio+20 Konferenz. Diesbezüglich verweist er auf seine Arbeiten im Rahmen der Leitinitiative "Ressourcenschonendes Europa" und des Fahrplans für eine CO2-arme Wirtschaft bis 20502. Vor diesem Hintergrund möchte der Ausschuss folgende Schwerpunkte setzen. 1.3 Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft in eine übergreifende Strategie der nachhaltigen Entwicklung eingebettet und gerecht gestaltet werden muss. Der Ausschuss begrüßt, dass auch die Kommission nun die soziale Dimension der nachhaltigen Entwicklung anspricht. Diesen Ansatz möchte der Ausschuss stärker betont sehen. Sozialer Zusammenhalt, Gerechtigkeit, auch im Sinne der Generationengerechtigkeit, 1 2 KOM(2011) 363 endg. Siehe S. xx dieses Amtsblatts. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... -2und faire Umverteilung sowie Lösungen für soziale Probleme wie zunehmende Ungleichbehandlung, fehlender Zugang zu verschiedensten Ressourcen, Armut und Arbeitslosigkeit sind von grundlegender Bedeutung. 1.4 Der Ausschuss unterstützt die politischen Empfehlungen der IAO zu grünen Arbeitsplätzen und betont insbesondere, dass die Sozialpartner aktiv in den Wandel des Arbeitsumfelds eingebunden werden müssen. Des Weiteren unterstützt der Ausschuss voll und ganz die VNInitiative zu Gunsten einer sozialen Grundsicherung (Social Protection Floor Initiative), mit der grundlegende soziale Rechte und Sozialtransfers sichergestellt sowie wesentliche Güter und Sozialdienste für alle zugänglich gemacht werden sollen. 1.5 Der Ausschuss begrüßt, dass die Kommissionsmitteilung gemeinsam von den für Umwelt und für Entwicklung zuständigen Kommissaren vorgelegt worden ist, womit eindeutig der Zusammenhang zwischen Umwelt, nachhaltiger Entwicklung und Entwicklungshilfe betont wird. Der Ausschuss setzt sich dafür ein, dass die Neudefinition der EU-Entwicklungshilfepolitik von dem Gedanken der nachhaltigen Entwicklung getragen wird und sich dies auch in der Ausrichtung der Hilfszahlungen bis hin zur Konzeption lokaler Entwicklungshilfeprojekte niederschlägt. 1.6 Der Ausschuss verurteilt aufs Schärfste, dass weltweit, vor allem in Entwicklungsländern, eine Milliarde Menschen Hunger leiden, was in völligem Widerspruch zur Verwirklichung des ersten Millenniums-Entwicklungsziels steht. Der Ausschuss ist der Überzeugung, dass die Gewährleistung des Zugangs zu Ressourcen, Nahrung und Energie zu den vorrangigen Punkten der globalen Nachhaltigkeitsagenda zählen muss. Für die Verwirklichung dieser Ziele ist die aktive Teilhabe der Zivilgesellschaft an der Politikgestaltung auf lokaler und nationaler Ebene unabdingbar, hierbei ist in den Entwicklungsländern auch insbesondere die Rolle der Frauen zu betonen. 1.7 Der Ausschuss ist überzeugt, dass politische Maßnahmen auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene mit einem breiten Spektrum an Politikinstrumenten erforderlich sind, um einen Übergang zu einer "grünen Wirtschaft" zu gestalten. Dazu gehören insbesondere Maßnahmen, die sicherstellen, dass Marktpreise zutreffend ökologische Kosten widerspiegeln, sowie eine Ökologisierung der Finanzpolitik, die auf die Besteuerung des Ressourcenverbrauchs statt des Faktors Arbeit abstellt. Öffentliche Ausgabenprogramme sind daraufhin auszurichten, Investitionen in nachhaltige Technologien und Projekte zu fördern, und umweltschädliche Subventionen sind abzubauen, wobei die sozialen Auswirkungen angemessen zu berücksichtigen sind. Das öffentliche Beschaffungswesen muss zur Unterstützung umweltfreundlicher Produkte und Dienstleistungen genutzt werden. Maßnahmen zur besseren gegenseitigen Unterstützung des weltweiten Handels und nachhaltiger Entwicklung sind zu treffen. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... -31.8 Zur Messung der Fortschritte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit müssen eindeutige Parameter festgelegt werden. Es sind Methoden zu entwickeln, wirtschaftlichen Fortschritt jenseits des BIP an der Verbesserung des menschlichen Wohlergehens und der Lebensqualität zu messen unter Berücksichtigung der Bekämpfung von Armut, Schaffung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und der Erhaltung der natürlichen Umwelt. Unter Berücksichtigung seiner Stellungnahme "Jenseits des BIP – Messgrößen für nachhaltige Entwicklung"3 beabsichtigt der EWSA, noch vor der Rio+20-Konferenz, seinen Standpunkt dazu vorzulegen, wie die Zivilgesellschaft in die Entwicklung dieser Indikatoren einbezogen werden soll. 1.9 Vor diesem Hintergrund sollte auf der Rio+20-Konferenz ein Mandat zur "grünen Wirtschaft" verabschiedet werden, das von den Vereinten Nationen zielstrebig verfolgt werden soll. Dieses Mandat sollte sechs Hauptpunkte umfassen: Messung des Fortschritts auf dem Weg zu einer grünen Wirtschaft; Ordnungspolitische Maßnahmen zum Übergang in eine grüne Wirtschaft; Nachhaltigkeitserziehung zur Förderung einer grünen Wirtschaft; Finanzpolitische Instrumente zur Förderung einer grünen Wirtschaft; Staatliche Ausgaben und Investitionen in eine grüne Wirtschaft; Zielfestlegungen für eine grüne Wirtschaft. 1.10 Die Ergebnisse der Arbeiten auf der Grundlage des vorgenannten Mandates sollen genutzt werden, um auf nationaler Ebene Aktionspläne und Strategien zum Übergang zu einer grünen Wirtschaft aufzustellen, wobei die jeweiligen nationalen Besonderheiten zu berücksichtigen sind. 1.11 Die Governance auf internationaler und VN-Ebene im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und im Umweltbereich bedarf dringend einer besseren Integration und Verstärkung, um die notwendigen Schritte der Weltgemeinschaft für eine nachhaltige Entwicklung einzuleiten. Die Rio+20-Konferenz muss zur Schaffung eines soliden institutionellen Rahmens auf VN-Ebene genutzt werden. Das UNEP sollte gestärkt und institutionell fortentwickelt werden. Der Ausschuss ist außerdem der Auffassung, dass das Konzept eines Rates für nachhaltige Entwicklung, dem die politischen Führungsspitzen der VN-Staaten angehören und der direkt der Generalversammlung untersteht, geeignet ist, den Herausforderungen bei den notwendigen Schritten zur Absicherung einer nachhaltigen Entwicklung und zur Einführung einer grünen Wirtschaftsweise gerecht zu werden. 1.12 Ein erfolgreicher Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise setzt voraus, dass er von der Zivilgesellschaft akzeptiert und getragen wird. Der Ausschuss setzt sich daher nachdrücklich dafür ein, die Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft aktiv in die Vorbereitung und Nachbereitung der Rio+20-Konferenz einzubinden und zu gewährleisten, dass sie sich in den Verhandlungen auf der Konferenz und der Umsetzung der Ergebnisse wirksam Gehör ver- 3 ABl. C 100vom 30.4.2009, S. 53. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... -4schaffen können. Die bisherigen Beteiligungsformen sind kritisch daraufhin zu überprüfen, ob sie diese Aufgabe effizient erfüllen. Der Ausschuss unterstützt bereits im Vorfeld der Rio+20Konferenz aktiv diesen Prozess mit der Durchführung von Konferenzen mit der Zivilgesellschaft sowie durch Konsultationen mit Vertretern der europäischen Zivilgesellschaft und anderen Weltregionen. 1.13 Die Governance für nachhaltige Entwicklung sollte auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene ebenso wie auf Ebene des Unternehmensmanagements gestärkt werden. Dies setzt eine wirksame und institutionell abgesicherte Beteiligung der Zivilgesellschaft zu Themen und Projekten, die für die Ökologisierung der Wirtschaft und der nachhaltigen Entwicklung von Bedeutung sind, durch demokratische Prozesse und die Einrichtung von Dialogstrukturen voraus. Europa sollte seine positiven Erfahrungen aus der Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren, dem öffentlichen Zugang zu Umweltinformationen und dem Zugang zu Gerichten auf der Basis des so genannten Aarhus-Übereinkommens in die Diskussion auf dem Rio+20-Gipfel einbringen und auf Verankerung ähnlicher Strukturen auf globaler Ebene drängen. 1.14 Um dem Interesse einer langfristigen Nachhaltigkeit verstärkt und mit rechtlicher Autorität Gehör zu verschaffen, unterstützt der Ausschuss die Initiative des World Future Council, auf VN- und nationaler Ebene die Institution eines "Ombudsmannes für künftige Generationen" einzurichten. 1.15 Die EU und die Mitgliedstaaten sollten zunächst ihre eigenen Hausaufgaben zur nachhaltigen Entwicklung und der Umstellung auf eine grüne Wirtschaft erledigen. Auf die EU bezogen ist der Ausschuss der Überzeugung, dass die Verhandlungsposition der EU auf der Rio+20Konferenz gestärkt wird, wenn sie ihrer historischen Verantwortung gerecht wird und sich selbst ambitionierte Ziele für eine nachhaltige Entwicklung setzt. In einigen Bereichen hat sie das bereits getan, in anderen müssen die Bemühungen gewaltig verstärkt oder auf den Weg gebracht werden. Der Ausschuss fordert Rat, Kommission und Europäisches Parlament dringend auf, für 2020 alle bestehenden Emissionsminderungsziele voll umzusetzen und zu prüfen, ob das für 2020 gesetzte Emissionsminderungsziel nicht auf 25% erhöht werden sollte, um künftige Ziele kostenwirksam erreichen zu können und um den Weg für weitere globale Vereinbarungen zu bereiten. Zudem müssen alle erforderlichen Maßnahmen zur Verwirklichung des Ziels, die Energieeffizienz bis 2020 um 20% zu erhöhen, unverzüglich in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Ganz allgemein sollte die EU die politischen Auswirkungen der Umstellung auf eine umweltfreundlichere Wirtschaft für eine nachhaltigere Entwicklung bei der Festlegung des neuen mehrjährigen Finanzrahmens, bei der Gestaltung ihrer wichtigsten Politikmaßnahmen wie Landwirtschafts-, Kohäsions-, Handelsund Entwicklungspolitik und bei der weiteren Durchführung der Europa-2020-Strategie berücksichtigen. Nach der Rio+20-Konferenz sollte die EU ihre Nachhaltigkeitsstrategie überarbeiten. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... -52. Hintergrund 2.1 Die Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm am 24. Dezember 2009 eine Entschließung an, 2012 eine Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung (UNCSD) in Rio abzuhalten. 2.2 Der EWSA hat im Jahr 2010 den Ansatz der EU in Bezug auf dieses bedeutende Ereignis erörtert und eine erste Stellungnahme zu diesem Thema im September 2010 abgegeben4. Seitdem haben vorbereitende Treffen in New York und anderswo stattgefunden und die Europäische Kommission hat eine Mitteilung (KOM(2011) 363 endg.) zu möglichen Leitlinien der EU für die Verhandlungen auf den Rio+20-Gipfel vorgelegt. Aufbauend auf einer breiten Erörterung mit Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft entwickelt der EWSA in dieser Stellungnahme seine Positionen weiter und drängt darauf, eine Reihe von Punkten als Eckpfeiler in eine EU Verhandlungsstrategie für den Rio+20-Gipfel aufzunehmen. 2.3 Gemäß der Entschließung der Generalversammlung werden mit dieser Konferenz drei Ziele verbunden: 2.4 Gegenwärtiger Stand: Obwohl in einigen Aspekten der nachhaltigen Entwicklung in den letzten 20 Jahren durchaus Fortschritte erzielt wurden, verschärft sich die Lage in vielen Bereichen: 4 Erneuerung des politischen Engagements für die nachhaltige Entwicklung; Bewertung der bisherigen Fortschritte und der noch nicht umgesetzten Schlussfolgerungen der großen Weltgipfel zur nachhaltigen Entwicklung; Bewältigung neuer und zukünftiger Herausforderungen. die Armut ist in absoluten Zahlen gestiegen. 2,6 Mrd. Menschen leben von weniger als 2 Euro pro Tag; 1,5 Mrd. Arbeitnehmer, d.h. die Hälfte der global Erwerbstätigen, sind in unsicheren Verhältnissen beschäftigt. 2010 wurde die höchste Arbeitslosenrate seit Beginn der Aufzeichnungen festgestellt; die CO2-Emissionen und die Akkumulierung von Treibhausgasen in der Atmosphäre nehmen immer weiter zu, und der Klimawandel beeinträchtigt zunehmend die Lebensbedingungen in vielen Teilen der Welt; die Migration steigt weltweit an, was den Druck auf die Umwelt und die Versorgungssicherheit noch weiter erhöht; die derzeitige demografische Entwicklung lässt darauf schließen, dass die Weltbevölkerung bis 2050 auf rund 9 Mrd. Menschen anwachsen wird, wodurch sich diese Probleme noch weiter verschärfen. Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Auf dem Weg zu einem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2012", ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 65. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... -6- 2.5 Neue und zukünftige Herausforderungen: Die wachsende Weltbevölkerung sowie steigende Erwartungen an den Lebensstandard und der zunehmende Rohstoffverbrauch führen zur Verknappung von Nahrungsmitteln, Energie und anderen natürlichen Ressourcen. Dies hat einen Anstieg der Preise sowie ernste soziale und politische Probleme zur Folge. 2.6 Eine angemessene Ernährungs-, Energie- und Ressourcensicherheit für alle Menschen gegenwärtig und für künftige Generationen in einer Welt mit steigendem Bevölkerungswachstum und begrenzten natürlichen Ressourcen gewährleisten bzw. erreichen zu wollen, ist eine der größten neuen Herausforderungen in den kommenden 100 Jahren. Im Ergebnis bedarf es eines qualitativen wirtschaftlichen Wachstums, das Armut und soziale Ungerechtigkeit abzubauen hilft und zugleich die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen erhält. Die Schaffung der institutionellen Strukturen für die Bewältigung dieser Herausforderung sollte ein Schlüsselthema des Weltgipfels 2012 sein. 2.7 Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Regierungschefs sowie die Wirtschafts- und Finanzminister in den letzten drei Jahren stark beschäftigt. Diese akuten kurzfristigen Probleme dürfen jedoch nicht von den sich immer stärker manifestierenden Problemen der globalen Realwirtschaft und der dringlichen Notwendigkeit ablenken, die Weltwirtschaft in eine nachhaltigere, gerechtere und umweltfreundlichere Richtung zu lenken. Diese Umstellung ist selbst ein wichtiger Impulsgeber für neue Investitionen und Arbeitsplätze, sie sollte für mehr Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Stabilität und Widerstandsfähigkeit sorgen. Sie kann einen Beitrag zur Lösung der derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten leisten. 2.8 Erneuertes politisches Engagement: Die Rio+20-Konferenz bietet eine entscheidende Gelegenheit, um einen Rahmen für diese Umstellung zu konzipieren und das notwendige politische Engagement auf hoher Ebene für die Bewerkstelligung dieses Wandels zu erreichen. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass die Regierungschefs sich selbst mit diesen Fragen auseinandersetzen, an der Konferenz teilnehmen und sie zum Erfolg führen. Da die Umstellung der Weltwirtschaft das Schlüsselthema der Konferenz ist, müssen auch die für Finanzen, Umwelt und Entwicklung zuständigen Minister daran teilnehmen. 2.9 Nachhaltige Entwicklung ist auf zivilgesellschaftliche Initiativen und Beteiligung angewiesen. Die Zivilgesellschaft muss aktiv sowohl in die Vorbereitung des Gipfels als auch den Nachgang zu diesem und die Umsetzung der Ergebnisse eingebunden werden. Auf nationaler und internationaler Ebene sollten Dialogstrukturen geschaffen werden, um einen Dialog zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie zwischen der Zivilgesellschaft und politischen Entscheidungsträgern zu Themen in Zusammenhang mit der Ökologisierung der Wirtschaft und einer nachhaltigen Entwicklung zu ermöglichen. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... -72.10 Gemäß der Entschließung der Generalversammlung werden auf der Tagesordnung folgende zwei Themen stehen: eine grüne Wirtschaft vor dem Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung und der Armutsbekämpfung; der institutionelle Rahmen für die nachhaltige Entwicklung. 2.11 Es wird nicht möglich sein, sich auf einem einzigen Gipfel auf alle Maßnahmen zu einigen, die weltweit für eine Ökologisierung der Wirtschaft und eine effizientere Förderung der nachhaltigen Entwicklung notwendig sind. Der Ausschuss ist daher der Auffassung, dass das vordringliche Ziel auf der Rio+20-Konferenz sein sollte, einen soliden institutionellen Rahmen innerhalb der Vereinten Nationen für die Durchführung der Beschlüsse, die dauerhafte Förderung einer nachhaltigen Entwicklung weltweit und die Umsetzung eines Aktionsprogramms für die Ökologisierung der Weltwirtschaft in den folgenden Jahren zu schaffen. 3. Der institutionelle Rahmen – ein neuer Rat für nachhaltige Entwicklung 3.1 Auf internationaler Ebene ist die VN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) seit 19 Jahren für die Überwachung der Fortschritte bei der Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung weltweit verantwortlich. In ihrer gegenwärtigen Form ist sie jedoch nicht länger zielführend. Sie hat zwar einige Probleme korrekt analysiert, war jedoch nicht in der Lage, diesen mit substanziellen Maßnahmen zu begegnen. Es bedarf einer handlungsfähigeren Struktur innerhalb der Vereinten Nationen, um die großen globalen Nachhaltigkeitsfragen effizienter anzugehen. 3.2 Unter den verschiedenen Optionen zur Stärkung der institutionellen Struktur innerhalb der Vereinten Nationen befürwortet der Ausschuss das sich herauskristallisierende Konzept eines neuen Rates für nachhaltige Entwicklung, der direkt der Generalversammlung untersteht und die aktuellen Arbeiten des Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) und der Kommission für nachhaltige Entwicklung, die diese derzeit getrennt verfolgen, zusammenführt und potenziert. 3.3 Diesem Rat sollten alle Länder der Welt angehören, vertreten durch ihre politischen Führungsspitzen. Der Rat soll globale Maßnahmen zu allen Aspekten der nachhaltigen Entwicklung und die Umstellung auf eine umweltfreundlichere Wirtschaft fördern sowie Maßnahmen zu neuen und zunehmend wichtigen Themen wie Ernährungs- und Energiesicherheit anstoßen. 3.4 Dieser neue Rat sollte eng mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammenarbeiten, die ihrerseits einen neuen Auftrag erhalten sollten, namentlich die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung als neuer Schwerpunkt ihrer Arbeit. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... -83.5 Das Umweltprogramm (UNEP) und das Entwicklungsprogramm (UNDP) der Vereinten Nationen sollten gestärkt werden, damit sie im Verbund aussagekräftigere Beiträge zur Umwelt- und Entwicklungsdimension der nachhaltigen Entwicklung ausarbeiten können. 3.6 Governance auf nationaler Ebene: Parallel zur Schaffung handlungsfähiger Strukturen auf VN-Ebene müssen die politischen Verantwortungsträger den Weltgipfel auch dazu nutzen, ihre eigenen nationalen Mechanismen zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung neu zu beleben. 3.7 Die nationalen Strategien für nachhaltige Entwicklung müssen neu aufgelegt und überarbeitet werden und umfassend durch die Wirtschaft und alle Kräfte der Zivilgesellschaft mitgetragen werden. Beratende Gremien wie die Räte für nachhaltige Entwicklung müssen mit angemessenen Ressourcen ausgestattet werden, um ihrer Rolle als Ideenfabrik und Treiber des Fortschritts gerecht werden zu können. 3.8 Governance auf regionaler und lokaler Ebene: Es gibt viele hervorragende Beispiele in der ganzen Welt dafür, was die nachgeordneten Gebietskörperschaften erreichen können. Auf diesem Weltgipfel sollten die besten Beispiele als Vorbild herausgestellt und nationale Regierungen dazu angehalten werden, ihre lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu weiteren Fortschritten anzuhalten und sie dabei zu unterstützen. 3.9 Die Rolle der Wirtschaft und der Sozialpartner: Ausgehend von vorbildlichen Verfahrensweisen ist die Zeit gekommen, um bewährte nachhaltige Unternehmenspraktiken durch die Schaffung eines Rahmenabkommens über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen für Nachhaltigkeit und eines Rahmenabkommens für Rechenschaftspflicht auf der Grundlage von ISO 26000 umfassender zu fördern. Diesbezügliche Verhandlungen sollten auf dem Weltgipfel angestoßen werden. Sozialpartner sollen in diesem Prozess umfassend beteiligt werden. 3.10 Die Rolle der Zivilgesellschaft: Der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise kann nur gelingen, wenn die Zivilgesellschaft aktiv in diesen Prozess eingebunden ist. Dies setzt demokratische Prozesse sowie die Einrichtung von Dialogstrukturen zwischen der Zivilgesellschaft und den politischen Entscheidungsträgern voraus. Informationen über die Umwelt, über Fortschritte hin zu einer grüneren Wirtschaft und über weitere Aspekte der nachhaltigen Entwicklung müssen in allen Ländern allgemein zugänglich gemacht werden, damit eine sachkundige öffentliche Debatte über diese Schlüsselfragen stattfinden kann. In Europa hat das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (das so genannte Aarhus-Übereinkommen) aus dem Jahr 1998 erfolgreich zur Ausweitung und Verankerung der Rechte der Öffentlichkeit auf Information und zur Förderung der öffentlichen Teilhabe und des Zugangs zu Gerichten beigetragen. Auf dem Gipfel sollte die Formulierung vergleichbarer Übereinkommen in allen Regionen der Welt gefördert und der neue Rat für NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... -9nachhaltige Entwicklung mit der Verfolgung dieses Ziels in einem globalen Rahmen beauftragt werden. 3.11 Ombudsmann für künftige Generationen: Die Bedürfnisse der künftigen Generationen sind ein grundlegender Aspekt der nachhaltigen Entwicklung; sie sind jedoch nicht in den relevanten Entscheidungsprozessen vertreten. Um diesem Umstand abzuhelfen und den langfristigen Interessen verstärkt und mit rechtlicher Autorität Gehör zu verschaffen, unterstützt der Ausschuss die Initiative des World Future Council5, auf VN- und nationaler Ebene die Institution eines Ombudsmannes für künftige Generationen zu schaffen. 4. Eine grüne Wirtschaft 4.1 Derzeit ist die Funktionsweise der Weltwirtschaft nicht auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. Aus ökologischer Sicht fördert sie einen übermäßigen Verbrauch an natürlichen Ressourcen, ermöglicht Umweltverschmutzung und ist nicht in der Lage, den Klimawandel abzufedern; aus sozialer Sicht ist sie für große Arbeitslosigkeit und Armut sowie einen weit verbreiteten schlechten Gesundheitszustand und Bildungsmangel verantwortlich. 4.2 Eine Ökologisierung der Weltwirtschaft bedeutet eine Neuausrichtung ihrer Funktionsweise auf nachhaltigere Ergebnisse. Wirtschaftsziele müssen im Hinblick auf ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung überprüft werden. Sämtliche wirtschaftspolitischen Instrumente müssen so konfiguriert werden, dass sie die Wirtschaft auf nachhaltigere Entwicklungspfade lenken können. 4.3 Wirtschaftliches Wachstum war in der bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung eine wichtige Voraussetzung, um den allgemeinen Lebensstandard zu steigern. Es muss auch künftig ein zentrales Ziel bleiben, insbesondere für sich entwickelnde Länder, in denen menschenwürdige Lebensbedingungen für alle erst noch zu schaffen sind. Eine grüne Wirtschaft ist darauf gerichtet, ökonomisches Wachstum von negativen Umweltauswirkungen abzukoppeln. Sie muss Element einer Strategie zur nachhaltigen Entwicklung sein, die auf ein qualitatives wirtschaftliches Wachstum abzielt, dass Armut und soziale Ungerechtigkeit abzubauen hilft und zugleich die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen erhält. Die Umorientierung zu einer grünen Wirtschaft hat die grundlegenden Prinzipien Gerechtigkeit, Zusammenarbeit und gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung zu berücksichtigen. 4.4 Der Ausschuss erachtet es als positiv, dass in den internationalen Klimaverhandlungen nunmehr auch die soziale Dimension und der Aspekt der menschenwürdigen Arbeit bei der Umstellung auf eine CO2-arme Wirtschaft berücksichtigt werden; dies ist in der gemeinsamen Vision für ein langfristiges globales Handeln im Cancún-Übereinkommen verankert. Er unterstützt die politischen Empfehlungen der IAO zu grünen Arbeitsplätzen und betont insbeson- 5 http://www.futurejustice.org/action-the-campaign/?section=full#21. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... - 10 dere, dass die Sozialpartner aktiv in den Wandel des Arbeitsumfelds eingebunden werden müssen. 4.5 Die Aufgabe der Ökologisierung der Wirtschaft ist sehr umfangreich und muss in vielen verschiedenen Bereichen angegangen werden: auf internationaler, nationaler sowie regionaler und lokaler Regierungsebene; in zahlreichen Wirtschaftssektoren; unter Einbeziehung verschiedenster Unternehmen, der Sozialpartner und weiterer Wirtschaftsakteure sowie; unter Einbeziehung der Bürger und Konsumenten. 4.6 Auf der Rio+20-Konferenz sollte ein neues politisches Engagement zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und einer Umstellung auf eine grüne Wirtschaft überall auf der Welt beschworen werden. Die Konferenzteilnehmer sollten Grundsätze für eine Umstellung auf eine umweltfreundlichere Wirtschaft aufstellen. Außerdem sollten sie den verantwortlichen Organen der Vereinten Nationen das Mandat erteilen, ein aktionsorientiertes Arbeitsprogramm zu den Schlüsselfragen für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung weltweit auszuarbeiten. 4.7 Mandat zur "grünen Wirtschaft" für die Organe der Vereinten Nationen: Der Ausschuss schlägt vor, sechs Pfeiler oder Hauptpunkte in ein Mandat für die weitere Arbeit der Gremien der VN für nachhaltige Entwicklung aufzunehmen: Messung des Fortschritts auf dem Weg zu einer grünen Wirtschaft; ordnungspolitische Maßnahmen zum Übergang in eine grüne Wirtschaft; Nachhaltigkeitserziehung zur Förderung einer grünen Wirtschaft; finanzpolitische Instrumente zur Förderung einer grünen Wirtschaft; staatliche Ausgaben und Investitionen in eine grüne Wirtschaft; Zielfestlegungen für eine grüne Wirtschaft. 4.8 Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben mannigfaltige Erfahrungen bei der Anwendung von Politikinstrumenten zur Förderung der Nachhaltigkeit gesammelt Die EU sollte daher diese Erfahrungen aktiv auf der internationalen Ebene einbringen. 4.9 Messung des Fortschritts auf dem Weg zu einer grüneren Wirtschaft: Es müssen eindeutige Parameter für die Messung der Fortschritte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit festgelegt werden. Es sind Methoden zu entwickeln, wirtschaftlichen Fortschritt an der Verbesserung des menschlichen Wohlergehens und der Lebensqualität zu messen unter Berücksichtigung der Bekämpfung von Armut, Schaffung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und der Erhaltung der natürlichen Umwelt. Insbesondere müssen Methoden vereinbart werden, um die Beanspruchung von verschiedenen Arten von Naturkapital in Boden, Wasser, Luft und den jeweiligen Ökosystemen durch Wirtschaftstätigkeit zu messen. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... - 11 - 4.10 Auf dem Gipfel sollte ein Zeitplan für die Einrichtung eines Systems der Messung des Fortschritts auf dem Weg zur grünen Wirtschaftsweise vereinbart werden. 4.11 Der EWSA hatte bereits mit der Stellungnahme "Jenseits des BIP – Messgrößen für nachhaltige Entwicklung"6 Überlegungen hinsichtlich der Grenzen des BIP, möglicher Korrekturen und Ergänzungen wie auch zur Notwendigkeit der Erarbeitung neuer Kriterien angestellt, mit denen zusätzliche Indikatoren für Wohlergehen und (wirtschaftliche, soziale und ökologische) Nachhaltigkeit festgestellt werden können. Der EWSA beabsichtigt noch vor der Rio+20Konferenz, seinen Standpunkt dazu vorzulegen, wie die Zivilgesellschaft in die Entwicklung dieser Indikatoren einbezogen werden soll. 4.12 Ordnungspolitische Maßnahmen: In der EU sind die Effizienznormen für viele verschiedene Erzeugnisse und Verfahren (insbesondere Energieeffizienznormen) durch die schrittweise Verschärfung der Mindestnormen über die Jahre immer höher angesetzt worden. Die EU sollte daher einen vergleichbaren Mechanismus für die Förderung einer solchen Entwicklung auf internationaler Ebene vorschlagen. Es ist möglicherweise auch angebracht, neue internationale Initiativen zum Chemikalienmanagement sowie zur Regelung der Auswirkungen von neuen sich entwickelnden Technologien, wie beispielsweise der Nanotechnologie zu entwickeln. 4.13 Nachhaltigkeitserziehung und Informationsaustausch: Einige Länder, Regionen, Städte, Unternehmen usw. haben in der Praxis bereits aufgezeigt, dass die Umstellung auf eine nachhaltige Entwicklung erfolgreich bewerkstelligt werden kann. 4.14 Europa hat Nachhaltigkeitserziehung und Informationskampagnen zu bewährten Verfahren und neuen Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit aktiv gefördert. Die Erfahrungen hieraus sollten in die internationale Diskussion von Instrumenten für eine grüne Wirtschaft einfließen 4.15 Finanzpolitische Maßnahmen: Auf dem Gipfel sollten weitere Impulse für nationale und internationale Bemühungen zur Ökologisierung der Finanzpolitik gegeben werden, indem widersinnige Beihilfen abgeschafft werden und die Steuerpolitik so gestaltet wird, dass Beschäftigung erleichtert wird und Umweltbelastungen und der Verbrauch fossiler Brennstoffe und anderer natürlicher Ressourcen erschwert werden. Es ist außerdem an der Zeit, eine neue Initiative mit Blick auf eine international vereinbarte Besteuerung von Finanztransaktionen zu lancieren und die Einnahmen daraus für Investitionen in nachhaltige Entwicklung zu verwenden. 4.16 Investitionen in Forschung und Entwicklung: Die verantwortlichen Organe der Vereinten Nationen sollten damit beauftragt werden, zu identifizieren, in welchen Bereichen der Forschung und Entwicklung von Technologien und Instrumenten für eine grüne Wirtschaft eine 6 ABl. C 100 vom 30.4.2009, S. 53. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... - 12 Bündelung von FuE-Anstrengungen durch internationale Kooperationen nützlich wäre. Es ist wichtig, dass neue umweltfreundlichere Technologien zügig in der ganzen Welt eingesetzt werden. Die verantwortlichen Organe der Vereinten Nationen sollten insbesondere Hemmnisse für einen raschen Transfer dieser Technologien ermitteln und Möglichkeiten zu ihrem Abbau entwickeln. 4.17 Das öffentliche Beschaffungswesen kann ein wirkungsvolles Instrument sein, um Unternehmen zur Bereitstellung umweltfreundlicherer Erzeugnisse und Dienstleistungen anzuhalten. Europa verfügt über Erfahrungen bei der Anwendung des "grünen" öffentlichen Beschaffungswesens unter Wahrung der Grundsätze des freien Handels in einem europäischen Rahmen. Die verantwortlichen Organe der Vereinten Nationen sollten insbesondere mit der weltweiten Förderung bewährter Verfahren in diesem Bereich beauftragt werden. 4.18 Investitionsflüsse – ein neuer Global Deal: Laut zuverlässigen Schätzungen beläuft sich der Gesamtinvestitionsbedarf für die Umstellung auf eine CO2-arme Wirtschaft alleine im Energiesektor auf mehrere Billionen Euro in den kommenden 40 Jahren. Für weitere Aspekte der Nachhaltigkeitswende werden ebenfalls große Summen erforderlich sein. Die verantwortlichen Organe der Vereinten Nationen sollten damit beauftragt werden ein Forum zur Überwachung der wichtigsten globalen Investitionsflüsse zu bieten und zu ermitteln, wo diese erhöht oder umgelenkt werden müssen, um die Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft zu bewerkstelligen. 4.19 Die Kapazitäten der einzelnen Länder in Bezug auf natürliche, wirtschaftliche und Humanressourcen zur Bewerkstelligung der Nachhaltigkeitswende variieren stark. Eine der allerwichtigsten Herausforderungen für den Weltgipfel 2012 ist es, einem "Global Deal" mehr Inhalt und Umfang zu geben, um öffentliche und private Ressourcen für Programme für Kapazitätenaufbau, Technologietransfer und nachhaltige Investitionen zu mobilisieren und die am wenigstens entwickelten Länder (LDC) und andere Entwicklungsländer auf faire Weise in ihren Anstrengungen zu unterstützen, mit der Nachhaltigkeitswende Schritt zu halten. Die verantwortlichen Organe der Vereinten Nationen sollten die Fortschritte bei der Einhaltung der finanziellen und sonstigen Verpflichtungen zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Nachhaltigkeitswende überwachen. 5. Ziele in Schlüsselsektoren 5.1 Das Konzept einer grüneren Wirtschaft wird sich auf alle wichtigen Wirtschaftssektoren auswirken. Sämtliche Sektoren müssen ihre Nutzung von Energie und den anderen natürlichen Ressourcen effizienter gestalten, die Auswirkungen von Verschmutzung und Abfallerzeugung verringern, der natürlichen Umwelt und der biologischen Vielfalt mehr Aufmerksamkeit widmen sowie Chancengleichheit und Gerechtigkeit sicherstellen. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... - 13 5.2 Die internationalen Entwicklungsziele sind derzeitig auf die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele ausgerichtet. Nach Ansicht des Ausschusses sollten im Zuge ihrer für 2015 geplanten Überarbeitung neue internationale Entwicklungsziele für den kommenden Zeitraum festgelegt werden, bei denen der nachhaltigen Entwicklung mehr Gewicht beigemessen wird. Auf dem Weltgipfel sollte dies als allgemeines Ziel angenommen und der neue Rat für nachhaltige Entwicklung mit der Vorlage spezifischer Vorschläge zu den Schlüsselsektoren beauftragt werden. In den folgenden Ziffern werden die Prioritäten in einigen der Schlüsselsektoren umrissen. 5.3 Energiesektor: Die Ökologisierung des Energiesektors ist die allergrößte Herausforderung im Rahmen des gesamten Projekts "grüne Wirtschaft". 5.4 Die Umstellung auf eine grünere Wirtschaft erfordert einen radikalen Wandel des Energiesektors weg von fossilen Brennstoffen hin zu CO2-armen bzw. -freien Energiequellen wie erneuerbare Energieträger. Gleichzeitig müssen für einen wirtschaftlicheren und effizienteren Wandel sämtliche Sektoren erhebliche Anstrengungen unternehmen, um Energie effizienter zu nutzen und so den Anstieg der weltweiten Energienachfrage zu stoppen oder zu verringern. 5.5 Der Zugang zu sauberen, erschwinglichen und modernen Energiediensten ist für die Förderung einer nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele unerlässlich. Laut internationaler Energie-Agentur sind mehr als 1,4 Mrd. Menschen weltweit ohne Stromzugang. Eine weitere Milliarde hat nur Zugang zu unzuverlässigen Energienetzen. Vor kurzem hat die VN-Generalversammlung 2012 zum "Internationalen Jahr der erneuerbaren Energie für alle" ausgerufen. Dies bietet endlich die dringend notwendige Gelegenheit, die internationale Aufmerksamkeit stärker auf die Energiearmut sowie bezahlbare Lösungen und Unternehmensmodelle zu richten, die bereits bestehen und auf globaler Ebene Anwendung finden können. Der Ausschuss hat sich aktiv in die Debatte über nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Energie eingebracht und wird auch in Zukunft weiter Beiträge zu diesem wichtigen Thema leisten. 5.6 Viele Menschen haben immer noch keinen ausreichenden Zugang zu Energie (Energiearmut). Der Übergang zu umweltverträglichen Formen der Energieversorgung muss die ausreichende Versorgung mit Energie zu zumutbaren Preisen für ärmere Bevölkerungskreise als vorrangiges Ziel haben. 5.7 Landwirtschaft, biologische Vielfalt und natürliche Umwelt: Der Ausschuss verurteilt aufs Schärfste, dass weltweit, vor allem in Entwicklungsländern, eine Milliarde Menschen Hunger leiden, was in völligem Widerspruch zur Verwirklichung des ersten Millenniums-Entwicklungsziels steht. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... - 14 5.8 Der Ausschuss fordert die Weltgemeinschaft auf, das Recht auf Ernährung auf internationaler und nationaler Ebene anzuerkennen, das Recht auf eigenes Land sowie auf Zugang zu Land und Wasser zu verbessern und den großflächigen Aufkauf von Land durch staatliche Akteure und private Investoren in Entwicklungsländern ("land grabbing") unter Kontrolle zu halten. 5.9 In vielen Teilen der Welt muss die Landwirtschaft aus dem Blickwinkel der grünen Wirtschaft, der Gewährleistung der Ernährungssicherheit für alle, der Erhaltung des Naturkapitals des Bodens und seiner Artenvielfalt sowie der Förderung der Ressourceneffizienz in diesem Bereich eingehend überdacht werden. Insbesondere die Wasserressourcen müssen besser verwaltet und geschützt werden. Es müssen neue Ziele für diese Bereiche festgelegt werden. 5.10 Der EWSA sieht den Schlüssel für eine nachhaltige Landwirtschaft in der Erhaltung einer quantitativ ausreichenden, qualitativ hochwertigen und regional differenzierten, flächendeckend betriebenen und naturverträglichen Nahrungsmittelerzeugung, die ländliche Räume schützt und pflegt, die Vielfalt und Unterscheidungsmerkmale der Produkte erhält und die vielfältigen und artenreichen Kulturlandschaften und die ländlichen Räume fördert7. Obwohl weltweit eine höhere Biodiversität gefordert ist, lässt sich weiterhin ein Artenverlust feststellen. Auch andere Faktoren - Forstwirtschaft, Bergbau, Industrie sowie nicht zuletzt das Bevölkerungswachstum - bedrohen die Artenvielfalt. 5.11 Wirksame Maßnahmen für eine bessere und transparente Funktionsweise der Landwirtschaftsmärkte sind einzuleiten. Die Volatilität und unzumutbare Steigerung der Nahrungsmittelpreise muss bekämpft werden. Die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen zur Energieerzeugung darf nicht zu Lasten der globalen Nahrungsmittelversorgung gehen. Die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln ist durch Vorratshaltung auf regionaler Ebene zu gewährleisten. Außerdem sollte eine stärkere Nutzung der Restbiomasse aus Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung angestrebt werden. 5.12 Die Rechte der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft sind durch die Umsetzung der bestehenden IAO-Übereinkommen sicherzustellen. Die aktive Teilhabe der Zivilgesellschaft bei der Durchführung von Nachhaltigkeitsprojekten auf lokaler und nationaler Ebene ist unabdingbar, hierbei ist in den Entwicklungsländern auch insbesondere die Rolle der Frauen zu betonen. 5.13 Meeresumwelt: Die Meeresumwelt ist gekennzeichnet durch Verschmutzung, Überfischung und Raubbau an anderen marinen Ressourcen. Die Konferenzteilnehmer sollten die verantwortlichen Organe der Vereinten Nationen mit der Einleitung eines neuen internationalen Prozesses beauftragen, um die bestehenden Mechanismen für den Schutz der Meeresumwelt zu stärken und zu koordinieren und Fischbestände und andere Meeresressourcen effektiver als unter den gegenwärtigen Regelungen zu schützen. 7 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2013", ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35. NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... - 15 6. Verantwortung zeigen 6.1 Um glaubwürdig zu sein, muss die EU zunächst ihre eigenen Hausaufgaben in Sachen Nachhaltigkeit erledigen. 6.2 Die Mitgliedstaaten und die EU müssen gemeinsam ihr politisches Engagement für eine nachhaltige Entwicklung bekräftigen, indem die Verantwortung hierfür bei den Regierungschefs angesiedelt wird, die darin angemessen seitens der Wirtschafts- und Finanzministerien sowie der Umwelt- und sonstigen Ministerien unterstützt werden; ihre eigenen Strategien und Aktionsprogramme für nachhaltige Entwicklung neu beleben; umfassend mit den Unternehmen und allen Teilen der Zivilgesellschaft bei der Vorbereitung des Weltgipfels und dem Nachgang zu diesem sowie bei der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und einer grünen Wirtschaft zusammenarbeiten. * * * Aktionsplan Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich vorgenommen, den Prozess hin zu der VN-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung 2012 in Rio aktiv zu begleiten. Bereits während der Erarbeitung dieser Stellungnahme haben Anhörungen am 23. März 2011 und am 7. Juli 2011 stattgefunden. Nach der Verabschiedung der Stellungnahme wird sich der Berichterstatter aktiv darum bemühen, die EWSA-Position in den interinstitutionellen Dialog hin zu einer gemeinsamen EU-Position einzubringen. Auf der Basis der verabschiedeten Stellungnahme wird der EWSA den Dialog mit der europäischen organisierten Zivilgesellschaft noch weiter ausbauen. Geplant sind gemeinsame Treffen mit der Liaison-Gruppe, mit Vertretern nationaler Wirtschafts- und Sozialräte, und darüber hinaus mit weiteren Organisationen und Netzwerken der Zivilgesellschaft, die ebenfalls im Prozess sind, ihre Positionen für die Rio+20-Konferenz zu definieren. Eine für Anfang 2012 geplante größere Konferenz des EWSA wird einen weiteren Meilenstein in diesem zivilgesellschaftlichen Diskussionsprozess darstellen. Über den inner-europäischen Dialog hinaus behandelt der EWSA das Thema der Rio+20-Konferenz im Rahmen seiner Beziehungen zu Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft aus anderen Weltregionen, insbesondere mit Brasilien, dem Gastgeberland der Konferenz, China und Süd- NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd .../... - 16 afrika. Der Berichterstatter wird sich aktiv in diesen Dialog einbringen, um gemeinsame Schwerpunkte in den Zielen der organisierten Zivilgesellschaft aus verschiedenen Weltregionen zu definieren und diese Positionen im Juni 2012 in Rio de Janeiro einzubringen. Außerdem wird der Berichterstatter den EWSA im Diskussionsprozess über Rio+20 im Rahmen der Internationalen Vereinigung der Wirtschafts- und Sozialräte und vergleichbaren Einrichtungen (AICESIS) vertreten. Neben der eigentlichen Konferenz sind für das nächste Jahr einige Treffen mit unseren internationalen Partnern in Rio geplant. Brüssel, den 22. September 2011 Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses Staffan NILSSON _____________ NAT/499 - CESE 1386/2011 (EN DE EN) KI/UR-KI-JB/CD-KI/hd